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mav 06.2017

TRENDAdditive Fertigung

TRENDAdditive Fertigung Wirtschaftlicher 3D-Druck erfordert ganz neue Denkansätze Additive Fertigung auf dem Weg in die Serie Additive Manufacturing (AM) boomt – gerade im Metallbereich. Beflügelt von Erfolgen in Luftfahrt und Medizintechnik, ziehen Big Player der Produktionsindustrie Fabriken hoch und schmieden Allianzen mit dem Ziel, die Technologie in die Großserie zu führen. Doch nur wenn Bauteile völlig neu gedacht werden, ergibt sich auch ein Business Case für AM. Für die Metallindustrie könnten sich dort die Zukunftsmärkte eröffnen. Autor: Dr. Frank-Michael Kieß ■■■■■■ „Additive Manufacturing war einer der Treiber des deutschen Maschinenbaus in den letzten 10 Jahren.“ So lautet die Schlagzeile einer – wenngleich imaginären – Pressemitteilung des Branchenverbands VDMA aus dem Jahr 2025. Das Zukunftsbild, das VDMA und Fraunhofer ISI entworfen haben (siehe Seite 32), antizipiert ein rasantes Wachstum der additiven Fertigungsverfahren in den kommenden Jahren. Besonders stark werde der Zuwachs im Bereich Metallpulver bzw. daraus hergestellten metallischen Bauteilen sein. „Die relativ günstigen und hochverfügbaren Ausgangsstoffe ermöglichten eine Anwendung auch in den Massenmärkten“, heißt es weiter. „So werden seit 2025 wieder deutlich umfangreicher metallische Bauteile im Automobilsektor eingesetzt. Dennoch sind die Fahrzeuge deutlich leichter geworden. Diese Entwicklung hätte 2015 noch niemand erwartet.“ Ob alles tatsächlich so eintritt, ist offen – aber vieles deutet darauf hin. Das Beratungshaus Roland Berger erwartet, dass der Markt für additive Fertigung in den kommenden Jahren mit jährlichen Wachstumsraten zwischen 25 und 40 Prozent expandiert. „Die Zahl der ausgelieferten AM-Maschinen ist in den vergangenen zwei Jahren exponentiell angestiegen“, berichtet Peter Jain, Geschäftsführer des schwedischen Anlagenherstellers Arcam in Deutschland. Entsprechend müssen sich die etablierten Hersteller auf wachsenden Wettbewerb einstellen: 97 Hersteller von AM-Systemen zählen die Marktexperten von Wohlers Associates in ihrer aktuellen Studie – doppelt so viele wie noch vor drei Jahren. Gerade im Bereich 3D-Metalldruck sind zahlreiche Newcomer unterwegs, die sich in den vorherrschenden Verfahren selektives Laserschmelzen (SLM), Elektronenstahlschmelzen (EBM) und Laserauftragsschweißen (LMD) versuchen, oder aber mit ganz neuen Verfahren den Markt aufmischen wollen (siehe Seite 28). Dabei rennen sie in der Branche offene Türen ein: Bereits die Hälfte aller AM-Dienstleister betrieben laut Wohlers Report 2017 Systeme für Fertigung von Metallteilen. „Und die Umsätze mit Metallpulver sind in den vergangenen zwei Jahren um mehr als den Faktor 2,5 gestiegen“, merkt Herausgeber Terry Wohlers an. Wachsende Konkurrenz bei Werkstoffanbietern Das ruft die Arrivierten der Metallindustrie auf den Plan. So hat Arconic, eine Abspaltung des US-Aluminiumriesen Alcoa, im Sommer vergangenen Jahres in Pittsburgh eine hochmoderne Produktionsstätte für Titan-, Nickel- und Aluminiumpulver eröffnet, die dem 3D-Druck von Luftfahrtteilen für Airbus dienen soll. Auch Hersteller wie die kanadische Pyrogenesis, die britische Metalysis oder die deutsche Heraeus wollen mit maßgeschneiderten Metallpulvern für die additive Fertigung punkten – und dabei ihre metallurgische Kompetenz ausschöpfen. Denn Reinheit, Korngröße und -geometrie des Materials haben großen Einfluss auf das Bauergebnis. „Die Qualität des Pulvers beeinflusst die 3D-Metalldruck ist gefragt Fast die Hälfte der von Wohlers Associates befragten Additive-Manufacturing- Dienstleister betreiben Anlagen für die Herstellung metallischer Bauteile. Quelle: Wohlers Report 2017 20 Juni 2017

Bauteilqualität enorm“, bestätigt Jain. Platzhirsche im 3D-Metalldruck, deren Geschäftsmodell die Lieferung des passenden Pulvers für ihre Anlagen beinhaltet, müssen sich also auf Konkurrenz gefasst machen. Verstärkter Wettbewerb in Verbindung mit einer einsetzenden Industrialisierung der additiven Fertigung, wie sie sich momentan in der Luftfahrtindustrie abzeichnet, könnte dazu beitragen, die Materialkosten zu senken. Aktuell sind die Pulver immer noch zu teuer, als dass AM etablierte Verfahren der Metallindustrie in großem Stil ablösen könnte. „Zum Kopieren bestehender Bauteile ist die additive Technologie allerdings auch in den seltensten Fällen sinnvoll“, stellt Dr. Christoph Klahn vom Schweizer Technologietransferzentrum Inspire AG klar. „Die Werkstoffe sind teurer, die Produktion ist teurer – ohne am Bauteildesign anzusetzen, ergibt sich meist kein Business case.“ Bestehe jedoch das Potenzial, das Gewicht zu reduzieren, Funktionen zu integrieren, den Montageaufwand zu senken oder die Effizienz über die gesamte Lebensdauer des Bauteils zu erhöhen, dann lohne sich die additive Fertigung. Einer der interessantesten Zielmärkte ist die Luftfahrt, in der Treibstoffkosten einen hohen Anteil an den Gesamtkosten tragen. „1 Prozent weniger Gewicht bei einem Passagierflugzeug bedeuten 0,25 bis 0,75 Prozent weniger Kerosinverbrauch“, rechnet Klahn vor. Ein schon klassisches Beispiel liefern die Ti-gedruckten Kabinenhalter (Brackets) für den Airbus A350, die in Zusammenarbeit mit Concept Laser und dem Hamburger Laser Zentrum Nord entwickelt wurden. Nur eines der um 40 Prozent gewichtsreduzierten Bauteile bedeutet schon 135 g weniger Gewicht, was sich in 0,02 Liter weniger Kerosin pro Flug beziehungsweise, über die Lebensdauer von 30 Jahren gerechnet, in einer Einsparung von 660 Litern Kerosin niederschlägt. Gedruckte Triebwerksteile boomen Im Herbst vergangenen Jahres hat der Fertigungsdienstleister Alesco seinen Maschinenpark um eine Lumes 24-Avance von Matsuura erweitert, die selektives Laserschmelzen und Fräsbearbeitung in einem System integriert. Bild: Alesco Kein Wunder also, dass die gerade Luftfahrtindustrie einige der Blaupausen für den industriellen Einsatz von AM geliefert hat. Besonders prominent: Die 3D-gedruckte Einspitzdüse für das LEAP-Triebwerk von GE, die gleich drei der genannten Vorteile von AM vereint: Das Bauteil ist um 25 Prozent leichter geworden, es bietet die fünffache Lebensdauer und integriert 20 vormals separat hergestellte Komponenten. Die Nachfrage ist groß: Im Werk von GE Aviation in Auburn/Alabama fertigen 28 AM-Anlagen rund um die Uhr Einspritzdü- Juni 2017 21

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