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Industrieanzeiger 04.2024

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TECHNIK » Interview

TECHNIK » Interview Markus Horn, Geschäftsführer der Paul Horn GmbH, über Werkzeug-Engineering und die E-Mobilität „Es ist wichtig, den Kunden zuzuhören und ihre Probleme zu verstehen“ Der Verbrennungsmotor sei auch über sein geplantes Ende hinaus wichtig, sagt Markus Horn. E-Antrieb und Verbrenner müssten parallel weiterentwickelt werden, betont der Geschäftsführer der Tübinger Paul Horn GmbH. Er erläutert die Unterschiede in den Anforderungen an die Bearbeitungswerkzeuge bei beiden Antriebskonzepten und beschreibt ein typisches Vorgehen beim Werkzeug-Engineering anhand eines innovativen Motorrad-Projekts aus Frankreich. » Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger Herr Horn, Ihr Unternehmen übernimmt auf Wunsch das komplette Werkzeug- Engineering. Können Sie uns an einem Beispiel beschreiben, wie eine solche Partnerschaft abläuft? Ein schönes Beispiel dafür ist unsere Kooperation mit Midual, einem französischen Hersteller von sehr edlen und innovativen Motorrädern. Dort liefern wir Werkzeuge sowohl fürs Bearbeiten des Aluminium-Sandguss-Monocoques als auch einiger Motorkomponenten und Anbauteile. Grundsätzlich gibt es zwei Ausgangsszenarien, wenn wir eine Werkzeuglösung auslegen. Entweder kommt ein Kunde gezielt auf uns zu und fragt nach einer Lösung für ein Ferti- „Wenn wir techno - logisch nicht stehen bleiben wollen, dann brauchen wir – neben dem Bekenntnis zur E-Mobilität – auch ein Bekenntnis zum modernen Verbrennungsmotor“, sagt Markus Horn, Geschäftsführer des Tübinger Präzisionswerkzeug-Herstellers Paul Horn. Bild: Paul Horn/Sauermann gungsproblem, oder der Kontakt entsteht, wenn unser Außendienst bei einem Besuch erfährt, dass der Kunde an der einen oder anderen Stelle mit seinen bisherigen Prozessen nicht glücklich ist. Oft kann unser Außendienst dann bereits eine bessere Alternative vorschlagen. Wenn es komplexer wird, erarbeitet er – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Spezialisten bei uns im Haus – ein passendes Werkzeug, optimierte Prozessparameter oder eben eine alternative Prozessführung mit einem anderen Fer - tigungsverfahren. Wo lagen bei Midual die besonderen Herausforderungen? Ein Thema war das Planfräsen des zweiteiligen Motorgehäuses aus Aluminium. Weil diese Flächen zugleich als Dicht - flächen dienen, muss diese Bearbeitung hohe Anforderungen an die Präzision, Ebenheit und Oberflächengüte erfüllen. Hier setzt der Kunde unser Frässystem DTM mit PKD-Schneiden ein, das zudem auch einige Sicht- und Dekorflächen zum Glänzen bringt. Fürs Stoßen von Steckverzahnungen, etwa im Schalthebel, kommt unser System Supermini Typ N105 zum Einsatz. Und auch viele Anbauteile fertigt Midual mit unseren Werkzeugen aus dem Vollen. Können Sie bei solchen Projekten auf Standard-Werkzeuge zurückgreifen? Eine Regel ist hier schwierig zu definieren. Es kommt immer auf das jeweilige Projekt an. Es ist möglich, dass wir alle Anforderungen mit Standardwerkzeugen erfüllen können. Genauso kann es aber sein, dass wir ausschließlich auf Son - derwerkzeuge setzen. Und auch jede Mischung ist denkbar. Hängt das von der Losgröße ab? Ja und nein. Bei der Großserienfertigung ist die Taktzeit ein großes Thema, und wenn wir hier durch Sonderlösungen oder eine alternative Prozessführung Vorteile beim Kunden erzielen können, dann rechnet sich das natürlich eher als in der Prototypen- oder Kleinserienfertigung. Durch die Auswahl des Substrats, der Beschich- 50 Industrieanzeiger » 04 | 2024

