Intensivpatient Gesundheitswesen - ZZ 05
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Österreichische Post AG / WZ 16Z040733W / W3 VerlagsgesmbH. & Co Verlag KG, Pf 80, 1030 Wien<br />
27. Jahrgang | Nr. 5 | 4.–10. Februar 2023 | Preis 3,20 € www.zurzeit.at<br />
Niederösterreich:<br />
ÖVP-Desaster bei<br />
FPÖ-Triumph<br />
Schweden:<br />
Migrantengewalt<br />
beendet linke Utopien<br />
Andreas Mölzer:<br />
Vom Ende der<br />
Solidargemeinschaft<br />
Grünes Unschuldslamm:<br />
Chorherr freigesprochen<br />
Ungeziefer:<br />
Fleischersatz der Grünen<br />
<strong>Intensivpatient</strong><br />
<strong>Gesundheitswesen</strong><br />
<strong>ZZ</strong> <strong>05</strong>_2023 Seite 01 Cover-U1.indd 1 30.01.2023 11:10:07
Unsere ZurZeit kämpft ums Überleben!<br />
→ Viele unserer treuen Abonnenten fallen altersbedingt aus, und neue Abonnenten<br />
aus der jungen Generation kommen nur wenige nach.<br />
→ Unsere Produktionskosten haben sich dramatisch verteuert. Der Druck, das Papier<br />
und auch der Postversand sind nicht nur im Ausmaß der Inflation teurer geworden,<br />
vielmehr ist für uns alles um bis zu 50 Prozent kostenintensiver geworden.<br />
→ Die linke, politisch korrekte Jagdgesellschaft verhindert nach wie vor jegliches<br />
Werbeaufkommen, also jedes Inserat in unserem Blatt.<br />
→ Die umfangreichen Förderungsmaßnahmen für die Mainstream-Medien, Regierungsinserate<br />
und dergleichen gibt es für unsere ZurZeit natürlich nicht.<br />
→ Somit haben sich in den vergangenen Monaten umfangreiche finanzielle Rückstände<br />
aufgebaut. Diese gehen ausschließlich zulasten der Mitarbeiter von ZurZeit und<br />
sind nicht durch Bankkredite abgedeckt, da unser Verlag solche gar nicht bekommen<br />
würde. Somit haben die Mitglieder der Redaktion und der Verwaltung seit Monaten<br />
nur mehr eingeschränkt ihre ohnehin bescheidenen Gehälter und Honorare<br />
bekommen, da die Bezahlung der Produktion und die Versendung des Heftes an<br />
unsere treuen Abonnenten natürlich Vorrang hat.<br />
→ Trotz aller Opferbereitschaft der ZurZeit-Mannschaft, von Redaktion, freien Mitarbeitern<br />
und der Verwaltung und trotz massivster Einsparungen ist der weitere<br />
Bestand des einzigen österreichischen patriotischen, wertkonservativen und freisinnigen<br />
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vor allem in der jüngeren Generation!<br />
Nur dann können wir ZurZeit weiterführen.<br />
AndreAs Mölzer<br />
Spender erhalten als Dankeschön Andreas Mölzers<br />
neues Jahrbuch 2022 „Krieg und Frieden“ (so lange der Vorrat reicht).<br />
blizist<br />
nker,<br />
und Frieden<br />
Krieg<br />
Krieg<br />
und Frieden<br />
2022 – das Jahr<br />
der multiplen Krisen<br />
MIt herzlichem Dank im Voraus:<br />
Ihre Mitarbeiter von ZurZeit<br />
Die Edition<br />
978-3-900<strong>05</strong>2-49-2<br />
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2 ZUR ZEIT | 4/2023<br />
<strong>ZZ</strong> <strong>05</strong>_2023 Seite 02 Cover-U2.indd 2 30.01.2023 11:10:59
Aktuell<br />
USA als Kriegstreiber 4<br />
USA fordern Flugverbot:<br />
Keine Flüge von Russland<br />
in die Türkei 4<br />
Editorial: Offener<br />
Brief an Van der Bellen 6–7<br />
Österreich<br />
Niederösterreich:<br />
ÖVP-Desaster<br />
bei FPÖ-Triumph 8–9<br />
Versagen der Regierung:<br />
Wärmestuben in Wien 10–11<br />
Ausland<br />
Tschechien: Ex-NATO-<br />
General neuer Präsident 12<br />
Bidens Pleite: Türkei<br />
blockiert NATO-Beitritt<br />
von Schweden 12<br />
Schweden:<br />
Migrantengewalt<br />
beendet linke Utopien 13–15<br />
Trump will „verrückten<br />
Krieg“ beenden 14<br />
THEMA DER WOCHE<br />
<strong>Intensivpatient</strong><br />
<strong>Gesundheitswesen</strong><br />
Werner Reichel:<br />
<strong>Gesundheitswesen</strong><br />
vor dem Kollaps 16–25<br />
Andreas Huss<br />
im <strong>ZZ</strong>-Gespräch 20–23<br />
Gerhard Kaniak<br />
im <strong>ZZ</strong>-Gespräch 24–25<br />
Wirtschaft<br />
Wer soll das bezahlen? 15<br />
Neu Denken<br />
A. Mölzer:<br />
Vom Ende der<br />
Solidargemeinschaft 26–27<br />
Feuilleton<br />
Ungeziefer:<br />
Fleischersatz<br />
der Grünen 28–29<br />
Gesellschaft<br />
Grünes Unschuldslamm:<br />
Christoph Chorherr<br />
freigesprochen 30–31<br />
Aus für Max Mell:<br />
Im Visier der Grazer<br />
Kommunistenkoalition 31<br />
Geschichte<br />
Unschuldig:<br />
Südtiroler Freiheitskämpfer<br />
(Teil II) 32–33<br />
Gastkommentare und Interviews: Manfred Tisal über den Fall F. T. Seite 10–11 Manfred Haimbuchner<br />
über den Schutz der eigenen Bevölkerung Seite 11 Marcus Franz über den <strong>Intensivpatient</strong>en<br />
„<strong>Gesundheitswesen</strong>“ Seite 16 Andreas Huss über die Entwicklung des österreichischen Gesundheitssystems,<br />
seine Stärken und Schwächen Seite 20–23 Gerhard Kaniak über Mängel im heimischen<br />
<strong>Gesundheitswesen</strong> Seite 24–25<br />
IMPRESSUM<br />
Das ZurZeit-Magazin auch als E-Paper unter www.zurzeit.at<br />
Herausgeber-Kollegium: MEP a. D. Andreas Mölzer (Vorsitzender), NAbg. a. D. Dr. Johannes Hübner, Prof.<br />
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7/5, A-1030 Wien, Verlagsleitung und Geschäftsführung: Harald Winter Chefredaktion: NAbg.<br />
a. D. Wendelin Mölzer, Dr. Bernhard Tomaschitz Redaktionsbeirat: MMag. Erich Körner-Lakatos<br />
Produktion: Umbruch und Layout: Ecotext Mag. G. SchneeweißArnoldstein, Wien, Vinland-Grafik<br />
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5/2023 | ZUR ZEIT 3<br />
<strong>ZZ</strong> <strong>05</strong>_2023 Seite 03.indd 3 31.01.2023 13:53:10
<strong>ZZ</strong>-aktuell<br />
Zitat<br />
Die deutsche Außenministerin<br />
Annalena<br />
Baerbock erklärt<br />
„aus Versehen“<br />
Russland den Krieg:<br />
„Wir kämpfen einen Krieg<br />
gegen Russland und<br />
nicht gegeneinander.“<br />
USA als Kriegauslöser<br />
Schwere Vorwürfe aus Peking<br />
China hat mit deutlichen Worten<br />
zum Ukraine-Konflikt<br />
aufhorchen lassen. „Die USA sind<br />
diejenigen, die die Ukraine-Krise<br />
ausgelöst haben“, sagte Außenamtssprecherin<br />
Mao Ning. Die<br />
USA seien „der größte Faktor, der<br />
die Krise anfacht“. Ein weiterer<br />
schwerer Vorwurf von Peking<br />
an Washington: Indem die USA<br />
schwere und offensive Waffen<br />
an die Ukraine liefern, würde<br />
sie diesen Konflikt verlängern<br />
und verstärken. Mit diesen Aussagen<br />
reagierte Peking auf die<br />
amerikanischen Vorwürfe, dass<br />
chinesische Unternehmen möglicherweise<br />
die russische Seite unterstützten.<br />
Mao Ning sprach von „unbegründeten<br />
Verdächtigungen“ und<br />
„grundloser Erpressung“. China<br />
werde nicht untätig bleiben,<br />
wenn die USA die legitimen Rechte<br />
und Interessen chinesischer<br />
Unternehmen schädigten. ♦<br />
Bild: Flickr/UNO<br />
USA fordern Flugverbot<br />
Bild: Pixabay<br />
Aus Europa hat man derzeit nur die Möglichkeit, über Istanbul<br />
oder Belgrad nach Russland zu fliegen. Dies ist den USA offenbar<br />
ein Dorn im Auge. Die Amis verlangen von der Türkei eine<br />
Einstellung dieser Flugverbindungen. Laut dem Wall Street Journal<br />
übt Washington massiv Druck aus, damit russische Maschinen<br />
nicht auf türkischen<br />
Flughäfen landen dürfen.<br />
Zudem sollten Flugzeuge<br />
russischer Airlines<br />
nicht mehr mit amerikanischen<br />
Ersatzteilen versorgt werden können. Demnach sollen<br />
hochrangige US-Beamte den NATO-Partner Türkei gewarnt<br />
haben, dass türkischen Bürgern unter anderem Geld- und Haftstrafen<br />
drohen, falls sie solche Maschinen, die von und nach<br />
Russland fliegen, betanken. Nach Angaben von Luftfahrtexperten<br />
haben russische und weißrussische Fluggesellschaften<br />
seit Oktober 2022 rund 2.100 Flüge in die Türkei durchgeführt.<br />
Lesen Sie mehr dazu auf<br />
Flugzeuge russischer Airlines<br />
sollen nicht mehr in<br />
der Türkei landen dürfen.<br />
4 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
<strong>ZZ</strong> <strong>05</strong>_2023 Seite 04-<strong>05</strong>.indd 4 31.01.2023 13:55:02
AKTUELL<br />
25 Jahre ZurZeit<br />
– gegen alle Anfeindungen<br />
Im letzten Herbst beging unsere ZurZeit<br />
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Immer öfter hören wir, dass sich vor allem Jüngere oder Pensionisten<br />
unsere Zeitung nicht leisten können. Gleichzeitig wird die<br />
Mainstreampresse mit neuen Millionen an Steuergeldern überhäuft.<br />
Die Folge ist unkritische Regierungspropaganda und zeitgeistig<br />
linke Meinungsmanipulation.<br />
Alternative Stimmen wie die unsere dürfen daher nicht untergehen.<br />
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in denen es vielen schlechter geht!<br />
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5/2023 | ZUR ZEIT 5<br />
<strong>ZZ</strong> <strong>05</strong>_2023 Seite 04-<strong>05</strong>.indd 5 31.01.2023 13:55:27
Editorial<br />
Mit Verlaub,<br />
Herr Bundespräsident …<br />
VON ANDREAS MÖLZER<br />
it Verlaub, Herr Präsi<br />
Sie sind ein A…<br />
„Mdent,<br />
loch“, schleuderte der grüne Gesinnungsfreund<br />
unseres gegenwärtigen<br />
Staatsoberhaupts, Joschka<br />
Fischer, seinerzeit dem von der<br />
CDU gestellten Präsidenten des<br />
Deutschen Bundestags in einer<br />
Parlamentssitzung entgegen.<br />
So weit wie der einstige linksextreme<br />
„Street Fighter“ und<br />
nachmalige deutsche Außenminister<br />
wollen wir nicht gehen.<br />
Allerdings wollen wir unserem<br />
frisch angelobten Staatsoberhaupt<br />
doch zurufen: Mit Verlaub,<br />
Herr Bundespräsident, Sie<br />
wollten doch ein Präsident für<br />
alle Österreicher sein! Und nun<br />
erklären Sie im ORF-Interview<br />
im Vorfeld ihrer Angelobung,<br />
dass sie nur Wert legen würden<br />
auf eine „gute Nachrede seitens<br />
der vernünftigen und intelligenten<br />
Österreicher“, zu denen sie<br />
die Sympathisanten und Wähler<br />
der Freiheitlichen Partei offenbar<br />
nicht zählen. Dieser Schluss<br />
ergibt sich nämlich denklogisch<br />
aus ihrer Aussage, den FPÖ-Chef<br />
im Falle seines Wahlsiegs entgegen<br />
aller Usancen der Zweiten<br />
Offener Brief an den<br />
grünen Bundespräsidenten<br />
Alexander Van der Bellen.<br />
Republik nicht mit der Regierungsbildung<br />
zu beauftragen.<br />
Sie wüssten schon, dass sie sich<br />
damit „nicht nur Freunde machen“,<br />
aber sie wollen „kein feiger<br />
Präsident“ sein.<br />
Nun müssen Sie, sehr geehrter<br />
Herr Bundespräsident, selbst<br />
beurteilen, ob es von großem<br />
politischen Mut zeugt, wenn<br />
man eine nahezu ein Drittel der<br />
Wähler umfassende Gruppe von<br />
Bürgern ausgrenzt, weil sie eine<br />
andere Weltanschauung hat als<br />
die eigene. Für einen in die Jahre<br />
gekommenen Grünen mit explizit<br />
linker Prägung ist es gewiss<br />
verständlich, wenn man nationalliberale<br />
Ideologie und die<br />
gegenwärtig fundamentaloppositionelle<br />
Politik der<br />
Freiheitlichen ablehnt.<br />
Für das Staatsoberhaupt<br />
der demokratischen Republik<br />
Österreich aber, für einen<br />
Bundespräsidenten, der nach eigener<br />
wiederholter Bekundung<br />
die Gräben in unserer Bevölkerung<br />
überwinden und die Spaltung<br />
der Gesellschaft bekämpfen<br />
will, ist eine solche Haltung unverzeihlich.<br />
Zwar ist die verfassungsrechtliche<br />
Rolle des österreichischen<br />
Bundespräsidenten durch die<br />
VON E. G. ÖSTERREICHER<br />
Nach dem Rausch kommt<br />
der Katzenjammer: ÖVP und<br />
SPÖ geben den Freiheitlichen<br />
Schuld an ihrem Misserfolg,<br />
wo sie doch<br />
alles bestens<br />
gemacht hätten,<br />
aber die<br />
FPÖ mit nur<br />
leeren Versprechen getäuscht<br />
hätte. Die Bundespolitik sei für<br />
das desaströse Abschneiden der<br />
NÖ-VP verantwortlich, meinte<br />
Mikl-Leitner. Da hat sie schon<br />
recht, aber nicht die Bundes-<br />
ÖVP hat schuld, sondern die<br />
Katzenjammer<br />
gesamte ÖVP hat an dem Misserfolg<br />
bestens mitgearbeitet.<br />
Das penetrante Imponiergehabe<br />
der Politiker konnte nicht<br />
über deren<br />
EU-Hörigkeit<br />
hinwegtäuschen;<br />
man<br />
Vox populi<br />
spürt immer<br />
stärker, dass nur mehr Marionetten<br />
agieren. Soll man diese<br />
Marionetten nun wählen, fragt<br />
sich der Bürger, die ihre mangelnde<br />
Kompetenz auch in der<br />
Verstrickung von Korruption,<br />
Postenschacher, Lügenpolitik,<br />
Falschaussagen, Nepotismus<br />
nicht überdecken können. Die<br />
von allen Bürgern drastisch<br />
gespürten Probleme, wie Teuerung,<br />
Geldwertverlust, Asylchaos,<br />
Energieknappheit sind<br />
großteils EU gemacht, besonders<br />
die unsinnigen Sanktionen.<br />
Hier hat die Regierung,<br />
und die ÖVP bundesweit eklatant<br />
versagt. Die FPÖ ist nun<br />
gefordert, die miserable Politik<br />
zu beenden, zu korrigieren,<br />
wenn sich nicht alle anderen<br />
mit VdB zusammenschließen,<br />
um dies zu verhindern. ♦<br />
6 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
<strong>ZZ</strong> <strong>05</strong>_2023 Seite 06-07.indd 6 31.01.2023 13:57:26
<strong>ZZ</strong>-AKTUELL<br />
Verfassungsreform von 1929<br />
eine relativ starke, und er hat<br />
ja tatsächlich, so wie seinerzeit<br />
der Kaiser in der k. u. k. Monarchie<br />
das Recht, die Regierung<br />
zu ernennen und auch zu entlassen,<br />
ob er aber tatsächlich<br />
aus demokratiepolitischer Sicht<br />
legitimiert wäre, eine in demokratischen<br />
Wahlen siegreiche<br />
Partei von der Regierungsbeteiligung<br />
auszuschließen, ist mehr<br />
als fraglich. Und das Beispiel aus<br />
der jüngeren österreichischen<br />
Geschichte, nämlich die Regierungsbildung<br />
des Jahres 2000,<br />
demonstriert, dass Parteien mit<br />
einer entsprechenden parlamentarischen<br />
Mehrheit auch gegen<br />
den Willen des Staatsoberhauptes<br />
in der Lage sind, eine Regierung<br />
zu bilden.<br />
Was nun jene Argumente betrifft,<br />
die Sie, Herr Bundespräsident,<br />
im gegenständlichen ORF-<br />
Interview ins Treffen geführt<br />
haben, um ihre Vorbehalte gegen<br />
die FPÖ und ihren Bundesparteiobmann<br />
zu begründen, so sind<br />
diese bei näherer Betrachtung<br />
auch in keiner Weise haltbar. Sie<br />
haben erklärt, dass Sie eine „europafeindliche<br />
Partei“, die überdies<br />
den Krieg Russlands gegen die<br />
Ukraine nicht verurteile, nicht<br />
auch noch fördern wollten.<br />
Nun ergibt jede auch nur einigermaßen<br />
objektive Analyse<br />
der freiheitlichen Programmatik<br />
und der realen freiheitlichen Politik,<br />
dass die FPÖ zwar massiv<br />
EU-kritisch eingestellt ist, aber<br />
dezidiert und deklariert für die<br />
europäische Integration als solche<br />
eintritt. Und dass sich die<br />
freiheitliche Vision von diesem<br />
integrierten Europa wesentlich<br />
von der gegenwärtigen Brüsseler<br />
EU-Realität und auch von<br />
den zentralistischen Plänen für<br />
„Vereinigte Staaten von Europa“<br />
unterscheidet, kann keineswegs<br />
als Beleg für Europafeindlichkeit<br />
gewertet werden. Vielmehr handelt<br />
es sich dabei um die Vision<br />
eines starken und selbstbewussten<br />
Europas der Vaterländer,<br />
der souveränen Nationen und<br />
der in ihrer Kultur und Identität<br />
gesicherten Völker und Volksgruppen,<br />
in guter Nachbarschaft<br />
in den historisch gewachsenen<br />
Regionen des Kontinents zusammen<br />
lebend.<br />
Und was den Ukrainekrieg<br />
betrifft, so waren es die Freiheitlichen<br />
und ihr Parteiobmann, die<br />
als einzige die Einhaltung und<br />
Betonung der verfassungsmäßigen<br />
österreichischen Neutralität<br />
gefordert haben. Und auch wenn<br />
seitens der FPÖ in Hinblick auf<br />
die Entwicklung hin zum Ukrainekrieg<br />
und in Bezug auf dessen<br />
Hintergründe ein Gehör beider<br />
Seiten eingefordert wurde, gibt<br />
es keine einzige Stellungnahme,<br />
die den russischen Angriffskrieg<br />
als solchen gut geheißen hätte.<br />
Wenn dies im Zuge der innenpolitischen<br />
Auseinandersetzung<br />
und der parteipolitischen Polemik<br />
von FPÖ-kritischen Medien<br />
und politischen Mitbewerbern<br />
anders dargestellt wird, kann das<br />
den Bundespräsidenten nicht<br />
von seiner Pflicht entbinden,<br />
überparteilich und möglichst<br />
objektiv zu urteilen und zu handeln.<br />
Deshalb, sehr geehrter Herr<br />
Bundespräsident, überdenken<br />
Sie Ihre gegenständlichen Aussagen<br />
und versuchen Sie doch<br />
wirklich, ein Präsident für alle<br />
Österreicher zu sein — auch für<br />
jene, die sich der freiheitlichen<br />
Gesinnungsgemeinschaft zugehörig<br />
fühlen!<br />
♦<br />
Andreas Mölzer<br />
Hopfer<br />
Die Geschichte einer<br />
altösterreichischen Familie<br />
Der große Familienroman<br />
von Andreas Mölzer<br />
Hopfer lautet der Namen jener Familie von Ackerbürgern, die in<br />
den Jahrzehnten zwischen der bürgerlichen Revolution von 1848,<br />
über den Ersten Weltkrieg und die Wirren der Ersten Republik<br />
bis zum Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland im obersteirischen<br />
Altenmarkt lebte. Das Schicksal von drei Generationen<br />
dieser Familie, die dort Heimat fanden, mit Blut, Schweiß und<br />
Tränen Wurzeln schlugen und ein Vermögen schufen, aber letztlich<br />
