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6 | Altendorf, Lachen 11/2023

Priestermangel bietet

Priestermangel bietet Chance für die Frauenorden Ordensgemeinschaften sind viel zu wenig im Blick. Dabei seien sie Vorläuferinnen der Kirchenent - wicklung, findet Priorin Irene Gassmann vom Kloster Fahr. Sie kritisiert, dass Ordensfrauen oft als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden. Ein Gastbeitrag. Von Irene Gassmann* Wann haben Sie letztmals etwas vergessen? Was war das? Und wie merkten Sie, dass Sie dies vergessen hatten? Bei mir war dies vor kurzemeinArzttermin,denichtotalvergessen hatte. Nicht einmal als der Anruf der Arztpraxis kam, fiel mir ein, dass ich einen Termin verpasst hatte! Es ging mir so gut, dassichnichtmehrandiesenTermindachte. Das ist ein kleines Beispiel, wann wir etwas vergessen: Dann, wenn wir es nicht mehr brauchenoderwennesunsnichtfehlt. Undwasheisstdasnunfürdievergessene dritte Kraft der Kirchen – für die Orden? Woran liegt es, dass die Orden selbst in der Kirche in Vergessenheit geraten sind? Hier einpaarmöglicheAntworten: 1. Die Kirche und die Gesellschaft brauchen die Orden nicht (mehr). Viele soziale Werke oder auch Bildungsinstitute, die vor allem von Ordens-Frauen gegründet und aufgebautwordensind,werdenheutedurch den Staat geführt. Für diese Aufgaben brauchtesdieOrdennichtmehr. 2. Die Orden machen kaum Probleme, sie stören nicht, so nimmt man sie nicht wahr. 3. Die Orden organisieren und finanzieren sich weitgehend selber; sie beziehen auchkeineKirchensteuer. Selbst im laufenden synodalen Prozess werdendieOrdenkaumerwähnt.ImSynoden-Bericht des Bistums Basel ist zu lesen: «Geistliche Gemeinschaften oder Orden sind zuweilen Gruppen, zu denen Laien oder Gläubige an der Basis keinen Zugang haben.»Zugegeben,dieseAussagehatmich irritiert. Ist das wirklich so? Ich jedenfalls erlebe dies anders. Aber das ist meine Sicht voninnen.UndimDokumentfürdiekontinentale Synode werden die Orden nur in den Kapiteln über die Teilhabe von Frauen erwähnt: «Ordensfrauen werden oft als billige Arbeitskräfte eingesetzt». Ja, es scheint tatsächlichsozusein,dassdieOrdeninden Kirchen in unseren Breitengraden in Vergessenheitgeratensind. Ordensgemeinschaften als Vor-Bilder Und dennoch sind Ordensgemeinschaften Vor-Bilder für die Entwicklung der Kirche. Vor-Bilder nicht gemeint als «gutes Vorbild», sondern an den Orden lässt sich die Entwicklung ablesen, die die Kirche als Ganzes erst später im gleichen Mass betreffendwird.DiessowohlindramatischenAbbrüchen als auch in zukunftsgerichteten Aufbrüchen. Priorin Irene Gassmann sieht Chancen in den Verlusten. Bild: Archiv Pfarreiblatt Dramatische Abbrüche Die Erosion, das Auflösen und Verschwinden der Klöster, ist unaufhaltsam. Vor kurzem konnte man innert einer Woche von zwei Frauengemeinschaften in der Zentralschweiz lesen, die ihre Häuser schliessen werden. Solche Nachrichten schmerzen. Es tutweh,zusehen,wiesicheinKlosternach dem anderen leert. Die Überalterung und der fehlende Nachwuchs sind in vielen GemeinschafteneineRealität.Auchichspüre dies in meiner Gemeinschaft. Mit dieser Herausforderungumzugehenistanspruchsvoll.MirhilftdabeieineEntdeckunginder Bibel, die ich vor nicht allzu langer Zeit gemachthabe:NichtseltenstandenanWendepunkten der Heilsgeschichte betagte Menschen. Denken wir an Abraham und Sara, an Elisabeth und Zacharias oder auch an dengreisenSimeonunddieProphetinHanna. So gesehen ist uns in den Klöstern mit deraktuellenAltersstruktureinebesondere Zeit anvertraut. Es ist unsere