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NK 03_2016

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BRANCHE 21 VERLEGUNG DES

BRANCHE 21 VERLEGUNG DES FIRMENSITZES IN DIE SCHWEIZ? Eine Reihe von Direktvertrieben und insbesondere erfolgreiche Net worker haben in der jüngsten Vergangenheit ihren Firmen- und Wohnsitz in die Schweiz verlegt. Die Begründungen sind recht unterschiedlich: Allgemein wird insbesondere von mittelständischen Unternehmern angenommen, dass in der Schweiz weniger Steuern bezahlt werden müssen und der Lebenstandard erheblich höher ist. Dass offensichtlich von deutscher Seite eine Nachfrage nach Firmensitzverlegungen und -grün dungen besteht, zeigt dass die Handelskam mer Deutschland–Schweiz deutsche Unternehmen zu speziellen „Unternehmensgründung in der Schweiz“- Veranstaltungen einlädt. Recht aktiv ist dabei der Kanton Aargau, der sehr verkehrsgünstig gegenüber Walds hut-Tiengen liegt. Fordern die Schwei zer deutsche Unternehmen zu einem Standortwechsel auf? Network-Kar riere sprach mit Ralf J. Bopp von der Handelskammer Deutschland–Schweiz. Ralf Bopp: Lassen Sie mich bitte präzisieren, wir fordern niemanden auf, sein Unternehmen in den Kanton Aargau zu verlegen. Das wäre auch der völlig falsche Weg. Wir kommen einem Informationsbedarf nach, der anfällt, wenn ein Unternehmen eine Firmengründung, als eine der vielen Alternativen der Absatzwege in die Schweiz, in Erwägung zieht und sich über die Bedingungen am Investitionsstandort Schweiz, in diesem Fall den Aargau, informieren möchte. Dabei kommen sowohl die Vorteile als auch mögliche Hürden zur Sprache, die je nach Unternehmen, je nach Vorhaben und je nach Branche ganz unterschiedlich sind. Wir möchten nüchtern und sachlich informieren. Dass der Wirtschaftsstandort Schweiz und damit auch der Kanton Aargau dabei einer der wettbewerbsfähigsten der Welt ist, kommt als Ergebnis der vielbeachteten weltweiten Umfrage des World Economic Forums (WEF) heraus, welche jährlich ein Ranking veröffentlicht. NK: Im Zuge der Veranstaltungseinladung sprechen Sie von „Vorteilen des liberalen und mittelstandsfreundlichen Wirtschaftssystems“. Was ist damit konkret gemeint? Ralf Bopp: Die Struktur der Schweizer Wirtschaft ist mittelständisch geprägt. Über 95 Prozent der Firmen zählen zu den KMU (kleine und mittelgroße Unternehmen) mit sehr vielen Familienbetrieben. Die Steuerbelastung ist im internationalen Vergleich moderat und die Betriebe können auf die Rahmenbedingungen eines flexiblen Arbeitsmarktes und auf wirtschaftsfreundliche Behörden zählen. NK: Man kann in Ihrer Einladung lesen, dass besonders deutsche Unternehmen den Vorteil der engen Verflechtung der schweizerischen Wirtschaft mit ihrem Heimmarkt genießen. Entspricht dies, angesichts der immer lauter werdenden Kritik an der Außenseiterstellung der Schweiz, überhaupt noch den Tatsachen? Ralf Bopp: Die deutsche und die schweizerische Wirtschaft sind eng miteinander verflochten. Zwei Drittel des Warenaustausches betreffen Halb fabrikate, Zuliefererprodukte und In vestitionsgüter. Die Wert schöp fungskette verläuft mit steigender Tendenz auch grenzüberschreitend. Die deutschen Firmen, die wir kennen, investieren heutzutage mit dem Motiv in der Schweiz, die Marktbearbeitung in der Schweiz zu intensivieren, sich mittels Kooperation in der Wertschöpfungskette einzubringen und im Forschungs- und Entwicklungsbereich zusammenzuarbeiten. Die Schweiz hat ihre Beziehungen zur EU über die sogenannten Bilateralen Abkommen geregelt. Die Schweiz zählt zu den wichtigsten Wirt schaftspartnern Deutschlands und liegt an der neunten Stelle. NK: Einmal angenommen, wir tragen uns mit dem Gedanken unseren Unternehmenssitz in die Schweiz zu verlagern. Welche Bedingungen muss ein Unternehmen dafür erfüllen? Ralf Bopp: Die Schweiz nimmt am Europäischen Binnenmarkt teil und von daher steht einer Unternehmensgründung prinzipiell nichts im Wege. Für bestimmte Branchen gibt es allerdings Einschränkungen oder eine Genehmigungspflicht. Doch es müssen bei jedem Vorhaben die individuellen Bedingungen sorgfältig abgeklärt werden – wie bei jedem anderen Firmenstandort auf dieser Welt