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KEM Konstruktion 01-02.2022

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TRENDS » Produktentwicklung Multiphysiksimulation unterstützt bei Wasserstoffelektrolyse Simulation ermöglicht tieferes Verständnis des Elektrolyseprozesses Grüner Wasserstoff ist die Energie der Zukunft. Die dazu notwendige Technologie, die Wasser mit Hilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet, erreicht gerade den industriellen Maßstab. Einer der Pioniere der Wasserstofferzeugung ist Sunfire aus Dresden. Für die hochkomplexen Berechnungen der Abläufe im Elektrolyseur nutzt Sunfire die Multiphysiksimulationssoftware von Ansys. Das Systemhaus Inneo hilft den Wasserstoffpionieren dabei, ihre Simulationen möglichst realistisch und gleichzeitig effizient zu gestalten. Dipl.-Ing. Ralf Steck, freier Fachjournalist für die Bereiche CAD/CAM, IT und Maschinenbau, Friedrichshafen IM ÜBERBLICK Simulationssoftware, speziell die für die Multiphysiksimulation, kann ein tiefergehendes Verständnis ablaufender Prozesse fördern. Um die Vorgänge in einem Elektrolyseur zu verstehen, ist die Simulation der Abläufe im Inneren von großer Bedeutung (hier die Druckverteilung in einem Turm mit 180 Zellen). Bild: Sunfire Für die Wasserstofferzeugung kann die Sunfire GmbH aus Dresden gleich mit zwei Technologien an den Start gehen: Neben der Festoxid-Elektrolysezelle (solid oxide electrolysis cell, SOEC) bietet sie auch alkalische Elektrolyseure an. Beiden gemein sind extreme Bedingungen. In einem SOEC-Turm herrschen im Betrieb Temperaturen von mehr als 800 °C, Alkali-Stacks arbeiten bei Drücken von bis zu 40 bar. Bei den genannten Bedingungen im Inneren des Elektrolyseurs ist leicht verständlich, dass alle Bauteile extremen Belastungen ausgesetzt sind. Gleichzeitig laufen komplexe Prozesse in den engen Kanälen ab und ein optimaler Betrieb ist nur möglich, wenn alle Zellen im System bei demselben Druck und derselben Temperatur arbeiten und mit der exakt gleichen Menge an Dampf und elektrischem Strom versorgt werden. Moderne Simulationssoftware kann an dieser Stelle wertvolle Dienste leisten. Sunfire nutzt dazu die Ansys-Module CFX und Fluent, die bei Bedarf mit anderen Solvern gekoppelt werden können, um die gesamte Bandbreite chemischer und physikalischer Vorgänge im Elektrolyseur abzubilden. „Unsere Multiphysiksimulationen umfassen Strömung, Wärmetransport, den elektrochemischen Umsatz und sogar die chemischen Vorgänge bei der Elektrolyse“, erläutert Berechnungsingenieur David Spura. „Das Schöne an unserer Arbeit hier ist, dass wir nicht nur die rechnerische Bestätigung für die Arbeit der Konstrukteure liefern, sondern an vorderster Front der Entwicklung mitwirken. So sind beispielsweise Form und Querschnitt der Kanäle, in denen der Wasserdampf zu- und der Wasserstoff abgeführt werden, ganz ausschlaggebend für die Gasverteilung und damit für die effiziente Funktion des gesamten Systems. Hier konnten wir mit unseren Simulationen wertvollen Input liefern.“ 28 KEM Konstruktion » 01/02 | 2022

Bild: Autor David Spura, Berechnungsingenieur, Sunfire GmbH, Dresden »Die Simulation bietet einen Weg, die Vorgänge im Inneren einer 800 Grad heißen, unter Druck stehenden Anlage zu untersuchen.« Simulation vertieft das Anlagenverständnis Die Simulationssoftware kam vor etwa zwei Jahren ins Gespräch, als deutlich wurde, dass für das bessere Verständnis der Vorgänge im Inneren der Stacks und Module tiefergreifende numerische Simulationen notwendig sind, um die Anlagen zu optimieren. „Es ging darum, die Prozesse im Inneren einer 800 Grad heißen, unter Druck stehenden Anlage zu untersuchen und zu verstehen – da kann man ja nicht einfach hineinschauen“, erinnert sich Spura. „Hier bot die Simulation einen hervorragenden Weg, die Vorgänge in den Stacks virtuell sichtbar zu machen.“ Seine Anforderungen diskutierte Sunfire dazu mit der Inneo Solutions GmbH in Ellwangen und schaffte schließlich 2020 die Ansys-Softwaresuite an. Heute wird die Software auf zwei Hochleistungsworksta - tions genutzt. Mit Inneo hat Spura gute Erfahrungen gemacht. „Die Spezialisten dort kennen ihre Software genau und können auf dieser Basis viele nützliche Hinweise geben, wie man an die Untersuchungen herangeht“, sagt der Berechnungsingenieur. „Wir haben inzwischen den gesamten Prozess der Elektrolyse und vor allem des Betriebs der Anlage im industriellen Maß- stab simulieren und analysieren können. Dabei war uns Inneo mit technischem und administrativem Support sowie lehrreichen Workshops eine große Hilfe.“ Spezielle Module für Brennstoffzellen und Elektrolyseure Spura plant, demnächst Fluent-Module in den Prozess zu integrieren, die von Ansys speziell für die Auslegung von Brennstoffzellen und Elektrolyseuren entwickelt wurden. Dazu wurde ein Workshop mit Inneo aufgesetzt, der nach Aussage des Simulationsspezialisten gute Ergebnisse lieferte. „Wir können inzwischen sehr komplexe Geometrien und Abläufe simulieren“, fasst David Spura zusammen, „und verstehen die Prozesse und Strömungsverhältnisse im Elektrolyseur viel besser als zuvor.“ Es sei immer ein großer Unterschied, ob solch eine Anlage im Labormaßstab läuft oder zuverlässig im industriellen Maßstab skalieren soll. „Mit Hilfe von Ansys und Inneo konnten wir den Wirkungsgrad, die Leistungsdichte und die Zuverlässigkeit unserer Anlagen signifikant steigern – und können mit einem guten Gefühl in die industrielle Umsetzung gehen.“ (co) www.inneo.de Bild: Sunfire Aufbau eines Elektrolyseurs Rechennetz für die Simulation eines Hochtemperatur- SOEC-Elektrolyseurs in Form eines Turmes mit 180 Zellen. Basis des Hochtemperatur-SOEC-Elektrolyseurs ist ein sogenannter Stack, ein etwa 10 cm hoher Stapel aus 30 Stahlblechen, zwischen denen die eigentlichen Elektrolyseelemente, die sogenannten Zellen, angebracht sind. Die Bleche sind so geprägt, dass der Wasserdampf zwischen ihnen möglichst gleichmäßig über die folienartigen Zellen verteilt und so effizient in seine Bestandteile aufgespalten wird. Ein Stack erzeugt pro Stunde etwa 750 Norm-m 3 Wasserstoff bei einer Leistungsaufnahme von 3,7 kW. Sechs Stacks werden übereinander zu einem Turm gestapelt, um die Erzeugungsleistung weiter zu erhöhen. Mehrere Türme bilden ein Modul, welches zusammen mit den Hilfs- und Nebenanlagen in einem 20-Fuß-Container angeordnet und so anschlussbereit an den Kunden ausgeliefert wird. KEM Konstruktion » 01/02 | 2022 29

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