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1 | Altdorf, Flüelen, Sisikon, Seedorf, Bauen, Isenthal, Attinghausen, Bürglen, Schattdorf, Spiringen, Unterschächen 9/2023

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WiesiehtdieKircheimJahr2045aus? Bis 2045 werden nur noch zehn Prozent der Bevölkerung im Kanton Zürich einer der grossen Konfessionen angehören. Das Christentum wird seine Leitfunktion einbüssen. Die Theologin Regula Grünenfelder macht konkrete Vorschläge. Die Kirchen sollten den Verlust der Deutungshoheit akzeptieren und mitgestalten. Von Annalena Müller / kath.ch / eko 1970 bekannten sich noch 94 Prozent der Bevölkerung des Kantons Zürich zu einer der grossen Konfessionen. Heute sind es noch knapp die Hälfte. 2045 werden es voraussichtlichnurnochzehnProzentsein. Dies ist kein Zürcher Sonderfall, sondern europäische Tendenz. Die Kirchen stehen vor fundamentalen Verwerfungen. Im Auftrag der Zürcher Kantonalkirche hat die TheologinRegulaGrünenfeldereinDiskussionspapier erstellt. Darin zeigt sie Wege auf,wieesweitergehenkann. Leitreligion zieht sich zurück ... In 20 Jahren werden die grossen KonfessioneninderMinderheitsein.DieGründefür dieEntwicklungsindbekannt:DemographischerWandel,KirchenaustrittewegenMissbrauchsskandalen, Säkularisierung. Auch bekannt ist: Die Kirchen werden sich dazu verhaltenmüssen.Aufhaltenkönnensiedie «Megatrends, die gesamtgesellschaftlichen Umwandlungsprozesse» nicht. Dafür fehlt ihnenschlichtderEinfluss. Es ist das erste Mal in der westlichen Geschichte,dasssicheineLeitreligionkonkurrenzlos zurückzieht. Regula Grünenfelder nenntdas«Säkularisierung4.0».Zurückbleiben werden kirchliche Räume und Monumente. Leere Kirchen und ausgestorbene Klöster. Diese Räume sollen aber auch in Zukunft genutzt werden. Denn Grünenfelderistsichsicher:ReligionundKirchewerdenauchkünftignochgebraucht. ... und hinterlässt Lücken «Im Strukturbruch der Individualisierung, Globalisierung und Digitalisierung werden Sinn und Verbundenheit (...) vermehrt in Shopping-Malls, Sportpalästen, sozialen Bubbles» gesucht. Diese mögen kurzfristige Bedürfnissebefriedigen,abersiekönnendas Transzendentale nicht ersetzen. Das Resultat:«Einsamkeit,Desolidarisierung,SinnverlustundDesorientierungnehmenzu.» GenaudortverortetRegulaGrünenfelder die Kernaufgabe der Kirchen von morgen. Kirche kann und soll Obdach bieten für «die transzendental Obdachlosen». Auch wennnochunklarist,wie«dieAntwortauf die Säkularisierung 4.0 aussehen wird» – für die Theologin ist klar: In diesen Bereichen werden zahlreiche Lücken sein, «welche genuin in den Bereich der Religionen» gehören. Regula Grünenfelder plädiert für die Zukunft für eine «Vertikale Ökumene». Bild: Archiv Pfarreiblatt Vertikale Ökumene – das Nachkommende mitgestalten RegulaGrünenfelderschlägtvor,die«vertikale Ökumene» zum Massstab zu nehmen. Sie nennt beispielhaft den wertschätzenden Dialog mit den Vorläufern des modernen Christentums. Und fordert eine Offenheit gegenüberdem,waskommenwird. Allgemeinformuliert:VertikaleÖkumene akzeptiert, dass Religion sich entwickelt und verändert. Regula Grünenfelder sieht hierkeinen«VerratamChristentum».Denn auch das Christentum selbst konnte nur entstehen, indem es sich öffnete und veränderte. Sich öffnen in der Umbruchphase Die aktuelle Umbruchphase ist der des frühen Christentums ähnlich. Die jüdischen Urchrist*innen folgten einer Nischenreligion. Sie existierten in einer Umgebung, welche ihnen bestenfalls mit Unverständnis undBefremdungbegegnete.IndiesemUmfeldkonntensienurdurchOffenheitgegenüber dem Fremden, eben durch «vertikale Ökumene»,bestehen.DiegrossenKonfessionen