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OCEAN7 2009-03-04

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Revierberichte über außergewöhnliche Törns: Einhand durch das Schwarze Meer, in den Kykladen und um Kap Hoorn. Ein Spitzenkoch gibt Tipps für die Bordküche.

26 Plötzlich dann ein

26 Plötzlich dann ein lauter Schnalzer und schon rattert die auswehende Fock ohrenbetäubend im Wind. Rasch abfallen und vor den Wind gehen, um der Crew das Bergemanöver zu erleichtern. Letztlich muss auch ich noch aufs Vorschiff, um den Freunden beim Einbringen des wild schlagenden Tuchs zu helfen. Das Vorliek mit eingearbeitetem Stahlseil – und dort wiederum die Stagreiter aus Messing – erweist sich als besonders tückische Variante einer maritimen Peitsche. Delos, antike Stätte von Weltruf, seit 1990 UNESCO-Weltkulturerbe. Ihr Besuch sollte in keinem Törnplan, der in diese Ecke der Ägäis führt, fehlen. Zumal die Anreise mit dem Segelboot ungeahnte Vorteile gegenüber den Möglichkeiten für „normale Landratten“ bietet. Man darf noch individuell anreisen. Mit einer klitzekleinen, aber nicht unwesentlichen Einschränkung: „Die ganze Insel Delos ist eine antike Stätte, d. h. es ist nicht erlaubt, näher als 500 m entfernt dort zu ankern, außer an den Öffnungszeiten von Delos“ (aktuelle Auskunft Herr Chatzidakis, Eforia Archaiotiton, Amt für antike Stätten, Tel. +30/22890/22259). Da also Anlegen am Fähranleger für die Ausflugsschiffe nicht gestattet ist, bleibt nur Ankern im Schutz des Inselchens Remmati gleich gegenüber. Bei Strakwind, der hier – wie wir ja die letzten Tage gesehen haben – häufig vorkommt, kein leichtes Unterfangen, da der an sich gut haltende Ankergrund üppig mit Seegras bewachsen ist. In den Handbüchern wird immer wieder empfohlen, eine Ankerwache zurückzulassen. Schon deshalb wollen wir es diesmal anders machen. Außerdem will Skipper Tom seiner Crew diesmal etwas Besonderes bieten. Immerhin ist man ja Insider und Revierspezialist. Man hat ja einen Ruf zu verteidigen. Und die kleine Bucht im Delos-Kanal, etwas südlich der Ausgrabungen, hat mir wiederholt aus der Seekarte entgegengelacht. Gedacht, getan. Die Bucht würde in einer Galerie von „Traumbuchten“ sicher gute Figur machen. Wir marschieren gemütlich über den Bergrücken zu den antiken Sehenswürdigkeiten. Und ersparen uns solcherart sogar die Eintrittsgebühr. Vielleicht nicht ganz die „feine englische Art“, aber hoffentlich lässlich; uns ging’s ja nicht um die paar Kreuzer Eintrittsgebühr, sondern um die Ankerbucht. So genießen diesmal auch unsere Freunde mit uns die Schönheiten dieser bemerkenswerten antiken Stätte. Deren Bedeutung in der Antike ist wirklich beeindruckend. Sie reicht von den Anfängen im 14. vorchristlichen Jahrhunderts zunächst stetig zunehmend bis zur Blütezeit im klassischen hellenischen Zeitalters (5. Jh. v. Chr.), als Delos im Besitz der Bundeskasse (auch Bundeslade) war. Dem Staatsschatz des Delisch-Attischen Seebunds. Dieser wiederum wurde zusehends von den Athenern dominiert. Und den selbstgefälligen, machtbewussten Athenern – Verhaltensweisen, die den Athenern von der Landbevölkerung bis heute oft nachgesagt werden – gefiel die Rolle Delos’ so gar nicht. Eifersüchtig machten sie sich daran, die Macht der Deloten zu brechen. Auf Delos waren aufgrund der

