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2008-4 REISE und PREISE

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MALAWI DIE REPORTAGE

MALAWI DIE REPORTAGE Unermütlich treibt Captain Lameck Mponda seine Leute an. »Chita changu!« – beeilt euch! Schon jetzt hat die »MS Ilaya« vier Stunden verloren und noch einen weiten Weg vor sich. An Land wartet ein Pulk von Menschen geduldig darauf, an Bord gebracht zu werden. Einen Anleger gibt es auf Likoma Island nicht. Unmengen von Gepäck und Fracht müssen noch verladen werden: zum Bersten gefüllte Taschen, Körbe mit Trockenfisch, klapprige Fahrräder, Bierkisten, Benzinkanister, Holzbretter, Käfige mit gackernden Hühnern. Noch aber ist man nicht einmal mit dem Ausladen fertig. Am Schiffskran hängt, an allen vier Beinen zusammengebunden, kopfüber eine Kuh. Das Mondlicht taucht die Szenerie in diffuses Licht. Endlich finden auch wir Platz in dem Beiboot, das die ankommenden Passagiere an Land bringen soll. In Gegenrichtung wird gerade ein Jeep, der zur Reparatur rüber aufs Festland muss, auf einen schwimmenden Ponton geschoben. Bis die »Ilala« startklar ist, wird noch viel Zeit vergehen. Auf der Insel der Baobabs Likoma Island ist für afrikanische Verhältnisse ein richtiges Paradies. 7.500 Menschen leben auf der nur achteinhalb mal vier Kilometer großen Insel. Ihnen mangelt es an kaum etwas. Das Seewasser hat Trinkwasserqualität, es gibt ausreichend Lebensmittel, sechs Schulen, ein Hospital, einen Wunderheiler und eine Handvoll Autos – darunter ein geländegängiger Krankenwagen. Die Bewohner ernähren sich von dem, was der Garten so hergibt. Leben von Fischfang, Handwerk, Gemüseanbau oder vom Handel mit Dingen, die sich auf dem Markt oder Im Shire River tummeln sich die Flusspferde auf dem Festland losschlagen lassen. Likoma ist ein Umschlagplatz für Waren aus Mosambik und Tansania, jenen Ländern, diedie »Ilaya«auf ihrem zweieinhalbtägigen Zickzackkurs von Monkey Bay im Süden bis nach Chilumba im Norden Malawis ansteuert. Urlauber sind am Lake Malawi gern gesehen. Die Msungus, die Fremden, bringen dem kleinen Land am großen See spürbar Vorteile. Denn in Malawi setzt man auf nachhaltigen Tourismus, nicht auf Besuchermassen. So ließen die Betreiber der exklusiven »Kawa Maya Lodge« in den Dörfern Brunnen bauen. Auch an einem Schulprojekt sind die Betreiber beteiligt. Craig, der aus Südafrika stammende weiße Manager, ist stolz darauf, dass auf der Insel kein Baum mehr gefällt werden darf. Nach Jahren des Raubbaus sind die Waldbestände fast aufgebraucht. Nur die schlecht brennbaren Baobab-Riesen gibt es noch zur Genüge. Gemeinsam mit den Dorfbewohnern wurden nun kürzlich 2.000 neue Bäume gepflanzt. Ziel des zukunftsweisenden Projekts ist die Nutzung des Waldes nach dem Ausdünnungsprinzip skandinavischer Länder. Für jeden Baum, der geschlagen wird, müssen neue gepflanzt werden, so sieht es der Deal mit den Dorf-Chiefs vor. Ich liege unter »meinem« Baobab, einem stattlichen Riesen von drei Metern Durchmesser, blicke über den goldgelben Sand auf den See hinaus und lasse mir den lauwarmen Wind um die Nase wehen. Heute gibt es sogar richtige Wellen. Tosend kracht die weiße Gischt an den traumhaften Strand. Am Horizont zeichnet sich die Erdkrümmung ab, außer der Silhouette der nahen mosambikanischen Küste ist kein Land zu sehen. Nur beim Sprung in die 26 Grad warmen Fluten wird klar, dass wir uns an einem See und nicht am Meer befinden. Kein Salz zwischen den Lippen, duschen unnötig. NYASSA 8 REISE & PREISE 4/2008

