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Taxi Times DACH - 1. Quartal 2022

KOMMENTARE HÖHERER

KOMMENTARE HÖHERER PREIS – BESSERE LEISTUNG Die Inflation schlägt zu. Auch das Taxigewerbe wird flächendeckend teurer werden müssen. Das sollte allerdings nicht der einzige Reflex bleiben. Die coronageplagte Taxibranche hat ihre Reserven aufgebraucht. Das zeigt sich an der verzweifelten Reaktion auf die Preisexplosion bei Spritpreisen (siehe Seite 16). Um Kostensteigerungen von 50 Prozent und mehr zu kompensieren, müssen die Preise angepasst werden. Das ist alternativlos für ein Gewerbe, das für seine Dienstleistung ein Auto benötigt und damit im Jahr im Schnitt 70.000 Kilometer zurücklegt. Es ist auch unvermeidlich für eine Branche, die im klassischen Niedriglohnsektor angesiedelt ist, wenn die Politik den gesetzlichen Mindestlohn um mehr als 22 Prozent anhebt. Unter diesen politisch gewollten (Mindestlohn) bzw. politisch fahrlässig verursachten Vorzeichen (Abhängigkeit vom russischen Öl) muss sich kein Betrieb für eine Preisanpassung entschuldigen. Der Kunde wird murren, aber er wird kaum Alternativen haben. TAXI IST ALTERNATIVLOS Mit dem eigenen Fahrzeug muss weiterhin mühsam ein Parkplatz gefunden oder teuer bezahlt werden. Man muss es auch immer noch stehen lassen, wenn Alkohol getrunken wurde. Die Preise für Leihwagen sind seit Corona exorbitant angestiegen. Andere ÖPNV-Angebote (die im Übrigen jährlich teurer werden) bieten nach wie vor keinen Tür-zu-Tür-Service und sind im ländlichen Raum wenig bis gar nicht vorhanden. Wenn sich eine Seniorin das teurere Taxi nicht mehr leisten kann oder will, muss sie entweder auf Nachbarschaftshilfe hoffen oder eine größere Krankheit vortäuschen, damit der (um ein Vielfaches teurere) Rettungswagen kommt. Das klappt ein- oder zweimal, ist aber sicherlich keine Dauerlösung. Auch die Angst vieler Taxiunternehmer im städtischen Bereich, ein zu teures Taxi würde noch mehr Fahrgäste zu Uber & Co. treiben, ist unbegründet. Die Plattformanbieter werden die gestiegenen Kosten ebenfalls weitergeben müssen. Ihr Geschäftsmodell bleibt unverändert: Bei ruhiger Geschäftslage wird man günstiger als das Taxi sein und bei starker Nachfrage teurer. All diese Fakten zeigen: Das Taxi ist der Garant für individualisierte Mobilität, es ist trotz aller Alternativen unverzichtbar. Daraus lässt sich das Selbstbewusstsein ableiten, mit dem ein jetzt nötiger Preissprung vollzogen werden muss. Es wäre allerdings arrogant, wenn sich die Akteure der Taxibranche ausschließlich darauf verlassen würden. Die Qualität einer (Dienst-)Leistung misst sich nicht nach dem Preis, sondern auch nach der Leistung, die dafür erbracht wird. Der Kunde ist dort am zufriedensten, wo er das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bekommt. Wenn das Taxi jetzt notgedrungen und berechtigt an der Preisschraube dreht, muss es auch seine Leistung erhöhen. Es wäre nahezu arrogant, wenn man es nur bei einer Preisanpassung belassen würde. Vielmehr muss es Anlass und Das Taxi zählt zu den teuersten Personenbeförderern. Entsprechend muss auch der Fahrgast behandelt werden. Ansporn sein, auch in puncto Service eine Schippe draufzulegen. Taxifahrer, die bargeldlose Zahlung ablehnen, sind ein Relikt des vorigen Jahrhunderts. Taxifahrer, deren Fahrstil Angst und Schrecken verbreitet, sind auf der Gokart-Bahn besser aufgehoben als im Taxi. QUALITÄT ALS GEGENLEISTUNG Fahrgäste, die für eine zwanzigminütige Beförderung 20 Euro ausgeben und damit ein Vielfaches als für ein Busticket, haben sich für die teuerste aller Mobilitätsformen entschieden. Sie haben Anspruch auf einen Fahrer mit gepflegter Erscheinung, dürfen zurecht Höflichkeit und Respekt erwarten. Mindestens 80 Prozent aller Taxifahrer erfüllen diesen Anspruch. Der Rest hat in dieser Branche keine Existenzberechtigung. Es wäre wichtig und hilfreich, wenn das Gewerbe jetzt die Strukturen aufbaut und Mittel einsetzt, mit denen ein angemessenes Qualitätslevel durchgesetzt werden kann. Vielleicht braucht es dazu sogar eine Preiserhöhung, die nicht nur auf Basis gestiegener Kosten und Mindestlöhne kalkuliert ist. jh FOTO: Pixabay, Adobe Stock / nerthuz, michalsanca 26 1. QUARTAL 2022 TAXI

