Sturmtaktik Tropische In der vorherigen Ausgabe haben wir aufgezeigt, welch physikalische Kräfte tropische Wirbelstürme freizusetzen imstande sind und wie diese auf eine Yacht einwirken können. Als Beispiel diente unsere Taboo III, mit der wir in der Bucht von Cebu den Taifun „Mike“ erund überlebten. Hier nun, wie das gelang und welche Taktiken ich fürs Abwettern von Zyklonen als sinnvoll erachte. Text WOLFGANG HAUSNER Wirbelstürme FOTO: TRIFF/SHUTTERSTOCK.COM 34 2/2024
Teil 2 Mit dem ersten Licht des Tages wurde es gleichzeitig totenstill. Die Bucht bot ein Bild der Verwüstung. Der Platz, an dem am Vorabend die Flotte von rund 25 Fischerbooten geankert hatte, war leergefegt. Was nicht durch die Hafenausfahrt hinausgeblasen worden war, lag als Wrack am Ufer oder war untergegangen. Die momentanen sieben oder acht Windstärken waren eine lächerliche Brise, die allerdings zwanzig Minuten später auf Süd drehen sollte. Damit waren wir im Auge des Taifuns „Mike“ und das Barometer konnte, nachdem es um 55 mb gefallen war, endlich verschnaufen. Zu spät bemerkte ich das verfangene Seil, das an der knapp 100 Meter weit entfernten Mangrove befestigt war. Unser Kat hing jetzt praktisch am Steuerbordruder und der Winddruck nahm mit jeder Sekunde wieder zu. Eine zweite Verbindung in dieselbe Richtung zum Land war dringendst nötig. Ich hatte noch eine brandneue 100-Meter- Seilrolle in Bereitschaft, band mir das Ende um die Mitte, sprang ins Wasser und begann mich an dem straffen Seil zum Ufer zu hangeln. Ich hoffte nur, dass sich die Rolle problemlos abspulen würde. Aber Gerti hörte sie im Achtercockpit herumtanzen, blickte heraus, sah mich im Wasser und kam mir sofort zu Hilfe, obwohl sie nur ein Nachthemd trug. Ich befestigte das Tauende an dem Mangrovenstamm und surfte mit Rückenwind zur Taboo III zurück. Mit der Genuawinch knallte ich das Seil an. Keine Minute zu früh. Denn in diesem Moment kamen die vollen 135 Knoten Windgeschwindigkeit mit dem Getöse einer aufsteigenden Concorde zurück, entlaubten Mangrovenbäume und knickten auch Palmen um, die bis jetzt standgehalten hatten. Gerade eben waren noch die Berge zu sehen, jetzt aber riss der Orkan das Wasser von der Oberfläche und trieb es in einer mehr als zehn Meter hohen, horizontalen Wand vor sich her. Alle Yachten, die vor uns auf der Sandzunge lagen, wurden wieder runtergefegt und verschwanden in dieser weißen Hölle. Doch wir hatten das Schlimmste überstanden, ab jetzt konnte es nur noch besser werden. Zu Mittag hatte es sich bereits so weit beruhigt, dass man vom Deck die Bucht überblicken konnte. Taboo III war das einzige Schiff in der Bucht, das ohne Schaden davongekommen war. NASA-Aufnahme eines Zyklons über dem Meer. 2/2024 35
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