scheiterten, ist eng verbunden mit der politischen und gesellschaftlichen<br />
Entwicklung des Landes und Österreichs insgesamt.<br />
Preis € 29,–, ca. 800 Seiten, fest gebunden;<br />
erhältlich über ZurZeit oder direkt beim Verlag<br />
Edition K3, via E-Mail: a.moelzer@aon.at<br />
5/2023 | ZUR ZEIT 7<br />
<strong>ZZ</strong> <strong>05</strong>_2023 Seite 06-07.indd 7 31.01.2023 13:57:45
ÖSTERREICH<br />
Schnedlitz, Landbauer und<br />
Kickl: Die FPÖ mit Spitzenkandidat<br />
Landbauer ist<br />
eindeutiger Gewinner der<br />
Wahl in Niederösterreich<br />
Freiheitlicher Durchmarsch<br />
ÖVP verliert Absolute in letzter Hochburg – Niederösterreich<br />
straft auch SPÖ ab – Establishment-Analyse belügt sich selbst<br />
VON WENDELIN MÖLZER<br />
Von „Schockwellen“ ist da in den<br />
heimischen Medien die Rede,<br />
wenn es um das Wahlergebnis in<br />
Niederösterreich geht. Ja, in der<br />
Tat, es ist ein Schock – wenngleich<br />
auch mit Ansage und einer außergewöhnlich<br />
präzisen Vorhersage<br />
seitens der politischen Meinungsforschung,<br />
die das Wahlergebnis<br />
ziemlich punktgenau vorhergesehen<br />
hat.<br />
Nicht erst in den letzten Tagen<br />
hat sich immer klarer abgezeichnet,<br />
dass die ÖVP in einer ihrer<br />
letzten Hochburgen die letzte absolute<br />
Mehrheit verlieren wird.<br />
Zu viel der Schmähs, der taktischen<br />
Winkelzüge, der nicht von<br />
der Hand zu weisenden Vorwürfe,<br />
in einem Netzwerk angeblich korrupter<br />
und verhaberter „Freunderl“<br />
verwurzelt zu sein. Das<br />
Kernland der ÖVP, das schwarze<br />
Niederösterreich, ist nicht mehr<br />
das, was es einmal war.<br />
Hat man im Jahr 2018, bei der<br />
ersten Wahl von Johanna Mikl-<br />
Leitner, noch vom Rückenwind<br />
WOCHENMAGAZINZURZEIT<br />
www.facebook.com/wochenmagazinZurZeit<br />
des talentierten Herrn Kurz profitieren<br />
können, gelang es dazu<br />
noch, den hauseigenen „Deep State“<br />
nutzen zu können, um mit einer<br />
ORF-gestützten Kampagne in<br />
Sachen einer angeblichen Liederbuch-Affäre<br />
den größten Widersacher,<br />
die Freiheitlichen nämlich<br />
mit Udo Landbauer an der Spitze,<br />
auf Distanz zu halten, so ist einem<br />
dieser Tage eben nicht nur die<br />
Munition ausgegangen, sondern<br />
auch die Luft generell.<br />
Dazu kommt dann die „multiple<br />
Krise“, wie man allerortens liest<br />
als Hauptgrund für den „Frust“<br />
der Wähler, die dann aus „Protest“<br />
die Freiheitlichen wählten, und<br />
die arme Mikl-Leitner in einer angeblich<br />
bundespolitisch motivierten<br />
Landtagswahl zum Sündenbock<br />
gemacht hätten. Doch wie so<br />
oft sind das müde Erklärungsversuche,<br />
um das eigene Versagen zu<br />
rechtfertigen.<br />
Denn wenn es so einfach wäre,<br />
dann hätte doch die „heilige“ Sozialdemokratie<br />
diesen Frust und<br />
diesen Protest in Wählerstimmen<br />
ummünzen müssen, und nicht<br />
die angeblich „unfähigen und<br />
halbkorrupten“ Freiheitlichen,<br />
die ja in den Augen des meinungsmachenden<br />
Mainstreams nicht<br />
in der Lage seien, einen Staat zu<br />
machen. Dies ist nicht geschehen,<br />
ganz im Gegenteil haben die<br />
Freiheitlichen nicht nur von der<br />
8 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
<strong>ZZ</strong> <strong>05</strong>_2023 Seite 08-09.indd 8 31.01.2023 13:59:11
ÖSTERREICH<br />
Bild: Facebook „Landbauer“<br />
ÖVP massive Stimmenzuwächse<br />
lukrieren können, sondern auch<br />
von den blassen und visionslosen<br />
Sozialisten weitere Wähler<br />
gewinnen können, was zu einer<br />
Wahlniederlage ebendieser geführt<br />
hat – das Abrutschen auf<br />
gerade mal zwanzig Prozent und<br />
auf Platz drei kann nicht gerade<br />
als Auftrag für eine Koalitionsbeteiligung<br />
in St. Pölten und noch<br />
weniger für eine „Weiter so!“ im<br />
Bund gewertet werden.<br />
Was aber ist es dann, das der<br />
FPÖ diesen historischen Wahlerfolg<br />
im für die Freiheitlichen<br />
sonst so schwierigen Niederösterreich<br />
beschert hat? Welche<br />
Voraussetzungen haben sich geändert,<br />
was ist das passiert? Zunächst<br />
einmal gilt das Sprichwort<br />
„Steter Tropfen höhlt den Stein“<br />
– sprich: Die Freiheitlichen haben<br />
nie locker gelassen, wenn es darum<br />
geht, den Menschen glaubhaft<br />
zu machen, dass man eine echte<br />
Alternative zu den etablierten<br />
Parteien darstellt. Man hat sich<br />
von eigenen Skandalen nie unterkriegen<br />
lassen – man denke an die<br />
Affäre Rosenstingl Ende der 90er-<br />
Jahre in Niederösterreich oder<br />
eben die Verfehlungen auf Bundesebene.<br />
Sodann hat man sich<br />
auch von den besagten Schmutzkübelkampagnen<br />
der ÖVP und<br />
anderer Gegner nicht beirren<br />
lassen. Landbauer hat das vorbildhaft<br />
gemacht: Zunächst Rückzug,<br />
bis dann seine Unschuld erwiesen<br />
war, um in weiterer Folge mit solider<br />
Arbeit zu zeigen, dass man es<br />
besser kann. Man stelle sich vor,<br />
die Freiheitlichen hätten damals,<br />
im Jahr 2018, klein beigegeben,<br />
und Landbauer in die endgültige<br />
Politpension geschickt! Nein – ein<br />
Verdienst von Strache und Kickl<br />
– man hat das nicht gemacht, sondern<br />
die Angriffe der Gegner abperlen<br />
lassen.<br />
Zurück zur multiplen Krise, die<br />
angeblich von außen den armen<br />
politisch Veranwortlichen im<br />
Lande das Leben schwer macht.<br />
Diese multiple Krise – Krieg in<br />
DIe FPÖ konnte ihre Themenschwerpunkte<br />
perfekt<br />
an den Wähler bringen.<br />
der Ukraine, Corona, Wirtschaftskrise,<br />
Migrationskrise, Energiekrise,<br />
etc. pp – bewirkt tatsächlich<br />
massive Verwerfungen in unserer<br />
Welt. Doch sie ist nicht gottgegeben,<br />
nicht von irgendwelchen<br />
bösen undefinierbaren Kräften<br />
gemacht, wie es viele Meinungsmacher<br />
behaupten (klingt schon<br />
fast wie eine Verschwörungstheorie<br />
der bösen Schwurbler),<br />
sondern ist in vielerlei Hinsicht<br />
hausgemacht, oder zumindest<br />
unter direkter und indirekter<br />
Beteiligung der heimischen Protagonisten<br />
entstanden. Sie ist also<br />
nicht nur eine „multiple Krise“,<br />
sie steht für eine multiples Organversagen<br />
der heimischen Politik,<br />
des eigenen Staates, dessen Teil<br />
wir alle sind, aber eben im besonderen<br />
der politischen Akteure der<br />
beiden Altparteien ÖVP und SPÖ.<br />
So gesehen ist es nur logisch,<br />
dass die Menschen Alternativen<br />
suchen, weniger aus Protest,<br />
vielmehr im Versuch begriffen,<br />
Alternativen zur etablierten Politik<br />
zu finden, die einen Weg aus<br />
der Krise herausfinden. Man will<br />
eben nicht den Bock zum Gärtner<br />
machen, und sieht in der FPÖ<br />
ebendiese Alternative, die die Dinge<br />
zumindest beim Namen nennt,<br />
und sie nicht noch schlimmer<br />
macht.<br />
Wenn sich die Verantwortlichen<br />
und die Analysten also nicht<br />
bald von ihren gebetsmühlenartig<br />
vorgetragenen einseitigen Erklärungsversuchen<br />
abwenden, wenn<br />
sie nicht bald erkennen, dass<br />
die vermeintliche Meinung<br />
der Mitte längst<br />
nur mehr eine Meinung<br />
der Eliten ist, dann wird<br />
es für dieses Establishment<br />
zu Recht ein weiteres böses<br />
Erwachen in Form von „Schockwellen“<br />
geben. Die FPÖ braucht<br />
sich diesbezüglich auf keinen Fall<br />
einen Vorwurf machen, ihre Proponenten<br />
sind offensichtlich in<br />
der Lage, die Sorgen und Nöte der<br />
Menschen zu verstehen und auch<br />
zu artikulieren, nicht erst seit kurzem,<br />
sondern schon seit einigen<br />
Jahrzehnten. Dass man dabei von<br />
den Machthabern bekämpft wird,<br />
liegt in der Natur der Sache. ♦<br />
The ID Party is partially financed by the European Parliament and has the sole<br />
responsibility for this content.<br />
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Wärmestuben in Wien<br />
Zuletzt gab es sie in den 1930er-Jahren<br />
Die gnadenlose Erhöhung,<br />
pardon: Anpassung der Wohnungsmieten<br />
sowie der Stromund<br />
Gaskosten durch die rote<br />
Wiener Stadtverwaltung (Stichwort:<br />
Wien Energie) führt jetzt<br />
zum Wiederaufleben einer Einrichtung,<br />
die man bisher nur aus<br />
Erzählungen sehr betagter Altvorderer<br />
gekannt hat: Wärmestuben.<br />
Die städtischen „PensionistInnenklubs“<br />
offerieren nunmehr<br />
unter dem zynischen Motto Gute<br />
neue Zeit ein spezielles Angebot<br />
namens Klub + Wohnzimmer,<br />
Wärme für Seele und Herz. Zehn<br />
solcher Klubs, gerecht über das<br />
Stadtgebiet verteilt stehen da zur<br />
Wahl. Gut geheizt samt gratis<br />
Klubjause. Wenn man das rote<br />
Werbeprospekt liest, möchte<br />
man am liebsten gleich hingehen<br />
und sich verwöhnen lassen. Denn<br />
die Stadt Wien schreibt voller Eigenlob:<br />
Der Klub + Wohnzimmer ist<br />
eine tolle Sache. Er bietet für alle, die<br />
es brauchen und wollen, einen warmen<br />
Platz.<br />
Die Dankbarkeit lässt nicht<br />
lange auf sich warten. Da<br />
schwärmt eine gewisse Reni von<br />
der neuen Wärmestube: Ein frisches<br />
Semmerl zum Frühstück …<br />
Das ganze Frühstück für einen<br />
Euro: knuspriges Gebäck, Butter,<br />
Marmelade, Kaffee, Tee oder Ka-<br />
Bild: Pexels<br />
Der Fall F. T.<br />
VON MANFRED TISAL<br />
Kindesmisshandlung gehört wohl zu<br />
den schlimmsten Verbrechen. Das wird<br />
niemand bestreiten. Unschuldige, von<br />
skrupellosen Verbrechern sexuell ausgebeutete<br />
Jungen und Mädchen werden<br />
Opfer, um von abartigen, vielfach<br />
zugegeben auch psychisch kranken und belasteten<br />
Menschen Geld heraus zu<br />
locken. Ein ungeheuerliches<br />
Schreckensbild, das vor unseren<br />
Augen abläuft. Der Fall T. ist<br />
aber nur die Spitze eines Eisberges. Gott sei Dank<br />
hat man sich jetzt dazu aufgerafft, die Strafen für<br />
derartige Verbrechen zu erhöhen, was schon längst<br />
notwendig gewesen wäre. Aber wo bleiben die Strafen<br />
für jene, die es ermöglichen, dass solche Bilder<br />
zugänglich sind? Ein Mausklick genügt und jedermann<br />
kann jederzeit in die Welt derartiger Sexualpraktiken<br />
eintauchen. Ob auf Facebook, Twitter<br />
oder anderen sogenannten sozialen Medien. Wer<br />
legt denen das Handwerk, fordert eine bessere Kontrolle<br />
und bestraft?<br />
Bild: Privat<br />
Gastkommentar<br />
Wenn es möglich ist, Wortbeiträge mit<br />
bedenklichen Inhalten zu löschen und<br />
aus dem Netz zu entfernen, muss es auch<br />
möglich sein, Gewalt und Sexismus aus<br />
dem Netz zu verbannen. Was den Fall T.<br />
(der Name erzeugt in Zusammenhang<br />
mit den Vorkommnissen Magenschmerzen)<br />
in Verbindung mit Kultur anbelangt,<br />
sei folgendes zu bedenken und nicht von<br />
der Hand zu weisen. Sexismus, obszöne<br />
Darstellungen und Nackedeis sind aus dem Kulturleben<br />
nicht wegzudenken.<br />
Sie gehören dazu. Egon Schieles<br />
und vieler anderer Künstler Darstellungen<br />
von Frauen erzielen<br />
Höchstpreise. Nitschs obszöne, aber gut besuchte<br />
Blutorgien haben ihn zum reichen Mann gemacht<br />
und wahrscheinlich auch die sexuellen Gelüste einiger<br />
Fans befriedigt.<br />
Da ist diese oft fadenscheinige „me too“-Bewegung<br />
ein Klacks. Kürzlich stand in einer Tageszeitung<br />
ein Artikel den Opernstar Placido Domingo<br />
betreffend. Eine Frau beschuldigte den Startenor,<br />
sie vor mehr als 20 Jahren gefragt zu haben, ob er<br />
sie berühren darf. Eine andere beschuldigte ihn<br />
sogar, weil er sie küssen wollte. Ich habe jetzt ein<br />
10 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
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kao UND fröhliche Gesellschaft.<br />
Auch der Toni ist ganz begeistert:<br />
Es ist schön, wie schnell die PensionistInnenklubs<br />
mit dem Klub + Wohnzimmer<br />
auf die Preissteigerungen,<br />
besonders bei den Heizkosten und den<br />
Lebensmitteln reagiert haben. Ich bin<br />
froh, Pensionist in Wien zu sein.<br />
Die offenbar recht einsame<br />
Kleinrentnerin Hermine ist Ludwig,<br />
Hacker und Co. unendlich<br />
dankbar: Im Klub + Wohnzimmer<br />
ist es kuschelig warm und nette Gespräche<br />
mit den anderen Senioren<br />
wärmen auch mein Herz.<br />
Das scheint die Methode der<br />
Wiener Sozis zu sein: Zuerst saftige<br />
Erhöhung der Mieten und<br />
Energiekosten; danach kriegt die<br />
Bevölkerung einen Teil ihres eigenen<br />
Geldes als Brosamen vom<br />
roten Herrentisch.<br />
Die Differenz schluckt die Rathausbürokratie<br />
mit ihren unzähligen<br />
roten Parteigängern. Mit<br />
einem Wort: Sozialismus vom<br />
Feinsten.<br />
E. K.-L.<br />
schlechtes Gewissen, wenn ich<br />
daran denke, dass ich in den<br />
70er Jahren mit einem Mädchen<br />
auf Tuchfühlung getanzt<br />
habe.<br />
Der Fall T. ist also die eine<br />
Seite. Verachtend und zugleich<br />
bedenklich. „Me too“ die andere<br />
Seite. Der Vergleich Kultur<br />
und Sex ist aber eine weitere,<br />
über die es darüber nachzudenken<br />
lohnt. Der Regisseurin<br />
von „Corsage“, der die Oscarhürde<br />
nicht geschafft hat, wird<br />
es angesichts der Images und<br />
finanziellen Verluste nicht erspart<br />
bleiben. Genauso wie die<br />
Frage, wer hat sich mitschuldig<br />
gemacht, weil er geschwiegen<br />
hat. Sinnlos. Passiert ist Passiert.<br />
Oder hat die Politik eine<br />
bessere Antwort auf all diese<br />
Fragen? Ach ja, sie erhöht die<br />
Strafen und glaubt damit die<br />
Wurzel des Übels zu bekämpfen.<br />
♦<br />
BUNDESLÄNDER<br />
Gastkommentar<br />
Die Sicherheit der<br />
Bevölkerung geht vor<br />
VON MANFRED HAIMBUCHNER<br />
Der mutmaßliche Amoklauf eines Irakers,<br />
bei dem zuerst eine Frau und anschließend<br />
zwei Polizisten teils schwer verletzt wurden,<br />
ist erst wenige Tage her und bereits schon<br />
wieder aus dem politischen Bewusstsein verschwunden. Alle Bekenntnisse<br />
der Bundesregierung und der EU-Gremien, sich der<br />
illegalen Migration und der ausufernden Gewalt annehmen zu<br />
wollen, sind maximal rhetorische Beruhigungspillen fürs Volk.<br />
De facto ändert sich nichts und es soll sich offenbar auch nichts<br />
ändern.<br />
Es ist geradezu befremdlich, wenn der Bundeskanzler mittlerweile<br />
nicht einmal mehr das Kind der illegalen Masseneinwanderung<br />
beim Namen nennt, sondern von „irregulärer Migration“<br />
spricht und dabei die verharmlosende Wortwahl linker Schlepper-NGOs<br />
und<br />
der Asylindustrie<br />
legitimiert. aus Gründen der Sicherheit sind<br />
Grenzkontrollen an Binnengrenzen<br />
Diese jüngste auch jetzt rechtlich möglich.<br />
brutale Gewalttat<br />
in Linz zeigt einmal mehr gravierende Fehler im österreichischen<br />
Fremdenrecht auf. Darauf weisen wir seit Jahren mit Nachdruck<br />
hin. Da sich mittlerweile eine große Mehrheit für eine<br />
grundlegende Reform ausspricht, muss hier von Bundesseite endlich<br />
ein umfassender Reformprozess gestartet werden.<br />
Grenzkontrollen und auch Abweisungen an europäischen<br />
Binnengrenzen aus Gründen der nationalen Sicherheit sind aber<br />
auch jetzt bereits rechtlich möglich, wenn der politische Wille<br />
dazu da wäre. Der sofortige Entzug des Aufenthaltstitels und die<br />
konsequente Ausweisung und Abschiebung bei Straffälligkeit<br />
von Ausländern ist keine radikale Forderung, sondern ein Gebot<br />
der Vernunft. Es gibt zahlreiche Staaten der Welt, in denen solch<br />
ein Vorgehen selbstverständlich ist. Man darf in dieser entscheidenden<br />
Frage der nationalen Souveränität nicht davor zurückschrecken,<br />
auch auf Konfrontationskurs mit den migrationsblinden<br />
Entscheidungsträgern in Brüssel und Straßburg zu gehen.<br />
Für uns Freiheitliche ist klar, dass die Lösungen gegen die Einwanderung<br />
unter dem Deckmantel des Asylrechts seit Jahren<br />
auf dem Tisch liegen und endlich konsequent umgesetzt werden<br />
müssen: 1. Grenzen dicht für illegale Migranten, 2. Keine Asylanträge<br />
mehr annehmen, 3. Abschieben.<br />
Denn wenn es um die Sicherheit geht, gibt es keine Kompromisse.<br />
Und wenn Illegale über dutzende sichere Länder einreisen,<br />
gibt es auch keinen Anspruch auf Asyl. Nötigenfalls sind hier<br />
entsprechende gesetzliche Änderungen – auch im Völkerrecht<br />
– durchzusetzen. Die Zeit des Diskutierens ist eindeutig vorbei,<br />
jetzt sind endlich Taten gefordert!<br />
Bild: FPÖ OÖ<br />
Dr. Manfred Haimbuchner ist Landeshauptmann-Stv. von OÖ und Obmann der FPÖ OÖ.<br />
5/2023 | ZUR ZEIT 11<br />
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Zitat<br />
Viktor Orbán:<br />
„Die Sicherheit<br />
Ungarns steht für<br />
uns an erster Stelle,<br />
und deshalb befindet<br />
sich Ungarn mit niemandem<br />
im Krieg.“<br />
Bild: The White House<br />
Ausland<br />
Recep Tayyip Erdogan und „Joe“ Biden: Der türkische Präsident<br />
durchkreuzt die NATO-Erweiterungspläne seines US-Kollegen<br />
Tschechien<br />
Ex-NATO-General<br />
neuer Präsident<br />
Petr Pavel hat mit<br />
55 Prozent die zweite<br />
Runde der tschechischen<br />
Präsidentenwahl klar<br />
gewonnen. Sein Konkurrent,<br />
der frühere Ministerpräsident<br />
Andrej<br />
Babis, erreichte 45 Prozent.<br />
Amtsinhaber Milos<br />
