Mieser Betrug mit Pferden?
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Abgebranntes Clubhaus: Beerster Yachtclub nimmt den Wiederaufbau ins Visier. 29|Geestland<br />
Sonnabend, 3. März 2018 Seite 25<br />
LANDKREIS CUXHAVEN<br />
Schützenkreis vor<br />
ungewisser<br />
Zukunft<br />
30 |Wurster Nordseeküste<br />
RASER SORGEN FÜR FRUST<br />
Anwohner imHermann-Harms-Weg<br />
beklagen „Rennstrecke“. 27|Geestland<br />
PAKET INDER ABFALLTONNE<br />
Zusteller „entsorgt“ Lieferung –DHL<br />
reagiert spät auf Beschwerde. 33|Loxstedt<br />
Moin<br />
Von Andreas Schoener<br />
Was würdest<br />
du machen,<br />
wenn du einen<br />
Wunsch frei hättest?<br />
Ich hörte die<br />
Frage wohl, die der<br />
junge Mann amNebentisch seiner<br />
Holden ineinem Café inBad<br />
Bederkesa stellte. Und natürlich<br />
wollte ich die Antwort wissen.<br />
„Eine Million Euro“, entgegnete<br />
die junge Dame spontan. War irgendwie<br />
zuerwarten. Träumen<br />
wir nicht (fast) alle vom großen<br />
Geld und den da<strong>mit</strong> verbundenen<br />
Annehmlichkeiten: ein Urlaub im<br />
Fünf-Sterne-Hotel, eine neue<br />
Wohnungseinrichtung oder vielleicht<br />
sogar ein neues Haus?! Der<br />
Möglichkeiten, sein Geld auszugeben<br />
–wenn man denn mehr als<br />
genug davon hat –gibt esviele,<br />
dachte ich und spazierte weiter<br />
durch den Ort. Da begegnete mir<br />
eine Frau <strong>mit</strong> Kind. Das kleine<br />
Mädchen, schwer behindert, saß<br />
im Rollstuhl. Und da wurde mir<br />
wieder klar: Es gibt Dinge im Leben,<br />
die sind so unendlich viel<br />
wichtiger als Geld. Weil man sie<br />
nicht kaufen kann. Als ich ins<br />
Café zurückkehrte, waren der<br />
junge Mann und seine Holde<br />
schon weg. Leider.<br />
Prioritätenliste<br />
Radwegeplan:<br />
Kreis räumt<br />
neue Fehler ein<br />
KREIS CUXHAVEN. Die Fehlschläge<br />
rund um den Radwegeplan für<br />
den Kreis Cuxhaven reißen nicht<br />
ab. Nach dem Bekanntwerden<br />
eklatanter Fehler Anfang Februar<br />
sollte das beauftragte Planungsbüro<br />
aus Rheinland-Pfalz nachbessern.<br />
Das ist offenbar misslungen.<br />
Wie Andreas Frühauf vom<br />
Landkreis einräumte, musste<br />
jüngst sogar ein Gespräch <strong>mit</strong><br />
den Bürgermeistern absagt werden,<br />
weil die nachgebesserte Version<br />
des Radwegeplans erneut<br />
gravierende Mängel aufwies.<br />
„Der Plan hat trotz unserer Anmerkungen<br />
wieder Fehler enthalten“,<br />
gibt Frühauf zu. Dem Vernehmen<br />
nach standen sogar wieder<br />
Radweg-Projekte ganz oben<br />
auf der Prioritätenliste, die bereits<br />
gebaut wurden. Ein neuer Anlauf<br />
zur Diskussion des Radwegeplans<br />
<strong>mit</strong> den Bürgermeistern will man<br />
nun am 12. März unternehmen.<br />
Bis dahin sollen laut Frühauf die<br />
Kommunen dem Kreis <strong>mit</strong> Rückmeldungen<br />
zum Radwegeplan<br />
helfen. Parallel werde man zusammen<br />
<strong>mit</strong> dem Planungsbüro<br />
nacharbeiten. Die Kreispolitik<br />
diskutiert den Plan erneut am 4.<br />
April im Bauausschuss. (jg)<br />
SkelettierteLeiche<br />
