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BINNENSCHIFF JOURNAL 5/2020

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BINNENSCHIFF JOURNAL 5/2020

BINNENSCHIFF Journal 5/2020 | S30 Bezdansko Brodogradilište Quelle Stadt Bezdan Vom serbischen Schiffbau für die Binnenschifffahrt Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein, Langen und bangen in schwebender Pein, Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt… REDAKTION: PETER BAUMGARTNER Anders, als mit Goethes Worten, kann man die Berg- und Talfahrt des Schiffbaues in Serbien kaum beschreiben. Man sagt sogar, dass mancher serbische Werftarbeiter trotz aller Schwankungen in die Arbeit so verliebt ist, dass er auf die Werft geht, obwohl es gar keine Arbeit gibt. Dennoch haben viele Fachkräfte das Land als Wirtschaftsflüchtlinge verlassen. Mancherorts fehlen sie im eigenen Land schon wieder. Ein ex-Jugoslawischer Werftarbeiter, Ivan Trtanj, hat sogar in Deutschland Kariere gemacht und wurde zum begnadeten, international bekannten Schiffbaukünstler. Geprägt von der wechselvollen Geschichte des Landes, vereinte dennoch die hohe Qualität des Schiffbaues in Jugoslawien die internationale Wahrnehmung. Die Geschichte der Werftarbeit in Jugoslawien reicht weit über 200 Jahre zurück und gab im Tito-Jugoslawien, vor dem Zerfall des Staates, noch ein kräftiges Lebenszeichen von sich. Stellvertretend mag hier die Tito-Werft in Belgrad genannt werden, die gemeinsam mit dem Institut für Technische Wissenschaften der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste (gegründet 1947), der ganzen Welt beispielgebende Binnenschiffe zeigte. Aber auch andere Werften, mit so klingenden Namen wie Apatin, Kladovo oder Novi Sad, demonstrierten ihr Können eindrucksvoll. Der erfolgreiche Bau, der damals noch gebräuchlichen Schleppschiffe, erreichte 1960/61 seinen Höhepunkt mit Schiffen, die den Donauverkehr lange nicht nur qualitativ, sondern auch ästhetisch geprägt haben. Wie überall

Schulbesuch in der Schiffswerft Quelle Tehnicka Skola Apatin in der Binnenschifffahrt, wurde die Schleppoder Zugschifffahrt aus wirtschaftlichen Gründen von der Schubschifffahrt abgelöst. Auch hier zählte Jugoslawien wieder zu den Wegbereitern. Die ab 1962, hauptsächlich in Belgrad gebauten Schubschiffe beherrschten zunächst die untere Donau mit Konvois, die an die gewaltigen Ausmaße auf dem Mississippi erinnerten. Sie waren das Rückgrat der jugoslawischen Rohstoffindustrie. Einen besonderen, internationalen Bekanntheitsgrad erlangte dabei Prof. Dr. Branislav J. Bilen. Er hat bereits 1956 den Abschluss für Schiffbau und Maschinenbau mit der Dissertation „Quantitative Analyse der Form der Düse als Element des Schiffsantriebsorgans“ gemacht. Danach ging er in die Tito-Werft, wo er in verschiedenen Führungspositionen arbeitete. Besonders als Hauptkonstrukteur und Leiter des Konstruktionsbüros, konnte er seine Erfahrung ein- und schließlich auch auf das Wasser bringen. Ab 1981 beginnt er mit der wissenschaftlichen Arbeit und wird 1987 Leiter des Lehrstuhls für Schiffbau in Belgrad. Als Mitglied der Jugoslawischen Ingenieurakademie und der Schiffbauingenieure führte er auch als Chefredakteur deren Fachmagazin. Unzählige wissenschaftliche Arbeiten von Bilen (z.B.: News in river pushing technology/1987) wurden national und international veröffentlicht. Mehr als 40 Zitate von ihm oder seinen Mitarbeitern sind nachhaltig im Schiffbau verankert. Die meisten seiner Schiffskonstruktionen finden im Ausland Verwendung. So auch einige Hafenschlepper, wo er mit den drehbaren Propellerdüsen zu den Pionieren dieser Antriebsart zählt. Die Kriege in Jugoslawien, sowie deren Vorund Nachgeschichte, brachten den Schiffbau im Nachfolgestaat Serbien nahezu völlig zum Stillstand – bzw. konnte er wegen internationaler Sanktionen gar nicht stattfinden. Was danach folgte, war für den Schiffbau zunächst nicht weniger schädlich als der Krieg. Misswirtschaft und insbesondere Korruption missbrauchten den Schiffbau als Spekulationsobjekt. Diese schädliche Situation ist bis heute nicht abgeschafft und eine strategische Schiffbaupolitik ist in Serbien noch nicht erkennbar. 2010 kündigte der damalige Wirtschaftsminister Dinkic an, den Schiffbau in Serbien für ausländische Investoren zu öffnen. Die größten Schiffbauer der Welt wussten das auch zu schätzen und nützen die serbischen Werften bis heute als verlängerte Werkbank. Selbst der Präsident persönlich zeigt sich stolz,