auch. Dabei spielen die unternehmensinternen Ziele und Voraussetzungen die größte Rolle. Auf jeden Fall sollte bei einer Firmengründung ein hinreichend großer Markt in der Schweiz schon vorhanden sein, damit sich die hohen Fixkosten einer eigenen Niederlassung auch rechnen. NK: Kann ein Firmeninhaber gleichzeitig mit der Unternehmensverlagerung auch seinen privaten Wohnsitz in die Schweiz verlagern und welche Voraussetzungen muss ich hier erfüllen? Ralf Bopp: Ja – es gilt das Personenfreizügigkeitsabkommen Schweiz- EU. Bei der Verlagerung des Wohnsitzes gibt es aber sehr viel zu bedenken und ich rate, hier fachlichen Rat einzuholen. NK: Wenn die Handelskammer Deutschland–Schweiz eine solche Veranstaltung ins Leben ruft: Kommt dann der Bedarf danach aus Deutschland oder aus der Schweiz? Ralf Bopp: Die Handelskammer bekommt ständig Anfragen deutscher Firmen, die ihr Engagement in der Schweiz auf dem Wege einer eigenen Niederlassung verstärken möchten. NK: Der Kanton Aargau, um den es in der Einladung speziell ging, liegt Unternehmen raten, mit der Wirtschaftsförderung des Kantons Aargau Kontakt aufzunehmen. NK: Bleiben wir beim finanziellen Gesichtspunkt: In der Schweiz sind die Steuern gegenüber den europäischen Ländern erheblich niedriger; die Löhne dafür höher. Können Sie dazu an einem Beispiel konkrete Zahlen nennen? Ralf Bopp: Die Schweizer Großbank UBS veröffentlicht regelmäßig eine Publikation mit dem Titel „Preise und Ralf Bopp direkt an der Grenze zu Deutschland. Sind solche Unternehmensgründungen auch für andere Regionen der Schweiz interessant oder Löhne“. In der Ausgabe 2015 wird bedingt sich dies nur durch die unter anderem die Binnenkaufkraft geografische Nähe? ausgewählter Städte weltweit verglichen. Bei einem Nettojahresein- Ralf Bopp: Selbstverständlich gilt das Interesse der Firmen auch vielen kommen gesetzt in Zürich von 100 anderen Standorten in der Schweiz, Prozent würde nach dieser Untersuchung Frankfurt a. M. bei 71,8 die ebenfalls interessant sind. Die meisten Unternehmen kommen schon Prozent und Berlin bei 72,2 Prozent mit bestimmten eigenen Vorstellungen, im welchen Kanton sie gerne liegen. ihre Gründung vornehmen möchten. NK: Wie wirkt sich der Währungsnachteil des Schweizer Franken Dabei hat auch jeder Kanton seine besonderen Gegebenheiten. Der Kanton Aargau ist ein Hochtechnolo- aus, die ihren Sitz in die Schweiz gegenüber dem Euro für Firmen gie- und Energiekanton, direkt an der verlegen? deutschen Grenze und zentral in der Ralf Bopp: Das kommt ganz auf das Schweiz gelegen. Mit guter Verkehrsanbindung sind von dort aus kann ein Vorteil oder auch ein Nach- Geschäftsmodell der Firma an. Dies viele Orte im Schweizer Mittelland teil sein, also durchaus beides. sehr gut zu erreichen. Die geografische Lage und die industrielle Struktur mit vielen spezialisierten Fachnehmen, die einen Standort in der NK: Der Anteil deutscher Unterkräften sind vielleicht die wesentlichen Gründe, warum viele sich hier ßer als andersherum. Woran liegt Schweiz suchen, ist bei Weitem grö- gerne niederlassen. das Ihrer Meinung nach? Ralf Bopp: Diese These können wir NK: In Deutschland hält sich das nicht bestätigen. Es suchen ständig Gerücht, Unternehmen und wohlhabende Aussiedler könnten mit nach einem Standort und ebenso in Schweizer Firmen in Deutschland dem Kanton Aargau ihre Steuern umgekehrter Richtung. Das ist Teil aushandeln. Ist das so? der heutigen Vernetzung der Wirtschaft und grenzüberschreitender Ralf Bopp: Dieses Gerücht ist falsch. Steuern können nicht ausgehandelt, Wertschöpfungsketten. Von dieser sondern auf Wunsch vorab durch Entwicklung und der Zusammenarbeit über die Grenze profitieren üb- die Behörden in einem sogenannten Ruling nach dem geltenden Gesetz und Tarifen berechnet und ver- Deutschland und die Schweiz – im rigens beide Wirtschaftsstandorte, bindlich festgelegt werden. Soweit internationalen Wettbewerb. es Fördermaßnahmen zur Ansiedlung betrifft, so sind diese, wenn Weitere Informationen zum Thema: überhaupt, sehr gering. Ich würde www.handelskammer-d-ch.ch aber auf jeden Fall interessierten

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