Aufrufe
vor 4 Jahren

prima! Magazin - Ausgabe Mai 2020

  • Text
  • Foto
  • Menschen
  • Stephan
  • Zeit
  • Wichtig
  • Krise
  • Sebastian
  • Volksbegehren
  • Oberwart
  • Corona

IM GESPRÄCH TIERSCHUTZ

IM GESPRÄCH TIERSCHUTZ Fotos © zVg Gegen Tiertransporte und für die Kennzeichnung von Lebensmitteln: Dr. Sebastian Bohrn Mena ist Initiator des österreichischen überparteilichen Tierschutzvolksbegehrens „Wenn sich in der Tierhaltung etwas verändern soll, muss uns die Landwirtschaft etwas wert sein“ Das Tierschutzvolksbegehren geht in die finale Phase. Noch bis Ende Juni kann man es auf den Gemeindeämtern oder mittels Handysignatur unterschreiben. Im Herbst wird es dann im Zuge der Eintragungswoche eine letzte Möglichkeit geben, seine Stimme für mehr Tierschutz in Österreich abzugeben. Initiator Sebastian Bohrn Mena hat dieses Volksbegehren vor einem Jahr ins Leben gerufen. Es geht dabei um eine tierleidfreie Haltung und die Abschaffung der Tiertransporte, um die Förderung der Bio-Bauern und auch um eine genaue Kennzeichnung der Herkunft unserer Lebensmittel. prima! hat den Wirtschaftsökonom und Tierschützer zum Interview getroffen – aufgrund des Coronavirus natürlich per Videochat. Nicole Mühl Sie haben im Mai 2019 das überparteiliche Tierschutzvolksbegehren ins Leben gerufen. Damit es im Parlament behandelt 24 MAI 2020 wird, sind 100.000 Unterschriften notwendig, derzeit sind 75.000 erreicht. Wie lange kann man noch unterschreiben? Sebastian Bohrn Mena: Bis Ende Juni kann man es noch auf den Gemeindeämtern oder mittels Handysignatur bzw. www.prima-magazin.at

TIERSCHUTZ IM GESPRÄCH Bürgerkarte unterschreiben. Ende Juni werden wir eine Eintragungswoche beantragen, und es wird dann in Abhängigkeit vom Innenminister nochmals acht Tage geben, in denen man das Tierschutzvolksbegehren unterschreiben kann. Das wird wahrscheinlich Ende September oder im Oktober sein. Das ist eine enorm wichtige Zeit. Insgesamt müssen wir dann die 100.000 Unterschriften erreichen, damit das Tierschutzvolksbegehren im Parlament behandelt wird. Das ist unser Ziel. Wenn man sich die Fotos Ihrer Kampagne ansieht, sieht man keine Schreckensbilder aus den Schlachthöfen oder von Tiertransporten. Warum nicht? Sebastian Bohrn Mena: Ich habe das Tierschutzvolksbegehren niemals als eine Stimmenmaximierungsgeschichte konzipiert. Natürlich könnte man viel mehr Menschen dafür begeistern, wenn man ihnen die wirklich schrecklichen Bilder aus der Massentierhaltung zeigen würde. Das tun wir nicht, weil wir nicht auf den Konflikt setzen wollen. Wir wollen nicht den Kampf mit den Landwirten aufnehmen, die noch nicht reformbereit sind. Wir wollen nicht gegen die Handelskonzerne kämpfen, die Rabattschlachten von Billigfleisch durchführen. Damit hätten wir sicherlich mehr mediale Aufmerksamkeit, und wir würden mehr zur Polarisierung beitragen. Aber wir hätten unseren zentralen Anspruch des Tierschutzvolksbegehrens – nämlich das Brückenbauen – verloren. Wir wollen den Dialog fördern. Ich bin nicht bereit, diese Ziele zu opfern, damit wir jetzt statt 75.000 Unterschriften vielleicht 150.000 haben. Wir wollen nachhaltig etwas ändern. Und das geht nur durch den Dialog. Wichtig ist, dass die Menschen nicht nur eine Unterschrift abgeben, sondern dass sie tatsächlich nachdenken, welchen Beitrag der Veränderung sie in ihrer eigenen Lebenswelt leisten können. Vor diesem Hintergrund sind 75.000 MultiplikatorInnen in Wirklichkeit schon sehr viel. Dennoch würde eine große Anzahl an Unterschriften den Druck auf die Regierung erhöhen. Wie stehen die Chancen, etwas zu bewirken, wenn gerade einmal die Mindestanforderung an Unterschriften erfüllt ist? Sebastian Bohrn Mena: Ich glaube, mit dem Tierschutzvolksbegehren ist uns in den letzten eineinhalb Jahren schon viel gelungen. Wir brauchen nur ins neue Regierungsprogramm reinschauen. Da sieht man für die ÖVP fast undenkbare Bekenntnisse zu einer Weiterentwicklung der ökologischen tier- und klimafreundlichen Landwirtschaft. Man hat dort eine Initiative zum Thema Tiertransporte, die ganz aktuell bereits erste Schritte zum Thema Kontrolle und Dokumentation bei Auslandsexporten von Tieren gesetzt hat. Das wurde verschärft. Wir haben im Bereich der Herkunftskennzeichnung ganz klare Bekenntnisse von Schwarz und Grün, dass es hier zu einer Weiterentwicklung kommen muss. Also ich glaube, wenn es um die politische Effektivität unseres Volksbegehrens geht, brauchen wir uns nicht verstecken. Wichtig ist aber vor allem die Frage: Was machen wir nach der Eintragungswoche im September, wenn das Tierschutzvolksbegehren im Parlament landet? Für uns war von Anfang an klar, dass wir dann den Druck und das Interesse in der Öffentlichkeit aufrecht erhalten müssen. Wir müssen also Strukturen aufbauen, um sicherzustellen, dass wir auch die nächsten Monate und Jahre dafür kämpfen können, dass das umgesetzt wird, was wir vorhaben. Was ist dafür notwendig? Sebastian Bohrn Mena: Wir müssen einerseits Möglichkeiten schaffen, wie die Leute in ihrem eigenen Bereich aktiv werden können – aber als Teil einer Gemeinschaft. Das Zweite ist die Frage der Finanzierung über die Kampagnenphase hinaus. Wir müssen eine Finanzierung sicherstellen, die den gleichen Unabhängigkeitskriterien entspricht, die wir jetzt haben. Wir lassen uns nicht von Konzernen kaufen, wir lassen uns nicht von Parteipolitik bestimmen, und wir wollen uns nicht zu stark vom öffentlichen Geld abhängig machen. Die Frage ist: Wie kann man eine Finanzierung sicherstellen, die es ermöglicht, dass wir dauerhaft Teil eines öffentlichen Diskurses sind? Wie kann man mit ökologischen oder ökosozialen unternehmerischen Modellen zivilgesellschaftliche Initiativen finanzieren? Und ich lade alle dazu ein, die sich dafür interessieren, Teil einer Verbesserung der Welt zu sein, mich zu kontaktieren. Wir sind sehr daran interessiert, zu kooperieren. bitte umblättern >> MAI 2020 25

prima! Magazin Sammlung