Aufgabe, diesen Übergang achtsam und würdevoll zu gestalten. Zukunftsgerichtete Aufbrüche Gleichzeitig ist es wichtig, Entscheide zu fällen und Weichen für die Zukunft zu stellen, solange die Kräfte noch da sind, um Veränderungen aktiv mitzugestalten und mitzutragen.VorzehnJahrenhabenwirim Kloster Fahr entschieden, unsere Bäuerinnenschule zu schliessen. Wir hatten zwar Wartelisten, die Nachfrage war gross. Und dennoch fehlten uns die finanziellen und personellen Ressourcen. Auch wenn dies einschmerzlicherEntscheidwar,sobinich überzeugt, dass dies richtig war und dass wiresgutgemachthaben. Dieser Entscheid gab uns Freiraum. Wir können heute vermehrt Gäste aufnehmen und so Frauen die Möglichkeit geben, im Rhythmus der Benediktinerinnen zur Ruhe zu kommen und neue Kraft zu tanken. In denGebäudenderehemaligenBäuerinnenschuleentstehteinchristlichesMehrgenerationen-Wohnen. Dieses Konzept orientiert sichanderBenediktsregel. Im Mangel Chancen entdecken In Frauengemeinschaften macht sich der Priestermangel schon länger bemerkbar. In diesem «Mangel» liegt jedoch gerade für Frauengemeinschaften die Chance, neue Feier-Formen in der Liturgie und Seelsorge zu entwickeln und zu erproben. Im Kloster Fahrhabenwirseit2006keinenHausgeistlichenmehr.WirfeiernseitherandreiTagen pro Woche eine schlichte Kommunionfeier imRahmenderMittagshore.Zudemgestalten wir eine Vielfalt an Wortgottes-Feiern fürverschiedeneAnlässe. Diese Situation der Klöster macht deutlich:DieKircheistimUmbruch.DasEinzige, was sich klar abzeichnet, ist, dass sich vieles,jasehrvielesverändernwird.Ichbin sehr gespannt, wie sich das Kloster Fahr, ja die gesamte Kirche in den nächsten fünf Jahrenentwickelnwird. *Den Beitrag hat die Benediktinerin Irene Gassmann am 24. März an der Delegiertenversammlung der Römisch-katholischen Zentralkonferenz in Einsiedeln als Impuls eingebracht. 6 · Pfarreiblatt Schwyz Nr.11 · 2023

«In Amazonien spenden Frauen Sakramente» In Amazonien herrscht akuter Priestermangel. Frauen spenden sogar Sakramente mit Erlaubnis der Bischöfe, sagt die Ordensfrau Birgit Weiler (64). Ein Gespräch über Eucharistiefeiern ohne Tabernakel, die Krankensalbung – eine neue Theologie der Sakramente. Von Raphael Rauch und Annalena Müller / kath.ch / eko Viele haben gehofft, dass Papst Franziskus nach der Amazonas-Synode 2019 den Pflichtzölibat abschafft. Sind Sie vom Papst enttäuscht? Birgit Weiler*: Der erste Schritt ist gemacht. Es war uns von vornherein klar, dass das Konzept der «viri probati» noch weiterer Ausarbeitung bedarf. Aber die Frage der «viri probati», also der erfahrenen verheiratetenMänner,diezuPriesterngeweihtwerden können, ist in Amazonien drängender alsanderenorts. Im Amazonasgebiet herrscht ein grosser Priestermangel. In vielen Gemeinden kommtnureinmalimJahreinPriester.Gemeindemitglieder übernehmen seelsorgerische Aufgaben und leiten Wortgottesdienste.Gleichzeitigmüssenwirvermeiden,eine Zweiklassenpriesterschaftzuschaffen.Sozusagen Priester mit einer vollen Ausbildung und daneben Priester mit einer geringeren Ausbildung. Es darf keine Schmalspur- Priesterschaft geben. Bewährte Familienväter, die jetzt schon Gemeinden koordinieren, müssen kultursensibel entsprechend theologischausgebildetwerden. Was bedeutet Priestermangel in Amazonien ganz konkret? Haben die Gemeinden einen grossen Vorrat an konsekrierten Hostien für Wort-Gottes-Feiern? Nein.AufgrundderklimatischenBedingungengehtdasimAmazonasgebietnicht.Hostienhaltensichnichtlange.Daherkönnenin vielen Gemeinden nur Wortgottesdienste ohne Kommunionfeier