müssen akzeptieren, dass sie am «Ende ihrer Zeit als Leitreligion» angekommen sind. Anstelle sich in Grabenkämpfen zu zerfleischen, sollten sie Verantwortung übernehmen.Und«daszukünftigetranszendentale Obdach» mitkreieren. Auch wenn es nicht mehr unter ihrer Aufsicht stehen wird. Transkirchliche Ekklesiologie und lokale Kirchenlabore Konkret schlägt Regula Grünenfelder die Schaffung akademischer Fachgremien vor. Die Ekklesiologie könne das Ende der Leitreligionerforschen.Undherausfinden«wie sich die grossen Konfessionen über sich selbst hinaus mitteilen können». In dieser Arbeit kämen auch die Unterschiede und GemeinsamkeitenzuanderenWeltgegenden zumTragen. Ähnlich wie Hochschulen sich auf Materialprüfungen spezialisieren können, sollte einetheologischeFachhochschuleein«Hub für die interdisziplinäre, transkirchliche Forschung» werden. In der Schweiz fehlten «katholischerseits» institutionelle Strukturen, die «zusammen mit Verantwortlichen und Stakeholdern Hands-on-Forschung» betreibenkönnten. Auch in Zukunft Obdach bieten HiersiehtRegulaGrünenfelderHandlungspotenzial. Genau wie in der Schaffung von «Kirchenlabors». Leerstehende Pfarreien und Kirchen sollten aktiv genutzt werden. Theolog*innen, Soziolog*innen, Raumplaner*innen könnten diese als Arbeitsorte nutzen. Und mit Interessierten von Pfarrei undQuartierzusammenarbeiten. ZielderEkklesiologieundKirchenlabore ist das gleiche: Nach dem Ende als Leitreligion,dieBedürfnisseundRessourcenzuerkunden.FürdieZukunftdestranszendental Obdachbietens. Regula Grünenfelder: Kirche im Umbruch. Theologisches Diskussionspapier zur Ecoplan-Studie «Zukunft der Kirchenfinanzen. Katholischen Kirche im Kanton Zürich». Zug 2022. 6 · Pfarreiblatt Uri Nr.9 · 2023

«Casino-Mentalität»inBankenführtzuBoni-Gier Völlig überrissene Bonuszahlungen bei gleichzeitig negativen Bilanzen haben zum Crash der Credit Suisse beigetragen. Was sagt Ethiker Peter G. Kirchschläger zur Gier nach Geld? Sein Fazit ist klar: Mitarbeitende brauchen auch ideelle Anreize, um ethisch und ökologisch verantwortungsvoll handeln zu können. Von Wolfgang Holz / kath.ch / eko Was sagen Sie als Ethiker zum jüngsten Absturz der Credit Suisse? Peter G. Kirchschläger*: Zunächst sind meine Gedanken bei den Mitarbeitenden, die nun um ihre Stelle bangen. Darüber hinaus ist es unverständlich, dass die Entscheidungsträgeressoweitkommenliessenund dieAufsichtsbehördennichtfrüherinterveniert haben. Zu diesem gesamten Versagen fehlen bisher auch klare Worte des Bundesrats und Forderungen im Blick auf die für dieses Debakel Verantwortlichen – nicht zuletzt auf die von ihnen bezogenen Boni der vergangenen Jahre. Dies erstaunt angesichts des unvorstellbaren Ausmasses des für diese Feuerwehrübung notwendigen finanziellenstaatlichenEngagements. Ist die öffentliche Empörung in anderen Fällen heftiger? Ja, in anderen Situationen wird viel lautere Kritik geübt bei viel, viel kleineren Problemen.Denkenwirnuretwaandieunverhältnismässig gewaltigen Aufschreie bei geringem Fehlverhalten von Menschen, die an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden. Denken wir nur auch daran, wie wenig im öffentlichen Diskurs über ChancenvonMigrationgesprochenwird.Sprich: wie intensiv Migration und Flucht bei vergleichbar minimalen Kosten politisch thematisiertwirdundwiestarkdieimVerhältnis betrachtet gleichsam inexistenten Kosten im Asylbereich politisch hochgekocht werden.AuchfälltdiefinanzielleUnterstützung der offiziellen Schweiz im In- und AuslandfürMenschenmitFluchtgeschichte knausrigaus. Überrissene Boni bei gleichzeitig negativen Bilanzabschlüssen waren auch ein Grund für das