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Centurion Germany Spring 2017

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Bob Lawson fährt mit

Bob Lawson fährt mit dem Kajak durch Paradise Bay das Wasser in der Bucht während eines Ausbruchs so heiß, dass es die Farbe von Schiffswänden abschälte. Die Bransfieldstraße verläuft etwa 320 Kilometer zwischen den Südlichen Shetlandinseln und der Antarktischen Halbinsel. Wir erreichten sie gegen Mittag und durchquerten sie in einer langen Südwest-Diagonale. Maggy wies uns an, unsere Kameras, Ersatzbatterien und alles andere, was leicht wegfliegen könnte, in unseren Taschen und Schubladen zu verstauen. „Eine einzelne herumrollende Batterie kann einen schon in den Wahnsinn treiben“, warnte er. Unsere Betten hatten Kojensegel, damit wir nicht herausfallen konnten. Meines rettete mich mehr als einmal. Schließlich warf Maggy neben dem Wrack eines norwegischen Transportschiffs, das 1916 in einer ruhigen, schmetterlingsförmigen Bucht sank, den Anker aus. Nach einem Tag hatten wir die Westküste von Enterprise Island erreicht. Die aus Eis und Felsen bestehende Insel liegt etwa fünf Kilometer westlich der Antarktischen Halbinsel und ist ein beliebtes Ziel von Kreuzfahrtschiffen. Doch glücklicherweise war niemand dort. Abkommen besagen, in der Theorie, dass Antarktika niemandem gehört und damit allen. In der Praxis benutzt jedes Land seine eigenen Namen für die verschiedenen Orte und steckt seine eigenen Claims ab. Für Argentinien heißt dieser Ort Hope Base. Für Chile heißt er Land O‘Higgins. Die Briten nennen ihn Graham Land, was die USA in Ordnung finden, da sie Palmer Land weiter im Süden für sich beanspruchen. Wir verbrachten den Morgen damit, Kajaks zusammenzubauen und uns die orangenen Überlebensanzüge anzuziehen. Die Einteiler dienten als Schutz, falls jemand kentern sollte. Wir hatten vor, an den riesigen Eisbrocken vorbeizupaddeln, die in der Gouvernøren Bay herumschwappten. Annie ermahnte uns, Abstand zu halten. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie gefärlich das ist.“ Der Wind nahm zu, also fuhren wir mit einem Schlauchboot an Land, wo man von der Tierwelt mit einer Mischung aus Neugier und Verachtung begrüßt wird. Skuas, die launenhaftesten Seemöwen der Welt, griffen uns im Sturzflug an, woraufhin die Seeschwalben sie im Sturzflug angriffen und ein fedriges Chaos losbrach. Doch schließlich entspannte sich die Lage und jeder zog seines Weges. Ich stocherte im seichten Wasser herum, um dort nach Leben zu suchen. Auf dem Grund saßen winzige Fische von der Farbe der Felsen. Durch ihre Adern fließt vermutlich Frostschutzmittel. Ich sah auf tellergroße Medusen und Rippenquallen, die ich erst für Luftblasen hielt. Ich legte mich in die Sonne und lauschte dem Eisberg. Er knackste und knirschte wie Rice Krispies in Milch. Das Thermometer zeigte 21 Grad an. Zwei Wochen später würden Wissenschaftler in Nature berichten, dass die globale PHOTO TIM NEVILLE 54 CENTURION-MAGAZINE.COM