Rechtsmediziner<br />
untersuchen noch<br />
KÖHLEN/HIPSTEDT. Noch ist die<br />
Identität der skelettierten Leiche<br />
nicht geklärt, die davor gut einer<br />
Woche inder Nähe des Köhlener<br />
Waldgebietes Westerholz gefunden<br />
wurde. „Bis heute gibt es keine<br />
neuen Meldungen“, erklärt<br />
Rainer Brenner, Sprecher der Polizei<br />
in Cuxhaven. Die Rechtsmediziner<br />
seien weiterhin dabei, die<br />
Knochen zu untersuchen. Deshalb<br />
ginge man davon aus, dass<br />
<strong>mit</strong> einem Ergebnis nicht mehr in<br />
dieser Woche zu rechnen sei.<br />
Entdeckt hatte die Leiche ein<br />
Jäger aus Köhlen, als er bei der<br />
Fährtensuche im Bereich Westerholz<br />
auf Knochenteile stieß. Die<br />
Vermutung liegt nahe, dass sie zu<br />
der 74Jahre alten Brigitte W.aus<br />
Hipstedt gehören, die seit dem<br />
25. Juli 2017 vermisst wird. (as)<br />
Patricia T. blickt auf das Bild ihrer Stute Hot Chili Rita.<br />
Es ist das Einzige, was ihr vom Pferd geblieben ist.<br />
Wo Hot Chili Rita jetzt ist, ob sie noch lebt, ist<br />
ungewiss. „Wir fühlen uns betrogen“, sagt Patricia T.<br />
Sie ist nicht allein.Inzwischen sind es bundesweit<br />
43 Betroffene,deren Pferde verschwunden sind,<br />
obwohl sie die Tiere als Rentnerpferde imCuxland<br />
in guten Händen wähnten. VON JENS GEHRKE<br />
Mehr als 20Anzeigen wurden<br />
gegen die Käuferin<br />
der Pferde aus der Gemeinde<br />
Beverstedt gestellt. Der<br />
Staatsanwalt er<strong>mit</strong>telt wegen <strong>Betrug</strong>s:<br />
Die Tiere könnten womöglich<br />
unrechtens weiterverkauft<br />
worden sein. Die Käuferin weist<br />
gegenüber der NORDSEE-ZEI-<br />
TUNG alle Vorwürfe zurück.<br />
Bei Patricia T. aus Schwanewede<br />
fing es so an wie bei vielen anderen<br />
Betroffenen: Sie wurde auf<br />
eine Anzeige im Internet aufmerksam.<br />
Auf einem Internetportal<br />
wurde ein „Platz für ein Rentnerpferd“<br />
angeboten, das als Beistellpferd<br />
„<strong>mit</strong> einer Stute das Leben<br />
genießen“ und „den Job des<br />
Erziehers für die Jungpferde“<br />
übernehmen solle. „Schöne Rentneraufgabe<br />
an der See zuvergeben“,<br />
stand über der Anzeige.<br />
Patricia T. und ihre Mutter Birgit<br />
waren sofort begeistert. Genau<br />
das Richtige für den Lebensabend<br />
von Hot Chili Rita, ihrer 23-jährigen<br />
Hannoveraner Fuchsstute.<br />
Patricia T. wollte genau wissen,<br />
wohin sie Hot Chili Rita abgibt.<br />
„Ich habe mir den Hof angeguckt.<br />
Wir haben uns monatelang <strong>mit</strong><br />
der Käuferin geschrieben“, erinnert<br />
sich Patricia T. Die Käuferin,<br />
die inzwischen beschuldigte Beverstedterin,<br />
baute Vertrauen auf,<br />
versprach, dass Patricia T. ihre<br />
Stute besuchen könne, sie werde<br />
ihr zudem regelmäßig Fotos von<br />
dem Tier schicken.<br />
Patricias Mutter verkaufte dann<br />
das Pferd für einen symbolischen<br />
Euro an die Frau aus der Gemeinde<br />
Beverstedt. Doch sie war<br />
– anders als angenommen – offenbar<br />
nicht die einzige. Mit ihr<br />
sind es 43 Betroffene, die verkauft<br />
haben. Siekommenaus Berlin,<br />
