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prima! Magazin – Ausgabe März 2020

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Fotos © LEXIDer

Fotos © LEXIDer ehemalige Direktor des Gymnasiums Oberschützen, Hofrat Johann Werthner im Gespräch mit prima! Herausgeberin Nicole Mühl über sein 100-jähriges Leben.Johann Werthner wurde mit 20 Jahren zum Krieg einberufen und meldete sich freiwillig zum Jagdflug. Bis zu seinem Abschuss Anfang 1945 absolvierte er 60 Feindflüge. Nachdem Krieg studierte er Biologie und Physik und wurde 1969 Direktor des Gymnasiums Oberschützen. Diese Funktion hatte er 13 Jahre inne – bis zu seiner Pensionierung 1983Der Hundertjährige, der garnicht so alt werden wollteEr wurde geboren, als das Gebiet des heutigen Burgenlandes noch zu Ungarn gehörte. Mit 20wurde er im Zweiten Weltkrieg zum Kampfflieger ausgebildet. Später war er Direktor des GymnasiumsOberschützen. Am 19. März wird Johann Werthner 100 Jahre alt. Als Pilot wurde er alsdraufgängerisch bezeichnet. Als Direktor zeigte er Ecken und Kanten. Aus dem Leben einesHundertjährigen. Nicole Mühl„Ich träume fast jede Nachtdavon“, Johann WerthnersBlick geht ins Leere. SeineHände, mit denen erdas gesamte Gespräch übergestikuliert, ruhen ineinanderverschränkt vor seiner Brust.Er sieht heute noch dengegnerischen viermotorigenenglischen Bomber unter sich.„Mein Mechaniker sagte ‚Lasssie leben. Der Krieg ist eh baldaus‘.“ Johann Werthner redetso langsam, dass man seineWorte mitschreiben könnte.20 Jahre war er alt, als dieEinberufung kam. Das war imJahr 1940. Von da an absolvierteer eine Flugausbildungnach der anderen. Damit ernicht an die Front musste,habe er es hinausgezögert,sagt er. Bis zur Nachtjagdausbildung.Ab September 1943 war erdann im Einsatz als Fernnachtjäger.Die JU88 war seineMaschine. Seine Gegner warendie Engländer. „ViermotorigeBomber“, fügt er hinzu. „Dasswir den Krieg verlieren, war mirbewusst, als ich an die FrontFoto prima!Spezialspenglerei · Sonderanfertigungen · BlechdächerGaupen · Komplettdachlösungen · GalanteriespenglereiA-7423 Pinkafeld, Gfangen Grazerstraße 34 33T: Tel. 03357/430 / 430 20 20 • Mobil: 0676/703 / 703 50 501111www.spenglerei-reiter.at • info@spenglerei-reiter.atManfred Taus,Spengler beiSpenglerei Reiter„Wir Wir bieten stellen die VielfaltQualitätsarbeit des Handwerks täglichauf´s aus Neue unter Beweis.Meisterhand!“… das ist richtigIhrGUTE Arbeit ...Mag. Dr.Spenglerei Reiter,David David Reiter Reiter MBAIhr regionaler Anbieterund MBA Teamund Arbeitgeber4 MÄRZ 2020www.prima-magazin.at