Zeman durfte nach zwei<br />
Amtszeiten nicht mehr<br />
antreten. Pavel war vor<br />
seinem Einstieg in die<br />
Politik tschechischer<br />
Generalstaabschef und<br />
hochrangiger NATO-<br />
General. Gleich nach<br />
seinem Amtsantritt im<br />
März will Pavel die Ukraine<br />
besuchen. ♦<br />
Bild: School of Media and Public Affairs at GWU (CC BY-SA 2.0)<br />
Bidens Pleite im Norden<br />
Türkei blockiert NATO-Beitritt von Schweden<br />
Erdogan hat die geplante<br />
Norderweiterung der NATO auf<br />
unbestimmte Zeit verschoben.<br />
Die von US-Präsident „Joe“ Biden<br />
angeschobene Phantasie eines<br />
NATO-Beitritts der bisher neutralen<br />
nordischen Staaten Schweden<br />
und Finnland entwickelt sich zum<br />
Rohrkrepierer. Schweden beherbergt<br />
eine dreistellige Anzahl kurdischer<br />
„Aktivisten“ und Terroristen,<br />
deren Auslieferung die Türkei<br />
fordert. Zudem fand dieser Tage in<br />
Schweden eine öffentliche Koran-<br />
Verbrennung statt. Tayyip Erdogan:<br />
„Wenn ihr der Türkischen<br />
Republik oder dem religiösen Glauben<br />
der Muslime keinen Respekt<br />
zollt, dann könnt ihr von uns in Sachen<br />
NATO auch keine Unterstützung<br />
bekommen.“<br />
Pippi Langstrumpf, eine aus<br />
Schweden stammende Kindermärchengestalt,<br />
sang einst: „Ich mache<br />
mir die Welt, wie sie mir gefällt.“<br />
Alle 30 NATO-Mitglieder müssen<br />
die Anträge auf NATO-Mitgliedschaft<br />
ratifizieren, 28 haben das<br />
bereits getan – nur die Türkei und<br />
Ungarn fehlen noch. Die Pöbeleien<br />
und Drangsalierungen gegen die<br />
ungarische Regierung von Seiten<br />
der Brüsseler Eurokraten ist bei<br />
diesem Szenario noch gar nicht<br />
mitgerechnet. Wie auf der sinkenden<br />
Titanic gibt es im übertragenen<br />
Sinn nun Streit um die Plätze in<br />
den Rettungsbooten. Finnlands Außenminister<br />
Pekka Haavisto: Möglicherweise<br />
könne man gezwungen<br />
sein, ohne Schweden beizutreten –<br />
dem eigenen Wunsch und dem der<br />
NATO zum Trotz.<br />
Aber auch damit ist es nichts.<br />
Die Türkei hat ein Treffen mit<br />
Vertretern Schwedens<br />
und Finnlands über die<br />
geplante Norderweiterung<br />
der NATO auf unbestimmte<br />
Zeit verschoben.<br />
Die für Februar geplanten<br />
Beratungen seien abgesagt, berichtete<br />
unter anderem der Staatssender<br />
TRT. Ein neuer Termin wurde<br />
zunächst nicht genannt. Die<br />
NATO-„Strategen“ glauben, dass<br />
Erdogan nach einer gewonnenen<br />
Wahl in der Türkei aufgeben könnte.<br />
Dabei dürfte es sich aber wohl<br />
um Wunschdenken handeln. Warum<br />
sollte die Türkei im Angesicht<br />
des Ukrainekrieges die USA aus<br />
dem Schwitzkasten entlassen? Es<br />
erweist sich abermals, dass Biden<br />
zwar zahllose neue sicherheitspolitische<br />
Baustellen schaffen kann,<br />
aber keine zu einem erfolgreichen<br />
Abschluss bringt. KLAUS GRÖBIG<br />
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AUSLAND<br />
Schweden: Masseneinwanderung<br />
führt zu bürgerkriegsähnlichen<br />
Zuständen<br />
Paradigmenwechsel im Norden<br />
Schweden: Angesichts ausufernder Migrantengewalt<br />
leitet die neue Regierung einen Kurswechsel ein<br />
Bild: Screenshot Youtube<br />
VON BERNHARD TOMASCHITZ<br />
Das neue Jahr war erst wenige<br />
Tage alt, als es in Stockholm wieder<br />
einmal zu einer Schießerei mit<br />
tödlichem Ausgang kam. Und das,<br />
nachdem Schweden im Vorjahr<br />
bei 388 Schusswaffenvorfällen<br />
61 Todesopfer zu verzeichnen hatte.<br />
Das einst so sichere skandinavische<br />
Land ist unsicher geworden,<br />
und verantwortlich dafür ist – so<br />
die politisch korrekte Schreibweise<br />
– die „Bandenkriminalität“.<br />
Über den ethnischen Hintergrund<br />
der Bandenmitglieder wird<br />
lieber geschwiegen. In einem Bericht<br />
des Schwedischen Nationalen<br />
Rates für Verbrechensverhütung<br />
aus dem Jahr 2021 wird zwar<br />
darauf hingewiesen, dass sich<br />
Schweden seit der Jahrtausendwende<br />
von einem der niedrigsten<br />
zu einem der höchsten Niveaus<br />
von Waffengewalt in Europa entwickelt<br />
und dabei sogar Osteuropa<br />
und Italien überholt hat. Über<br />
den genauen Hintergrund der Täter<br />
wird hingegen geschwiegen, es<br />
heißt nur, dass „Untersuchungen<br />
zeigen, dass die Zunahme von Tötungsdelikten<br />
mit Schusswaffen<br />
eng mit den kriminellen Milieus<br />
Über den ethnischen<br />
Hinter grund der Täter wird<br />
meistens geschwiegen.<br />
in sozial benachteiligten Gebieten<br />
verbunden ist“.<br />
„Sozial benachteiligte Gebiete“<br />
ist ein Soziologenbegriff, mit<br />
dem die Wahrheit vernebelt werden<br />
soll. Denn nicht in Plattenbauten,<br />
in denen Mindestrentner<br />
leben, sitzen die Pistolen locker<br />
und kommt es immer wieder zu<br />
Sprengstoffexplosionen, sondern<br />
in bestimmten Bezirken der Großstädte<br />
– besonders betroffen sind<br />
die Hauptstadt Stockholm und<br />
das südschwedische Malmö –,<br />
die sich in den letzten Jahren und<br />
Jahrzehnten in Einwandererghettos<br />
verwandelt haben. In diesen<br />
„No go“-Zonen wird die Polizei,<br />
sofern sie sich noch hineintraut,<br />
von den Bewohnern, die<br />
nach ihren eigenen Regeln<br />
und oftmals nach der Scharia<br />
leben, tätlich angegriffen.<br />
Das Magazin „Foreign<br />
Policy“ schrieb: „Die Banden, deren<br />
Mitglieder Einwanderer der<br />
zweiten Generation sind, viele<br />
aus Somalia, Eritrea, Marokko<br />
und anderen nordafrikanischen<br />
Ländern, haben sich auf den Drogenhandel<br />
und die Verwendung<br />
von Sprengstoff spezialisiert.“<br />
Aber auch auf der Opferseite<br />
sind Fremde überdurchschnitt-<br />
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lich oft vertreten. Ardavan<br />
Khoshnood, Kriminologe an der<br />
Universität Lund und Notarzt<br />
in einem schwedischen Krankenhaus,<br />
sagte im Herbst der<br />
türkischen Nachrichtenagentur<br />
Anadolu, dass die meisten Opfer<br />
einen Migrationshintergrund<br />
haben und zwischen 15 und<br />
29 Jahre alt sind. Auch ist eine<br />
Verrohung festzustellen. Waren<br />
laut Khoshnood im Jahr 2010<br />
bei Schießereien eher Schüsse in<br />
Arme, Hände oder Beine üblich,<br />
so wird heute gezielt in den Kopf<br />
geschossen, da die Banden jetzt<br />
„schießen, um zu töten“.<br />
Das nordeuropäische EU-Mitglied<br />
hat sich die Probleme selbst<br />
ins Haus geholt. Über viele Jahre<br />
verfolgten linke Regierungen aus<br />
falsch verstandener Humanität<br />
oder zur Verwirklichung<br />
marxistischer Ideologien<br />
eine Politik der offenen<br />
Tür. Jeder Einwanderer<br />
wurde im Wohlfahrtsstaat<br />
Schweden willkommen geheißen.<br />
2015 nahm der zehn Millionen<br />
Einwohner zählende skandinavische<br />
Staat rund 163.000<br />
sogenannter Flüchtlinge auf,<br />
die meisten aus Syrien, dem Irak<br />
und Afghanistan. „Mein Europa<br />
Während sein Nachfolger<br />
„Joe“ Biden<br />
den Schritt zu einer weiteren<br />
Eskalation getan hat,<br />
sprach sich sein<br />
Vorgänger Donald<br />
J. Trump für eine<br />
Beendigung der<br />
Kampfhandlungen<br />
aus. Auf der Social<br />
Media Plattform<br />
„Truth Social“, forderte<br />
Trump diesen<br />
„verrückten Krieg“<br />
zu beenden.<br />
Viele Amerikaner<br />
sind sich darüber im Klaren,<br />
dass man Russland nicht<br />
vertrauen könne und man sich<br />
Die Schwedendemokraten von Jimmie Akesson (links) unterstützen die<br />
Minderheitsregierung von Ulf Kristersson (2. v. l.)<br />
Auch bei den schwedischen<br />
Willkommensklatschern ist<br />
Ernüchterung eingekehrt.<br />
nimmt Flüchtlinge auf. Mein Europa<br />
baut keine Mauern“, tönte der<br />
damalige sozialdemokratische<br />
Ministerpräsident Stefan Löfven.<br />
Doch inzwischen ist auch bei<br />
den schwedischen Willkommensklatschern<br />
Ernüchterung eingekehrt.<br />
Ende April 2022 musste<br />
Löfvens Nachfolgerin und Parteifreundin<br />
Magdalena Andersson<br />
eingestehen, dass die Integration<br />
gescheitert ist: „Die Absonderung<br />
ist so weit gediehen, dass wir in<br />
Schweden Parallelgesellschaften<br />
haben. Wir leben im selben Land,<br />
aber in völlig unterschiedlichen<br />
Realitäten.“<br />
Der Wahlkampf für die<br />
schwedische Parlamentswahl im<br />
September 2022 stand ganz im<br />
Zeichen der Migranten-Bandenkriminalität<br />
und führte zu einem<br />
Machtwechsel in Stockholm.<br />
Seit Oktober ist eine bürgerliche<br />
Minderheitsregierung unter Ulf<br />
Kristersson im Amt, die von den<br />
rechtskonservativen Schwedendemokraten<br />
unterstützt wird.<br />
Angesichts der Gewaltwelle während<br />
des Jahreswechsels und in<br />
den ersten Jännertagen muss Kri-<br />
Trump für Kriegsende<br />
Ex-Präsident will „verrückten Krieg“ beenden<br />
Donald Trump: Der Ex-US-Präsident appelliert<br />
nicht nur an die Vernunft, sondern zeigt diese auch<br />
keinen naiven Träumereien<br />
hingeben darf. Jedoch ist Geopolitik<br />
ein Dschungel beherrscht<br />
Bild: Gage Skidmore/Wikimedia (CC BY-SA 2.0)<br />
von Prädatoren. Misstrauen ist<br />
gegenüber jedem Akteur angebracht.<br />
Aber sich in einer strategischen<br />
Sackgasse auch noch<br />
gemütlich einzurichten, widerspricht<br />
sämtlichen Grundsätzen<br />
der Vernunft. Und an<br />
ebendiese Vernunft appellierte<br />
Trump erneut.<br />
Wer für eine stabile Nachkriegsordnung<br />
mit Russland<br />
eintritt, damit sich der Westen<br />
auf die wahren Herausforderungen<br />
konzentrieren kann, muss<br />
Trump die Daumen drücken. ♦<br />
14 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
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AUSLAND/WIRTSCHAFT<br />
stersson nun „liefern“. Schließlich<br />
hatte er im Wahlkampf einen<br />
„Paradigmenwechsel“ versprochen<br />
und sich für längere Haftstrafen<br />
für Bandenmitglieder ausgesprochen.<br />
„Für Schwedens neue<br />
Regierung, die im September zu<br />
einem großen Teil aufgrund des<br />
Bekenntnisses zur Bekämpfung<br />
der Bandenkriminalität gewählt<br />
wurde, stellt der Anstieg des Blutvergießens<br />
über Weihnachten<br />
und Neujahr eine Bedrohung für<br />
ihre Glaubwürdigkeit bei den<br />
Wählern dar“, schreibt das Magazin<br />
„Politico“.<br />
Als ersten Schritt eines Paradigmenwechsels<br />
kündigte die schwedische<br />
Regierung am 24. Jänner<br />
eine internationale Informationskampagne<br />
an, um Fremde davon<br />
abzuhalten, ins Land zu kommen.<br />
Im Koalitionsvertrag sind<br />
darüber hinaus noch weiter reichende<br />
Maßnahmen vorgesehen.<br />
So plant die Regierung eine Einschränkung<br />
von sogenannten Familienzusammenführungen<br />
und<br />
der Arbeitseinwanderung. „Die<br />
Einwanderung nach Schweden<br />
war nicht nachhaltig“, sagte Ministerpräsident<br />
Kristersson. „The<br />
Local Sweden“ zufolge könnte<br />
es auch zu strengeren Regeln für<br />
den Erwerb der schwedischen<br />
Staatsbürgerschaft kommen.<br />
Überhaupt will die Regierung<br />
diskutieren, „wie ein wirksamer<br />
gesamtstaatlicher Ansatz zur Bewältigung<br />
der Migrationsherausforderungen<br />
sichergestellt werden<br />
kann“.<br />
♦<br />
Bild: Sverigedemokraterna/Facebook<br />
Wirtschaftskommentar<br />
Wer soll das bezahlen?<br />
Bild: GSvA<br />
VON WALTER TRIBUTSCH<br />
Österreich ist ein Rechtsstaat. Allerdings<br />
erhebt sich die Frage ob diese Bezeichnung<br />
dem Sinn nach tatsächlich in jeder Hinsicht<br />
angewendet werden kann. Wer die<br />
Nachrichten auch auf anderen Kanälen als<br />
dem Staatsfunk verfolgt, wird möglicherweise<br />
über Diskussionen gestolpert sein,<br />
die dieses Faktum infrage stellen, oder besser gesagt, erklärt haben,<br />
dass diese Regelung eines Rechtsstaates nicht würdig sei.<br />
Es geht darum, dass Beschuldigte, die freigesprochen werden<br />
oder deren Verfahren letzten Endes eingestellt wurden, die<br />
Kosten, die sie zur Führung des Verfahrens an ihre Rechtsvertretung<br />
hatten zahlen müssen, ersetzt bekommen. Nicht nur<br />
Heinz-Christian Strache musste alles selbst bezahlen, auch<br />
Vertreter anderer Parteien, wie etwa Rudolf Fußi, ein Berater<br />
von Christian Kern und der SPÖ, beklagte in einem Gespräch<br />
auf Puls 4 diese Regelung. Er selbst war von der ÖVP mehrfach<br />
geklagt worden, hatte gewonnen und musste trotzdem zahlen.<br />
Selbst die ebenfalls anwesende Grüne, die ehemalige Bundessprecherin<br />
Eva Glawischnig, konnte dieser Regelung nichts<br />
Positives abgewinnen.<br />
Man stelle sich vor, dass eine Anklage, die zu einer Gerichtsverhandlung<br />
führt, bereits ausreicht, um einen unliebsamen<br />
Gegner finanziell zu ruinieren. Am Beispiel Strache ist dies<br />
sehr leicht nachvollziehbar. Er ist bisher in allen Fällen freigesprochen<br />
worden, eine der zahlreichen Anklagen läuft noch<br />
und wird demnächst zu einem Urteil führen. Allein, hätte er<br />
nicht selbst mittels geeigneter Rechtsvertretung seine Verteidigung<br />
übernommen, wäre er der Willkür ausgeliefert gewesen,<br />
und es ist wohl fraglich, ob es dann in gleicher Weise<br />
zu den entsprechenden Freisprüchen, bzw. Einstellungen des<br />
Verfahrens gekommen wäre.<br />
Natürlich bekommen auch in diesem Fall Mittellose einen<br />
bestellten Pflichtverteidiger. Wie profund der Fall allerdings<br />
von diesen angegangen wird, braucht wohl nicht hinterfragt<br />
zu werden. Im Fall von Strache, gab es nicht nur die Anklagen,<br />
sondern auch jede Menge an Vorverurteilungen. Das betrifft<br />
sowohl den Fall des zusammengeschnittenen, illegal zustande<br />
gekommenen Videos, das der ORF täglich mehrere Male zeigte,<br />
sondern nahezu jede unliebsame Äußerung wurde von diversen<br />
Medien in einer beispiellosen Kampagne skandalisiert.<br />
Zum Unterschied von anderen Politikern, die aus führenden<br />
Funktionen ausschieden, blieben Strache somit lukrative<br />
Funktionen in der Wirtschaft verwehrt. Ja mehr noch, er steht<br />
jetzt mit einem Kostenberg da, den er seinen Vernaderern, den<br />
Medien und dem ungerechten rechtlichen System in Österreich<br />
zu verdanken hat.<br />
♦<br />
5/2023 | ZUR ZEIT 15<br />
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Gastkommentar<br />
<strong>Intensivpatient</strong><br />
„Gesundheitssystem“<br />
VON MARCUS FRANZ<br />
Bild: Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS<br />
Schon seit langer Zeit liegt er auf der<br />
Intensivstation. Manchmal geht es ihm<br />
besser, dann wieder deutlich schlechter.<br />
Im wahrsten Sinn des Wortes wird an<br />
ihm endlos herumgedoktert, aber leider<br />
werden aus den vollmundigen Therapieplanungs-Riesen<br />
nur allzu oft recht<br />
kleinlaute Umsetzungszwerge – und nichts geht weiter mit<br />
dem armen Patienten. Die Rede ist vom österreichischen Gesundheitssystem.<br />
Schuld an der Misere ist die Grundstruktur des heimischen<br />
Systems: Einerseits haben wir die sogenannte Paragraf-15a-Vereinbarung,<br />
die über Bund, Kassen und Länder<br />
Schuld an der Misere ist<br />
das komplizierte innerösterreichische<br />
System.<br />
in Form eines innerösterreichischen<br />
Staatsvertrages die<br />
Spitalsfinanzierung<br />
und -struktur regelt<br />
und zahlreiche Willensbekundungen und Qualitätswie<br />
Verbesserungsvereinbarungen enthält, letztlich aber<br />
national betrachtet zahnlos bleibt. Nur den Landeshauptleuten<br />
räumt sie für „ihre“ Spitäler jeweils viel Macht ein.<br />
Die wichtigste Grundlage dieser Vereinbarungen bildet der<br />
ÖSG (der „Österreichische Strukturplan Gesundheit“). Die<br />
Hälfte der Spitalsfinanzierung erfolgt über öffentliche Mittel<br />
(Steuern), der Rest über die Krankenkassen und das privat<br />
zugezahlte „Taggeld“.<br />
Andererseits haben wir die durch das ASVG festgeschriebene<br />
Selbstverwaltung der Kassen, die in weitgehender<br />
Autonomie die ambulante Versorgung durch die Kassenärzte<br />
bestimmt und auch gemeinsam mit der Ärztekammer<br />
festlegt, wie der niedergelassene Bereich gestaltet wird.<br />
Gleichzeitig müssen die Kassen aber auch bei den Spitälern<br />
mitzahlen (siehe oben, ca. 50 % der Spitalsfinanzierung),<br />
dürfen aber dort nicht mitreden. In Summe haben wir also<br />
ein gemischtes und kleinteiliges System, das noch immer<br />
durch viele Trennungslinien in organisatorischen wie auch<br />
finanziellen Belangen gekennzeichnet ist.<br />
Was wäre also zu tun? Statt den Fleckerlteppich aus Kassen,<br />
Bund und Ländern weiterhin durch kaum wirksame<br />
Reformen und zahllose Willensbekundungen zu strapazieren,<br />
wäre es sinnvoller, die Etablierung eines nationalen<br />
und einheitlichen Gesundheitssystems anzustreben.<br />
Dafür ist naturgemäß jener „große Wurf“ notwendig,<br />
von dem alle verantwortlichen Politiker seit Jahrzehnten<br />
Fortsetzung auf Seite 18<br />
Bild: Pixabay<br />
Gesperrte Spitalsbetten,<br />
überlastete Ärzte,<br />
lange OP-Wartezeiten,<br />
verwaiste Kassenarztstellen<br />
und verzweifelte<br />
Patienten. Österreichs<br />
Gesundheitssystem ist<br />
in einem katastrophalen<br />
Zustand. Besserung<br />
ist nicht in Sicht.<br />
Zumal die politisch<br />
Verantwortlichen die<br />
Haupt ursachen für<br />
