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UMWELT JOURNAL 2023-2

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UMWELT JOURNAL Nr. 2/2023 mit den Themen: COVER: Abluftreinigung - Themen: Kunststoff-Recycling, EPS-Kreislaufwirtschaft, E-XPO5020, Renexpo Interhydro, E-World energy & water, Earth Overshoot Days 2023, EPS- vs. Impact Investing; Buch: Climate Change and the Future of Democracy; Ausbildungen, Seminare, Kongresse

UMWELTjournal 2/2023 | S6 Kunststoff- Rezyklate sind das neue Gold Dank verschärfter EU-Vorschriften und neuer Recyclingtechnologien werden Volumen und Qualität der Kunststoff-Rezyklate erheblich zunehmen. Das eröffnet der Branche zahlreiche Möglichkeiten, sowohl im Hinblick auf das Wachstum, als auch zur Steigerung der Profitabilität. Die jüngste Roland Berger-Studie analysiert die aktuelle Dynamik beim Plastik-Recycling und zeigt auf, wie Unternehmen den Ansturm auf das „neue Gold“ nutzen können. Interview mit: Oliver Herweg, Roland Berger Im Jahr 2020 wurden 24 Prozent aller Plastikabfälle in der EU recycelt; betrachtet man die Recyclingquote nur für Verpackungen, liegt diese mit 30 Prozent etwas höher. Um bis 2030 die EU-Recyclingziele – beispielsweise 55 Prozent für Kunststoffverpackungen – bei einer gleichzeitig erwarteten Zunahme des Plastik-Mülls zu erreichen, müssen die bestehenden Recycling-Volumina um den Faktor 2,5 erhöht werden. Dies erfordert zwar erhebliche Anstrengungen, aber bietet auch eine Vielzahl von Geschäftschancen in den vorgelagerten Sammlungs- und Sortierungsprozessen. Im Interview mit UMWELT JOURNAL Chefredakteur Peter Nestler erklärt Oliver Herweg, Partner beim Beratungsunternehmen Berger welche Herausforderungen auf die Kunststoffbranche zukommen werden. Peter Nestler: In den meisten EU-Ländern sind die Kapazitäten zum Kunststoff-Recyling weitgehend ausgeschöpft. Mit welchem Investitionsbedarf rechnen Sie in den nächsten Jahren zum Aufbau weiterer Recyclingkapazitäten? Oliver Herweg: Wir rechnen bis zum Jahr 2030 mit einem zusätzlichen Bedarf von knapp 15 Megatonnen (Anmerkung: 1 MT = 1 Mio. metrische Tonnen) Sortier- und Recyclingkapazität für Plastikabfall in der EU. Unter Berücksichtigung der Ersatzinvestitionen für bereits installierte Anlagen bedeutet das einen Investitionsbedarf von rund 35 Mrd. Euro. Oliver Herweg, Partner bei Roland Berger Peter Nestler: Grundsätzlich muss bereits das Anfallen von Kunststoffabfall reduziert werden. Wir haben die Produktion auf der einen Seite der Kette und das Recycling auf der anderen Seite. Was kann die Recyclingbranche zur Optimierung beitragen, zum Beispiel was verwendete Materialien betrifft? Oliver Herweg: Wenn wir die „Recycling-Branche“ als die Stufen Sammlung, Sortierung und Rezyklat- Herstellung (mechanisch oder chemisch) verste-

hen, haben diese Akteure keinen direkten Einfluss auf die von den Verbrauchern erzeugte bzw. für die Sammlung bereitgestellte Abfallmenge. Insofern liefert die „Recycling-Branche“ im Wesentlichen folgende zwei Beiträge zur Reduzierung des Plastik-Abfalls: a) sie stellt qualitativ hochwertige Rezyklate her. Dadurch erweitern sich die Einsatzmöglichkeiten für das Material. Zudem reduziert sich der Bedarf an „virgin plastics“ und somit dessen Abfallvolumen. b) Die Branche bemüht sich um die Reduzierung der Verluste in den Sortierungs- und Recycling-Prozessen. Denn diese Verluste sind ja wiederum „Plastik-Abfall“. Aktuell werden in der EU aus den 30 MT gesammelten Plastik-Abfall nur 7 MT Rezyklate gewonnen, das heißt es besteht ein Verlust von 77 Prozent. In beiden Fällen greifen die neuen Sortier- und Recyclingtechnologien, da diese die Qualität von Sortierung (und Rezyklaten) steigern und Prozessverluste reduzieren. Peter Nestler: Sind das mechanische und das chemische Recycling konkurrierende Verfahren? Oliver Herweg: Nein, die Verfahren ergänzen sich. Das mechanische Recycling ist sehr umweltfreundlich, aber primär auf „rigid plastics“, also Hartplastik, beschränkt. Beim chemischen Recycling entstehen verfahrensbedingt zwar wiederum Treibhausgase, allerdings können bestimmte Typen von Plastik, wie Folien und Schäume nur chemisch recycled werden. Daher verbessert auch dieses Verfahren insgesamt die Umweltbilanz von Plastik. Peter Nestler: Was sind die größten Herausforderungen des Kunstoffrecyclingsektors in Europa? Oliver Herweg: Das immer noch eher gering ausgeprägte Umweltbewusstsein der Verbraucher, verbunden mit eingeschränkten Anreizen zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung. Dies führt zu signifikanten Mengen an grundsätzlich rezyklierbaren Plastik-Abfällen, die im Rest-/MSW-Strom entsorgt werden – in der EU gehen so z.B. bis zu 9 Mio. Tonnen Plastikverpackungen aus Haushalten für das Recycling verloren. Zudem bestehen aktuell eher begrenzte Möglichkeiten und Anreize zur Herstellung hochwertiger Rezyklate. Denn die Sammelmengen für hochwertige, sprich quellensortierte Materialien sind noch zu gering. Peter Nestler: Was sind die wesentlichen Hebel, um diese Herausforderung anzugehen? Oliver Herweg: Das ist zum einen möglich über Regulierungen seitens der EU, aber auch nationaler Behörden durch anspruchsvollere und detailliertere Ziele. Denn eine getrennte Sammlung der Abfälle in der gesamten EU, z.B. nach dem Vorbild von Belgien, Deutschland oder Österreich, hätte eine große positive Auswirkung. Zum anderen würde die durchgehende Digitalisierung der Abfall-Wertschöpfungskette, die Transparenz über Mengenentwicklung und -struktur auf lokaler Ebene erhöhen. Das würde eine Datenbasis zur optimalen Steuerung der lokalen Infrastruktur schaffen. Danke für das Gespräch!