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Automobilkonstruktion 04.2015

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CAD + SIMULATION

CAD + SIMULATION Composite-Entwicklung: Material follows function Ideale Geometriegestaltung und transparente Formfindung durch simulationsbasierten Ansatz Software unterstützt den Entwicklungsprozess auf weiten Strecken, dennoch muss etwa der Lagenzuschnitt manuell anhand von Erfahrung angepasst werden. Interne Standards sorgen hierbei für eine gleichbleibende Qualität Das Verfahren führt zu ungewöhnlichen Designvorschlägen, die jedoch den Besonderheiten und der Anpassungsfähigkeit der Verbundwerkstoffe Rechnung tragen Verbundwerkstoffe werden in der Großserienproduktion bislang kaum genutzt, denn der faser - verstärkte Werkstoff entwickelt seine Eigenschaften erst während der Fertigung des Bauteils. In der Produktentwicklung lässt sich daher der bei Metallen übliche Ansatz, mit der konstruktiven Auslegung zu beginnen, nicht problemlos übernehmen. Der Entwicklungsdienstleister ARRK/P+Z Engineering verfolgt stattdessen eine simulationsgetriebene Strategie: Moderne Tools in Kombination mit praktischer Erfahrung ermöglichen es hierbei, dass nicht nur die Form der Funktion folgt, sondern auch der Werkstoff. Die Autorin: Christine Gaßel, freie Autorin, im Auftrag von P+Z Engineering, München Simulationen werden heute meist zur Validierung von Konstruktionsentwürfen verwendet, das heißt die Geometrie ist bereits in einem bestimmten Material festgelegt, wird geprüft und gegebenenfalls verbessert. Dies geht soweit, dass Hersteller Technologien nicht verwenden, die sie nicht simulieren können – für die Etablierung von Verbundwerkstoffen ein echtes Hindernis. Die tatsächlichen Eigenschaften von Faserverbunden hängen von zahlreichen Variablen, wie Faservolumengehalt, Lagenaufbau, Halbzeugtyp, Faserdrapierung und den Verarbeitungsparametern ab und ergeben sich erst bei der Fertigung. Zwar gibt es Kennwerte der Ausgangsmaterialien, die auch oftmals wie die Materialdaten von klassischen Werkstoffen verwendet werden, allerdings bringt sich der Hersteller dadurch um den größten Vorteil der faserverstärkten Kunststoffe: Statt die Geometrie des Prototypen unter hohem Zeit- und Kostenaufwand zu optimieren, könnten mit einem angepassten Entwicklungsverfahren einfach die Werkstoffeigenschaften angepasst werden. „Folgt man dem herkömmlichen, konstruktionsbasierten Entwicklungsansatz, bekommt man mit Composites ein Bauteil, das zwar leichter ist als Stahl, aber nicht so leicht wie es sein könnte“, fasst Thomas Burkart, Gruppenleiter Technische Berechnung & Simulation bei ARRK/P+Z Engineering, das Problem zusammen. Erst Lastpfade ermitteln, dann Geometrie und Material passend wählen Als Alternative dazu haben die Experten des Unternehmens eine Herangehensweise konzipiert, die auf die Eigenheiten von Verbundwerkstoffen zugeschnitten ist und auf technischen Berechnungen basiert. Ausgangspunkte sind dabei der vorgegebene Bauraum sowie die Entwicklungsziele und Anwendungsanforderungen. Auf dieser Grundlage wird zunächst eine Topologieanalyse zur Festlegung der Hauptlastpfade durchgeführt. „Dadurch können wir bereits sehr früh in der Konzeptphase beurteilen, an welchen Stellen ein- oder multiaxiale Lasten anfallen und entsprechend die weitere Planung darauf abstimmen“, erklärt Monika Kreutzmann, Leiterin des Center of Competence für Composites bei ARRK/P+Z Engineering. Anhand der ermittelten Lastpfade werden im nächsten Schritt ein erster Designentwurf für die Geometrie gestaltet und dabei direkt die geeigneten Werkstoffkonfigurationen und Faserverläufe gewählt. Auf diese Weise können die wirkenden Kräfte bei Composite-Bauteilen 40 AutomobilKonstruktion 4/2015