dieses Desaster aus<br />
ideologischen Gründen<br />
ignorieren.<br />
16 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
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Thema der Woche<br />
Österreichs Gesundheitsversorgung<br />
ist überlastet. Tiefgreifende<br />
Reformen sind nicht in Sicht<br />
<strong>Gesundheitswesen</strong><br />
vor dem Kollaps<br />
VON WERNER REICHEL<br />
Nur nicht krank werden! Wochenlange<br />
Wartezeiten auf Operationen<br />
oder Termine beim<br />
Facharzt, gesperrte Spitalsbetten,<br />
überlastete Ärzte etc. Das heimische<br />
<strong>Gesundheitswesen</strong> ist selbst<br />
zum Patienten geworden. Das<br />
hat nun auch der grüne Gesundheitsminister<br />
Johannes Rauch<br />
eingestanden. Was er in der ZiB2<br />
Ende November gesagt hat, ist<br />
eine Kombination aus Kapitulation,<br />
Resignation und Überforderung:<br />
„Viele sind gescheitert,<br />
und die Wahrscheinlichkeit zu<br />
scheitern, ist auch bei mir hoch<br />
(…) Ohne Reformen wird das Gesundheitssystem<br />
an die Wand<br />
gefahren.“ Diese Reformen sollen<br />
laut Rauch im Laufe dieses Jahres<br />
im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen<br />
von den Akteuren<br />
im Gesundheitssystem, von Bund,<br />
Ländern, Gemeinden, Ärztekammer<br />
und Sozialversicherung, auf<br />
den Weg gebracht werden. Sollte<br />
es zu keiner Einigung kommen,<br />
will Rauch selbst an den „großen<br />
Minister Rauch will den<br />
Personalmangel in den Spitälern<br />
durch mehr Zuwanderung lösen.<br />
Schrauben“ drehen. In welche<br />
Richtung diese Reformen gehen<br />
sollen, hat sein „Chief Medical Officer“,<br />
Katharina Reich, in einem<br />
Interview so skizziert: „Dafür haben<br />
wir Kompetenzzentren mit<br />
unterschiedlichen Schwerpunkten<br />
gegründet. Die sind eine Art<br />
Thinktank mit Expertinnen und<br />
Experten aus verschiedenen Bereichen.<br />
Eines erforscht, wie ein<br />
gesundheitsförderndes System<br />
aussehen muss – derzeit ist es ja<br />
eher auf Kranksein ausgerichtet.<br />
Das zweite befasst sich mit den<br />
Themen Zukunfts- und Gesundheitsförderung<br />
und Digitalisierung.<br />
Und im dritten Kompetenzzentrum<br />
geht es um<br />
Querschnittsthemen<br />
rund um Klima<br />
und Gesundheit.“<br />
Einen weiteren<br />
Punkt ergänzt Minister Rauch:<br />
„Wir haben in Österreich einen<br />
Arbeitskräftemangel und werden<br />
im Gesundheits- und Sozialbereich<br />
Zuwanderung brauchen.“<br />
Klima, Zuwanderung, Think<br />
Tanks, Expertinnen … Angesichts<br />
der dramatischen Zustände im<br />
<strong>Gesundheitswesen</strong> – allein in<br />
Wien sind derzeit knapp 900 Spitalsbetten<br />
gesperrt, weil es an<br />
5/2023 | ZUR ZEIT 17<br />
<strong>ZZ</strong> <strong>05</strong>_2023 Seite 16-25.indd 17 31.01.2023 14:07:24
Ärzte und Pflegepersonal sind in vielen Spitälern völlig überlastet<br />
<strong>Intensivpatient</strong> „Gesundheitssystem“<br />
Fortsetzung von Seite 16<br />
träumen. Der größte Brocken ist zweifellos der Spitalssektor:<br />
Bekäme man eine einheitliche österreichweite Spitalsplanung<br />
nicht nur theoretisch zustande (die gibt es nämlich<br />
schon längst im oben erwähnten ÖSG), sondern auch<br />
praktisch, indem man eine Trägerschaft aller öffentlichen<br />
Spitäler durch den Bund gesetzlich einrichtet, wäre für den<br />
stationären Bereich und die Spitalspatienten schon sehr viel<br />
gewonnen.<br />
Wenn dann noch das rigide Kassensystem flexibler wird,<br />
seine Tarife verbessert und jedem (!) niedergelassenen Arzt<br />
die vertragliche Verrechnung von Basishonoraren ermöglicht,<br />
ohne in seine Selbstständigkeit einzugreifen, wäre<br />
das System nahezu perfekt. Die freie Honorargestaltung<br />
des freien Berufes Arzt würde sich marktgemäß einpendeln<br />
und die Kassen bezahlten fixe Sockeltarife, damit niemand<br />
zu kurz kommt. Wir bräuchten dann kein Wahlarztsystem<br />
und keine Kassenplanwirtschaft mehr, und alle ambulanten<br />
Patienten würden profitieren.<br />
Dr. Marcus Franz ist Internist und war Abgeordneter zum Nationalrat.<br />
Bild: Unsplash/J. Borba<br />
Personal mangelt – klingen solche<br />
grünlinken Utopien wie eine<br />
gefährliche Drohung.<br />
Sollten das tatsächlich die<br />
Grundlagen für die geplanten<br />
Reformen sein, könnte unser<br />
schwerkrankes Gesundheitssystem<br />
schon bald ins Koma fallen.<br />
Diese grün-linken, planwirtschaftlichen<br />
Ansätze bedeuten<br />
unterm Strich vor allem mehr<br />
Kosten, Bürokratie, unproduktive<br />
Experten und nicht die dringend<br />
notwendigen Effizienzsteigerungen,<br />
Einsparungen und<br />
vor allem die Verbesserung der<br />
Arbeitsbedingungen für medizinisches<br />
Personal.<br />
Viel Zeit bleibt nicht, es kracht<br />
an allen Ecken und Enden. Zudem<br />
sind weitreichende und<br />
einschneidende Maßnahmen,<br />
die weit über Strukturreformen<br />
hinausgehen, notwendig, um<br />
die katastrophalen Zustände<br />
im <strong>Gesundheitswesen</strong> abzumildern,<br />
um einen finanziellen<br />
Kollaps, einen Zusammenbruch<br />
der Gesundheitsversorgung zu<br />
verhindern. Der massive Personalmangel<br />
bei Pflegepersonal<br />
und Ärzten, die Überlastung des<br />
Gesundheitspersonals, unbesetzte<br />
Spitalsabteilungen, die Qualitätsmängel<br />
und die Kostenexplosion<br />
enden schon jetzt für immer<br />
mehr Menschen tödlich. Etwa in<br />
der Steiermark, wo im Juli vergangenen<br />
Jahres zwei Menschen<br />
sterben mussten, weil kein Notarzt<br />
zur Verfügung stand. Alltag<br />
in Österreich. Vor wenigen Tagen<br />
berichtete der „Exxpress“ über<br />
die Zustände in Wiens Spitälern:<br />
„849 gesperrte Krankenhausbetten<br />
wegen des akuten Mangels<br />
an Ärzten und Pflegern, völlig<br />
überarbeitete Ärzte, weil sie<br />
Überstunden schieben müssen,<br />
und Patienten, die elendslang auf<br />
Operationen warten und sich im<br />
Stich gelassen fühlen.“ Solche<br />
Meldungen klingen, als würden<br />
sie aus der Dritten Welt stammen,<br />
nicht aus einem Land mit<br />
einem „der besten Gesundheitssysteme<br />
der Welt“, wie es noch<br />
Bundeskanzler Sebastian Kurz<br />
und sein grüner Gesundheitsminister<br />
Rudolf Anschober zu<br />
Beginn der Corona-Pandemie verkündet<br />
hatten. Lange haben Politiker<br />
aller Parteien sich und den<br />
Bürgern die Mär von einem der<br />
besten Gesundheitssysteme der<br />
Welt eingeredet. Das war auch<br />
schon vor zwei oder zehn Jahren<br />
eine falsche Darstellung. Die<br />
Mängelliste ist lang. Die Spitäler<br />
haben längst ihre Belastungsgrenzen<br />
überschritten. In Wien<br />
können aktuell 900 Stellen in der<br />
Pflege nicht mehr besetzt werden.<br />
Auch in den anderen Bundesländern<br />
ist die Situation dramatisch:<br />
Allein im Landeskrankenhaus<br />
Innsbruck sind derzeit 280 Betten<br />
wegen Personalmangels stillgelegt.<br />
Ein Wiener Arzt, der anonym<br />
bleiben will, hat die Situation an<br />
Wiens Spitälern so beschrieben:<br />
„Zu sagen, dass die Bettensituation<br />
auf den Normalstationen und<br />
18 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
<strong>ZZ</strong> <strong>05</strong>_2023 Seite 16-25.indd 18 31.01.2023 14:07:42
Kinderärzte mit Kassenvertrag: In Österreich Mangelware<br />
den Intensivstationen die Hölle<br />
ist, wäre untertrieben. Wir alle<br />
sind am Ende. Auf der Intensiv<br />
beginnen wir zu triagieren.“ Triage<br />
bedeutet, zu entscheiden, welche<br />
Patienten behandelt werden<br />
und welche nicht mehr. Wenn<br />
in einem Gesundheitssystem bereits<br />
unter normalen Umständen<br />
triagiert werden muss, ist das<br />
eine Bankrotterklärung. Während<br />
der Corona-Pandemie war<br />
die Triage ein großes politisches<br />
und mediales Thema, weil es sich<br />
für die Corona-Politik instrumentalisieren<br />
ließ. Jetzt ist die Triage,<br />
nachdem man die Schuld an solchen<br />
Zuständen nicht mehr den<br />
Ungeimpften bzw. der Pandemie<br />
anlasten kann, plötzlich kein<br />
großes Problem mehr, weil politisches<br />
Versagen dafür verantwortlich<br />
ist.<br />
In Österreichs Spitälern herrschen<br />
Zustände, die sowohl für<br />
die Patienten als auch die Ärzte<br />
nicht mehr zumutbar sind. In<br />
Wien muss man etwa auf eine<br />
Hüftoperation durchschnittlich<br />
225 Tage warten und aufgrund<br />
der großen Belastungen sollen –<br />
so berichtet eine Ärztin – immer<br />
mehr Mediziner und Pfleger zu<br />
Drogen greifen. Laut einer Umfrage<br />
der Wiener Ärztekammer<br />
klagen drei Viertel der Spitalsärzte<br />
über eine hohe bzw. sehr hohe<br />
Arbeitsbelastung. 84 Prozent<br />
der Wiener Spitalärzte warnen,<br />
THEMA DER WOCHE<br />
dass es angesichts der Situation<br />
zu einem Qualitätsverlust bei<br />
der Behandlung von Patienten<br />
komme. Egal, wie dramatisch die<br />
Zeitungsberichte und die Appelle<br />
der Ärzte auch sein mögen, beim<br />
Wiener Gesundheitsstadtrat Peter<br />
Hacker (SPÖ) stoßen sie auf<br />
taube Ohren. In der Umfrage der<br />
Ärztekammer sieht er eine „Kampagne<br />
gegen die Wiener Spitäler“.<br />
Auch Gesundheitsminister<br />
Rauch versucht, das politische<br />
Versagen auf die Ärzteschaft abzuwälzen:<br />
„Die Ärztekammer ist<br />
Bild: Julio César Velásquez Mejía/Pixabay.com<br />
ein im wahrsten Sinne des Wortes<br />
gewichtiger Vertreter der Interessen,<br />
nämlich der Interessen<br />
der Ärzteschaft. Da geht es sehr<br />
viel um Bewahren und nicht so<br />
sehr um eine zukunftsfähige Gestaltung.“<br />
Solche Aussagen sind angesichts<br />
der Situation in den Krankenhäusern<br />
zynisch<br />
und unverantwortlich.<br />
Zwei Drittel der<br />
Wiener Spitalsärzte<br />
denken laut einer<br />
Umfrage über einen Jobwechsel<br />
nach. Erst im November hat ein<br />
Primararzt in der Klinik Floridsdorf<br />
wegen akuten Personalmangels<br />
das Handtuch geworfen. Der<br />
Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft<br />
fehlen derzeit<br />
rund zehn Prozent Ärzte. Nicht<br />
nur im Spitalsbereich, auch bei<br />
den niedergelassenen Ärzten ist<br />
Feuer am Dach. Allgemeinmediziner<br />
mit Kassenverträgen müssen<br />
pro Tag oftmals zwischen 100<br />
und 200 Patienten behandeln!<br />
Angesichts solcher Bedingungen<br />
verwundert es nicht, dass viele<br />
Kassenstellen nicht mehr besetzt<br />
werden können. Aktuell gibt es<br />
200 offene Stellen, davon 121 in<br />
der Allgemeinmedizin. In Österreich<br />
kommen mittlerweile 5.000<br />
Kinder auf einen Kinderarzt mit<br />
Kassenvertrag. Immer mehr<br />
Mediziner können und wollen<br />
sich dieser Dauerbelastung<br />
nicht mehr aussetzen, zumal<br />
Kassenverträge auch finanziell<br />
wenig lohnend und die Patienten<br />
oftmals problematisch sind.<br />
In Wien ist die Zahl der Kassen-<br />
Ordinationen für Allgemeinmediziner<br />
innerhalb von 25 Jahren<br />
um 144 zurückgegangen, obwohl<br />
die Stadt im selben Zeitraum von<br />
1,5 auf zwei Millionen Einwohner<br />
angewachsen ist. Weil Kassenverträge<br />
für Ärzte in vielerlei<br />
Hinsicht nicht mehr attraktiv<br />
sind, überlegt Minister Rauch,<br />
sie zu zwingen, als Kassenärzte<br />
zu arbeiten. Im vergangenen Jahr<br />
hat er vorgeschlagen, dass Medizinabsolventen<br />
verpflichtend als<br />
Kassenärzte arbeiten müssen.<br />
Gleichzeitig gibt es Überlegungen,<br />
das funktionierende Wahlarztsystem<br />
für Ärzte und Patienten<br />
unattraktiver zu machen bzw.<br />
ganz abzuschaffen. Sprich: Patienten,<br />
die aufgrund der widrigen<br />
Umstände nicht zu Kassenärzten<br />
84 % der Wiener Spitalsärzte<br />
warnen vor einem Qualitätsverlust<br />
bei der Patientenversorgung.<br />
gehen können oder wollen, müssten<br />
sich dann die Behandlung<br />
beim Arzt zu 100 Prozent selbst<br />
bezahlen. Ein gewichtiger Kritiker<br />
des Wahlarztsystems ist der<br />
Obmann der Österreichischen<br />
Gesundheitskasse (ÖGK), der Gewerkschafter<br />
Andreas Huss, der<br />
in diesem Bereich sogar „Korruptionspotenzial“<br />
ortet. Statt die<br />
5/2023 | ZUR ZEIT 19<br />
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THEMA DER WOCHE<br />
Jungärzte: Wünschenswert,<br />
wenn sie nach dem Studium<br />
in Österreich bleiben<br />
Ärzteauswanderung ist in der<br />
Statistik nicht erkennbar<br />
Bild: Tung Nguyen/Pixabay.com<br />
Andreas Huss, halbjährlicher Vorsitzender<br />
der Österreichischen Gesundheitskasse,<br />
über die Entwicklung des<br />
österreichischen Gesundheitssystems,<br />
seine Stärken und Schwächen<br />
Österreich gilt als das Land mit einem der besten<br />
Gesundheitssysteme Europas, ja eigentlich<br />
der ganzen Welt. Konnten wir diesen Status<br />
aufrechterhalten oder ist er uns mittlerweile<br />
abhandengekommen?<br />
Andreas Huss: Wir können immer noch<br />
stolz auf unser Gesundheitssystem sein.<br />
Bild: privat<br />
Im internationalen Vergleich haben wir<br />
eine sehr gute Abdeckung der Bevölkerung<br />
mit Versicherungsschutz und es gibt nur<br />
einen sehr geringen Anteil an nicht erfüllten<br />
Versorgungsnotwendigkeiten. Es gibt<br />
ein dichtes Netz an niedergelassenen Ärzten,<br />
meist in Einzelordinationen, die Kassenversorgung<br />
als Sachleistung ohne Zuzahlung<br />
leisten. Viele Gesundheitsberufe<br />
wie Physiotherapeuten, Ergotherapeuten,<br />
Logopäden und Psychotherapeuten sind so<br />
organisiert, dass auch diese Leistungen als<br />
Sachleistung auf Kassenkosten erbracht<br />
werden. Außerdem haben wir hochentwickelte<br />
moderne Krankenanstalten, die<br />
akute Operationen, Behandlungen und<br />
Therapien umsetzen. Ob das Ganze wirklich<br />
bestmöglich organisiert wird, ist eine<br />
andere Frage. Da gibt es immer was zu<br />
schrauben und zu verbessern. Ich denke,<br />
wir sind an einem Punkt, an dem ein paar<br />
Reparaturen notwendig sind.<br />
In der Vorgängerregierung wurden gravierende<br />
Änderungen unseres Systems der Krankenkassen<br />
vorgenommen. Wie stehen Sie zu<br />
den Änderungen?<br />
Huss: Von der schwarz–blauen Regierung<br />
unter Kurz und Strache wurde eine<br />
massive Machtverschiebung hin zu den<br />
Wirtschaftsvertretern umgesetzt, das war<br />
das hauptsächliche Ziel. In der Versicherung<br />
der Arbeitnehmer haben dadurch<br />
die Dienstgebervertreter die Selbstverwaltungsgremien<br />
gekapert und können<br />
20 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
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THEMA DER WOCHE<br />
so über die Versorgung ihrer Mitarbeiter<br />
bestimmen. Das führt die Selbstverwaltung<br />
ad absurdum und muss dringend repariert<br />
werden. Mit der Fusionierung der<br />
Gebietskrankenkassen wurden überdies<br />
die bestehenden Netzwerke der regional<br />
organisierten Gesundheitsversorgung auf<br />
Länderebene durchtrennt. In den Bundesländern<br />
gibt es jetzt bei vielen Themen<br />
keine regionalen Ansprechpartner mehr,<br />
die wirklich Entscheidungen treffen können.<br />
Das erzeugt lange Wege, die man bei<br />
besserer Organisation der ÖGK verhindern<br />
könnte.<br />
Ursprünglich wurden uns seitens der damaligen<br />
Gesundheitsministerin Beate Hartinger-<br />
Klein Einsparungen in Millionengrößenordnungen<br />
versprochen. Wie der Rechnungshof<br />
2022 ermittelte, müssen wir nun im Gegenteil<br />
noch Geld dazuzahlen. Ist es das, was uns nun<br />
weiter bevorsteht, oder werden sich mittel- und<br />
langfristig doch noch Einsparungen herausstellen?<br />
Huss: ÖVP und FPÖ haben hier unseriöse<br />
Politik betrieben und die Bevölkerung<br />
absichtlich hinters Licht geführt. Alle haben<br />
gewusst, dass diese Ankündigung der<br />
Patientenmilliarde ein Schmäh war. Wir<br />
haben das auch von Anfang an immer<br />
wieder gesagt, und der Rechnungshof hat<br />
uns damals schon recht gegeben. Bei einer<br />
derartig großen Fusion von neun Unternehmen<br />
auf ein Neues gibt es erstens große<br />
Gefahren des Scheiterns, diese Gefahr<br />
wurde von den politisch Verantwortlichen<br />
in Kauf genommen. Zweitens ist bei Fusionen<br />
in der Größenordnung ein großer<br />
Wir brauchen Wissenschaftler,<br />
genauso wie Mediziner mit hoher<br />
Sozialkompetenz für die Patienten.<br />
monetärer und personeller Aufwand für<br />
die Abwicklung der Fusion einzukalkulieren,<br />
aber die Regierung hat das Gegenteil<br />
angekündigt. Das war unverantwortliche<br />
Fake-Politik. Aber jetzt müssen wir das Beste<br />
draus machen und gute Leistungen für<br />
die Versicherten bieten.<br />
Die Corona-Pandemie hat teilweise seltsame<br />
Blüten getrieben. Es hat noch nie so viele<br />
„Experten“ gegeben, die ihren Senf dazugegeben<br />
haben, wie in diesem Fall. Trotzdem ist vieles<br />
nicht so gelaufen, wie es die Bürger erwartet<br />
und auch gewünscht haben. Angelpunkt sind<br />
u.a. auch die Mengen an millionenfachem,<br />
Bild: U.S. Secretary of Defense/Wikimedia (CC BY 2.0)<br />
überzähligem Impfstoff, der seitens der Regierung<br />
mit Steuergeld gekauft wurde und nun<br />
verschenkt oder vernichtet werden muss. Was<br />
hätte man da anders machen müssen?<br />
Huss: Im Zuge der Impfstoffankäufe<br />
