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additive 02.2018

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SPECIAL Formnext Die

SPECIAL Formnext Die Entwicklung des 3D-Drucks in der Automobilbranche Vom Design bis zur Produktion Automobilhersteller müssen sich auf gravierende Änderungen einstellen. Gleichzeitig stehen sie, wie seit jeher, vor der Herausforderung, die Herstellungskosten zu senken. Scott Sevcik, VP Manufacturing Solutions bei Stratasys, betrachtet den 3D-Druck – eine typische revolutionäre Technologie – und seine Rolle als Unterstützung der Automobilindustrie bei der Anpassung an neue Gegebenheiten. ■■■■■■ Die Automobilbranche befindet sich im Wandel. Deutliche Schwankungen der Benzinpreise sowie Umweltbelastungen und politischer Druck, fordern die Industrie heraus, ein Gleichgewicht zwischen der Wirtschaftlichkeit von verbrauchsintensiven SUVs und kleinen Elektrofahrzeugen herzustellen. Fahrgemeinschaften und gemeinschaftliche Geschäftsmodelle gewinnen an Dynamik, Technologiesprünge haben autonome Fahrzeuge auf den Markt gebracht. Dies hat unsere Sichtweise auf die Nutzung von Autos verändert. Automobilhersteller müssen sich auf diese Änderungen einstellen. „Geheimwaffe“ 3D-Drucker Die Automobilindustrie war eine der ersten Branchen, die die Vorteile des 3D-Drucks wirklich erkannt hat. 3D-Druck wurde lange Zeit als Werkzeug für Rapid Prototyping verwendet. In den letzten Jahren war es diese Branche, die den Verkauf von High-End- 3D-Druckern und -Materialien vorantrieb. Dies wurde jedoch oft unter Verschluss gehalten, da die Designstudios ihre „Geheimwaffe“ verheimlichen wollten. Der 3D-Druck reduzierte die Entwicklungskosten und zeitlichen Vorgaben und verbesserte das Design, da Anpassungen im laufenden Betrieb mit mehreren Iterationen innerhalb weniger Stunden möglich waren. Dies leistete einen bedeutenden Beitrag zum Design-Prozess der Automobilentwicklung. Da die Technologie und die Materialien immer weiterentwickelt werden, wird dieser Trend auf lange Sicht bestehen bleiben. Der Übergang zur Serienfertigung Die technischen Möglichkeiten des 3D-Drucks wurden in den vergangenen Jahren deutlich erweitert, vom traditionellen, schnellen Modellbau für Entwicklungsabteilungen der Automobilbranche, bis hin zur Produktion von Serienteilen. Die Entwicklung hochspezifischer Werkzeuge, zur Effizienzsteigerung in der Fertigung, ist heute eine der wichtigsten neuen Anwendungsmöglichkeiten des 3D-Drucks im Automobilbereich. Die Systeme von Stratasys sind heute, in der Automobilfertigung ein fester Bestandteil der gesamten Lieferkette. In Deutschland hat beispielsweise Opel den 3D-Druck von Stratasys für Produktionswerkzeuge eingesetzt und damit die eigene Produktionslinie durch effizientere und schnellere Arbeitsabläufe verändert. Ein weiteres Beispiel ist Volvo Trucks in Frankreich. Dort wurde die Fortus-3D-Drucktechnologie eingesetzt, um verschiedene stabile und gleichzeitig gewichtsoptimierte Klemmen, Montagevorrichtungen, Halterungen und Werkzeughalter für die Produktionslinie am Standort Lyon zu entwickeln. Volvo Trucks schätzt die Kosten für den 3D-Druck von ABS-Thermoplast-Bauteilen bei kleinen Stückzahlen auf nur 1 Euro/cm 3 und kann dadurch Metallwerkzeuge und Scott Sevcik, VP Manufacturing Solutions bei Stratasys, sieht den 3D-Druck in der Automobilindustrie auf dem Vormarsch. Bild: Stratasys 3D-Druckwerkzeuge für den direkten Einsatz in der Fabrik ersetzen. Wenn man das gleiche Objekt aus Metall herstellt, liegen die Kosten bei 100 Euro/cm 3 . Volvo Trucks konnte die Zeit für die Entwicklung und Herstellung bestimmter Werkzeuge, die traditionell aus Metall hergestellt werden, von 36 auf nur zwei Tage reduzieren, indem diese mit ABS-plus-Thermoplast gedruckt werden. Dies entspricht einer Zeiteinsparung von über 94 %. Auch Ford in den USA nutzt unsere FDM-basierte Technologie zur Herstellung von Produktionswerkzeugen und individuellen Bauteilen. Design verbessern und Gewicht reduzieren Bei hohen Produktionsmengen, wie sie in der Automobilindustrie üblich sind, sind effiziente Durchlaufzeiten äußerst wichtig. Wenn in der Produktionslinie ein bestimmter Vorgang nahezu tausend Mal wiederholt wird, werden durch die Einsparung einiger Sekunden Hunderttausende oder sogar Mil- 38 additive Oktober 2018

