Aufrufe
vor 3 Monaten

Industrieanzeiger 04.2024

  • Text
  • Intralogistik
  • Werkzeugmaschinen
  • Batterierecycling
  • Gewindetechnik
  • Laser
  • Batterien
  • Werkzeuge
  • Aluminium
  • Wasserstoff
  • Industrieanzeiger

TOPSTORY »

TOPSTORY » Batteriegehäuse Bei den Batteriegehäusen ist ein Wettkampf zwischen Materialien, Bauweisen und ihren Fertigungsmethoden entbrannt. 2023 wurde die Valeo „Battery Box“ der Mercedes S-Klasse auf der Composites-Konferenz ACCE als „innovativstes Material in Produktionsteilen“ ausgezeichnet. Bild: US-SPE Vielfältige Leichtbau-Lösungen für höhere Reichweiten und weniger Emissionen Wie Batteriegehäuse leichter werden Viele der ersten Batteriegehäuse für elektrisch betriebene Fahrzeuge wurden ausschließlich aus Stahl oder Aluminium hergestellt. Es gibt jedoch eine deutlich größere Vielfalt an Materialien, die Leichtbau ermöglichen – und die von den Entwicklern aufgegriffen wird. Sie reicht von Kunststoff-Lösungen aus Thermoplasten und Duroplasten bis hin zu Holz und Kork. » David Vink, freier Fachjournalist in Mettmann 26 Industrieanzeiger » 04 | 2024

Vorweg das Bio-Lib-Projekt: Es verdeutlicht wie kein zweites die Vielfalt an Materialien, die für leichtere Batteriegehäuse verwendet werden können. Wie der Name erahnen lässt, zielt es neben der Gewichtsreduktion auf eine möglichst hohe Nachhaltigkeit: „Bio-Lib“ steht für „Biobased Multifunctional Laminates in Battery Housings”. Das Projekt wird von der österreichischen FFG-Forschungs gemeinschaft und der TU Graz vorangetrieben und endet am 31.03.2024. Die Bio-Lib-Konstruktion für Batteriegehäuse besteht aus einer Bodenplatte aus Stahl und Holz, einem Fahrzeuginnenboden mit hölzernem Rückgrat und Seitenschwellern aus leichtmetallischen Hohlprofilen. Hinzu kommt noch ein Deckel. Für den Gehäuserahmen wird Stahlblech um einen Holzkern gebogen und verschweißt. Eine ungewöhnliche Werkstoffkombination. Doch bei den seitlichen Pfahlaufprall-Tests, die für Batteriegehäuse wichtig sind, zeigt dieses Stahlprofil mit Holzkern eine erhöhte Steifigkeit: Bei 80 kN Kraft tritt eine Verschiebung von 10 mm auf, die beim Stahlhohl - profil schon bei 46 kN erreicht wird. Merkmale des Bio-Lib-Gehäuse sind gutes Temperaturmanagement, Crash-Beständigkeit, Schwingungsdämpfung, niedrige Kosten und Funktionsintegration, um Bauraum und Gewicht zu minimieren. Der Carbon-Fußabdruck soll dabei niedriger sein als für ein Aluminium-Gehäuse. Ein hybrides Stahlblech mit Kork-Kern und „wärmereflektierendem Material“ als Beschichtung soll verhindern, dass Batteriebrände durch thermische Ausbreitung (TRP: Thermal Runaway Propagation) verursacht werden. Die Entwickler arbeiten noch weiter an Details ihrer Lösung, wie geeigneten Verbindungs- und Fertigungsmethoden, Holzmodifikationen oder Recycling. Die Batteriezellen selbst werden in einem Modulgehäuse aus Hardcork gehalten. Bei diesem Bio- Material handelt es sich um ein Compound von Bufo Technology aus Hannover. Es besteht aus duroplastischen Bio-Harzen mit Kork und Kurzfasern aus Hanf oder Flachs. Das Bio-Lib-Gehäuse ist ein Exot unter den Batteriegehäusen. Doch es zeigt, dass es keine Denkverbote gibt. Die Entwickler sind offen für alles, was zum Ziel führt: Gewicht zu senken und Nachhaltigkeit zu erhöhen. Denn es geht um Reichweite. Die heute geplanten E-Autos sind nicht mehr nur Stadtfahrzeuge, was noch für den i3 im BMW-Projekt Megacity Vehicle (MCV) galt. Doch das unvermeidlich hohe Batteriegewicht bremst sie aus. Um es zu kompensieren, muss beim Gehäuse so viel Masse wie möglich eingespart werden. Dafür gibt es heute eine Vielzahl an Materiallösungen, darunter Stahl-Leichtbau. Entwicklungsdienstleister Bertrandt und Voestalpine Stahl betrachten Stahl als „idealen Werkstoff“, weil sich die Konstruktionen wesentlich kompakter auslegen lassen als mit Aluminium bei gleicher Steifigkeit und Festigkeit. Der Bauraum wird besser genutzt und die Energiedichte erhöht. Für den Deckel kommt Dualphasenstahl zum Einsatz, in der Crashstruktur wird Komplexphasenstahl verwendet, ebenso wie in den C-Profilen. Trotz dieser Vielfalt reicht eine Schweißnaht aus. Auch der Engineering-Spezialist IAV setzt auf Stahl, unter anderem weil Klick- und Steckverbindungen die Konstruktion stark vereinfachen könnten. Damit ließen sich sehr viele Klebeverbindungen, Hunderte von Schrauben und zwei Drittel der Schweißnähte ersetzen, die bei Aluminium üblich seien. IAV argumentiert, dass Stahl bei konsequentem Leichtbau das Gewicht des Batteriesystems um nur etwa 1 bis 1,5 % erhöhe und damit vernachlässigbar sei für die Reichweite. Aluminium-Leichtbau Bereits in Aluminiumblech-Lösungen steckt viel Kreativität. Novelis hat eine zweite Generation von Batteriegehäusen entwickelt, die rollgeformte Rahmenabschnitte aus der Legierung Advanz s650 enthält. Zugrunde liegt das Cell-to-Pack(CTP)- Konzept, bei dem die Zelle direkt in den Batteriepack ohne Module integriert wird. Gegenüber dem ersten Ansatz von 2019 führt das verbesserte CTP-Konzept zu einer um 30 % höheren Energiedichte. Die Gehäuse-Lösung soll um 50 % leichter sein als ein herkömmliches Stahlgehäuse und um mehr als 20 % leichter als das extrudierte Alu-Gehäuse eines europäischen Elektro-SUV. Bild: Tom Oettle Die Vielfalt beeindruckt Was Fachjournalist David Vink an Designs für Batteriegehäuse recherchiert hat, fasziniert. Und davon hat er längst nicht alle aufgezählt. Was für eine Schau europä - ischer Ingenieurskunst. An dieser Stelle lässt sich kaum verkneifen, industrie - politisch zu denken und zu fragen: Kann es sein, dass eine solche Industrie ins Hintertreffen gerät? Und was läuft dann falsch? Was sollte sich ändern? Olaf Stauß, Redaktion Industrieanzeiger Industrieanzeiger » 04 | 2024 27

Industrieanzeiger