Revier 27 „Reinheit des heiligen Ortes“ Geburt, Tod und Begräbnisse verboten (sog. 2. Kartharsis). Die Deloten wurden also dazu verurteilt, ihre Kinder auf der Nachbarinsel zur Welt zu bringen und ihre Alten dort sterben zu lassen. Und diese Nachbarinsel war eben Rinia. In dessen oben beschriebener Idylle so gar nichts mehr an die makabere Geschichte erinnert. Von dieser geschichtsträchtigen Abfolge von Ereignissen zeugen denn auch heute noch eine Vielzahl an mehr oder weniger gut erhaltenen Gebäuden und Sehenswürdigkeiten, wie die berühmte Löwenallee (korrekt: „Löwenterrasse“). Am beeindruckendsten ist sicherlich das Theater, das im Vollausbau, in römischer Zeit über 5.000 Besuchern Platz bot. Eine Besucherzahl, die heute so manchem heimischen Fußballverein zur Ehre gereichen würde. Oder die römischen Atriumshäuser, die Villen der Reichen, mit ihren nach fast 2.000 Jahren immer noch farbenprächtigen Mosaiken. Auf der Flucht vor den Verfolgern Mitten ins schwelgerische Besichtigen erschallen markerschütternd die Trillerpfeifen der Aufseher. Was ist los? Es ist doch erst 13.00 Uhr. Erbarmungslos werden alle Besucher – einer Viehherde gleich – zurück zu den Fährbooten getrieben. Oh verdammt, heute ist Feiertag, der 15. August! Da endet die Besuchszeit scheinbar schon früher. Nicht wie sonst erst um 15.00 Uhr. Noch können wir uns zwischen den Säulen der Atriumshäuser unauffällig verziehen. Dann folgt aber der Gang über das offene Feld zum Hügel, hinter dem die FORTUNA vor Anker liegt. Da fällt es natürlich auf, dass sich sechs Gestalten partout in die falsche Richtung davon machen. Zum Trillern gesellen sich jetzt schon die „STOP“-Rufe. Ganz ungriechisch konsequent werden wir verfolgt. Ins Trillern und Rufen mischt sich dann sogar noch Hundegebell. Nur unauffällig bleiben. Nix anmerken lassen. Nicht umdrehen. Die meinen doch nicht etwa uns? Bloß so rasch und zielstrebig wie es mit zwei Kleinkindern gerade noch geht, zurück zum Schiff. Endlich am Strand angekommen, tauchen auch schon die Verfolger schnellen Schrittes am Hügelgrat auf. Aus irgendeinem Grund sind zwei Dingifahrten nötig, um alle an Bord zu bringen. Frauen und Kinder zuerst! Noch lange wird über diese Aktion geklönt. Die Fratzen der Verfolger werden im Laufe des Abends immer gräßlicher. Das Geifern der Hunde immer Furcht einflößender. Zum Schluss will einer sogar eine Feuerwaffe in Händen eines der Aufseher gesehen haben. Der Lauf der Waffe mindestens ellenlang! Wir spinnen Seemannsgarn vom Feinsten. Das Szenario dazu könnte idyllischer nicht sein. Wir haben zurück nach Rinia verholt. Das späte Abendlicht taucht die Insel in eine unendliche Farbensymphonie. Mit einem Crescendo aus allen erdenklichen Rot- und Brauntönen. Im schwindenden Licht übernimmt zusehends das Rosarot der kykladischen Abende das Andante des Mittelteils. Bevor der letzte Satz im Pianissimo die viollettblauen Töne den Tag endgültig ausklingen lässt. Der Weg zurück – auch im Glück Vielleicht muss man von Mykonos schon den Rückweg nach Athen antreten. Dann braucht die Crew aber nicht zu verzagen, ist doch auch diese Route gespickt mit attraktiven Zielen, schönen Städten und herrlichen Ankerbuchten. Wir nehmen die Route über Tinos. Wegen der Sturmfahrt war das Ziel, am Maria Himmelfahrts-Tag zur berühmten Wallfahrt, aus den Augen geraten. In Ermoupolis (Insel Skyros) besuchen wir eine griechische Familie, die wir bei einem früheren Aufenthalt auf Siphnos kennen gelernt haben. Damals lagen wir Seite an Seite im bezaubernden Vathí und teilten den beschränkten Liegeraum an dem kleinen Anleger direkt vor der Kapelle. Die Söhne teilten die Vornamen und so war rasch nur mehr vom „white Yannis“ und vom „black Yannis“ die Rede. Auf Andros schließlich locken die gut geschützten Ankerbuchten in herrlicher Natur an der Westseite zum Verweilen. Über Kithnos und/oder Kea geht es dann zurück nach Athen in die Kalamaki Marina oder nach Lavrion. Schlechtesten Falls hat man hier einen wunderbaren Törn durch die Kykladen schon hinter sich. Bestenfalls beginnt der Törn erst hier, wenn man von Kap Sunion in die Kykladen eintaucht, z. B. in den wunderbaren Inselbogen der westlichen Kykladen: Kea – Kithnos – Seriphos – Siphnos – Kimolos – Milos lautet die simple Formel für einen weiteren Traumtörn in diesem Revier. Aber das ist eine andere Geschichte. Wind & Wetter Das Wetterregime wird in den Kykladen besonders stark vom Meltémi bestimmt. Der Meltémi ist in der Etesien-Phase besonders kräftig ausgeprägt und erreicht in den zentralen Kykladen (Mykonos – Paros – Naxos) meist seine größte Stärke (außer an manchen Düsen am Südausgang der Ägäis wie z. B. um Kythira und Karpathos). Der Meltémi kann von Ende Juni bis Ende August hier tagelang und beständig mit 6 bis 8 Windstärken wehen, mit dazwischen liegenden Flauten- und Schwachwindtagen. Der Ausdruck „Etesien“ (altgr. éthsiος (ét´hsiος); jährlich) kommt vom griechischen Wort Étos étος (étos = Jahr) und bezieht sich auf die starke jahreszeitliche Prägung dieses Windsystems. Dieses kann man, ob seines regelmäßigen und verlässlichen Auftretens ruhig als „Kleiner Passat“ bezeichnen. Der Meltémi bläst in den Kykladen meist aus rein Nord. Nur im westlichen Inselbogen (von Kea – Milos) ist meist ein leichter West-Tick dabei, also NNW.

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