tung, des Werkzeughalters oder des Prozesses an sich können wir die Bearbeitung beeinflussen und so effizienter und wirtschaftlicher gestalten. Andererseits ist gerade Midual ein Beispiel, bei dem angepasste oder spezielle Werkzeuge auch in der Kleinserienfertigung einen wesent - lichen Vorteil hinsichtlich Präzision, Oberflächengüte oder auch Bearbeitungszeit bringen können. In der Regel kommen für einfachere Bearbeitungen Standardwerkzeuge zum Einsatz und wenn die Anforderungen steigen, sei es hinsichtlich der Taktzeit, der Qualität oder der Standzeit der Werkzeuge, dann kommen zunehmend Sonderlösungen ins Spiel. Horn ist bekannt für Hartmetall-Werkzeuge. Bei Midual kommen auch PKD- Tools zum Einsatz. Welche Rolle spielt dieser Schneidstoff in Ihrem Haus? Es stimmt zwar, dass unser Ursprung bei den Hartmetall-Werkzeugen liegt. Unser Portfolio ist aber schon lange deutlich breiter. Wir bieten heute fast alle rele - vanten Schneidstoffe an. Bei poly- oder monokristallinem Diamant geht es darum, extrem glatte bis hin zu hochglänzende Aluminiumoberflächen herzustellen. Genau das war bei Midual ein wichtiges Thema. Deshalb PKD als Schneidstoff. Wenn die Ansprüche an die Oberflächengüte steigen, steigen auch die Kosten, da dann PKD zum Einatz kommt. Deshalb legen wir Wert darauf, immer das Optimum aus Qualität und Wirtschaftlichkeit zu finden. Stammen die PKD-Schneiden aus der eigenen Produktion? Ja. Wir bieten PKD-Werkzeuge seit über 20 Jahren an. In dieser Zeit haben wir natürlich spezifische Anlagen und Prozesse installiert sowie die Mitarbeiter entsprechend geschult, die genau diesen Themenbereich beherrschen. Von der Halterfertigung bis zur Schneidkantenpräparation, der Laser-Bearbeitung und Auslieferung machen wir auch hier alles im Haus. Hochglanzfräsen, das bei Midual eine große Rolle spielt, ist normalerweise eine Domäne von MKD. Wie gelingt es, das auch mit PKD zu erfüllen? MKD-Schneiden werden aus einem großen Diamantblock hergestellt. PKD besteht hingegen aus vielen kleinen Diamantstückchen, die von einem Bindemittel zusammengehalten werden. Über die Menge und die Größe dieser Diamantkörner sowie den verwendeten Binder lassen sich die Eigenschaften von PKD an die jeweiligen Anforderungen anpassen – etwa in Richtung Zähigkeit oder einer höheren Schneidkantenqualität. Über diese Stellschrauben lassen sich mit PKD durchaus auch hochglänzende Oberflächen erzeugen, die allerdings nicht die Qualität erreichen, die etwa bei technischen Spiegeln gefordert ist. Die Trägerwerkzeuge stellen Sie aus Gewichtsgründen aus Aluminium her. Reicht deren Stabilität und Verschleißfestigkeit aus? Beim Fräsen mit PKD-Werkzeugen arbeiten wir mit hohen Drehzahlen. Entsprechend dynamisch und perfekt ausgewuchtet müssen die Werkzeuge sein, um höchste Qualität zu liefern. Damit die Grundkörper trotz des weicheren Materials beispielsweise gegen herumfliegende Späne geschützt und verschleißfest sind, erhalten sie eine Schutzbeschichtung. » Bekannte Lösungen an neue Anforderungen anzupassen, ist ein wichtiger Teil des Werkzeug- Engineerings. « Wie unterscheiden sich die Anforderungen ans Werkzeug beim Verbrennungsmotor im Vergleich zur E-Mobilität? Die Anforderungen unterscheiden sich in zwei wesentlichen Aspekten: Zum einen haben wir in der Elektromobilität einen relativ hohen Anteil an Aluminiumteilen und sonstigen Leichtbaulösungen, die das hohe Gewicht der Batterien kompensieren können – allerdings sehen wir diesen Trend inzwischen auch vermehrt bei den klassischen Fahrzeugkonzepten, bei denen das ebenfalls zu einer höheren Effizienz führt. Der zweite Aspekt ist, dass bei der E-Mobilität infolge des nicht vorhandenen Motorgeräuschs unangenehme Nebengeräusche störender auffallen. Um das zu vermeiden, müssen viele Bauteile – etwa Zahnräder, Gelenkwellen oder auch Fahrwerkskomponenten – deutlich engere Toleranzvorgaben erfüllen. Mit der Midual Type 1 hat der Franzose Olivier Midy sein Traummotorrad gebaut. Der Zweizylinder-Boxermotor mit 1036 cm 3 leistet 107 PS. Welche besonderen Herausforderungen stellen Komponenten für die E-Mobilität an die Werkzeuge? Die grundsätzlichen Werkzeuglösungen für fast alle Bearbeitungsaufgaben im Zusammenhang mit der Elektromobilität sind seit längerem bekannt. Aber es reicht nicht, sie einfach zu übernehmen. Entscheidend ist die Transferleistung von der Ursprungsanwendung in die Serienproduktion. Ein Beispiel dafür ist das Bearbeiten von Aluminiumteilen für die Luftfahrt. Dort spielen weder die kurzen Taktzeiten noch der extreme Kostendruck, die in der Autoindustrie normal sind, eine entscheidende Rolle. Mitunter reicht es, mehrere Operationen in ein Werkzeug zu integrieren. Oft ist aber auch eine andere Prozessführung oder ein neues Fertigungsverfahren nötig. Wie gelingt es Ihnen, das zu meistern? Es ist wichtig, den Kunden zuzuhören, zu verstehen, welche Probleme sie haben. Die Transferleistung von der Ursprungs - anwendung in die E-Mobilität erfordert einiges an Engineering. Deshalb sind wir Bild: Paul Horn/Sauermann Industrieanzeiger » 04 | 2024 51

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