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Automobilkonstruktion 02.2015

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ANTRIEB + ANTRIEBSSTRANG

ANTRIEB + ANTRIEBSSTRANG Prof. Dr.-Ing. Peter Gutzmer, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Schaeffler-Gruppe, über die Beschichtung von Bauteilen „Der Mehrwert ist viel höher als die Kosten“ Die Beschichtung von Bauteilen ist ein „Hidden Champion“, deren Wert sich erst bei genauerer Betrachtung erschließt. Prof. Dr.-Ing. Peter Gutzmer, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Schaeffler-Gruppe, erklärt, welche Perspektiven Schaeffler für die Oberflächentechnik sieht und wie sie im Unternehmen verankert ist. „Wir erwarten auch künftig einen ein starkes Wachstum bei beschichteten Bauteilen.“ Prof. Dr.-Ing. Peter Gutzmer, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Schaeffler-Gruppe Gutzmer: Ganz wichtig sind Korrosions- und Verschleißschutz sowie Reibungsreduzierung. Bedingt durch die REACH-Gesetzgebung müssen die Unternehmen beim Korrosionsschutz nach und nach umweltfreundlichere Beschichtungsmaterialien und Produktionsprozesse entwickeln. Auf längere Sicht dürfte hingegen das Geschäft mit reibungsreduzierenden Beschichtungen wachstumsträchtiger sein. Automobil Konstruktion Schaeffler stellt bereits Beschichtungen in Aussicht, die als Sensoren fungieren und Fahrzeug- und Fahrtparameter ermitteln. Wie wird sich diese Idee entwickeln? Gutzmer: Wir und andere wollen nicht nur die Welt bewegen, sondern auch wissen, wie wir die Welt bewegen. Dieses „Condition Monitoring“ durch sensorische Schichten bietet dort große Potenziale, wo wir in den Lagern Kräfte, Drehmomente und andere Parameter messen können und wo Bedarf nach diesen Messwerten besteht. Dies wird beispielsweise bei Elektroautomobilen, bei E-Bikes und ganz allgemein im Maschinenbau der Fall sein. In Kombination mit smarten Aktoren sehe ich sensorische Beschichtungen als ideale Systeme, um die Motoren und Maschinen optimal zu betreiben. Automobil Konstruktion Welche Bedeutung hat das Thema Beschichtung für Schaeffler? Gutzmer: Wir produzierten 2013 beschichtete Komponenten im Wert von etwa 1,4 Milliarden Euro, das sind etwa zwölf Prozent des Gesamtumsatzes. Diese Summe stellt natürlich nicht den Wert der Beschichtungen dar. Der ist von Bauteil zu Bauteil unterschiedlich. Bei Tassenstößeln sind die Kosten für die Beschichtung prozentual zu den Produktkosten sicher höher, bei Wälzlagern für Windkraftrotoren oder Flugzeugmotoren vergleichsweise gering. Das Interview führte Jürgen Goroncy, freier Mitarbeiter der AutomobilKonstruktion Automobil Konstruktion Und welche Wachstumsziele hat Schaeffler für die Beschichtung? Gutzmer: Unser Umsatz mit beschichteten Bauteilen hat sich in den letzten acht Jahren verdoppelt, selbst in den Krisenjahren um 2009 war kein Einbruch bei der Nachfrage nach Hightech-Schichten zu verzeichnen. Auch künftig erwarten wir ein starkes Wachstum. Nach seriösen Prognosen soll das Beschichtungsvolumen im Automobilsektor jährlich zweistellig wachsen. Das erscheint realistisch, da zum Beispiel die Reibungsreduzierung bei Verbrennungsmotoren noch über Jahre und Jahrzehnte ein Thema bleiben wird. Automobil Konstruktion Was sind denn die Treiber für den Trend zur Beschichtung? Automobil Konstruktion Diese Aufgabe ist auch mit herkömmlichen Sensoren zu erledigen. Warum also eine sensorische Beschichtung? Gutzmer: Herkömmliche Sensoren bieten eine derzeit noch eine ausreichende Genauigkeit. Sensorische Beschichtungen werden dann interessant, wenn eine noch höhere Signalgüte gefordert wird, die herkömmliche Sensoren nicht mehr liefern können. Einen ähnlichen Techniksprung hat Schaeffler vor einem Jahrzehnt mit den Triondur®-Beschichtungssystemen schon einmal geschafft. Damals kam zur Produktinnovation von außen legislativer Druck, der indirekt die Reibungsreduzierung forcierte. Für die Sensotect®-Beschichtungen könnte dieses Szenario in einigen Jahren gegeben sein, dann wollen wir mit den passenden Produkten und Produktionsprozessen vorbereitet sein. 32 AutomobilKonstruktion 2/2015