wurden mehr als 38 Millionen Einzeldosen<br />
geliefert. Wir hätten viel mehr Corona-<br />
Impfstoffe in das internationale COVAX-<br />
Programm spenden müssen, mit dem<br />
finanzschwache Länder bei der Corona-<br />
Impfung unterstützt werden. Hier sollten<br />
wir die internationale Solidarität hochhalten.<br />
Da wurden bei weitem nicht alle<br />
Möglichkeiten ausgeschöpft, und Millionen<br />
Impfstoffe sind ungenutzt vernichtet<br />
worden.<br />
Von namhaften Virologen kam nun das<br />
„Pandemie-Aus“. Dürfen wir dem glauben,<br />
oder weshalb gibt es immer noch, wie in Wien,<br />
Regelungen, die die Menschen in unserem<br />
Land einschränken?<br />
Huss: Wenn die Pandemie<br />
beendet wird, haben wir immer<br />
noch eine Endemie, die saisonal<br />
auftreten wird, so ähnlich wie bei der Grippe.<br />
Corona ist eine zusätzliche Krankheit,<br />
die in unserem Gesundheitssystem eine<br />
bestimmte Krankheitslast hervorruft. Das<br />
muss man im Auge behalten. Was die Regelungen<br />
mit der Maske angeht, halte ich<br />
es mit Ludwig. Eine Maske ist kein Folterinstrument.<br />
Sie wechseln nun jedes Halbjahr den Vorsitz<br />
des Verwaltungsrates der österreichischen Gesundheitskasse.<br />
Sollte diese Lösung beibehalten<br />
werden oder gäbe es da bessere Möglichkeiten,<br />
um Arbeitnehmer und -geber gleichermaßen<br />
einzubauen?<br />
Corona-<br />
Impfstoffe:<br />
Mehr als 38 Millionen<br />
Einzeldosen<br />
wurden<br />
nach Österreich<br />
geliefert<br />
5/2023 | ZUR ZEIT 21<br />
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THEMA DER WOCHE<br />
Pflegepersonal:<br />
Viele gut ausgebildete<br />
Pflegekräfte<br />
haben<br />
die Branche<br />
gewechselt<br />
Andreas Huss<br />
ist Chef der ÖGK<br />
und zentraler<br />
Bildungs sekretär<br />
der Gewerkschaft<br />
Bau-Holz<br />
Huss: Ich finde, diese Regelung mit dem<br />
wechselnden Vorsitz ist ein Auslaufmodell,<br />
das sich nicht bewährt hat. In Zukunft<br />
soll der Vorsitz wieder permanent bei der<br />
Arbeitnehmer-Vertretung sein. Die Selbstverwaltung<br />
der versicherten Arbeitnehmer<br />
kann nur so respektvoll gewährleistet werden.<br />
Ein ganz wesentliches Thema im <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
ist der Mangel an Pflegepersonal.<br />
Es können vorhandene Krankenbetten nicht genutzt<br />
werden, weil uns die Schwestern fehlen.<br />
Wie wäre dieses Problem Ihrer Meinung nach<br />
zu lösen?<br />
Huss: Wir haben in den letzten Jahren<br />
viele gut ausgebildete Pflegekräfte<br />
verloren, weil sie in andere Branchen gewechselt<br />
sind. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer<br />
im Pflegeberuf<br />
ist sehr kurz, weil<br />
die Rahmenbedingungen<br />
oft nicht passen. Neben einer<br />
Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />
bei den Dienstplänen<br />
und dem Gehalt sollte es meiner Ansicht<br />
nach auch eine Offensive geben, um bereits<br />
Ausgebildete in die Branche zurückzuholen.<br />
Auch im Ärztebereich ist es nicht zum Besten<br />
bestellt. Immer mehr wandern ins Ausland<br />
ab, weil sie dort besser verdienen können.<br />
Wie könnte hier Abhilfe geschaffen werden?<br />
Huss: Das mit der großen Auswanderungswelle<br />
ist in den Zahlen der Ärztekammer-Statistik<br />
nicht erkennbar. Vielmehr<br />
ist zu erkennen, dass es 2021 so viele neue<br />
Turnusärzte wie nie zuvor gegeben hat.<br />
Jedenfalls müssen wir darauf achten, dass<br />
Bild: Alt4ri0/pxhere.com<br />
Kinder aus ärmeren Familien können sich<br />
die teueren Vorbereitungskurse für den<br />
Medizinstudium-Aufnahmetest kaum leisten.<br />
genügend Nachwuchs für die öffentliche<br />
Gesundheitsversorgung nachkommt. Das<br />
muss Priorität haben für uns als Gesellschaft.<br />
Deshalb sollten wir wie in Deutschland<br />
eine Landarztquote einrichten, mit<br />
der junge Ärzte leichter einen Studienplatz<br />
bekommen, wenn sie sich vorstellen können,<br />
in schlecht versorgten Regionen in der<br />
Kassenversorgung mitzuhelfen.<br />
Ein wesentliches Kriterium ist das Aufnahmeverfahren<br />
zum Medizinstudium. Die Prüfungen<br />
sollen nicht immer die am besten Geeigneten<br />
zu den Ausbildungsplätzen bringen. Wie<br />
könnte man die Eignung für eine medizinische<br />
Tätigkeit besser prüfen?<br />
Huss: Im derzeitigen Aufnahmeverfahren<br />
zum Medizinstudium hatten wir jetzt<br />
jedes Jahr zirka zehnmal so viele Bewerber<br />
wie zu vergebende Studienplätze. Der<br />
Andrang zum Medizinstudium ist also<br />
riesig. Wenn man so eine große Auswahl<br />
hat, muss man trotzdem die richtigen Personen<br />
auswählen, oder zumindest den<br />
richtigen Mix, damit die gesellschaftlich<br />
notwendigen Aufgaben erfüllt werden<br />
können. Natürlich brauchen wir die „Oberchecker“,<br />
mit besten Ambitionen in der<br />
Wissenschaft, genauso wie junge Ärzte<br />
mit guter Ausbildung und der hohen Sozialkompetenz<br />
für die Zuwendungsmedizin<br />
direkt am Patienten. Hier sollte ein Mischverfahren<br />
entwickelt werden, das diesen<br />
Ansprüchen genügt. Derzeit gibt es ja beim<br />
Aufnahmeverfahren sogar so etwas wie<br />
eine besondere soziale Auswahl, weil fürs<br />
Durchkommen bestimmte teure Vorbereitungskurse<br />
fast Pflicht sind. Das können<br />
sich Kinder aus ärmeren Familien kaum<br />
leisten. Das kann nicht der Weisheit letzter<br />
Schluss sein.<br />
Andererseits haben wir eine große Anzahl<br />
an deutschen „Numerus-Clausus-Flüchtlingen“.<br />
Welche Regelungen könnten hier innerhalb<br />
Europas getroffen werden?<br />
Huss: Eine bestimmte Menge der Studienplätze<br />
ist für nicht-österreichische Studenten<br />
verfügbar. Das stärkt den europäischen<br />
Austausch und gleichzeitig können<br />
Österreicher auch woanders studieren. Das<br />
ist ein Zeichen für das Zusammenwachsen<br />
Europas. Dieser Austausch ist nicht die<br />
22 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
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THEMA DER WOCHE<br />
Ursache für Besetzungsprobleme,<br />
die liegen anderswo.<br />
Viel zu viele öffentlich ausgebildete<br />
Ärzte werden nie<br />
für die Bevölkerung versorgungswirksam,<br />
verschreiben<br />
sich der Privatmedizin<br />
und entziehen sich der öffentlichen<br />
Versorgung. Hier<br />
müssen wir ansetzen und<br />
das Wahlarztsystem mit den<br />
überbordenden Freiheiten<br />
regulieren. Wir haben ein<br />
Problem, weil der Privatmedizinsektor<br />
mit viel Geld<br />
die ärztlichen Ressourcen<br />
absaugt. Wenn man sich<br />
anschaut, dass die Privatversicherungen<br />
jährlich einen<br />
Gewinn von einer Milliarde<br />
Euro einfahren, dann ist es<br />
höchste Zeit, das Problem<br />
anzugehen, sonst ist es zu<br />
spät.<br />
Was werden die künftigen<br />
Herausforderungen für das<br />
staatliche <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
sein, die auf uns zukommen?<br />
Und wie müssten wir uns darauf<br />
einstellen?<br />
Huss: Die demografische<br />
Entwicklung wird unser<br />
Gesundheitssystem vor Herausforderungen<br />
stellen, die<br />
eine permanente Adaption<br />
der Rahmenbedingungen<br />
erfordern wird, um für alle<br />
eine gute Versorgung bieten<br />
zu können. In diesem<br />
Umfeld brauchen wir eine<br />
gewisse Bewegungsfreiheit,<br />
damit wir Verbesserungen<br />
auch wirklich auf den Boden<br />
bringen. Beim Ausbau<br />
der Primärversorgungszentren<br />
sehen wir, dass ein sehr<br />
gutes Konzept mit klaren<br />
Verbesserungen für die Bevölkerung<br />
nur langsam vorankommt,<br />
weil beharrende<br />
Kräfte eine zu starke Vetomacht<br />
haben. Wir müssen<br />
das System jetzt so stark<br />
aufstellen, dass wir für die<br />
Zukunft gerüstet sind.<br />
Das Gespräch führte Walter Tributsch.<br />
Rahmenbedingungen für den<br />
Kassenbereich zu verbessern,<br />
versucht man von politisch linker<br />
Seite das Wahlarztsystem für<br />
Ärzte und Patienten möglichst<br />
unattraktiv zu machen.<br />
Immer mehr Menschen sind<br />
gezwungen, trotz teurer Pflichtversicherung<br />
und persönlich angespannter<br />
finanzieller Lage vom<br />
dysfunktionalen, staatlichen auf<br />
das Wahlarztsystem oder in Privatordinationen<br />
auszuweichen.<br />
Die Zwei- oder Dreiklassenmedizin<br />
ist längst Realität. Wer nicht<br />
Monate auf einen Facharzttermin<br />
warten, nicht von einem<br />
überlasteten Mediziner in wenigen<br />
Minuten abgefertigt werden<br />
will, ist de facto gezwungen, zu<br />
einem Privat- oder Wahlarzt zu<br />
gehen, sprich sich die Untersuchung<br />
bzw. Behandlung ganz<br />
oder zum Teil selbst zu bezahlen.<br />
In der Bundeshauptstadt ist die<br />
Zahl der Wahlarzt-Praxen seit<br />
2010 um 30 Prozent auf knapp<br />
4.000 gestiegen.<br />
Wie kann ein finanziell bestens<br />
ausgestattetes staatliches<br />
Gesundheitssystem, von dem viele<br />
Politiker nach wie vor behaupten,<br />
es sei eines der besten der<br />
Welt, in einem derart schlechten<br />
Zustand sein? Noch im August<br />
vergangenen Jahres schrieb der<br />
„Standard“: „Die Krankenversorgung<br />
in Österreich ist eine<br />
der besten weltweit.“ Richtig ist<br />
vielmehr: Österreich hat eines<br />
der teuersten und angesichts<br />
des aktuellen Zustandes ineffizientesten<br />
Gesundheitssysteme<br />
der Welt: In der EU geben nur<br />
Deutschland und Frankreich<br />
mehr Geld für ihr <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
aus. In Österreich lagen<br />
die Aufwendungen bei 11,5 Prozent<br />
des BIP (2020), der EU-Schnitt<br />
liegt bei 10,9. Vergangenes Jahr<br />
sind die Ausgaben in Österreich<br />
sogar auf 12,1 Prozent gestiegen.<br />
Der öffentliche Anteil der Gesundheitsausgaben<br />
ist in Österreich<br />
mit über 78 Prozent sehr<br />
hoch. Über 50 Milliarden sind<br />
Bild: pexels.com<br />
Zweiklassenmedizin: Wer es sich<br />
leisten kann, geht zu Wahlärzten<br />
vergangenes Jahr ins <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
geflossen, etwa zehn<br />
Milliarden davon waren private<br />
Ausgaben und Investitionen. An<br />
zu wenig Geld kann es also nicht<br />
liegen.<br />
Eines der größten strukturellen<br />
Probleme, das von den<br />
meisten Verantwortlichen nicht<br />
einmal als solches erkannt wird:<br />
Die Kranken- und Sozialversicherung<br />
ist trotz ihres Namens keine<br />
Versicherung, sondern ein linkes<br />
Instrument zur Umverteilung,<br />
das längst in eine katastrophale<br />
Schieflage geraten ist. Würde die<br />
Sozial- und Krankenversicherung<br />
tatsächlich auf dem Versicherungsprinzip<br />
beruhen, so wie<br />
eine KFZ- oder Haushaltsversicherung,<br />
müssten die Beiträge<br />
nicht nach dem Einkommen des<br />
Versicherten berechnet werden,<br />
sondern nach seinem Alter, Gesundheitszustand,<br />
seiner Lebensweise<br />
etc. Schließlich kostet die<br />
Behandlung eines gebrochenen<br />
Armes bei einem Millionär genau<br />
so viel wie bei einem Hilfsarbeiter.<br />
Weil der Anteil jener, die zwar<br />
massiv „Versicherungs“-Leistungen<br />
in Anspruch nehmen, aber<br />
keine bzw. nennenswerten eigenen<br />
Beiträge einzahlen, immer<br />
größer wird, wird das Gesundheitssystem<br />
finanziell immer<br />
stärker belastet, die Qualität der<br />
Gesundheitsversorgung nimmt<br />
5/2023 | ZUR ZEIT 23<br />
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THEMA DER WOCHE<br />
Unser Gesundheitssystem steckt in<br />
der Krise. Personalmangel scheint<br />
eines der Kernprobleme zu sein. Wo<br />
verorten Sie die wesentlichsten Baustellen<br />
im System?<br />
Gerhard Kaniak: Viele Gesundheitsexperten<br />
und auch die<br />
jeweiligen Standesvertretungen<br />
haben schon seit Jahren auf einen<br />
durch die demographische<br />
Entwicklung ausgelösten Fachkräfte-<br />
und Ärztemangel im <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
hingewiesen.<br />
Neben der Pensionierungswelle,<br />
welche erst in den nächsten Jahren<br />
ihren Höhepunkt erreichen<br />
wird, wurde die Situation im ärztlichen<br />
Bereich durch die letzte<br />
Arbeitszeitreform sowie durch<br />
den verstärkten Trend zur Teilzeitarbeit<br />
verschlimmert. Das<br />
Fass endgültig zum Überlaufen<br />
gebracht hat die Corona-Krise<br />
mit allen, vielfach auch durch die<br />
Regierungsmaßnahmen verstärkten,<br />
negativen Auswirkungen auf<br />
die Arbeitsbedingungen. Damit<br />
meine ich nicht nur die Herausforderung<br />
durch eine neuartige<br />
Erkrankung, sondern auch die<br />
Überlastung durch viele interne<br />
Krankenstände und Absonderungen<br />
sowie die vielfach bis heute<br />
andauernde Schikane durch<br />
FFP2-Masken und Impfpflicht,<br />
Einschränkungen der persönlichen<br />
Meinungsfreiheit und vieles<br />
mehr. Trotz der offensichtlichen<br />
Fehlentwicklung hat es weniger<br />
Demograhpie als Problem<br />
Der freiheitliche Gesundheitssprecher<br />
Gerhard Kaniak in <strong>ZZ</strong>-Gespräch über<br />
Mängel im heimischen <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
Arzneimittel: In den heimischen Apotheken ist nicht immer alles erhältlich<br />
statt mehr Geld gegeben, zudem<br />
ist so gut wie nichts von den unzähligen<br />
COVID-Milliarden zur<br />
Verbesserung der Leistungsfähigkeit<br />
und Struktur unseres<br />
Gesundheitssystems ausgegeben<br />
worden.<br />
Auch im Niedergelassenen<br />
Bereich wurde die Entwicklung<br />
vollkommen verschlafen. Kurzfristige<br />
Abhilfe kann hier nur<br />
eine stärkere Integration der<br />
tausenden Wahlärzte in das Kassensystem<br />
bringen. Mittelfristig<br />
kann durch „Landarztstipendien“,<br />
Entbürokratisierung und ein<br />
überarbeitetes Aufgaben- und Honorarsystem<br />
viel getan werden,<br />
um das Berufsbild zu attraktiveren<br />
und den Kassenarztmangel<br />
nachhaltig zu beseitigen.<br />
Schon vor der Corona-Krise, die<br />
weitere Lieferengpässe im Medikamentenbereich<br />
verursacht hat, gab<br />
es solche Engpässe, die jetzt wieder<br />
verstärkt zu Tage treten. Ist Europa<br />
hier zu abhängig von Asien?<br />
Kaniak: Europa ist schon seit<br />
vielen Jahren im hharmazeutischen<br />
Bereich von Produzenten<br />
Bild: Ewa Urban/Pixabay.com<br />
Bild: flickr/Martin Juen<br />
kontinuierlich ab. Die Massenzuwanderung<br />
ist eines der größten<br />
Probleme unseres Gesundheitsund<br />
Sozialsystems.<br />
Sie belastet das <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
auf mehreren Ebenen,<br />
das kann und wird vom grünen<br />
Gesundheitsminister aus ideologischen<br />
Gründen aber weder<br />
thematisiert und schon gar nicht<br />
problematisiert. Eine weitere<br />
Großbaustelle ist die Überalterung<br />
der heimischen Bevölkerung.<br />
Je höher das Durchschnittsalter<br />
der Bürger, desto höher die<br />
Ausgaben für Gesundheit und<br />
Pflege, desto niedriger die Einnahmen<br />
und desto dramatischer<br />
der Personalmangel bei Ärzten<br />
und Pflegepersonal. In den kommenden<br />
Jahren gehen die geburtenstarken<br />
Jahrgänge der Nachkriegsgeneration<br />
in Pension. Sie<br />
hinterlassen eine riesige personelle<br />
Lücke im Gesundheitssystem.<br />
Zudem wird das Sozial- und<br />
<strong>Gesundheitswesen</strong> zunehmend<br />
unfinanzierbar. Die Agenda Austria<br />
warnt, dass ohne entsprechende<br />
Maßnahmen: „… die Alterung<br />
der Gesellschaft die Kosten<br />
bei Gesundheit, Pflege und Pension<br />
andernfalls unkontrolliert<br />
wird steigen lassen.“<br />
2017 kamen drei Erwerbstätige<br />
auf einen Pensionisten, 2040 sind<br />
es nur noch zwei. Das ist keine unerwartete<br />
Entwicklung, das wissen<br />
die politisch Verantwortlichen<br />
seit vielen Jahren, trotzdem<br />
wurden nie Strategien entwickelt,<br />
wie man das Gesundheits-<br />
24 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
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THEMA DER WOCHE<br />
Bild: flickr/Martin Juen<br />
aus Asien abhängig, ganz besonders<br />
bei den Rohstoffen. Durch<br />
den gestiegenen Kostendruck<br />
von Seiten der Sozialversicherungen<br />
(besonders im Bereich<br />
der patentfreien Arzneimittel),<br />
aber auch durch<br />
sehr strenge Umwelt- und<br />
Behördenauflagen wurden<br />
immer größere Teile<br />
der Produktion nach Asien<br />
verlagert. Wie groß die<br />
Abhängigkeit sowohl von<br />
asiatischen Produzenten<br />
als auch von funktionierenden<br />
Transportketten<br />
ist, hat sich bereits im<br />
Frühling 2020 gezeigt.<br />
Seitdem ist jedoch wenig<br />
geschehen, um diese Abhängigkeit<br />
zu reduzieren.<br />
Wo sehen Sie grundsätzlich im<br />
Pharmabereich bzw. im Bereich der<br />
Apotheken die großen Probleme?<br />
Kaniak: Zur Steigerung der<br />
Resillienz bedarf es einer größeren<br />
Fertigungstiefe bei Arzneimitteln,<br />
aber auch bei Medizinprodukten<br />
in Europa und<br />
Österreich. Da diese aber selbst<br />
bei optimalen Rahmenbedingungen<br />
und großzügigen Förderungen<br />
frühestens in 5 bis 10<br />
Jahren erreicht werden kann,<br />
system langfristig finanzieren<br />
kann, weil Politiker in der Regel<br />
nur bis zur nächsten Wahl denken.<br />
Wenn Minister Rauch den<br />
massiven Personalmangel mit<br />
„mehr Zuwanderung“ beheben<br />