Aus dem Konzeptvorschlag wird eine realistische Geometrie abgeleitet. Statt von einer Form auszugehen und diese den Anforderungen anzupassen, wird bei diesem Ansatz also die Form direkt aus den Anforderungen entwickelt In der Detallierungsphase wird der Entwurf optimiert. Dabei gilt es zunächst, ein Konzept für die Dicken in der jeweiligen Faserorientierung zu generieren. Dieses wird dann in einen komplexen Lagenaufbau umgesetzt Bilder: ARRK/P+Z Engineering im Idealfall statt durch stärkere Wandungen oder Stützrippen einfach durch den passenden Faserverlauf ausgeglichen werden. Bereits in diesem frühen Stadium wird daher auch das Fachwissen anderer Disziplinen hinzugezogen, um ein zielgerichtetes Konzept zu erstellen. Die Fertigungsexpertise ist in dieser Zusammenarbeit essenziell, da unter anderem über die Bauweise und die Produktionstechnik an sich entschieden werden muss. Diese werden maßgeblich von den Anforderungen des Kunden – in der Regel entweder hohe Stückzahlen oder eine hohe mechanische Performance – bestimmt, die jeweils andere Verfahren erfordern. Kraftflüsse im Bauteil Des Weiteren sind bei der Entwicklung des Entwurfs die Verbindungen innerhalb des Bauteils und zu den angrenzenden Komponenten gesondert zu betrachten. Statt Baukastenlösungen wie im Metallbau zu verwenden, müssen hier die Kraftflüsse berücksichtigt werden. Die Konzeption ausgehend von der Topologie und der flexible Werkstoff bieten dazu spezielle Lösungsmöglichkeiten, etwa indem einzelne Teile zusammengefasst oder die Geometrien so gewählt werden, dass die Trennbereiche in weniger belastete Zonen fallen. Damit wird zugleich die Robustheit insgesamt erhöht und der Verbindungsaufwand reduziert. „Werden Metall- Einleger zur Verstärkung und Kräfteableitung in den Composite-Körper integriert, sollte man außerdem auf Faktoren wie unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten oder Korrosionsgefahr achten und das Materialgefüge entsprechend auslegen“, so Kreutzmann. Detailgrad der Simulation nach Bedarf wählen Anhand der beiden Parameter des Entwurfs – Werkstoff und Geometrie – wird ein CAD-Modell erstellt, das im Pre-Processing als Basis der weiteren Entwicklung und Simulation dient. Bei der Modellierung kann mit Vereinfachungen sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Form als auch der Größe und Zahl der Berechnungselemente gearbeitet werden. „Wichtig ist dabei allerdings, diese Vereinfachungen im weiteren Vorgehen nicht zu vergessen, da sie die Ergebnisgenauigkeit beeinflussen können“, erinnert Burkart. Er empfiehlt weitgehend mit Shell-Elementen in einer Netzfeinheit zu arbeiten, die eine gleichmäßige Spannungsverteilung gewährleistet. Zusätzlich muss die Bauweise bei der Modell-Erstellung berücksichtigt und auf die korrekte Ausrichtung der Elemente sowie auf den Lagenaufbau geachtet werden. Schraub-, Bolzen- und Klebeverbindungen werden im Grobmodell mittels Rigid-Body-, Balken- oder Solidelementen ausreichend getreu abgebildet. Für Detailbetrachtungen sollten versagenskritische Stellen jedoch separat verfeinert werden. Für die eigentlichen Berechnungen stehen inzwischen zahlreiche, spezialisierte Solver zur Verfügung. Für das Postprocessing ist bei Faserverbundwerkstoffen noch stärker darauf zu achten, die richtigen Einstellungen zu finden, da dies die Ergebnisse und die Qualität maßgeblich beeinflusst. Die Auswertung sollte bei Verbundwerkstoffen immer in einem Materialoder einem darauf ausgelegten Elementkoordinatensystem erfolgen. Zudem muss bei Schalenelementen berücksichtigt werden, an welcher Stelle ausgewertet wird. „Generell sind bei der Ergebnisanalyse Anstrengungen Fehlerindizes vorzuziehen, da sie eine linear skalierbare Aussage über die Belastung treffen“, so der Simulationsexperte. Darüber hinaus bieten einige Postprozessoren mittlerweile auch eigene Tools für Composites zur Darstellung von kritischen Versagenspunkten, Dehnungs- und Spannungsverläufen an. Detaillierung in mehreren Stufen Ausgehend von den Erkenntnissen aus der Simulation werden die Geometrie, insbesondere aber auch der Lagenaufbau des Verbundwerk- stoffs und die Drapierung der Fasern unter Zuhilfenahme geeigneter Tools in mehreren Iterationsschleifen optimiert und auf ihre Tauglichkeit überprüft. Um jedoch eine Konstruktion zu finden, die sowohl den Fertigungsanforderungen entspricht, als auch Randbedingungen wie etwa bestimmte Steifigkeitsziele mit minimalem Materialaufwand erfüllt, ist zusätzlich das Know-how der Ingenieure notwendig. Bei ARRK/P+Z Engineering erfolgt die Detaillierung daher in mehreren Phasen: Zunächst wird je nach Belastungszone ein Designkonzept mit den erforderlichen Dicken und Faserausrichtungen generiert. Diese Vorgaben werden über die Gestaltung des Laminats und der einzelnen Lagenbündel umgesetzt und das Konzept dabei – unter Berücksichtigung der Machbarkeit – optimiert. Schließlich muss die ideale Stapelreihenfolge der Lagen ermittelt werden, wobei zu einem manuellen Eingriff in den Laminataufbau geraten wird, da aktuelle Solver hier nicht ausreichend unterstützen können. Des Weiteren muss entschieden werden, ob die Verbindungstechnik ausreichend präzise abgebildet wurde, um verlässliche Versagenswerte zu liefern. Dies ist umso relevanter, da bei der Detaillierung nun alle zu erfüllenden Anforderungen neben dem Hauptentwicklungsziel betrachtet werden. Da hierbei häufig auch Zielkonflikte zwischen verschiedenen Bereichen auftreten, muss unter Umständen an dieser Stelle das Zusammenspiel aus Design, Werkstoffwahl und Bauraumausnutzung nochmals angepasst werden. Zum Abschluss werden alle einzuhaltenden Lastfälle nochmals simuliert und dokumentiert. „Darüber hinaus sollten aber – eben weil sich die Eigenschaften des Verbundwerkstoffs erst bei der Fertigung endgültig ausprägen – in jedem Fall auch praktische Tests des Bauteils vorgenommen werden“, rät Burkart. P+Z Engineering GmbH, Tel.: +49 89 3185-70 info@puz.de 4/2015 AutomobilKonstruktion 41

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