Scheitern der Bank. Wie erklären Sie sich dieses unverantwortliche Verhalten von Bankern? Esistinakzeptabel,dasserneuteineSchweizerGrossbankmassivestaatlicheGarantien braucht,obwohlnachderletztenFinanzkrise versprochen worden ist, dass alles unternommen wird, damit so etwas nicht mehr vorkommt. Wenn Banken und Finanzinstitutenvermitteltwird,dassihnenimNotfall der Staat umfassend hilft, dann werden die falschen Anreize gesetzt. Nämlich, dass Banken und Finanzinstitute überrissene Risiken eingehen können, um ihre Gewinne zumaximieren. Peter Kirchschläger plädiert für ideelle Anreize in Firmen. Bild: Archiv Pfarreiblatt Können Sie deutlicher werden? Bildlich gesprochen wird den Banken und Finanzinstitutenvermittelt:GehtinsCasino und spielt volles Risiko. Und falls ihr dann im Glücksspiel euer ganzes Geld verprasst habt,dannwirdeuchderStaatretten. Diese«Casino-Mentalität»aufUnternehmensebene werden dann zum Anreiz für Mitarbeitenden. Es kommt zu einer Gewinnmaximierung, die auf Boni ausgerichtet ist. Das ist für ein ethisch akzeptables, verantwortungsvolles Wirtschaften und Investierenhinderlich. Würden Sie sagen, hohe Boni machen Menschen zu süchtigen Sklaven der kapitalistischen Produktionsweise? Ichwürdedazueinladen,BoninichteinseitignuranökonomischenKriterien,sondern auchanSozial-undNachhaltigkeitsstandards festzumachen,umethischesundverantwortungsvolles Entscheiden und Handeln zu würdigen und zu belohnen. Hier kann ich alsUnternehmeneinenwesentlichenUnterschied für Menschenrechte und gegen Klimazerstörungbewirken.Nursoerreicheich alsUnternehmenfüreinmenschenwürdiges Leben sowie für die Zukunft der Erde entscheidende ethische Prinzipien. Das wiederumführtzueinerKohärenzzwischenmeinen Worten und Taten. Denn ich sende dann gegenüber meinen Mitarbeitenden ein klares Signal. Dessen ethisch positive Wirkungwirdnichtaufsichwartenlassen. Wie kann man das Faszinosum Boni sozialethisch erklären? Es nimmt schon fast schizophrene Züge an, wenn ein Unternehmen mit aufwendigen Kommunikations- und Werbemassnahmen dauernd hervorstreicht, wie wichtig Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind. Und dies auch in Hochglanzbroschüren verbreitet. Gleichzeitig spielen ethische Kriterien bei denBonioffenbarkeinerleiRolle.Handhabt das so ein Unternehmen, dann kommt bei den Mitarbeitenden die klare Botschaft an: Was wirklich wichtig ist, ist Gewinnmaximierung–kostees,waseswolle. Boni können eine regelrechte Gier auslösen, die irgendwann bilanztechnisch nicht mehr zu bewältigen sind. Sehen Sie das auch so? Ein Unternehmen kann leistungsbezogene Anreizesetzen.Zentralistesdabeiausethischer Perspektive, dass ich diese mit Anreizen für menschenrechtskonformes und nachhaltiges Wirtschaften und Investieren verbinde. Zahlreiche Unternehmen zeigen tagtäglich, dass man profitabel und erfolgreichwirtschaftenundgleichzeitigdieMenschenrechte respektieren sowie die Umwelt unddasKlimaschützenkann. Hätten Sie da als Ethiker ein paar Ideen? IcherachteesalsTeilmeinerVerantwortung als Ethiker, Unternehmen basierend auf meiner Forschung ethisch zu beraten. Und was sich in Unternehmen beobachten lässt: NatürlichmachtesinderUnternehmenspraxiseinenUnterschied,obichnurökonomischeBonivorseheoderauchmitvielenkleinen, zwischenmenschlichen Gesten und Zeichen meinen Mitarbeitenden meine Wertschätzung für ihre Leistungen und meine Dankbarkeit für ihr Engagement zumAusdruckbringe. *Peter G. Kirchschläger (46) ist Professor für Theologische Ethik und Leiter des Instituts für Sozialethik ISE an der Universität Luzern. Pfarreiblatt Uri Nr.9 · 2023 · 7

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