Dortmund oder Hannover.<br />
Ihre Pferde heißen Snowflake, Picasso,<br />
Carl Gustav, Diplomat<br />
oder Rubinrot 4. Und in allen<br />
Beate L.aus der Region Hannover hat der Beschuldigten ihr Pferd Wim<br />
Bob Walton übergeben.Sie erhielt nach eigenen Angaben das Versprechen,den<br />
Fuchswallach besuchen zu dürfen –dazu kam es nicht. Foto privat<br />
<strong>Mieser</strong> <strong>Betrug</strong> <strong>mit</strong><br />
geliebten <strong>Pferden</strong>?<br />
Fällen hieß esplötzlich, das Pferd<br />
sei verstorben oder der Kontakt<br />
brach ab. Eine <strong>Betrug</strong>smasche?<br />
Einer Frau aus dem Großraum<br />
Osnabrück fiel auf, dass ihr abgegebenes<br />
Pferd anderswo wieder<br />
zum Kauf angeboten wurde –für<br />
mehrere tausend Euro. Parallel<br />
lief eine Suchaktion in sozialen<br />
Netzwerken, die Betroffenen erfuhren<br />
voneinander. „Ohne Facebook<br />
hätten wir alle uns nie gefunden“,<br />
sagt Beate L.aus der Region<br />
Hannover.<br />
Auch sie ist betroffen. Auch sie<br />
weiß nicht, was <strong>mit</strong> ihrem Pferd<br />
Wim Bob Walton passiert ist.<br />
„Aus unserer Sicht wurde hier<br />
versucht, sich auf arglistige Weise<br />
an uns zu bereichern“, sagt L.<br />
„Die Pferde wurden unter immer<br />
dem gleichen Vorwand aufgenommen.“<br />
Der Verdacht: Die<br />
Pferde wurden alle verkauft oder<br />
geschlachtet. Durch die hohe Anzahl<br />
der Vorbesitzer, die sich betrogen<br />
fühlen, ist vieles in Bewegung<br />
geraten.<br />
Kai Thomas Breas, Sprecher<br />
der Staatsanwaltschaft Stade, bestätigt,<br />
dass ein halbes Dutzend<br />
Anzeigen vorliegen. Die Staatsanwaltschaft<br />
sehe einen Anfangsverdacht<br />
und gehe den Fällen nach.<br />
Sollte sich der Verdacht erhärten,<br />
steht am Ende der Verfahrens<br />
möglicherweise eine Anklage wegen<br />
<strong>Betrug</strong>s.<br />
Auch bei den Staatsanwaltschaften<br />
in Hannover und Verden<br />
liegen Anzeigen vor. Markus<br />
Heusler, Sprecher der Staatsanwaltschaft<br />
Verden, bestätigt, dass<br />
dort ebenfalls Er<strong>mit</strong>tlungen aufgenommen<br />
wurden.<br />
Anwalt: Saubere Verträge<br />
Franziska P.aus Brandenburg hat ihren Wallach Callando in dieHände<br />
der Beschuldigten aus der Gemeinde Beverstedt gegeben. Sie gibt an,<br />
vom Lebensgefährten der Beschuldigten bedroht und beleidigt worden zu<br />
sein und hat Anzeige erstattet.Das Amtsgericht Geestland bestätigt,dass<br />
im Juli ein Termin angesetzt ist.<br />
Foto Leonie Beneker/privat<br />
Der Anwalt der Beverstedterin ist<br />
Thomas Domanski. Auf Anfrage<br />
bestätigt er, dass Pferdekaufverträge<br />
zustande gekommen seien<br />
und das Eigentum an den Tieren<br />
auf seine Mandantin, die Käuferin,<br />
übergangen sei. Die Verträge<br />
seien sauber aufgesetzt. „Angebliche<br />
Nebenabreden hätten schriftlich<br />
fixiert werden müssen“, sagt<br />
Domanski. Das sei aber nicht der<br />
Fall. Die Verkäufer hätten ihre<br />
Tiere offenbar einfach „loswerden“<br />
wollen.<br />
Die Beschuldigte selbst äußert<br />
sich auch gegenüber der NORD-<br />