möchte, ist das eine gefährliche<br />
Drohung. Ausgebildete medizinische<br />
Fachkräfte, also Ärzte oder<br />
Krankenpfleger, kommen nicht<br />
nach Österreich. Im Gegenteil:<br />
Vier von zehn Absolventen heimischer<br />
Medizinunis verlassen<br />
das Land. Außerhalb Österreichs,<br />
braucht es auch kurzfristige<br />
Maßnahmen. Eine davon wäre,<br />
die vollsortierten Arzneimittelgroßhändler<br />
zur Haltung eines<br />
größeren Lagers an bestimmten,<br />
besonders wichtigen<br />
Arzneimitteln<br />
zu verpflichten.<br />
Natürlich<br />
muss dafür auch<br />
eine Entschädigung<br />
gezahlt<br />
und eine Belieferungspflicht<br />
der<br />
Gerhard Kaniak:<br />
Der FPÖ-Gesundheitssprecher<br />
ist im Zivilberuf<br />
Apotheker<br />
Hersteller an den<br />
Großhandel eingeführt<br />
werden.<br />
Auch die öffentlichen<br />
Apotheken<br />
sollten stärker in<br />
diese Notfall-Bevorratung eingebunden<br />
werden, da hier im Falle<br />
des Falles die Versorgung vor<br />
Ort unmittelbar aufrecht gehalten<br />
werden kann. Die dafür notwendigen<br />
Auch im niedergelassenen<br />
Bereich wurde die Entwicklung<br />
vollkommen verschlafen.<br />
Bild: Parlamentsdirektion/PHOTO SIMONIS<br />
Notfallparagraphen<br />
in den verschiedenen<br />
Gesetzen fehlen allerdings<br />
noch.<br />
Unmittelbar gilt<br />
es, die in Europa noch<br />
vorhandenen Arzneimittel dort<br />
hin zu bekommen, wo sie am<br />
dringendsten benötigt werden.<br />
Gerade in diesem Bereich leistet<br />
der vielfach – aber vollkommen<br />
zu unrecht gescholtene – Arzneimittel-Parallelhandel<br />
wertvolle<br />
Dienste.<br />
♦<br />
etwa in der Schweiz, in Skandinavien<br />
oder den Golfstaaten<br />
sind die Bedingungen für Ärzte<br />
wesentlich besser. Und jene, die<br />
Österreich hat eines der teuersten<br />
Gesundheitssysteme in<br />
der Europäischen Union.<br />
nach Österreich zu Tausenden<br />
kommen, die Afghanen, Syrer,<br />
Tschetschenen etc., sind weder<br />
willens noch in der Lage, diese<br />
Lücke zu füllen, egal wie viel in<br />
„Integration“ investiert wird. Diese<br />
eingewanderten Gruppen sind<br />
auch für ein Problem im Gesundheits-<br />
und da vor allem im Spitalsbereich<br />
hauptverantwortlich, das<br />
politisch und medial weitgehend<br />
totgeschwiegen wird: Gewalt.<br />
2019 schlug deshalb sogar der<br />
ÖGB Alarm: „Wiener Spitäler:<br />
85 % des Personals Opfer von Gewalt“.<br />
Und die „Kronen Zeitung“<br />
titelte, ebenfalls 2019, über die<br />
Zustände in den Krankenhäusern<br />
in Oberösterreich: „Verbale<br />
und körperliche Gewalt im Spital<br />
steigt an.“<br />
Das ist eine weitere Entwicklung<br />
und zusätzliche Belastung,<br />
die die Ärzte und Pfleger massiv<br />
demotiviert, die auch Kassenverträge<br />
unattraktiv macht und<br />
die aus ideologischen Gründen<br />
völlig ignoriert wird. So lange<br />
die verantwortlichen Politiker<br />
und Funktionäre des <strong>Gesundheitswesen</strong>s<br />
nicht einmal bereit<br />
sind, die wahren Ursachen für<br />
die Probleme des Gesundheitssystems<br />
zu benennen und auf<br />
den Tisch zu legen, sind alle angedachten<br />
Reformen zum Scheitern<br />
verurteilt, ganz egal, wie<br />
die Kompetenzen und die Finanzierung<br />
künftig zwischen Bund,<br />
Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung<br />
aufgeteilt werden.<br />
Österreichs <strong>Gesundheitswesen</strong><br />
krankt an dem, woran das ganze<br />
Land leidet. Mit halbherzigen<br />
Strukturreformen können zwar<br />
Doppelgleisigkeiten und Ineffizienzen<br />
beseitigt, Einsparungen<br />
im überschaubarem Rahmen erzielt<br />
werden. Das ist wichtig und<br />
notwendig, allein damit wird<br />
man das Gesundheitssystem aber<br />
nicht retten und zukunftsfit<br />
machen können.<br />
Es braucht, wie in<br />
vielen anderen Bereichen<br />
des Staates und<br />
der Gesellschaft, ein Umdenken,<br />
einen grundlegenden politischen<br />
Wandel. Mit der türkis–grünen<br />
Regierung und der SPÖ ist dieser<br />
aber nicht möglich. ♦<br />
5/2023 | ZUR ZEIT 25<br />
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Vom Ende<br />
der Solidargemeinschaft<br />
Von Andreas Mölzer<br />
Unser Sozialsystem ist längst dramatisch überfordert.<br />
Die Solidargemeinschaft, die dieses Sozialsystem<br />
trägt, existiert im Grunde nur mehr in<br />
Restbeständen. Und der Generationenvertrag, der<br />
zur Erhaltung dieser Solidargemeinschaft notwendig<br />
ist, droht auch, obsolet zu werden. Die Ursachen<br />
für diese unselige Entwicklung sind vielfältig. Zum<br />
einen ist es natürlich die Überalterung, die daran<br />
schuld ist. Es gibt einfach im Vergleich zu den zu erhaltenden<br />
Pensionisten zu wenig jüngere Menschen<br />
im Arbeitsprozess als Einzahler ins Sozialsystem.<br />
Zum anderen ist es das allgemeine Sinken der Leistungsbereitschaft<br />
in unserer Gesellschaft und der<br />
ständig wachsende Hedonismus, das Streben nach<br />
egoistischer Selbstverwirklichung und der mangelnde<br />
Altruismus, der dazu führt. Und zu all diesen Dekadenzerscheinungen<br />
kommt dann noch die<br />
Massenzuwanderung<br />
von Menschen, die bislang<br />
nicht in unser Sozialsystem<br />
eingezahlt haben und mangels Integration<br />
und Brauchbarkeit für den Arbeitsprozess keine Leistungen<br />
in dieses System einbringen, sondern dieses<br />
vielmehr massiv belasten.<br />
Das bislang bei uns geltende Sozialsystem mit all<br />
seinen Facetten, der Krankenversicherung, der Pensionsversicherung<br />
und der allgemeinen Absicherung<br />
von sozial Schwachen, Erkrankten und Erwerbsunfähigen,<br />
stammt bekanntlich aus dem ausgehenden<br />
19. Jahrhundert. Im wilhelminischen Deutschland<br />
war es die Bismarcksche Sozialgesetzgebung und sowohl<br />
dort als auch in der Habsburgermonarchie war<br />
natürlich die junge Sozialdemokratie eine treibende<br />
Kraft beim Entstehen dieses Sozialsystems.<br />
Seine vollständige Ausformung fand dieses Sozialsystem<br />
sowohl in Deutschland als auch in Österreich<br />
erst in den Jahren der Republik nach dem Ersten<br />
Weltkrieg. Einen weiteren Schub erlebte die<br />
26 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
Die romantische Idee der Volksgemeinschaft<br />
war es, die genuin die<br />
Basis für unsere Sozialsysteme schuf.<br />
Jeder muss selbst schauen, wie er zurechtkommt. Das könnte das M<br />
werden, wenn sich das System des Generationenvertrags nicht meh<br />
Sozialgesetzgebung während des Dritten Reichs,<br />
das sich explizit auf die Volksgemeinschaft bezog.<br />
Diese romantische Idee der Volksgemeinschaft,<br />
geboren im Nationalismus,<br />
der Zivilreligion des<br />
19. Jahrhunderts, war es,<br />
die genuin die Basis für unsere<br />
Sozialsysteme schuf.<br />
Die Idee von einem geschlossenen Volkskörper, in<br />
dem alle gleichermaßen so etwas wie eine Basisversorgung<br />
erhalten sollten, die Leistungsstarken ebenso<br />
wie die sozial Schwachen, Kranken, Behinderten<br />
und Bedürftigen, ermöglichte die Entwicklung einer<br />
Solidargemeinschaft, die ein solches Sozialsystem<br />
ermöglichen und vor allem finanzieren sollte.<br />
Dazu war eben nicht nur eine alle sozialen Schichten<br />
übergreifende Solidarität notwendig, sondern<br />
auch so etwas wie ein Generationenvertrag. Diesem<br />
entsprechend sollten Generationen in die Sozialkassen<br />
einzahlen, wobei die Eltern die Kindererziehung<br />
finanzieren sollten und die Jungen die Renten der<br />
älteren Generation. Das damit mögliche Versicherungssystem,<br />
wonach jede Generation in die Kassen<br />
einzahlen und jede Generation gleichzeitig die vorherige<br />
finanziert, funktioniert eben nur über Generationen.<br />
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NEU DENKEN<br />
Mit der Diskreditierung<br />
der Idee<br />
von der Volksgemeinschaft,<br />
die wegen der<br />
Verbrechen des Nationalsozialismus<br />
wohl<br />
zwangsläufig erfolgte,<br />
brach die Basis für diese<br />
generationenübergreifende<br />
Solidargemeinschaft<br />
eigentlich<br />
schon zusammen. Mit<br />
der zuvor geschilderten<br />
Entwicklung hin<br />
zu einer hedonistischen<br />
Gesellschaft<br />
und der parallel dazu<br />
erfolgten Massenzuwanderung<br />
von Menschen,<br />
die niemals<br />
adäquate Leistungen<br />
für die Sozialkassen erbrachten<br />
oder erbringen<br />
werden, war diese<br />
Solidargemeinschaft<br />
im Grunde hinfällig<br />
könnte das Motto der Altersvorsorge<br />
gs nicht mehr aufrechterhalten lässt<br />
Bild: y Okan Caliskan/Pixabay<br />
geworden. Nunmehr<br />
existiert sie gewissermaßen<br />
nur mehr in<br />
ihren Ausläufern und<br />
wird nach dem Motto<br />
„Loch auf, Loch zu“ über die kritischen Jahre gerettet.<br />
Und überdies ist sie nur mehr durch massive<br />
Zahlungen des Staates aus dem Steueraufkommen<br />
lebensfähig, aus ihrer eigenen Finanzierungskraft<br />
längst nicht mehr.<br />
Die logische Folge dieses indessen offenbar unabänderlich<br />
gewordenen Endes der Solidargemeinschaft<br />
ist die Rückkehr<br />
zu einem Klassen- und<br />
Kastensystem im Bereich<br />
des Sozialwesens. Ähnlich<br />
wie in den USA wird<br />
es bestenfalls eine rudimentäre Basisversorgung geben<br />
und wirklich aufwendige und den wissenschaftlichen<br />
Standards der Zeit entsprechende Leistungen<br />
und Behandlungen wird es nur mehr für jene geben,<br />
die es sich leisten können, die dafür bezahlen. So etwas<br />
wie eine Zwei- oder Drei-Klassen-Medizin ist die<br />
logische Folge dieser Entwicklung.<br />
Und natürlich wird es auch im Bereich der Altersversorgung<br />
maximal eine überaus geringfügige<br />
Basispension geben und darüber hinaus gehende,<br />
bis hin zum wirklichen Luxus reichende Pensionen<br />
wird es nur für Menschen geben, die dafür im<br />
Laufe ihres Arbeitslebens massiv bezahlen konnten.<br />
Auf die Solidargemeinschaft folgt<br />
die Rückkehr zum Klassen- und<br />
Kastensystem im Sozialwesen.<br />
Selbstversorgung und Eigeninitiative in Hinblick<br />
auf Lebensversicherungen und ähnliches werden<br />
die einzige Möglichkeit sein, dieses heruntergefahrene<br />
Sozialsystem für die individuelle Versorgung<br />
aufzubessern.<br />
In der multiethnischen Konflikt- und Ghetto-Gesellschaft,<br />
auf die wir offenbar auch im deutschsprachigen<br />
Mitteleuropa zusteuern, wird es also<br />
Sozialsysteme, die auf einer Solidargemeinschaft<br />
und einem Generationenvertrag basieren, im gesamtstaatlichen<br />
Bereich wohl nicht mehr geben.<br />
Ersetzt werden könnten diese bislang bestehenden<br />
Sozialsysteme vielleicht durch ein Wiederbeleben<br />
familiärer Verbände oder Sippenverbände oder<br />
durch einen sozialpolitischen Tribalismus, in dem<br />
gewisse Gruppen die Versorgung ihrer Mitglieder<br />
in sozialer Hinsicht übernehmen. Und dazu kommt<br />
eben die Selbstversorgung entsprechend begüterter<br />
Menschen und reicher Familien. In den Elendsvierteln<br />
und Parallelgesellschaften der Zukunft wird es<br />
so etwas wie gesamtstaatliche Volksgemeinschaft<br />
nicht mehr geben können<br />
Was dieses Wegfallen der bisherigen, mit unserem<br />
Sozialsystem verbundenen Gefühle der sozialen<br />
Sicherheit für die Menschen in unserem Lande<br />
bedeuten wird, ist noch nicht abzusehen. Sicher ist<br />
jedenfalls, dass ein solches Wegbrechen der sozialen<br />
Sicherungssysteme den gesamtgesellschaftlichen<br />
Zusammenhalt noch weiter schwächen wird. In einer<br />
fragmentierten und gespaltenen Gesellschaft<br />
wird es damit zweifellos zusätzlich zu Verteilungskämpfen<br />
und zu Auseinandersetzungen im Bereich<br />
des Arbeitsmarkts, des Wohnungsmarktes und der<br />
Bildungschancen kommen müssen.<br />
Mit dem Zusammenbruch und Obsoletwerden<br />
der als nationalsozialistisch stigmatisierten Volksgemeinschaft<br />
sind auch die anderen Nebenerscheinungen<br />
derselben, nämlich<br />
gesamtgesellschaftliche Solidarität<br />
in allen eben genannten<br />
Bereichen, weggefallen.<br />
Ein Verlust, der durch die<br />
Klassen-Solidarität, wie sie die Sozialdemokratie<br />
und der Marxismus predigten, längst nicht mehr<br />
ausgeglichen werden kann, da es eben kein Klassenbewusstsein<br />
und keine Arbeiterklasse mehr gibt.<br />
So könnte es sein, dass die Sozialsysteme, wie wir<br />
sie jetzt über ein Jahrhundert im deutschsprachigen<br />
Mitteleuropa genießen konnten, nur eine<br />
kurzfristige Episode in der Sozialgeschichte Europas<br />
darstellen. Davor war es eben der Feudalismus und<br />
danach wird es ein System sozialer Ungleichheit<br />
sein, und die Solidargemeinschaft wäre nur eine historische<br />
Erinnerung.<br />
♦<br />
5/2023 | ZUR ZEIT 27<br />
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FEUILLETON<br />
Ungeziefer statt Fleisch<br />
Es droht eine linke Ernährungsdiktatur<br />
Feuilleton<br />
VON WERNER REICHEL<br />
Bild: Wikipadia<br />
Im niederländischen Haarlem<br />
gilt ab 2024 ein Werbeverbot<br />
für Fleisch. Wurst und Fleischwaren<br />
dürfen künftig nicht mehr<br />
auf öffentlichen Bildschirmen<br />
beworben werden. Damit will<br />
Haarlem europäischer Vorreiter<br />
im Kampf gegen Fleischkonsum<br />
sein. Das Werbeverbot hat die<br />
Partei „GroenLinks“ initiiert –<br />
selbstverständlich, um das Klima<br />
zu retten. Fleischkonsum gilt<br />
in diesen Kreisen als eine<br />
wichtige Ursache für den<br />
Klimawandel. Zumindest<br />
vordergründig. Denn der<br />
Umweltschutz war seit Beginn<br />
der grünen Bewegung immer<br />
nur Vorwand für den sozialistischen<br />
Umbau der Gesellschaft.<br />
Die Welt soll nicht durch technischen<br />
Fortschritt, sondern durch<br />
Verzicht, Armut, Kollektivismus<br />
und „klimagefälliges“ Verhalten<br />
vor dem Untergang bewahrt werden.<br />
Das bedeutet nach den Vorstellungen<br />
grünlinker Politiker<br />
und internationaler Organisationen:<br />
kalte Wohnungen, rationierte<br />
Energie, Einschränkungen bei<br />
Flugreisen, ein Ende des motorisierten<br />
Individualverkehrs und<br />
eben der Verzicht auf Fleisch. Um<br />
den Bürgern das baldige Ende<br />
ihres angenehmen Lebens mit<br />
Eigenheim, Auto, Fernreisen und<br />
einem saftigen Steak auf dem<br />
Teller schmackhaft zu machen,<br />
drohen die Grünlinken, wie alle<br />
politischen oder religiösen Endzeitsekten,<br />
mit dem baldigen Untergang<br />
der Welt. Dieser könne<br />
nur abgewendet werden, wenn …<br />
In dieses „Wenn“ lässt sich<br />
alles packen, was grüne Marxisten<br />
und Globalisten verbieten,<br />
zerstören und verändern wollen:<br />
so auch den Fleischverzehr. Seit<br />
Jahren machen linke Vorfeldorganisationen<br />
gegen die Produktion<br />
und den Konsum von Fleisch<br />
mobil. So hat die Tierschutzorganisation<br />
PETA ernsthaft ein<br />
„Sex- oder Fortpflanzungsverbot<br />
für fleischessende Männer“<br />
gefordert. Durch übermäßigen<br />
Fleischkonsum würden Männer<br />
mehr zur Klimakatastrophe beitragen<br />
als Frauen, argumentieren<br />
die „Tierschützer“. Solche überzogenen<br />
Forderungen mögen absurd<br />
klingen, sind aber Teil einer<br />
Linke NGO fordert ernsthaft<br />
ein Fortpflanzugsverbot für<br />
fleischessende Männer.<br />
übergeordneten Strategie. Linke<br />
Gruppen wie PETA bereiten als<br />
Vorhut den Boden für linke Parteien<br />
und Regierungen.<br />
Weniger radikal, aber mit derselben<br />
Zielrichtung ist Greenpeace<br />
kurz vor Weihnachten<br />
an die Öffentlichkeit getreten:<br />
„Weihnachtlicher Bohnen-Braten<br />
viermal klimafreundlicher als<br />
Fleischmenü.“ Bohnen statt Festtagsbraten.<br />
Solche Kampagnen<br />
dienen auch dazu, die Gesellschaft<br />
zu spalten: Wer ein guter<br />
Mensch sein will, verzichtet auf<br />
Fleisch, alle anderen sind böse<br />
Klimaschädlinge. Mit solchen<br />
Kampagnen werden linke Anliegen<br />
in der Gesellschaft verankert<br />
und ein Bewusstsein für<br />
künstliche Probleme geschaffen.<br />
Nach und nach greifen die Mainstreammedien<br />
diese Themen auf.<br />
Seit Jahren propagieren sie vegetarische<br />
Ernährung als Trend für<br />
den modernen Menschen.<br />
Auch die Wirtschaft ist längst<br />
auf diesen Zug aufgesprungen.<br />
Im Jänner trommelten Handelsketten<br />
wie Edeka, Penny und DM<br />
für den „Veganuary 2023“: Motto:<br />
„Probier’s vegan“ Die „Neue<br />
Westfälische“: „Ziel ist es, mehr<br />
Menschen an eine rein pflanzliche<br />
Ernährung heranzuführen<br />
und Hemmschwellen zu senken.<br />
Prominente Unterstützer der Aktion<br />
sind unter anderem der Arzt<br />
Eckart von Hirschhausen oder<br />
Schauspieler Hannes Jaenicke.“<br />
Hier sind alle linken Akteure, die<br />
den gesellschaftlichen Wandel<br />
vorantreiben wollen, versammelt:<br />
NGOs, Medien, Wirtschaft,<br />
Wissenschaft, Kultur und Promis.<br />
Die Parteien und die Regierung<br />
können auf diesen Kampagnen<br />
aufsetzen. Linke sprechen<br />
bei solchen Umerziehungsmaßnahmen<br />
gerne von einer Wende:<br />
Energiewende, Klimawende,<br />
Mobilitätswende. Es gibt auch<br />
den Begriff der „Fleischwende“.<br />
Nachzulesen im „Fleischatlas“,<br />
den die grüne Heinrich-Böll-Stiftung<br />