Der Motor für den Porsche 911 hat speziell beschichtete schaltbare Tassenstößel von Schaeffler Bild: Porsche Schaeffler setzt zur Reduzierung von Reibung bei gleichzeitig hohem Verschleißwiderstand Triondur-Schichtsysteme ein Bild: Schaeffler Automobil Konstruktion Werden sie als Reaktion auf die prognostizierten Wachstumsraten für Beschichtungen das Kompetenzzentrum „Oberflächentechnik“ ausbauen? Gutzmer: Wir haben erst vor kurzem das Thema „Grundlagen und Tribologie“ im Kompetenzzentrum „Oberflächentechnik“ neu aufgebaut, inklusive neuen, kompetenten Fachleuten. Zusätzlich greifen wir auf ein Netzwerk an externen Spezialisten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen zurück. Ihre Expertise nutzen wir nicht selten im Rahmen öffentlich geförderter Projekte. Von allen Projekten dieser Art, an denen Schaeffler teilnimmt, beschäftigt sich fast ein Drittel mit Fragestellungen zur Oberflächentechnik. Allgemein kann man sagen, dass wir für die Kernkompetenz Oberflächentechnik richtig viel Geld in die Hand nehmen. Automobil Konstruktion Können Sie das mit einer Zahl konkretisieren? Gutzmer: Das lässt sich nur schwer errechnen; darüber machen wir generell auch keine An - gaben. Automobil Konstruktion Wo liegt der räumliche Schwerpunkt des Kompetenzzentrums? Gutzmer: Ganz klar am Standort Herzogenaurach. Dort ist die Grundlagenentwicklung konzentriert. Die Anwendungsentwicklung wird dann eher vor Ort in der Nähe der Kunden erfolgen. Mazda setzt in den Skyactive-Dieselmotoren einen schaltbaren Rollenschlepphebel ein. Für den Gleitabgriff hat Schaeffler aufgrund der hohen Flächenpressung ein angepasstes Beschichtungskonzept entwickelt, das die Lebensdauer und die Reibung optimiert Bild: Mazda Automobil Konstruktion Hat Schaeffler Probleme, geeignete Werkstoff- und Beschichtungsexperten zu gewinnen? Gutzmer: Derzeit sind wir in der komfortablen Lage, dass wir bei Stellenbesetzungen aus den Bewerbern die geeignetsten aussuchen können. Dafür engagieren wir auch uns sehr stark in der Ausbildung und Nachwuchsförderung. Beispielsweise halten unsere Oberflächenspezialisten Vorlesungen und übernehmen Lehraufträge an Hochschulen, ergänzend unterstützen wir Kandidaten bei Diplom- und Doktorarbeiten. So knüpfen wir wertvolle Kontakte. Selbst wenn die Hochschulabgänger später bei unseren Kunden arbeiten sollten, haben sie Schaeffler – hoffentlich – noch in guter Erinnerung. Allgemein wird in der Branche honoriert, dass Schaeffler Forschung und Industrieanwendung erfolgreich verbindet. Erst vor kurzem konnten wir einen Oberflächentechnik- Spezialisten der renommierten RWTH Aachen für unser Kompetenzzentrum gewinnen. Automobil Konstruktion GWie ist ihre Forschungsmannschaft denn aufgestellt? Gutzmer: Wir haben ein sehr internationales Team aus Aserbaidschan, China, Deutschland, Indien, Japan, den USA und anderen Staaten. Mit dem kulturellen und sprachlichen Hintergrund dieser Mitarbeiter kann Schaeffler optimal auf die Bedürfnisse seiner weltweiten Kunden eingehen und intensiver mit ihnen kommunizieren. Positiv sehe ich auch den – in dieser Branche – recht hohen Frauenanteil von etwa 30 Prozent. Schaeffler AG, Herzogenaurach, www.schaeffler-gruppe.de Zur Person Prof. Dr.-Ing. Peter Gutzmer (61) studierte in Stuttgart Maschinenbau mit den Schwerpunkten Verbrennungsmotoren und Transportwesen und promovierte dort. 1984 wechselte er in die Entwicklungsabteilung von Porsche nach Weissach. 2001 trat er in die Schaeffler-Gruppe als Entwicklungsverantwortlicher für die Produktstrategie ein. Nach verschiedenen Stationen verantwortet er heute die technische Produkt entwicklung bei der Schaeffler AG und ist stellvertretender Vorsitzender des Vorstands. 2/2015 AutomobilKonstruktion 33

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