SEE-ZEITUNG, will ihren Namen<br />
aber nicht in der Zeitung lesen.<br />
Sie betont, dass sie die Pferde<br />
gekauft habe und vergleicht es<br />
<strong>mit</strong> einem Autokauf. Wenn man<br />
ein Fahrzeug erwerbe, dürfe der<br />
Vorbesitzer ja auch nicht bestimmen,<br />
wo man eszuparken habe.<br />
Die Beschuldigte sieht hier vor<br />
allem eine Kampagne am Werk.<br />
Die Vorbesitzer hätten sich bei<br />
Facebook „zusammengetan“ und<br />
übten nun „Psycho-Terror“ aus,<br />
sie werde im Zusammenhang <strong>mit</strong><br />
»Wir fühlen uns betrogen.«<br />
Patricia T.,Schwanewede<br />
der Pferde-Mafia erwähnt, die<br />
kranke Tiere zum Verkauf fitspritze.<br />
Mit der habe sie aber<br />
nichts zu tun. „Die wollen mein<br />
Leben kaputtmachen“, ärgert sie<br />
sich. Sie habe Anzeige gegen die<br />
Akteure erstattet. Möglicherweise<br />
könnten sich die Vorbesitzer<br />
nicht da<strong>mit</strong> abfinden, dass sie die<br />
Tiere abgegeben hätten, mutmaßt<br />
sie. Hot Chili Rita etwa sei gestorben.<br />
Das solle die Vorbesitzerin<br />
akzeptieren. Sie und ihr Partner,<br />
ebenfalls Pferde-Enthusiast,<br />
meinten esgut. „Wir leben nur für<br />
Pferde und sehen immer zu, dass<br />
es ihnen gut geht.“<br />
Die 43Betroffenen, deren Zahl<br />
in den vergangenen Monaten<br />
noch anstieg, sehen das anders.<br />
Neun von ihnen haben eine Anzeige<br />
beim zuständigen Finanzamt<br />
wegen Steuerhinterziehung<br />
Wo ist Hot Chili Rita? Patricia T. bereut es inzwischen<br />
bitter, die treue Weggefährtin an<br />
die Käuferin inder Gemeinde Beverstedt abgegeben<br />
zuhaben.<br />
Foto Gehrke<br />
gestellt. Das Veterinäramt des<br />
Landkreises Osterholz bestätigt,<br />
dass die Haltungsbedingungen an<br />
einem Zweitstandort der Beschuldigten<br />
in der Gemeinde<br />
Grasberg überprüft wurden. Der<br />
Stall soll inzwischen leer sein.<br />
Eine Betroffene aus dem Kreis<br />
Diepholz geht auch zivilrechtlich<br />
gegen die Beschuldigte vor. Ein<br />
Gütetermin in einem ersten Verfahren<br />
vor dem Amtsgericht<br />
Geestland fand bereits statt. Die<br />
Klägerin hatte das eigene Pferd<br />
für 4000 Euro von einem Pferdehändler<br />
zurückgekauft. Sie macht<br />
Schadenersatzansprüche inHöhe<br />
des Kaufpreises geltend.<br />
Beate L. jedenfalls zieht ihre<br />
Schlüsse aus dem Vorfall. Die<br />
Frau aus der Region Hannover<br />
fordert eine strengere Erfassung<br />
von <strong>Pferden</strong> inDeutschland. Der<br />
Pferdemarkt sei in Teilen intransparent.<br />
Sie sieht die Schweiz als<br />
Vorbild. Dort gibt esein System<br />
der Registrierung, in dem selbst<br />
Veränderungen des jeweiligen<br />
Pferde-Standorts <strong>mit</strong>geteilt werden<br />
müssen.<br />
Auch Patricia T. glaubt der<br />
Käuferin kein Wort. Die Verträge<br />
wären nie zustande gekommen,<br />
wenn man die echten Absichten<br />
der Käuferin durchschaut hätte.<br />
„Sie kann sehr gut reden und inszenieren“,<br />
betont die Frau aus<br />
Schwanewede. „Ich will endlich<br />
wissen, was in Wahrheit <strong>mit</strong> Hot<br />
Chili Rita passiert ist.“