KOMMENTARE ALLES »UNZUVERLÄSSIG«, ODER WAS? Die persönliche Zuverlässigkeit im Sinne des Personenbeförderungsrechts ist im Rahmen der Erteilung und des Widerrufs der Genehmigung zum Taxiverkehr von zentraler Bedeutung. Doch wird sie wirklich immer zweckgebunden bewertet? FOTO: Pixabay Der Widerruf einer Taxigenehmigung ist ein behördlicher Balanceakt, der nicht immer gelingt. Laut § 1 der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV) muss ein Unternehmer auf seine persönliche Zuverlässigkeit hin bewertet werden. Wird diese nicht erfüllt, darf eine Behörde eine Taxigenehmigung verweigern (§ 13, Absatz 2 des Personenbeförderungsgesetzes) oder eine bereits erteilte Genehmigung widerrufen (§ 25 PBefG). Das Ziel dieser Regelung: Sie soll die Sicherheit der Beförderung derjenigen Personen gewährleisten, die den Taxifahrer bzw. -unternehmer beauftragen und diesem anvertraut sind. Wegen der Bedeutung des Taxigewerbes als Ergänzungsfunktion des ÖPNV ist dieser Paragraf ein sehr hohes Gut und unbedingt einzuhalten und zu überwachen. Auf der anderen Seite bedeutet jede nicht erteilte Genehmigung oder deren Widerruf auch ein faktisches Berufsverbot. Deshalb muss sich jede Behörde hinterfragen, ob manche behördliche Sanktion auch tatsächlich an diesem Schutzzweck ausgerichtet ist, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Berufsfreiheit, die alle Berufsgruppen – egal ob Arzt, Rechtsanwalt, Taxiunternehmer – gleich behandeln will. Persönliche Zuverlässigkeit zielt da rauf ab, dass der Unternehmer seinen Fahrgast sicher und zuverlässig von A nach B transportiert. Ist das beispielsweise gefährdet, wenn ein Taxiunternehmer gegen die Vorschrift des § 22 b StVG verstößt, indem er die Wegstreckenzähler in Taxifahrzeugen manipuliert? In diesem Zusammenhang sorgt ein Beschluss des VGH Mannheim im vorläufigen Rechtsschutzverfahren für Furore, das alleine schon den Einbau eines entsprechenden CAN-Filters als Grund ansieht, die Zuverlässigkeit dem betroffenen Unternehmer abzuerkennen – sofort, ohne Wenn und Aber und unabhängig vom Ausgang eines Strafverfahrens. Nun mag man dem VGH noch bei der Beurteilung beipflichten, es gebe keinen „legalen Zweck“ zum Einbau solcher Vorrichtungen. Aber entbindet das alleine die Behörden und Gerichte von der Prüfung im Einzelfall, ob gegen das höchste Gut im PBefG, den Schutz der Fahrgäste, überhaupt und in welchem Maße durch den Unternehmer konkret verstoßen wurde? ENTZUG OHNE VORSTRAFE? Lässt sich dann ein faktisches, sofort durchsetzbares Berufsverbot tatsächlich rechtfertigen, wenn Manipulationen den Unternehmen ansonsten nicht nachgewiesen werden können und wenn am Ende eines Strafverfahrens Freisprüche ergehen oder zumindest nur solche Verurteilungen erfolgen, nach denen Unternehmer nicht als vorbestraft gelten? Vor diesem Hintergrund erscheinen manche Urteile von Obergerichten ebenso fraglich, wenn dort bei einem Verstoß gegen Buchführungsbestimmungen beispielsweise von „Kardinalspflichten“ des Taxiunternehmers gesprochen wird. Die Überwachung, ob er ein perfekter Buchhalter ist oder nicht, unterliegt in solchen Fallkonstellationen zum Teil eben gerade nicht der Zuständigkeit der Genehmigungsbehörde, sondern dem Finanzamt und dessen Steuerfahndern. Stößt man dort auf einen strafbaren Sachverhalt mit der Folge einer rechtskräftigen Verurteilung, kippt natürlich auch die Zuverlässigkeit, geregelt im Punkt 2d der PBZugV – alleine schon, um eine Steuergerechtigkeit herzustellen und den Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen zu garantieren. Es sollte gelten: Bei konkreten Gefährdungen der Fahrgäste, z. B. Wartungsmängeln infolge unterlassener Servicetermine, konkret nachweisbaren Steuerstraftaten oder Ähnlichem ist die Unzuverlässigkeit anzunehmen. Abstrakte Gefahren an sich zählen hierzu nicht. Und diese Zeilen bitte nicht falsch verstehen: Der zuverlässige Unternehmer ist das Leitbild, dem wir alle verpflichtet sind! au Taxi Times-Kolumnist Axel Ulmer aus Kaiserslautern ist Unternehmensberater und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht/PBefG. TAXI 1. QUARTAL 2022 27

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