herausgibt. Darin heißt es:<br />
„Ernährung ist zwar individuell.<br />
Doch Gesetze und Regeln können<br />
unsere Konsumentscheidungen<br />
steuern.“<br />
Bereits 2010 wollten die deutschen<br />
Grünen einen „Veggie Day“<br />
einführen. Das führte damals zu<br />
heftigen Debatten, mittlerweile<br />
rufen solche Vorstöße kaum noch<br />
kritische Reaktionen hervor. Man<br />
hat die Menschen lange genug in<br />
28 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
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doktriniert. Jetzt hält das politmediale<br />
Establishment die Zeit<br />
reif, breitflächig gegen Fleischkonsum<br />
und -produktion vorzugehen.<br />
Die EU hat bereits Pläne in<br />
der Schublade und erhöht bezüglich<br />
der Einhaltung der Emissionswerte<br />
den Druck. Über diesen<br />
Hebel bestehe die Möglichkeit, so<br />
die „Epoch Times“, dass „ein Mitgliedsland<br />
in naher Zukunft eine<br />
Steuer auf oder sogar ein völliges<br />
Verbot der Fleischproduktion verhängen<br />
wird.“<br />
Die Zeitung geht davon aus,<br />
dass solche Maßnahmen als<br />
erstes in Dänemark oder den<br />
Niederlanden eingeführt werden.<br />
Andernfalls könnten diese<br />
FEUILLETON<br />
Staaten Probleme mit der EU bekommen,<br />
weil sie rechtlich verpflichtende<br />
Netto-Null-Pläne für<br />
Emissionen und Klimakennzahlen<br />
festgeschrieben haben. Die<br />
Saxo Bank prognostiziert, dass<br />
bereits heuer das erste EU-Land<br />
beschließen könnte, seine gesamte<br />
Fleischproduktion bis 2030 zu<br />
verbieten. Um das Ziel von Netto-<br />
Null-Emissionen bis 2<strong>05</strong>0 zu erreichen,<br />
schreibt die Saxo Bank,<br />
müsse der Fleischkonsum vom<br />
derzeitigen OECD-Durchschnitt<br />
von etwa 70 kg pro Person und<br />
Jahr auf 24 kg gesenkt werden.<br />
In den Niederlanden wird diese<br />
linke Agenda bereits umgesetzt,<br />
trotz massiver Proteste der<br />
Landwirte. Die Regierung hat ein<br />
entsprechendes Maßnahmenpaket<br />
beschlossen, das für rund ein<br />
Drittel der Viehbetriebe das Aus<br />
bedeuten könnte. Offiziell geht es<br />
darum, die Stickstoff-Produktion<br />
bis 2030 um die Hälfte zu verringern.<br />
Zu diesem Zweck will man<br />
sogar landwirtschaftliche Betriebe<br />
zwangsenteignen.<br />
Wie die Bürger zu einem<br />
Fleischverbot stehen, interessiert<br />
die Eurokraten nicht. Deshalb<br />
könnten Fleischesser schon bald<br />
am selben Pranger mit Corona-<br />
Leugnern, Reichsbürgern und<br />
anderen Staatsfeinden stehen.<br />
Eine Alternative zum Fleisch haben<br />
EU, UNO und Linke bereits:<br />
Insekten. Nach gelbem Mehlwurm<br />
und Wanderheuschrecke<br />
Niederlande: Massive Bauernproteste gegen Zwangsenteignungen<br />
sind nun auch Hausgrille und die<br />
Larven des Getreideschimmelkäfers<br />
als Lebensmittel zugelassen<br />
worden. Das Pulver der Insekten<br />
darf in viele Lebensmittel beigemengt<br />
werden. Von EU und<br />
den Vereinten Nationen heißt es:<br />
Insekten seien eine ökologische<br />
und „nahrhafte und gesunde<br />
Nahrungsquelle mit hohem Fett-,<br />
Protein-, Vitamin-, Ballaststoffund<br />
Mineralstoffgehalt“. Laut der<br />
neuen EU-Durchführungsverordnung<br />
darf die in Vietnam ansässige<br />
„Cricket One Co. Ltd“ fünf<br />
Jahre lang exklusiv das Pulver der<br />
Hausgrille in Europa in Umlauf<br />
bringen. Das ist erst der Anfang.<br />
Nun sollen die Bürger schrittweise<br />
an ihre neue Ungeziefer-Nahrung<br />
gewöhnt werden. ♦<br />
Bild:Twitter<br />
Bild: Hafenecker<br />
Buzzis<br />
Flimmerkiste<br />
Höhepunkt der Antrittsrede<br />
des BP war die<br />
Aussage, mit der er seiner<br />
Begleiterin Doris S. herzlich<br />
für die geleistete Inspiration<br />
in seinem Berufsleben<br />
dankt. Die Sitznachbarin,<br />
die Witwe Klestil, schaute<br />
dem Geschehen indigniert<br />
zu. Die freiheitlichen Mandatare<br />
machten beim zustimmenden<br />
Gejohle nicht<br />
mit und blieben sitzen.<br />
Ein besonderes „Zuckerl-<br />
Foto“ erschien in der „Presse“:<br />
Ex-Präsident Fischer<br />
mit der „First Lady“ (Originaltext)<br />
Doris Schmiedauer,<br />
wie sie gemeinsam<br />
dem „Meister“ lauschten.<br />
Übrigens: Der Herr Sobotka<br />
legte während der Bundeshymne<br />
pathetisch und ein<br />
wenig „Napoleon-like“ die<br />
Hand unter dem Sakko auf<br />
die Brust. Also, Unterwürfigkeit<br />
geht doch …<br />
Es muss gesagt werden:<br />
Buzzi ist seit Jahren gerne<br />
bei „Bares für Rares“ im<br />
ZDF. Leider gibt es 2023<br />
noch immer Wolfgang, den<br />
Aussiedler aus Tirol, den<br />
es ja in das Allgäu getrieben<br />
hat. Er ist nach wie vor<br />
zum … Vergessen. Also, so<br />
lange er nicht erscheint, ist<br />
Buzzi gerne dabei. ♦<br />
VdB bei seiner Angelobung<br />
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Gesellschaft<br />
VON ANTON LANG<br />
Christoph Chorherr, stellvertretender<br />
Vorsitzender des Gemeinderatsausschusses<br />
für Wohnen<br />
und Stadterneuerung sowie<br />
Sprecher der Wiener Grünen für<br />
Stadtplanung, und gleichzeitig<br />
Obmann des „Wohltätigkeits“-<br />
Vereins „s2earch“ (was immer<br />
das heißen mag), wurde kürzlich<br />
in einem aufsehenerregenden<br />
GESELLSCHAFT<br />
Grünes Unschuldslamm<br />
Chorherr erstinstanzlich freigesprochen<br />
Bild: Rathauskorrespondenz<br />
Korruptionsprozess vom<br />
Vorwurf des Amtsmissbrauchs<br />
und der Bestechlichkeit<br />
freigesprochen<br />
– ebenso, wie zahlreiche<br />
namhafte Wiener Immobilieninvestoren,<br />
die<br />
seinerzeit großzügige<br />
Spenden an den Chorherr-Verein<br />
getätigt<br />
hatten.<br />
Darunter etwa Michael<br />
Tojner und die<br />
Familie Soravia, in<br />
deren mutmaßlichem<br />
Interesse zahlreiche Widmungen<br />
erfolgt sind. Im Falle Tojner sogar<br />
gegen massiven Widerstand der<br />
Grünen Parteibasis, von zahlreichen<br />
Bürgerinitiativen ganz abgesehen.<br />
Im Unternehmensgeflecht<br />
der Familie Soravia wurde Chorherr<br />
im Anschluss an seine politische<br />
Karriere sogar mit einem<br />
Beratervertrag versorgt.<br />
Obwohl Chorherr nicht nur<br />
als grüner Spitzenpolitiker, sondern<br />
auch anschließend in der<br />
Privatwirtschaft weit über dem<br />
Durchschnittsgehalt der Durchschnittsbevölkerung<br />
entlohnt<br />
wurde, beklagte der Parteifunktionär<br />
bald nach seinem Freispruch<br />
die immensen „sechsstelligen“<br />
Kosten, die er im Zuge des<br />
Verfahrens zu tragen habe; dabei<br />
ist die Causa noch nicht einmal<br />
vom Tisch, denn die Staatsanwaltschaft<br />
hat unmittelbar danach<br />
Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet.<br />
Nun kann man sagen: Ein<br />
grüner Spitzenpolitiker, der im<br />
Interesse der armen Kinder in<br />
Afrika Gelder aufgetrieben hat,<br />
ist ein gutwilliger, altruistischer<br />
Mensch. Wenn allerdings hohe<br />
Spendensummen zufällig von<br />
jenen Bau- und Immobilienentwicklern<br />
eingehen, die sich<br />
gleichzeitig Widmungen erwarten,<br />
bekommt die Sache schon<br />
eine äußerst schiefe Optik – zumal<br />
nicht davon auszugehen ist,<br />
Klebe-Söldner<br />
Menschen, die für Geld oder<br />
eben für Entlohnung in<br />
den Kampf zogen, pflegte man in<br />
historischen Zeiten verächtlich<br />
„Söldner“, im Mittelalter „Soldknechte“<br />
zu nennen. Wenn wir<br />
nun in unseren Tagen erfahren,<br />
dass angeblich idealistische Klimaschützer,<br />
wie sie etwa in den<br />
Reihen der „letzten Generation“<br />
organisiert sind, für ihre skurrilen<br />
Klebeaktionen ein regelrechtes<br />
Gehalt beziehen, stimmt uns<br />
das schon nachdenklich.<br />
Einerseits mag man es ja begrüßen,<br />
wenn US-amerikanische<br />
Milliarden-Erben – Namen wie<br />
Rockefeller und Getty werden<br />
kolportiert – als selbsternannte<br />
Philanthropen die<br />
gegenwärtigen Protestaktionen<br />
finanzieren und<br />
für Vollzeit-Aktivisten<br />
Monatsgehälter von bis<br />
zu tausend Euro ermöglichen.<br />
Als Erben von<br />
Öl-Baronen und Waffen-<br />
Produzenten wollen sie damit<br />
möglicherweise so etwas wie<br />
tätige Reue üben.<br />
Andererseits fördern sie damit<br />
gezielt Straftaten, für die es<br />
künftig wohl auch hierzulande<br />
Haftstrafen geben könnte. Ziviler<br />
Ungehorsam im Dienste einer<br />
guten Sache, nämlich des Klimaschutzes,<br />
müsse legal bleiben,<br />
heißt es in diesen Kreisen. Dass<br />
sich nunmehr aber die Fälle häufen,<br />
in denen diverse<br />
Klebe-Aktionen und Straßenblockaden<br />
kausal zur Schädigung von<br />
Leib und Leben unbeteiligter Bürger<br />
geführt haben, wird ignoriert.<br />
Wann wird legitimer Protest zu<br />
kriminellem Terrorismus? Das<br />
ist die Frage, der sich auch die<br />
amerikanischen Philanthropen<br />
und ihre heimischen Söldner stellen<br />
müssen.<br />
A. MÖLZER<br />
Bild: Wikipedia<br />
30 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
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GESELLSCHAFT<br />
dass ihn mit all den edlen Spenden<br />
eine alte Freundschaft verbunden<br />
hatte – wie im Falle Strache-Grubmüller<br />
etwa. Aus dieser<br />
Perspektive heraus wäre eine<br />
Gabe an eine nahestehende Institution<br />
des Freundes auch noch<br />
irgendwie verständlich. Wenn<br />
allerdings gleichzeig zu und nach<br />
erfolgten Widmungen exorbitante<br />
Beträge an einen Verein gehen,<br />
der noch dazu von der Stadt Wien<br />
üppigst subventioniert wird, und<br />
nicht einmal im Stande ist, eine<br />
ordentliche Rechnungslegung<br />
nachzuweisen, dann bekommt<br />
die Sache tatsächlich einen ziemlich<br />
ungustiösen Beigeschmack.<br />
Die Stadt Wien förderte den privaten<br />
Verein Chorherrs mit einer<br />
halben Million Euro jährlich. Als<br />
Chorherr aus diesem Grunde vor<br />
dem städtischen Untersuchungsausschuss<br />
auf die merkwürdige<br />
Abrechnungspraxis des öffentlich<br />
subventionierten Vereins angesprochen<br />
wurde, meine er lapidar:<br />
„Hätte der Verein in seinen<br />
Berichten und der Rechnungslegung<br />
alles auf Punkt und Beistrich<br />
so festgehalten, wie es im<br />
Nachhinein verlangt wurde, so<br />
hätten zwei Drittel der Projekte<br />
nicht stattgefunden.“ Ob er sich<br />
dabei auf seine Projekte im fernen<br />
Afrika oder auf die Bauprojekte<br />
seiner spendenfreudigen Wiener<br />
Immo-Freunde bezog, blieb offen.<br />
Hinzu kommen belastende<br />
Chats, etwa jene von Heumarkt-<br />
Investor Michael Tojner, der<br />
ebenfalls angeklagt war und<br />
freigesprochen wurde: In dessen<br />
E-Post-Ordner wurde eine Nachricht<br />
gefunden, in der am Tag<br />
der erwünschten Genehmigung<br />
eine Mitarbeiterin Tojners an<br />
ihren Chef schrieb: „Vassi (gem.<br />
Maria Vassilakou) und Chorherr<br />
brav!“. Einen Tag später schrieb<br />
sie erneut an Tojner unter „offene<br />
Beträge“: „Außerdem wolltest Du<br />
bei Widmung ITHUBA 5000 Euro<br />
spenden.“<br />
Die Widmung war also Voraussetzung<br />
für die Spende. Tatsäch-<br />
Aus für Max Mell<br />
Nun macht die aus Kommunisten,<br />
Grünen und<br />
Sozialdemokraten bestehende<br />
Regierungskoalition in Graz,<br />
Nägel mit Köpfen: Straßen<br />
und Plätze, die nach historisch<br />
belasteten Persönlichkeiten<br />
benannt waren, werden umbenannt.<br />
Der Anfang wird mit<br />
dem Dichter Max Mell gemacht.<br />
Nun mag man von der Qualität<br />
seiner Werke halten, was man<br />
will. Er wurde aber von seinen<br />
Zeitgenossen so geschätzt, dass<br />
er immerhin 1954 den großen<br />
österreichischen Staatspreis für<br />
Literatur erhielt und 1956 Ehrenmitglied<br />
der Akademie der Wissenschaften<br />
wurde.<br />
Einerseits steht seine Nähe<br />
zum Nationalsozialismus außer<br />
Zweifel, wiewohl er auch ein<br />
lich ist die erwünschte Summe<br />
geflossen. Als weiterer Gönner<br />
erwies sich die Familie Soravia.<br />
Auch sie waren auf Widmungen<br />
angewiesen – so etwa bei den<br />
„Flats Danube“-Türmen an der<br />
Neuen Donau.<br />
Ein Turm wurde an einer Stelle<br />
errichtet, an der zunächst eine<br />
Bebauungshöhe von 26 Metern<br />
zulässig war.<br />
War. Denn nach entsprechender<br />
Widmung waren es plötzlich<br />
163 Meter. Alles nur Zufall?<br />
Der „Falter“ etwa, der seit Jahren<br />
gegen die „schiefe Optik“ von<br />
Strache und Gudenus anschreibt,<br />
stellte Chorherr, trotz verheerender<br />
Optik, schon lange vor dem<br />
Verfahren gleichsam einen Persilschein<br />
aus, während er FPÖ-nahe<br />
Vereine, in die private, keine öffentlichen<br />
Mittel geflossen sind<br />
– noch dazu während der Oppositionsphase<br />
– an den Pranger stellt.<br />
Und das, obwohl die Mittel kaum<br />
angetastet wurden.<br />
Auch in der Causa PRIKRAF<br />
gab es massive Vorverurteilungen<br />
Bild: Privat<br />
durchaus differenziertes Verhältnis<br />
zum Regime hatte. Joseph<br />
Goebbels persönlich erließ<br />
Aufführungsverbote für zwei<br />
seiner Dramen. Und er selbst<br />
lehnte die ihm angetragene Leitung<br />
der Reichsschrifttumskammer<br />
Wien ab. ´Ándererseits darf<br />
man an die Denkmalstürmer<br />
in Graz und anderswo die Frage<br />
richten, wie das umgekehrt mit<br />
historischen Größen aus dem<br />
kommunistischen Bereich gehandhabt<br />
wird.<br />
Wird der in Wien nach Bert<br />
Brecht benannte Platz nun auch<br />
umbenannt, da der Autor der<br />
„Dreigroschenoper“ ein unbestrittenes,<br />
wenn auch ambivalentes<br />
Naheverhältnis zum<br />
menschenmordenden „DDR“-<br />
Regime hatte? A. MÖLZER<br />
Auch bei „Erzfeind“ H.-C. Strache wurden<br />
die Klagen der WKStA immer abgeschmettert:<br />
Da stellt sich die Frage nach<br />
der Kompetenz dieser Staatsanwaltschaft<br />
– Ergebnis: Freispruch für Strache<br />
und Grubmüller.<br />
Wenn grüne Bonzen vor Gericht<br />
stehen, sind sie notorisch<br />
unschuldig oder es war ein unrühmlicher<br />
„Zwischenfall“. Trifft<br />
es hingegen einen Freiheitlichen,<br />
so ist die Partei, trotz ausschließlich<br />
Freisprüchen, genuin korrupt.<br />
♦<br />
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GESCHICHTE<br />
Vor 50 Jahren …<br />
Innsbruck<br />
Große Freude in Tirol. Am<br />
4. Februar 1973 wählt<br />
das Internationale Olympische<br />
Komitee (IOC) Innsbruck<br />
– nach 1964 bereits<br />
zum zweiten Mal! – als Austragungsort<br />
der XII. Olympischen<br />
Winterspiele 1976.<br />
Die Vorgeschichte: Ursprünglich<br />
bewarb sich<br />
Innsbruck gar nicht um die<br />
Austragung, weil man angesichts<br />
der Winterolympiade<br />
1964 keine Chance sah, so<br />
schnell wieder an die Reihe<br />
zu kommen. Daher konnte<br />
sich bei der Abstimmung<br />
im IOC am 12. Mai 1970 die<br />
Stadt Denver im US-Bundesstaat<br />
Colorado gegen die<br />
restlichen Bewerber Sitten<br />
(frz. Sion; im<br />
schweizerischen<br />
Kanton<br />
Wallis), dem<br />
finnischen<br />
Tampere,<br />
Vancouver<br />
(Kanada) und<br />
Granada in<br />
Südspanien<br />
durchsetzen.<br />
Nachdem<br />
sich in Denver<br />
die Mehrheit<br />
der Einwohner gegen<br />
die Austragung aussprach<br />
und Sitten wegen finanzieller<br />
Schwierigkeiten absagte,<br />
kam es zu einer neuerlichen<br />
Ausschreibung. Jetzt bewarben<br />
sich Chamonix, Lake<br />
Placid (USA), wiederum<br />
Tampere und schließlich<br />
Innsbruck. Die Tiroler setzten<br />
sich triumphal durch:<br />
Innsbruck erhielt die Spiele<br />
fast einstimmig (bloß ein<br />
Austragungsort 1976<br />
Bild: Simon Legner/Wikimedia (CC BY-SA 4.0)<br />
IOC-Delegierter stimmte dagegen).<br />
E. K.-L.<br />
Unschuldig!<br />
Unabweisliche Nachweise für die Unschuld der<br />
Südtiroler Freiheitskämpfer während der 1960er<br />
Bombenjahre – Teil 2<br />
VON HERROLT VOM ODENWALD<br />
Schon von Anfang an hatten sich<br />
daran jedoch äußerst auffällige<br />
Widersprüche ergeben. Bereits<br />
nach den ersten italienischen<br />
Meldungen, die österreichischen<br />
Stellen übermittelt worden<br />
waren, ließ sich der Osttiroler<br />
Bezirks hauptmann Dr. Doblander<br />
am 26. Juni mit<br />
einem Hubschrauber<br />
an den Ort<br />
des Geschehens<br />
bringen. Das Ergebnis<br />
seines Erkundungsflugs<br />
wurde an das österreichische Innenministerium<br />
gemeldet: „Der<br />
Bezirkshauptmann schließt mit<br />
100 %-iger Sicherheit‘ aus, daß<br />
in der Nähe dieses Mastes eine<br />
andere Explosion erfolgt ist. Es<br />
konnten weder Fußspuren noch<br />
Blutspuren noch irgendwie andere<br />
Spuren festgestellt werden,<br />
die darauf hindeuten würden,<br />
daß sich hier mehrere Menschen<br />
befunden haben. Der italienische<br />
„Tatort“<br />
Steinalm:<br />
Die italienischen<br />
Behörden<br />
versuchten<br />
den Südtiroler<br />
Freiheitskämpfern<br />
Sprengstoffanschläge<br />
in die Schuhe<br />
zu schieben<br />
Grenztrupp soll aber aus 25 Personen<br />
bestanden haben. Die Anwesenheit<br />
dieser 25 Personen in<br />
der Nähe dieses Mastes hält der<br />
Bezirkshauptmann auf Grund der<br />
Bodenlage und -beschaffenheit<br />
für ausgeschlossen.“ Dies deckte<br />
sich mit dem Inhalt eines Aktenvermerks<br />
der Tiroler Sicherheitsdirektion<br />
aufgrund von Angaben<br />