Die Drakestraße war eine der heftigsten, aber bereicherndsten Erfahrungen meines Lebens. Erwärmung das Eis hier schneller zum Schmelzen bringt, als bisher irgendjemand geglaubt hatte. Zum Mittagessen servierte Anaïs Kabeljau und Reis mit gebackenen Äpfeln und Dulce de Leche. Wir gingen an Deck, um Bob dabei zuzusehen, wie er den Anker einholte. Doch irgendetwas stimmte nicht. Die Australis bebte, während sich die gewaltige Kette um den Spill schlang, doch dann heulte die Winde kurz auf und verstummte schließlich. Bob versuchte es noch mal, doch wieder bebte das Schiff und die Winde heulte auf. Dann begann es zu schneien. Am nächsten Tag arbeitete die Crew unermüdlich daran, den Anker freizulegen. Wir schickten eine GoPro-Kamera hinab. Die Aufnahmen enthüllten eine seltsame und wundervolle Welt mit durchsichtigen Seesternen, abgefahrenen Würmern und einer Kette, die in einem riesigen Metallklumpen verschwand. Wir sollten später herausfinden, dass unser Anker einen anderen Anker entdeckt hatte und dass er nicht mehr zu retten war. Einen Anker zu verlieren ist ein großes Problem. In Antarktika wäre es das Ende, ohne eine fähige Crew. Wir hatten einen Ersatzanker, aber keine Ersatzkette. Doch Maggy kannte einen Naturhafen, der so geschützt lag, dass Seile und ein Ersatzanker reichen würden. Paradise Bay lag 50 Kilometer, eine Tagesreise, südlich von uns. Am nächsten Tag brachen wir sofort auf und verzichteten auf die ukrainische Basis. Wir fuhren um den südlichen Zipfel von Nansen Island herum, in die Gerlache-Straße hinein und an den über 2.700 Meter hohen Bergen der Osterrieth Range auf Anvers Island vorbei. Während einer ruhigen Phase kletterte ich in den Ausguck und betrachtete die Szenerie. Ein einsamer Pinguin sprang von einem Eisberg ins Wasser. Buckelwale streckten ihre Schwanzflossen in die Luft, während das Wasser an ihnen herunterströmte. „Es wäre eine schwarz-weiße Welt, wenn es nicht all dieses Blau gäbe“, sagte Annie. Als wir sicher in Paradise Bay angekommen waren, machten wir einen Paddelausflug. Das Eis um den Bug herum spritzte, knackste und knirschte. „Das ist, als würde man über Kartoffelchips fahren“, sagte Bob. Wir glitten still über das Wasser und lauschten einem Zwergwal, der in der Ferne Luft ausstieß. In wenigen Tagen würden wir auf einem im Meer treibenden Felsklumpen unsere Zelte aufbauen, mit unseren Rücken auf dem Erdboden liegen und die Weite des Kontinents spüren. Doch dieser Augenblick – in dem wir durch das erhabene, leuchtend blaue Eis trieben und versuchten, die unglaubliche Pracht eines Planeten zu begreifen, der sich uns in seinem Adamskostüm zeigte – ging uns durch Mark und Bein. „Das hier”, sagte Bob und zeigte mit einer Geste zu den Bergen, dem Meer und dem Eis, „gibt es schon seit Millionen von Jahren. Ich bin nur einen Moment lang hier. Wenn ich weg bin, wird es sich nicht verändern. Wer bin ich eigentlich?“ Unsere Zeit in Paradise Bay war zu kurz, wie überall in Antarktika. Aber uns stand noch die Drakestraße bevor, also brachen wir auf in Richtung Norden. Bei Danco Island hielten wir an und machten Bauchrutschen mit Pinguinen. Das war ein Riesenspaß, bis sich die Skuas einmischten und einem Pinguin bei lebendigem Leib die Augen aushackten. Maggy stellte den Autopilot auf 340 Grad und dann ging es los. Die Drakestraße zu durchqueren, war eine der heftigsten, aber auch bereicherndsten Erfahrungen meines Lebens: 75 Stunden, Winde von über 100 Stundenkilometern, neun Meter hohe Wellen und eine gebrochene Rippe (nicht meine). Die Wellen schlugen so wild auf das Boot ein, dass sich die Erschütterungen wie Artilleriefeuer anfühlten. Am schlimmsten wurde es, als Maggy 190 Kilometer vor der Küste von Kap Hoorn den Bug neun Stunden lang in die Wellen lenkte, um irgendwie durch den Sturm zu kommen. Ich blieb im Bett und hörte Musik und Hörbücher und sah den Vorhängen zu, wie sie wie Pendel hin und her schwangen. Was für ein magisches Erlebnis es war, sicher, ungebunden, entschlossen und aufgeregt auf See zu sein. Als wir uns Feuerland näherten, ging ich zum Steuerhaus, wo ich auf Maggy traf. „Eine teuflische Durchquerung“, sagte er. Wenige Momente später stieg ein Stundenglasdelfin vorm Bug empor und sprang rückwärts, wie eine Banane, die Augen nach oben gerichtet. Sein heller, weißer Bauch blitzte nass und weich, so als ob er uns begrüßen wollte. BUCHUNG ÜBER IHREN CENTURION SERVICE CENTURION-MAGAZINE.COM 55

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