Die »Ilala« kommt bestimmt – nur wann? Der relaxte Aufenthalt auf Likoma neigt sich dem Ende zu. Wir werden die Insel vermissen, das perfekte Badeerlebnis, das erstklassige Essen, die Fahrradtouren. Dann die Nachricht, die Ankunft der »Ilala« werde sich um einige Stunden verzögern. Ein Ruder des fast 60 Jahre alten Stahlkolosses ist gebrochen, muss notdürftig geschweißt werden. Wir könnten uns beruhigt hinlegen, heißt es, selbst wenn ein Wunder geschähe, das dumpfe Schiffshorn sei nicht zu überhören. Doch das Hupen bleibt aus. Am Morgen eilt Craig heran. »Big problem, die ›Ilaya‹ kommt erst in einer Woche«, meint er besorgt. Schmunzelnd fügt er hinzu: »AWA – Africa wins again«. Wie die Malawier immer zu sagen pflegen, wenn die äußeren Umstände den guten Vorsätzen ein Schnippchen geschlagen haben. Afrika hatte also wieder einmal gewonnen. Zwei Stunden später nimmt das lodgeeigene Schnellboot Kurs auf Nhakta Bay. Schließlich wartet dort ein Fahrer auf uns. Die zweieinhalbstündige Fahrt kostet uns 250 Dollar, viel Geld, aber was tun, die gesamte Routenplanung wäre dahin gewesen. Zeit, um interessante Dinge über das Land zu erfahren. »The Calendar Lake«, erzählt Craig, »ist genau 365 nautische Meilen lang ist und 52 Seemeilen breit« – so groß wie Wenn die »M.S. Ilaya« ankommt, sind Verspätungen vorprogrammiert. Für die meisten Seebewohner ist der 1951 in Dienst gestellte Stahlkoloss die einzige Verbindung zur Außenwelt Belgien. »Etwas nördlich ist der Nyassasee, wie der Lake Malawi früher hieß, 704 Meter tief. Ein Lebensraum für die 1.500 Fischarten. Viele davon kennt ihr aus euren Aquarien zu Hause«. Das Leben ist hart in Malawi Ein einfacher Arbeiter hätte ein Jahr arbeiten müssen, um die Überfahrt bezahlen zu können. 20 bis 30 Dollar, mehr bringt die Arbeit auf einem der vielen Tabak- und Zuckerrohrplantagen im Monat nicht ein. Ein Lehrer verdient vielleicht das Doppelte, abhängig davon, wohin es ihn verschlägt. Malawi gehört zu den ärmsten Ländern des Kontinents. Die offizielle Be - schäftigungsquote des kleinen afrikanischen Landes liegt gerade einmal bei 40 Prozent. Alle anderen bleiben sich selbst überlassen. Die Bevölkerung ist es seit jeher gewohnt, sich durchzuschlagen. Die Jobpalette reicht vom Spielzeugverkäufer und Holzkohlefabrikanten am Straßenrand bis zum Reifenflicker und Brennholzsammler auf zwei Rädern. Bis zu 1,50 Meter hoch türmen sich die Holzscheite auf den Fahrrädern, 80 bis 100 Kilogramm ist jede Fuhre schwer. Und die muss manchmal über Tiefblau ist er, umgeben von traumhaften Stränden, in seiner Mitte ein Dutzend Inseln: der Lake Malawi, Afrikas drittgrößter See. Abends verwandeln ihn herrliche Sonnenuntergänge in ein flammendes Meer. Doch das kleine Land im südlichen Afrika hat mehr zu bieten... VON OLIVER KÜHN REISE & PREISE 4/2008 9

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