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information & gesellschaft Mit Rollstuhl in Wien: Wie barrierefrei ist die Großstadt? EIN INTERVIEW MIT MARIJANA Tina Čakara Studentin Junge Redaktion Foto: Fotostudio primephoto Marijana ist 27 Jahre alt. Sie hat von Geburt an eine körperliche bzw. motorische Behinderung und sitzt daher im Rollstuhl. Sie macht momentan ihren Master in Translation und Internationaler Entwicklung. Seit 2015 wohnt sie in Wien. Ich habe mit ihr über Barrierefreiheit in Österreichs Hauptstadt gesprochen und darüber, welche bösen Überraschungen Wiens Altbauten im Inneren für sie verbergen. Tina: Bei Barrierefreiheit in einer Großstadt wie Wien denken die meisten Menschen zuallererst an Aufzüge in Gebäuden und bei U-Bahn-Stationen. Was fällt denn alles unter Barrierefreiheit? Marijana: Barrierefreiheit bedeutet, wenn etwas für Personen mit Behinderung ohne fremde Hilfe zugänglich ist. Das betrifft sowohl Gebäude, öffentliche Plätze, Verkehrsmittel, Arbeitsstätten und Wohnungen, als auch Gebrauchsgegenstände, Dienstleistungen und Freizeitangebote. Dazu gehören nicht nur Aufzüge, sondern auch Gebärdensprache oder Brailleschrift. Doch auch hier hört Barrierefreiheit noch nicht auf: Sie umfasst zum Beispiel auch die Audiodeskription von Gemälden im Museum für blinde und sehbeeinträchtigte Personen oder die Filmuntertitelung für gehörlose und schwerhörige Menschen. Auch Informationshefte in Leichter Sprache ermöglichen Barrierefreiheit. Sie richten sich an Menschen, die kognitive Beeinträchtigung oder Legasthenie haben. Barrierefreiheit ist also ein vielfältiges und vielschichtiges Thema. Du studierst an der Universität Wien. Wie sieht denn ein typischer Weg zur Uni für dich aus? Welchen Herausforderungen begegnest du? Ich fahre zur Uni mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. So viele Herausforderungen hatte ich bis jetzt zum Glück nicht, da das Verkehrsnetz in Wien in den meisten Fällen gut organisiert ist. Ich habe aber dann Probleme, wenn beispielsweise der Aufzug irgendwo in den U-Bahn-Stationen kaputt ist. Dann ist meine Fahrt um eine Station verlän- Foto © Maria Alberto | pixabay. 12 | DEZEMBER 2021

gert. Ich vermeide außerdem alte Straßenbahnen, weil ich weiß, dass ich wegen der Stufen nicht einsteigen kann. Wie begegnen dir die anderen Menschen in der Öffentlichkeit, wenn sie dich im Rollstuhl sehen? Ich hatte bis jetzt überwiegend positive Reaktionen. Kinder sind sehr neugierig und stellen immer die Frage, warum ich im Rollstuhl sitze. Eltern antworten ihnen dann, dass es nicht schön ist, so etwas zu fragen. Für mich ist es aber okay, wenn Kinder Fragen haben. Man sollte ihnen nicht böse sein, sie wollen das ja aus Neugier wissen. Was mich ärgert und ich nicht verstehe, ist, wenn Leute, die zu Fuß gehen können, ohne Rücksicht auf Vorrang mit dem Aufzug fahren. Es passiert oft, dass ich dann vor dem Aufzug zusammen mit Eltern mit Kinderwagen warten muss. Wien gilt als sehr barrierefreie Stadt. Was ist dein Eindruck davon? Aus meiner Sicht als eine junge Frau, die Rollstuhlnutzerin ist, ist Wien eine schöne, barrierefreie Stadt. Sie ermöglicht mir in vielen Bereichen einen Alltag ohne allzu großer Hürden, wie zum Beispiel den Weg zur Uni. Es gibt aber immer Verbesserungspotenzial, aber im Vergleich zu anderen Städten in Europa, befindet sich Wien auf einem sehr guten Weg. Wo siehst du in Wien noch Verbesserungspotenzial in Bezug auf Barrierefreiheit? Es gibt sehr oft in Altbauten entweder überhaupt keine Aufzüge oder sie sind vorhanden, aber es gibt einige Stufen bis zum Aufzug. Eine gute Lösung wäre da ein Treppenlift. Sowas sehe ich leider kaum. Solche Gebäude, die außen wunderschön aussehen, haben innen eigentlich keine so große Funktionalität. Ich wünsche mir von der Stadt daher eine praktische und funktionelle Baugestaltung, sowohl bei der Außenarchitektur als auch bei der Innenarchitektur. Das macht den Alltag für mich in einem großen Maß leichter und ermöglicht ein selbstständiges Leben, so gut wie es eben geht. Foto © renma | pixabay.com 13 | DEZEMBER 2021