gehalten werden. Entsprechend gibt es in dieser Region auch eineandereEinstellungzurKommunion. In welcher Sprache werden die Gottesdienste gehalten? Wenn Indigene einem Wortgottesdienst vorstehen, dann wird er in der indigenen Sprache gefeiert. Im Amazonasgebiet gibt es über 400 verschiedene indigene Völker mitunterschiedlichenSprachen. Der Priestermangel betrifft ja nicht nur die Eucharistie. Haben Sie schon mal ein Sakrament gespendet? Nein.AndenOrten,andenenichtätigwar, gab es entweder Ordensfrauen, die ständig vor Ort waren, oder einen Priester, der zumindest periodisch Sakramente spenden konnte. Birgit Weiler sieht vielen Veränderungen keine theologischen Hindernisse in den Weg gestellt. Bild: cq5dam.thumbnail.cropped.1500.844 Kennen Sie Frauen, die Sakramente spenden? Ja, ich kenne Frauen, die es tun. Und zwar ganzoffiziell.SiesindzumBeispielvomörtlichen Bischof delegiert, die Taufe zu spenden. Das ist in Amazonien nichts Ungewöhnliches. Gerade in indigenen Gemeinschaften sind Leben und Gesundheit oftmals stärker bedroht als in urbanen Zentren.DaherwollenEltern,dassihrKind bald nach der Geburt getauft wird. Daher delegiert der Bischof diese Aufgaben an Ordensschwestern. Gilt das auch für die Krankensalbung? Ja, auch die Krankensalbung. Das hängt natürlichvomjeweiligenOrtsbischofab.Es gibt im Amazonasgebiet Bischöfe, die aus pastoralenGründendenStandpunkthaben, dassesgarnichtandersgeht:weileseinfach keinePriesterimUmkreisvielerGemeinden gibt. Und wenn Menschen schwer krank und Ordensschwestern vor Ort sind, dann spenden diese das Sakrament, um das die Kranken und ihre Familien bitten. Die Ordensschwestern tun das mit der ErlaubnisdesjeweiligenBischofs. Verstehen wir Sie richtig: Wir sprechen nicht von einem Ritual am Krankenbett, sondern von einer sakramentalen Krankensalbung? Ja. Allerdings ist das keine weitverbreitete Praxis. Es gibt auch viele Bischöfe im Amazonasgebiet,fürdiediebeschriebenepastoraleSituationaufgrunddesPriestermangels sehr schmerzlich ist. Sie bitten aber die OrdensschwesternundOrdensbrüdersowie andere pastorale Mitarbeiter:innen darum, mit den Kranken und ihren Angehörigen zubetenundeineinfachesRitualzuvollziehen, aber keine Krankensalbung zu spenden. Welche theologischen Gründe sprechen dafür, Frauen zum Priesteramt zuzulassen? DasergibtsichzumeinenausunsererWürde als Menschen. Männer und Frauen sind in gleicher Weise Ebenbild Gottes. Wir haben alle dieselbe Taufwürde. Deshalb muss es meines Erachtens möglich sein, dass Frauen, die sich dazu berufen fühlen, zum Priesteramtzugelassenwerden. Wann kommt der Frauendiakonat? Der könnte eigentlich sehr bald kommen. Da gibt es dann keine theologischen Hürden, wenn man den Diakonat als ein eigenständigesAmtinderKircheversteht,durch das Christus in der Kirche vergegenwärtigt wird in seinem Dienst am Leben der Menschen. Der Diakonat hat seine eigene theologische Bedeutung und Würde, es sollte nicht nur als Vorstufe zum Priesteramt verstanden werden. Der Diakonat ist ein Dienstamt.HierwirdChristus,derDienende,präsentgesetztdurchMännerundFrauen,diediesenDienstanderGemeindevollziehen. *Die Ordensschwester Birgit Weiler (64) lehrt an der Päpstlichen Katholischen Universität (PUCP) in Lima. Sie wirkt unter anderem als theologische Beraterin des Zentrums für pastorale Programme und Netzwerke (CEPRAP) des Bischofsrates von Lateinamerika und der Karibik (CELAM) und ist Mitglied der Gruppe von Theolog:innen des CELAM. Pfarreiblatt Schwyz Nr.11 · 2023 · 7

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