Fotos © LEXIFotos © LEXIBei einem Treffen mit den einstigen englischen Gegnern erhielt Johann Werthner von diesen eine Fliegerjacke der Royal Airforce als Geschenk. Foto Mitte: Das Foto der englischenBesatzung, die Johann Werthner über Tilburg abgeschossen hat. Foto rechts: Die JU88 von einem desertierten Freund von Johann Werthner. Fotograf LEXI hat die Maschine inHendon (RAF Museum) aufgenommen. Die Maschine hatte das neueste deutsche Radarsystem an Bordkam. Die Engländer waren unsweitaus überlegen.“ Dennochseien sie, die deutschen Jagdflieger,gefürchtet gewesen,sagt er. In Frankfurt habe ervor Jahren an einem Treffenmit den einstigen englischenGegnern teilgenommen. Dorthabe er von einem Engländereine Fliegerjacke der RoyalAirforce geschenkt bekommen.Eine freudige Begegnung solles gewesen sein.ErklärungenAn seinen ersten Abschusshat Johann Werthner nochjede Erinnerung. Westlich vonHannover war es. Die gesamteenglische Besatzung kam dabeiums Leben. Wer nach zehnEinsätzen keinen Abschusshatte, wurde zur gefürchtetenLuftwaffe nach Russland abkommandiert.Immer wiederhat er später nach englischenSoldaten gesucht. JohannWerthner klopft mit seinenlangen, dünnen Fingern aufein Foto in dem Album vorsich. „Eine englische Besatzung“,erklärt er. Er habe ihreMaschine über England abgeschossen.Nur einer überlebte.1996 sei dieser verstorben. Erhabe lange nach ihm gesucht.Ja, fast jede Nacht träumt ervom Krieg.Politik habe ihn und seineKameraden nicht interessiert,betont er. „Wir waren keineNazis. Hätten wir von denKonzentrationslagern gewusst,wären wir desertiert. Aber esgab die Sippenhaftung. Diegesamte Familie wäre dannermordet worden.“„Eigentlich wäre ich gernArzt geworden“Im Jänner 1945 wurde er dannselbst abgeschossen. Armbruch.„Da war dann für michder Krieg vorbei“, sagt er.Im Luftwaffenhospital war erbis Kriegsende 1945. Genauzum Muttertag sei er heimgekommennach Neustiftund hat sich vor den Russenversteckt. Ein Mädchen ausdem Ort hat ihn verraten. Nurknapp konnte er fliehen.Als die Russen abzogen, ginger nach Wien, um Medizinzu studieren. „Da waren aberschon 14.000 angemeldet.Also hab ich mich für Biologieund Physik eingeschrieben“,sagt er. Flink springt er auf undholt ein kleines Buch, währender leise vor sich hin murmelt.Sein Studienbuch. „Damalsmussten wir für jede Vorlesungund Übung bezahlen. Ich hatteja während des Krieges alsPilot ein Gehalt bekommen.Das habe ich mir zusammengespartund konnte damitmein Studium finanzieren“,erzählt er. In Mindestzeit hater es geschafft. Danach beganner im Gymnasium Oberschützenals Lehrer. Oberschützensei die Brutstätte der illegalenNazis gewesen.„Das Anschlussdenkmal“, sagter plötzlich und blickt auf.„Haben Sie es gesehen?“ AlsSchüler habe er selbst Steinerauftragen und mitarbeitenmüssen.Nicht lange herumgefragt1969 wurde er Direktor. Dasmöchte er heute nicht mehrsein. „Zu viel Bürokratie“, erklärter.Der Zubau der Schule fiel inseine Ära. Zehn MillionenSchilling habe er vom Landdafür bekommen. „4,5 Millionenhabe ich wieder zurückgeschickt.Den Turnplatz undTennisplatz habe ich mir selbstbewilligt. Da habe er nichtlange gefragt. Dafür kam einTadelbrief vom Land“, erzählter. „Den habe ich nichteinmal beantwortet. Wenigspäter folgte ein Belohnungsscheckvon 5.000 Schilling. Fürden sparsamen Zubau“, seineMundwinkel verziehen sich zueinem leichten Schmunzelnnach oben.1983 ging er in Pension. Seitdem Tod seiner Frau lebt er allein.Eine Haushälterin kommttäglich, um zu kochen und fürdie Erledigungen des Alltags.Wenn es schön ist, verbringt erheute noch jeden Tag am Flugplatzin Pinkafeld. Bis vor zehnJahren ist er selbst geflogen.Jetzt lassen die Augen nach,aber oft wird er von einem derSportflieger mitgenommen.Zwei Söhne hat er. Der ältesteist an Krebs verstorben, erzählter und schweigt dann für einpaar Augenblicke. Aber zweiEnkelkinder und fünf Urenkerlhat er. Und stolz berichteter dann von ausgezeichnetenSchulerfolgen der Jüngerenund von der Karriere seinesSohnes als Dekan.Am 19. März wird er 100.„Leider“, sagt er. So alt wollteer nie werden. Auf die Feierlichkeitenkönne er verzichten.Bereuen tut er vieles in seinemLeben. Dass er zu früh geheiratethat, etwa. Die Jahreals Nachtjagdflieger bereut ernicht. Das waren für ihn dieprägendsten, sagt er und blicktwieder ins Leere.Wünsche an das Leben hat erkeine mehr. „Was soll ich mirnoch wünschen?“, meint erund zieht seine Schultern kurzhoch.Was wohl der perfekte Tag fürden hundertsten Geburtstagwäre? Vielleicht im Flieger zusitzen, die Maschinen startenund abheben. Einfach verschwinden.MÄRZ 20205

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