Es konnten keine Spuren gefunden<br />
werden, die hindeuten, dass sich<br />
hier Menschen befunden haben.<br />
zweier Monteure der Verbundgesellschaft<br />
aus Lienz und des sie begleitenden<br />
Gendarmeriebeamten<br />
vom 27. Juni: „Im näheren Bereich<br />
des Mastes auch auf italienischem<br />
Gebiet konnte außer einem Zettel,<br />
italienisch beschriftet, einigen<br />
Drähten, keine Spuren gefunden<br />
werden, die auf Minenexplosionen<br />
und vor allem auf das Verunglücken<br />
von Menschen schließen<br />
lassen. Es wäre anzunehmen, daß<br />
in solchen Fällen Verbandreste,<br />
Bild: Buch „Pfitscherjoch, Steinalm, Porzescharte. Die drei „merkwürdigen Vorfälle“<br />
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Blutspuren oder ähnliches wahrnehmbar<br />
gewesen wäre.“<br />
Fest steht, dass die alsbald für<br />
„den blutigsten Terrorakt“ verantwortlich<br />
gemachten und in<br />
Innsbruck in Untersuchungshaft<br />
genommenen Aktivisten<br />
des Südtiroler Freiheitskampfs<br />
Erhard Hartung (Arzt), Peter Kienesberger<br />
(Elektriker) und Egon<br />
Kufner (Soldat) in besagter Nacht<br />
im Juni 1967 gemeinsam am Ort<br />
des Geschehens waren. Sie waren<br />
nach Einbruch der Dunkelheit<br />
in Richtung Porzescharte aufgestiegen,<br />
um dort einen verwundeten<br />
Südtiroler BAS-Mann zu<br />
übernehmen, brachen das Vorhaben<br />
aber aufgrund unüblicher<br />
Wahrnehmungen des durch viele<br />
ähnliche Einsätze erfahrenen<br />
Kienesberger, der sie als mögliche<br />
italienische Falle deutete, aber<br />
ab. Vehement stellen Hartung<br />
und Kufner, die beiden noch Lebenden<br />
– Kienesberger verstarb<br />
2015 – das von italienischer Seite<br />
unterstellte Ziel der gezielten Tötung<br />
von Angehörigen der italienischen<br />
Sicherheitskräfte mittels<br />
Minen in Abrede.<br />
Die italienische Darstellung<br />
der Ereignisse um den 25. Juni<br />
1967 ist unter Druck, dem sich<br />
Wien schändlicherweise nicht<br />
widersetzte, vom politischen<br />
Österreich und<br />
dessen Sicherheits- sowie<br />
partiell auch Justizorganen<br />
letztlich übernommen<br />
worden. Demnach hätte<br />
die Gruppe Kienesberger binnen<br />
einer halben Stunde den Strommast<br />
doppelt vermint und zudem<br />
zwei perfekt getarnte Sprengfallen<br />
derart optimal verlegt, dass<br />
sie ihr mörderisches Ziel erreicht<br />
hätten. Wie sich in Speckners vorliegendem<br />
Buch zeigt, missachtet<br />
die erwähnte Übernahme der<br />
italienischen Darstellung durch<br />
Wien selbst die österreichische<br />
sicherheitsdienstliche Aktenlage<br />
sowie die sprengtechnischen und<br />
naturwissenschaftlichen Bedingungen<br />
des Geschehens auf der<br />
GESCHICHTE<br />
Porzescharte. Diese werden in<br />
den gutachterlichen Stellungnahmen<br />
der Sachverständigen ausführlich<br />
erörtert. So fasst Sprengexperte<br />
Ruspeckhofer die von<br />
ihm angestellten umfänglichen<br />
sprengtechnischen Analysen unumwunden<br />
in der aussagekräftigen<br />
Feststellung „ein Attentat,<br />
das keines war“ zusammen. Und<br />
Hasler stellte nach vier Jahren<br />
umfangreicher wissenschaftlicher<br />
Arbeiten zusammenfassend<br />
fest: „Aufgrund der sehr umfangreichen<br />
Befundaufnahme, der<br />
Feldversuche/ Rekonstruktionen<br />
sowie Detailanalysen der einzelnen<br />
Sachverhalte zu den aktenkundigen<br />
Angaben der Ereignisse<br />
vom 25. Juni 1967 auf der Porzescharte<br />
kann […] mit an Sicherheit<br />
grenzender Wahrscheinlichkeit<br />
gesagt werden, dass sich die Ereignisse<br />
so NICHT ereignet haben<br />
können. Die dokumentierten<br />
Ereignisse sind nicht im Ansatz<br />
reproduzierbar, absolut unerklärbar<br />
und nicht im Ansatz nachvollziehbar.<br />
[…] Praktische Feldversuche<br />
bei denen die Sprengung vom<br />
25. 06. 1967 mehrmals mit ballistischer<br />
Gelatine, humanoiden<br />
Dummies und Indikatoren nach<br />
den Aktenangaben wissenschaftlich<br />
hinterfragt und nachgestellt<br />
Die dingfest gemachten Widersprüchlichkeiten<br />
geraten der<br />
Historikerzunft nicht zur Ehre.<br />
wurden“, belegten dies „eindeutig<br />
und zweifelsfrei.“<br />
Speckners Buch enthält bisher<br />
unbekannte Illustrationen aus<br />
den von ihm erschlossenen Akten<br />
sowie solche, die von den wissenschaftlichen<br />
Feldversuchen<br />
der Gutachter herrühren, und es<br />
schließt mit einem anlassbezogenen<br />
pointierten Überblick über<br />
jene überaus beachtenswerten<br />
geheimdienstlichen Aktivitäten<br />
in Italien, welche vor allem im<br />
Zusammenhang mit der Südtirol-<br />
Problematik von Belang und Substanz<br />
sind. So bleibt abschließend<br />
Bild: Buch „Pfitscherjoch, Steinalm, Porzescharte. Die drei „merkwürdigen Vorfälle“<br />
festzuhalten, dass die Anschläge<br />
von 1966 und 1967 auf dem Pfitscherjoch,<br />
der Steinalm und der<br />
Porzescharte keineswegs unter<br />
die Verantwortung der Freiheitskämpfer<br />
des BAS rubriziert werden<br />
dürfen. Es gereicht Italien<br />
ebensowenig zur Ehre wie einer<br />
gewissen Spezies aus der Historiker-<br />
wie der Politologenzunft,<br />
dass trotz längst dingfest gemachter<br />
Widersprüchlichkeiten und<br />
nachgewiesener Unrichtigkeiten<br />
geradezu unnachgiebig an herkömmlichen<br />
Darstellungen festgehalten<br />
wird.<br />
Und allen in die Südtirol-Frage<br />
involvierten Amts- und Funktionsträgern<br />
in Politik, Justiz, Wissenschaft<br />
und Medien Österreichs<br />
und Tirols als Ganzes ist leider der<br />
Vorwurf nicht zu ersparen, angesichts<br />
aller neuen Erkenntnisse,<br />
die sie aufrütteln müssten, vor<br />
diesem untragbaren Zustand die<br />
Augen zu verschließen.<br />
Hubert Speckner, Pfitscherjoch, Steinalm,<br />
Porze scharte. Die drei ‚merkwürdigen Vorfälle‘<br />
des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre<br />
in den Jahren 1966 und 1967; Verlag<br />
EFFEKT!BUCH, 284 Seiten, ISBN: 979-125532004-3<br />
Teil 1: ZurZeit, 4/2023, S. 48–49<br />
5/2023 | ZUR ZEIT 33<br />
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Herbert Kickl und Udo Landbauer<br />
Landtagswahl in NÖ<br />
Wer das Volk belügt wie ÖVP und<br />
SPÖ, muss damit rechnen, dass man<br />
bei Wahlen abgestraft wird. Und wer<br />
die FPÖ mit den zweitmeisten Stimmen<br />
ignoriert, ignoriert das Volk.<br />
Denn Wahltag ist Zahltag. Man kann<br />
nur hoffen, dass in Niederösterreich<br />
nicht die Verlierer die Landesregierung<br />
bilden. Auch zeigt die relativ<br />
hohe Wahlbeteiligung, dass die Menschen<br />
das Interesse an Politik noch<br />
nicht ganz verloren haben. Herzliche<br />
Gratulation der FPÖ zu diesem grandiosen<br />
Wahlerfolg. Ernst Pitlik, Wien<br />
Abtreibungen<br />
Es ist einfach erschütternd, wenn<br />
85.000 Lebendgeburten geschätzte<br />
30.000 bis 60.000 Abtreibungen gegenüberstehen.<br />
Man kann also ganz grob<br />
davon ausgehen: Wenn zwei Kinder<br />
geboren werden, wird ein Kind getötet.<br />
Was immer eine Frau bewegt, dass<br />
sie ihr Kind nicht haben will, ist zu respektieren.<br />
Nicht zu respektieren ist,<br />
dass diese Frau einem anderen Wesen<br />
das Recht auf Leben nimmt.<br />
Vielleicht sind unsere Einrichtungen,<br />
die ungewollten Kindern den<br />
Weg ins Leben ermöglichen, nicht<br />
ausreichend, darüber sollte diskutiert<br />
werden. Aus meinem persönlichen<br />
Bekanntenkreis kenne ich ein Ehepaar<br />
dem beim Adoptionswunsch so viele<br />
Prügel vor die Füße geworfen wurden,<br />
dass sie nach einem mehrjährigen<br />
Bild: Facebook<br />
LESERBRIEFE<br />
Spießrutenlauf ein Kind aus Indien<br />
adoptiert haben. Und bei uns werden<br />
Kinder getötet. Ulf Muhm, Irdning<br />
Panzer für den Frieden?<br />
Nun hat auch Deutschland grünes<br />
Licht für Panzerlieferungen in die<br />
Ukraine gegeben. In Summe werden<br />
es wohl nicht mehr als 100 bis<br />
150 Kampfpanzer sein, die der Westen<br />
gewillt ist aufzubringen.<br />
Für eine echte Wende im Krieg und<br />
für nachhaltige Angriffsoperationen<br />
benötigt die ukrainische Armee aber<br />
ein Vielfaches der zugesagten Menge<br />
an Kampfpanzern. Neben Herausforderungen<br />
bei Ausbildung, Logistik<br />
und Erfahrung mit westlichem Gerät<br />
läuft der Ukraine die Zeit davon, und<br />
das Sterben wird<br />
nur verlängert. Statt<br />
in halbherzige Panzerlieferungen<br />
zu<br />
investieren, sollte<br />
die geballte Kraft des Westens in Diplomatie<br />
für Frieden fließen.<br />
Mag. (FH) Christian Deutinger, Kematen/Krems<br />
Angelobung VdB<br />
Kaum muss sich der Herr Van der Bellen<br />
nicht mehr Wahlen stellen, schon<br />
kommt das links-grüne Gedankengut<br />
so richtig zum Vorschein. Selbst demokratische<br />
Selbstverständlichkeiten,<br />
nämlich den Willen des Volkes<br />
nach einer Wahl zu respektieren, sind<br />
dem Herrn egal. Aber die eigentliche<br />
Frage, die gestellt werden muss, ist die,<br />
warum er nicht vor der Wahl gesagt<br />
hat, dass er Mehrheiten nach demokratischen<br />
Wahlen ignorieren wird.<br />
Ein bedenkliches Charakterbild des<br />
Staatsoberhauptes für „alle“!<br />
Dr. P. Probst, Wien<br />
Leserbriefe<br />
Gewinner und Verlierer<br />
Zum ersten Mal seit 78 Jahren werden<br />
wieder deutsche Panzer russischen<br />
Streitkräften gegenüberstehen – dafür<br />
wurden sie während des Kalten<br />
Krieges ja auch entwickelt. Aus dem<br />
Kalten Krieg ist nun ein Heißer geworden,<br />
glaubt man der deutschen Außenministerin<br />
Baerbock. Darüber freuen<br />
sich die europäischen Rüstungsgiganten<br />
wie auch der Geschäftsführer von<br />
Rheinmetall Armin Papperger. Dieser<br />
meint, dass sich die Umsätze seines<br />
Unternehmens in den nächsten drei<br />
Jahren auf rund 12 Mrd. Euro fast verdoppeln<br />
könnte. In jedem Krieg gibt es<br />
eben Gewinner und Verlierer.<br />
Mario Gubesch, B.A. MBA, Bad Hall<br />
Recht und Volk<br />
Bei seiner Angelobung erklärte VdB,<br />
dass er die FPÖ im Fall eines Wahlsieges<br />
nicht zwingend mit der Regierungsbildung<br />
beauftragen oder Kickl<br />
angeloben würde. Er fordert Solidarität<br />
von der Bevölkerung, verweigert<br />
diese aber der Bevölkerungsmehrheit,<br />
falls diese die FPÖ wählt.<br />
Diese Rede hätte der BP<br />
und Ex-Parteivorsitzender<br />
der Grünen auch<br />
vor den Grünen halten<br />
können. Kein Wort vom gegenwärtigen<br />
Migrationsdesaster (Österreich<br />
120.000 Asylanträge, Ungarn 43), weil<br />
Linksparteien auf Nachschub hoffen.<br />
Wenn sich der BP nicht mehr an das<br />
Mehrheitsvotum einer zugelassenen<br />
parlamentarisch Partei halten will,<br />
indem er durch ideologische Interpretation<br />
eine Partei ausschließt, erhebt<br />
sich die Frage, warum überhaupt wählen,<br />
wenn ein Diktator entscheidet?<br />
Dr. Ewald Maurer, Richter i. R., Wien<br />
Wohnungsnot<br />
Da wird von einem Recht auf leistbares<br />
Wohnen herumgeschwafelt.<br />
Wohnraum vermehrt sich nicht von<br />
selbst wie unter Naturschutz gestellte,<br />
Bauern schädigende Wildtiere, lästiges<br />
Springkraut oder die Weltbevölkerung.<br />
Er muss vorhanden sein oder<br />
geschaffen werden. Wer als gesunder,<br />
arbeitsfähiger Mensch Wohnraum<br />
benötigt, soll auch seinen Beitrag dazu<br />
leisten. Wohnraum zu fordern, den die<br />
anderen finanzieren, ist unsozial. Den<br />
gibt es nur für Asylanten, im Schlaraffenland<br />
oder im kommunistisch angehauchten<br />
Bereich. August Riegler, Kindberg<br />
www.Saveurope.at<br />
Die ID Party wird teilweise vom Europäischen Parlament finanziert und hat die alleinige Verantwortung für diesen Inhalt<br />
34 ZUR ZEIT | 5/2023<br />
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Öste reichische Post AG / WZ 16Z040733W / W3 VerlagsgesmbH. & Co Verlag KG, Pf 80, 1030 Wien<br />
27. Jahrgang | Nr. 4 | 28. Jänner–3. Februar 2023 | Preis 3,20 € WWW.ZurZeit.At<br />
Zuwanderung:<br />
Bundeswehr:<br />
Beklagenswerter Zustand<br />
Globalismus:<br />
WEF-Jahrestagung<br />
USA:<br />
Höhere Kriminalität<br />
und Sozialkosten<br />
Schwere<br />
Zeiten<br />
für Biden<br />
Österreichischer Film:<br />
Viel Geld für Nichts<br />
auf linker Spielwiese<br />
Andreas Mölzer:<br />
USA – Riese auf<br />
tönernen Füßen<br />
<strong>ZZ</strong> 04_2023 Seite 01 Cover-U1.indd 1 23.01.2023 11:23:09<br />
„Zur Zeit“,<br />
4/2023<br />
„[…] dass die Ukraine<br />
auch Europa verteidigt,<br />
ist ein schlechter Witz,<br />
denn um diesen ‚Stellvertreterkrieg‘<br />
hat sie<br />
niemand gebeten, der<br />
aber für die Mitgliedsländer<br />
der EU bereits<br />
enormen finanziellen<br />
Schaden verursacht<br />
hat.“ Stefan Scharl, Klosterneuburg<br />
Nur keine Wellen!<br />
Wie schon bei der Wiedereröffnung<br />
des Parlaments wurden die Botschafter<br />
von Belarus und Russland auch<br />
zur Angelobung des Bundespräsidenten<br />
nicht eingeladen. Dies ist insofern<br />
bemerkenswert, als Van der<br />
Bellen 2019 einen gewissen Herrn Lukaschenko<br />
mit militärischen Ehren<br />
in der Hofburg empfangen hat. Und<br />
was Russland betrifft, dürfte der österreichischen<br />
Diplomatie völlig entgangen<br />
sein, dass es als Nachfolgestaat<br />
der Sowjetunion Signatarmacht des<br />
Staatsvertrages von 1955 ist. Aber offensichtlich<br />
will man es sich mit dem<br />
Wurmfortsatz der USA, der EU, nicht<br />
verscherzen. Dr. Wolfgang Klesl, Graz<br />
Mobilfunk gegen Bienen<br />
Der Mobilfunkstrahlung ist am Sterben<br />
und Verschwinden von Insekten<br />
und Bienen beteiligt bzw. mitverantwortlich.<br />
Das weist eine aktuelle Studie<br />
der Uni Neuchatel in der Schweiz<br />
nach. Die Strahlung hat Auswirkungen<br />
auf Fortbewegung, Fortpflanzung,<br />
Nahrungssuche, Orientierung, DNS-<br />
Schädigung, Zellstress und Verhalten.<br />
Warum hört und liest man davon<br />
nichts? Unternimmt man nur dann<br />
publikumswirksam und besorgt etwas,<br />
um unseren Bienen zu helfen und<br />
sie zu retten, wenn man nicht einen<br />
wirklich mächtigen „Gegner“ ärgert<br />
bzw. ihm auf die Füße steigt?<br />
Dipl.-Päd. Walter Koren, Kirchdorf<br />
Zu guter Letzt<br />
Das Schwenken<br />
russischer Fahnen<br />
Von Bernhard Tomaschitz<br />
Von der westlichen Meinungsindustrie weitgehend ignoriert,<br />
gab Frankreich den Abzug seiner Truppen aus Burkina Faso<br />
bekannt. Dem vorangegangen war eine entsprechende Aufforderung<br />
der Regierung dieses westafrikanischen Staates sowie<br />
Proteste gegen die Präsenz der ehemaligen Kolonialmacht. Und<br />
dabei wurden in der Hauptstadt Ouagadougou russische Fahnen<br />
geschwenkt.<br />
Was sich im fernen Burkina Faso abspielte, ist in mehrerlei<br />
Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist der französische Truppenabzug<br />
ein weiteres Zeichen für den gerade stattfindenden<br />
Nieder gang des kollektiven Westens, der immer noch glaubt, er<br />
könne der gesamten Welt die Richtung vorgeben und sein politisches<br />
Modell aufzwingen. Darüber hinaus werden nicht die USA<br />
als Vorbild angesehen, sondern, wie das Schwenken der russischen<br />
Fahnen zeigt, eben Russland.<br />
In Afrika sowie in den Schwellen- und Entwicklungsländern<br />
fällt das westliche Narrativ vom „bösen“ Russland also auf keinen<br />
fruchtbaren Boden. Wahrscheinlich deshalb, weil in den betroffenen<br />
Ländern die Erinnerungen an die ehemaligen europäischen<br />
Kolonialmächte sowie an die USA, die unter dem Vorwand der<br />
Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten rücksichtslos<br />
wirtschaftliche und geostrategische Interessen verfolgen,<br />
nicht die allerbesten sein dürften.<br />
Das Schwenken russischer Fahnen in Westafrika zeigt darüber<br />
hinaus, dass Russland – aber auch China, das auf dem Schwarzen<br />
Kontinent sehr aktiv ist – als Alternative zum Westen betrachtet<br />
wird. Und das nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, was<br />
chinesische und russische Investitionen betrifft, sondern auch<br />
geo politisch. Hier wirkt der amerikanisch-russische Stellvertreterkrieg<br />
in der Ukraine als Beschleuniger einer Entwicklung, die<br />
sich schon seit längerem abzeichnet. Entweder werden Sympathien<br />
für Russland gehegt oder wird eine neutrale Haltung eingenommen.<br />
Der Krieg in Osteuropa ist nicht „unser Krieg“, lautet<br />
das Motto in den Entwicklungs- und Schwellenländern.<br />
Anstatt Unsinnigkeiten wie „In der Ukraine werden unsere<br />
Werte verteidigt“ zu verzapfen, wäre der Westen gut beraten, endlich<br />
der bitteren Realität ins Auge zu blicken: Seine Rolle als Führer<br />
der Welt neigt sich unweigerlich seinem Ende entgegen, und<br />
in der bipolaren Weltordnung, die sich abzuzeichnen beginnt,<br />
mit den USA und ihren europäischen Vasallen auf der einen und<br />
einem chinesisch-russischen Block auf der anderen Seite, wird<br />
der Westen mangels Strahlkraft ziemlich alleine dastehen.<br />
Denn wie das Schwenken der weiß–blau–roten Fahnen in<br />
Ouagadougou aber auch die Nichtteilnahme an den westlichen<br />
Sanktionen gegen Moskau zeigen, übt Russland eine starke<br />
Anziehung auf die Entwicklungs- und Schwellenländer aus. ♦<br />
Bild: GSvA<br />
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