Mithilfe des FDM 3D-Drucks stellte McLaren in der vergangenen Grand-Prix-Saison innerhalb von weniger als zwei Wochen einen neuen Rennwagenflügel her, der mit einem 3D-gedruckten Ultem- 1010-Spritzgusswerkzeug gefertigt wurde. Bild: Stratasys lionen von Dollar eingespart. Neue technische Entwicklungen und neuentwickelte Materialien von Stratasys und anderen Unternehmen im Bereich der additiven Fertigung sorgen für immer mehr neue Möglichkeiten. Mithilfe robuster, langlebiger FDM- Thermoplaste, die robusten Produktionsumgebungen standhalten, können Automobilhersteller bei Bedarf individuell angepasste Vorrichtungen, Zubehörteile und Werkzeuge herstellen, um das Design zu verbessern und das Gewicht zu reduzieren. Darüber hinaus kann additive Fertigung die Arbeitsumgebung und die Arbeitsprozesse für die Anwender von Produktionslinien verbessern. Dies ist ein völlig neuer Nutzen jenseits der offensichtlichen und leicht zu quantifizierenden Vorteile in Verbindung mit Zeit- und Kosteneinsparungen bei der Fertigung der Werkzeuge. Der Einsatz von 3D-Druckwerkzeugen, die auf den jeweiligen Anwender zugeschnitten sind, bietet in diesem Fall das Potenzial, Verletzungen durch Überlastung zu reduzieren, die den Produktionsablauf beeinträchtigen könnten. Verbundwerkstoffe mit der Festigkeit von Metall Bei allen 3D-Druckanwendungen ist das Produktionsmaterial von entscheidender Bedeutung. Die Materialentwicklung ist bei Stratasys eine konstante Aufgabe. Die Ingenieure arbeiten u. a. an höherer Chemikalienbeständigkeit für Treibstoffkontakt und einer optimalen Kombination aus Widerstandsfähigkeit, Dehnbarkeit und Festigkeit für eine längere Lebensdauer. Neue Materialien, wie das 2017 eingeführte carbonfaserverstärkte Nylon12 CF, ermöglichen neue Anwendungen in der Automobilbranche. Derartige Verbundwerkstoffe bieten im 3D-Druck die Festigkeit von Metall und das geringe Gewicht von Kunststoff. Der öffentliche Fokus lag bislang größtenteils auf den Herstellern der Luft- und Raumfahrtbranche, die große Einsparungen erzielen, indem sie schwerere Metallteile gegen starke, leichtgewichtige 3D-gedruckte thermoplastische Bauteile ersetzen. Die Fortus 900mc von Stratasys ist das industrielle Lasttier der additiven Fertigung mit Thermoplasten. Durch gezielte Bemühungen mit Partnern aus der Luft- und Raumfahrtindustrie konnte Stratasys eine Ausführungsund Verfahrensmethode entwickeln, die eine äußerst hohe Reproduzierbarkeit ermöglicht. Dies geschah im Rahmen der FAAund EASA-Zertifizierung von Flugzeuginnenteilen. Der zentrale Nutzen häufig reproduzierbarer mechanischer Eigenschaften ist genau das, was bei Genehmigungsverfahren für die Produktion von Automobilteilen benötigt wird. Auch die Automobilbranche hat schwierige Rahmenbedingungen. Treibstoffeffizienz wird auch in Zukunft notwendig sein, da Umweltverbände und Politiker weiterhin Druck ausüben. Leichtere Fahrzeuge benötigen weniger Energie, sei es durch geringeren Treibstoffverbrauch oder längere Batterielebensdauer. Additive Fertigung bietet nicht nur die Möglichkeit, leichte Bauteile zu produzieren, sondern das Leistungsgewicht durch komplexe geometrische Entwürfe zu optimieren, die mit anderen Technologien einfach nicht erreicht werden können. Automobilhersteller loten diese neuen Möglichkeiten aus und finden dabei immer mehr Anwendungen, um Fahrzeuge schließlich mit 3D-gedruckten Bauteilen auszu - statten. Dezentrale Produktion Die dezentrale Produktion ist eine weitere Möglichkeit, die Umweltbelastung zu reduzieren und die Produktionskosten zu senken. Die additive Fertigung ermöglicht eine dezentrale Produktion, die zentral koordiniert wird. Wenn ein Hersteller heutzutage ein Fahrzeug an zwei äußerst weit entfernt liegenden Orten der Welt produziert, dann haben die an beiden Standorten produzierten Fahrzeuge weitgehend die gleichen Entwürfe und Komponenten. Die Werkzeugfertigung und die Produktionsabläufe unterscheiden sich aber oftmals. Für Hersteller ist dies ein Risikofaktor. Dieser wird im Moment jedoch akzeptiert. Dies ist außerdem ineffizient, da zwei unterschiedliche Werkzeughersteller unterschiedliche Designs für die gleiche Montagevorrichtung produzieren können. Eine digitale Zentralisierung und physische Dezentralisierung bietet die Möglichkeit, besonders effiziente Vorrichtungen zu entwerfen und dann weltweit per CAD-Datei an die einzelnen Fabriken weiterzugeben, die den Vorgang ausführen. Hersteller profi- additive Oktober 2018 39