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OCEAN7 2012-01

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Wunderland Türkei - eine ganz besondere Küste und außergewöhnlich gastfreundliche Menschen machen einen Segeltörn in diesem Revier zu einem unvergesslichen Erlebnis.

44 1 genterweise zwanzig

44 1 genterweise zwanzig Busminuten außerhalb der Stadt liegt, zeigt uns ein Uniformierter auf Google Earth die schönsten Buchten der Umgebung und plaudert dabei aus dem Nähkästchen eines Marinetauchers. Das kostet uns zwar fast zwei Stunden, bringt uns aber dazu Canakkale den Rücken zu kehren und schräg gegenüber, am letzten Zipfel der Dardanellen, vor Anker zu gehen. Wir verbringen eine letzte Nacht in türkischen Gewässern und setzen uns mit einer Brettljause vor den Fernsehapparat. An unserem Heck presst sich der internationale Verkehr in die Meeresenge, deren Durchfahrtsrechte durch den Vertrag von Montreux seit 1936 geregelt sind und durch die Türkei exekutiert werden. Im Morgengrauen verabschieden wir uns vom Festland und Rauschen mit der Wunderwaffe, einem Top getakelten Spinnaker, und acht Knoten Vorwärtsdrang in die Ägäis. Unser 50 Quadratmeter großer Turbo, der das Doppelte der Standardblase an Fläche hat und dessen Unterliek nur im aufgeblähten Zustand trocken bleibt, lässt uns bereits am frühen Nachmittag die Umrisse von Limnos erahnen. Auf der neuntgrößten Insel Griechenlands, die knapp 60 Seemeilen von den Dardanellen entfernt, mit einer maximalen Ausdehnung von 35 Kilometern im Wasser thront, sind wir mit Freunden verabredet. In den darauf folgenden Tagen gondeln wir im Doppelpack durch die nördlichen Sporaden, freuen uns über einen neuen Geschwindigkeitsrekord von 14 Knoten und knallen vor lauter Segelgeilheit in militärisches Sperrgebiet. Wir werden nie wissen ob der Donner tatsächlich ein Warnschuss war, und falls ja, ob er uns gegolten hat, wehgetan hat es jedenfalls nicht. Die famose Ortskenntnis unserer 54-füßigen Zweipersonen-Flanke lässt uns Buchten und Ankerplätze finden, die derart schön sind, dass einem permanent die Aussteiger-Hymne von STS ins Hirn einschießt. Die Nächte sind lauschig und sternenklar, die Tage wolkenlos und unverdorben. Aber wie wir wissen hat alles sein Ablaufdatum, der Aufprall auf den Boden der Realität kommt schneller als vermutet. Zurück ins Leben. Noch schlimmer als umständlichen Aktionen beizuwohnen ist bei der Planung von verkappten Heldentaten zuhören zu müssen. Den Flug zum Mars sollte man besprechen, natürlich, auch die Entdeckung der Schatzinsel gehört vorab erörtert, aber das Ablegen einer stinknormalen, 40 Fuß langen Yacht, die einsam und alleine mit der Breitseite an die Mole geknüpft ist, lautstark und bis ins kleinste Detail zu zerlegen muss nicht unbedingt sein. Schon gar nicht wenn ein norddeutscher Wichtigtuer sich in Kommandosprache einen weg schildert und dabei ausschließlich Müll von sich gibt. Bis auf den Rudergänger und den Damen und Herren an den Leinen ist die restliche Crew mit Fendern bewaffnet. Es wird gebrüllt, gezogen, weggedrückt und hektisch herumreversiert. Kaum ist Deutschland aus dem Hafen, läuft Österreich ein. Keine Frauen an Bord, nicht minder kompliziert, aber dafür völlig planlos. Das Unterhaltungsprogramm nimmt seinen Lauf. Wir sitzen am Hauptplatz von Alonissos und beäugen kopfschüttelnd und ein wenig melancholisch die Szenerie. Touristen rücken mit Schnellbooten und Fähren an, der Duft von Sonnenöl liegt in der Luft. Sie filmen einheimische Pensionisten beim Backgammonspielen und fotografieren Olivenbäume ab, kaufen Ramsch und werden wieder weggekarrt. Kaum ist eine Horde verschwunden, fällt der nächste Schwarm ein. Während dessen lassen sich unsere segelnden Landsleute für einen Manöverschluck am Nachbartisch nieder, bestellen Uso und verbalisieren das Fahrgestell der Kellnerin. Wir bezahlen fünf Euro für zwei Schalen dünnen Kaffee und legen 2

People 45 Dauernd schießt einem die Aussteigerhymne von STS in die Birne wieder ab. Der zivilisierte Wahnsinn hat uns wieder und zu allem Überdruss finden wir auch keine einsame Bucht mehr. Überall wird die natürliche Stille von der menschlichen Geräuschkulisse gekillt. In Skiatos, wo wir uns die Mooring mit einem Linzer Motorsegler samt Clubblazer und viel zu junger Freundin teilen, herrscht Ballermannstimmung. Der STS-Song wird nicht gespielt, das Bier kostet vier Euro und wir wissen, dass es langsam ernst wird. Am nächsten Morgen segeln wir zum Pilion, einer Halbinsel, die den pagasäischen Golf von der Ägäis trennt. Ein letzter erdiger Ritt bei 20 Knoten und unter Spinnaker, diesmal die Standardedition. Die unterschiedlichen Wellenbilder und der drehfreudige, böige Rückenwind erfordern volle Konzentration und machen ungemein Laune. Wir haben dazugelernt und Vertrauen gewonnen, alles geht pfeilschnell und herrlich einfach ab. In Milina, einem verschlafenen Fischerdorf, sind wir neuerlich verabredet. Diesmal, um die Einwinterung unserer Yacht mit der Unterstützung eines ortsansässigen Freundes organisatorisch auf die Reihe zu bekommen. Wir schlafen an Land auf überzogenen Matratzen und müssen uns an vieles erst wieder gewöhnen. Kein Ankerlichten mehr, kein Plastikkübel für das große Geschäft, kein Distanzen Abstecken auf Seekarten, keine pfeifenden Wanten, keine rauschende See. Das letzte Stück nach Volos laufen wir unter Honda. Der 4,5 PS starke Außenborder hat uns erstaunliche Dienste erwiesen. Vor allem auf der Donau, aber auch am Schwarzen Meer. Was auch für unsere Shark gilt, die in den vergangenen zehn Wochen mehr einstecken musste als wir ihr zumuten wollten und uns unmöglich gedachte Momente möglich gemacht hat. Zuerst das faszinierende Stromleben auf der Donau mit einem ständigen Tapetenwechsel und der scheinbar stehen gebliebenen Zeit, dann die Gewaltmärsche am Schwarzen Meer, das einer launischen Diva gleichkommt und uns brutal verdeutlicht hat, wer die Hose trägt, und die Idylle zum Schluss, eingebettet in traumhafte Umgebungen und hochsommerliche Temperaturen. Rückblickend hätte der Kniefall vor dem Leben nicht genialer ausfallen können, herzlichen Dank für ihre Begleitung. 3 4 1 rangordnung. Die Kleinsten ins Eck. 2 gesunde kost. Vom Markt in den Mund. 3 Leinen los. Lieber draußen als drinnen. 4 stück heimat. Istanbul meets Vienna. 5 bilderbuch. Eindrücke für die Ewigkeit. 5

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