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Taxi Times DACH - 4. Quartal 2023

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DIE TAXITHEMEN

DIE TAXITHEMEN 2023 ON-DEMAND- VERKEHR BRAUCHT KEINE NEUEN FAHRZEUGFLOTTEN Früher wurde es Anruf-Sammeltaxi genannt, dann kam die Idee, einen neuen Namen mit eigenen Flotten zu erfinden. Heute setzt sich die Einsicht durch, dass Personenbeförderung On-Demand das Taxi einbeziehen muss, um nachhaltig und wirtschaftlich zu sein. Die Idee ist jahrzehntealt, erfährt aber noch nicht so lange ihre gebührende Beachtung. Ursprünglich steht On- Demand-Mobilität für eine Verkehrsform, bei der Kunden entsprechend ihren Fahrtwünschen befördert werden – ohne vorgegebene Linie und ohne Fahrplan. Bei Nicht-Bedarf findet also kein Verkehr statt, womit das Fahren leerer Busse vermieden wird. Lassen sich dabei sogar Fahrtwünsche mehrerer Kunden kombinieren, so werden Sammelfahrten organisiert. Dann spricht man von Ridepooling. On-Demand-Verkehr liegt somit an der Schnittstelle zwischen Linien- und Gelegenheitsverkehr. Das nicht-liniengebundene Ridepooling hat mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) sogar eine eigene Kategorie als „Verkehrsart“ bekommen: gebündelter Bedarfsverkehr. Die gesellschaftlichen und klimapolitischen Vorteile sind offensichtlich, gerade bei der Nutzung regional vorhandener Strukturen. Doch wenn die umweltpolitischen Ziele der neuen Dienste wirklich erreicht werden sollen, muss das Taxi- und Mietwagengewerbe integriert werden. Beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag in Ludwigshafen war die Diskussionsrunde „On-Demand als Zukunftschance für das Taxigewerbe“ ein Besuchermagnet. Der Raum platzte aus allen Nähten, als Samir El-Zahab von der Nahverkehrsberatung Südwest Idee und Programm für das ÖPNV-Taxi vorstellte, Dr. Hubertus Baumeister spannende Fakten über den Rechtsrahmen für solche Projekte darlegte und Benjamin Schmidt von CarlE seine Erfahrungen bei der Umsetzung schilderte. GUTES BEISPIEL: ÖPNV-TAXI IN FREUDENSTADT Den wirklichen Wendepunkt zugunsten der Gesellschaft, des Klimas und der Branche beinhaltet die rechtliche Konstruktion ÖPNV- Taxi, wie sie beispielsweise in Freudenstadt mithilfe der Nahverkehrsberatung SüdWest bereits erfolgreich umgesetzt wird. Da in der zwischen Freiburg im Breisgau und Stuttgart liegenden Kreisstadt alle regionalen Taxibetriebe als Leistungserbringer eingebunden sind oder zumindest sein können, kann der Verkehr über eine sogenannte allgemeine Vorschrift gemäß Art. 3, Abs. 2 VO (EG), Nr. 1370/2007 gewährt werden. Damit entfällt die Notwendigkeit der Ausschreibung und folglich des Nachweises der großen Busfachkunde zur Übernahme einer Genehmigung nach Paragraf 44 PBefG. Die genannte VO hat die vollständige Bezeichnung „Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates“. Sie soll unter anderem „sichere, effiziente und hochwertige Personenverkehrsdienste durch regulierten Wettbewerb“ gewährleisten. Die Tariftreue gemäß den Vergabe- und Tariftreuegesetzen der Länder gilt in diesem Modell nicht. Somit besteht weiterhin die FOTOS: Remmer Witte, Anikka Bauer / BVG, Stadt Taunusstein, Dresdner Verkehrsbetriebe, Moia, GVH, Axel Rühle, CleverShuttle 18 4. QUARTAL 2023 TAXI

DIE TAXITHEMEN 2023 Option, „nur“ Mindestlohn zu bezahlen. Damit fallen Risiken weg, die manche Ausschreibungen bezüglich bestimmter Tariftreueregelungen beinhalten, denen das mindestlohnabhängig tarifgebundene Taxigewerbe derzeit vielfach nicht gerecht werden kann. TAXI ALS VERLÄSSLICHER PARTNER Auch in Bezug auf die von den Verkehrsträgern zu zahlenden Ausgleichsleistungen ist das Taxi rechtlich gesehen ein einfacher Partner: Wird für die Erbringung einer Verkehrsleistung ein Ausgleich über eine allgemeine Vorschrift gemäß der Verordnung gewährt, ist sie gemäß PBefG als eigenwirtschaftlich qualifiziert. So können auch ohne Ausschreibung Ausgleichsleistungen an die Betreiber mittels öffentlich festgesetzten Höchsttarifen wie eben den Taxitarifen geleistet werden. Begründet wird dies mit der Eigenwirtschaftlichkeit des Taxis. So können die Kommunen beim ÖPNV-Taxi die Differenz zwischen dem vom Kunden zu entrichtenden ÖPNV-Tarif (ggf. mit Servicezuschlag) und dem Taxitarif direkt an die Unternehmen ausgleichen und müssen lediglich einen minimalen Abschlag realisieren, der den durch die Fahrten optimierten Fixkostenausgleich reduzierend berücksichtigt. Dieser gemäß der allgemeinen Vorschrift notwendigerweise zu vereinbarende geringe Abschlag muss als Sondervereinbarung im Taxitarif fixiert werden. Die Taxler werden so für ihre Leistung in der Summe gemäß Taxitarif minus X entlohnt, wobei X nach Aussage der Referenten im Durchschnitt etwa fünf Prozent betrage, maximal zehn Prozent. Im Modell des ÖPNV-Taxis der Nahverkehrsberatung SüdWest wird der Abschlag durch eine geringe Reduzierung der Grundgebühr realisiert, abhängig davon, wie hoch der Bereitschaftsanteil des jeweiligen Unternehmens als ÖPNV-Taxi ist. Das tariflich festgelegte Kilometerentgelt bleibt dabei in jedem Fall unangetastet. Gleichzeitig bleibt die Teilnahme am Projekt stets freiwillig, da unternehmerseitig keine Auftragsübernahmegarantie geleistet werden muss. Wer jedoch aktiver ist, dessen Fahrleistungen werden besser honoriert. Zudem können für barrierefreie Fahrten Guido Borning, Dr. Hubertus Baumeister, Benjamin Schmidt, Samir El-Zahab (v. l. n. r.) und mit E-Antrieb Zuschläge gewährt werden. Alle Kosten, die den Taxiunternehmen unmittelbar aufgrund der Anwendung des ÖPNV-Tarifs entstehen (z. B. Geräte im Fahrzeug), müssen sogar vom Aufgabenträger erstattet werden. Rechtlich ist die Durchführung der On-Demand-Fahrten durch Taxibetriebe eindeutig und einfach definiert: Die lokalen Unternehmen nehmen mit ihren vorhandenen Taxikonzessionen im Gelegenheitsverkehr am ÖPNV teil, da sie diesen auch ohne zusätzliche Genehmigung gemäß Paragraf 8, Abs. 2, PBefG ergänzen und verdichten. Sie werden einfach über ihren allgemeinen gesetzlichen Auftrag in das ÖPNV-System mit eingebunden, ohne dafür explizit einen gesonderten Auftrag zu erhalten. Auch wenn das ÖPNV-Taxi eher für ländliche Räume entwickelt wurde, kann es Stadtbuslinien ergänzen und/oder teilweise ersetzen. In solchen Fällen werden On-Demand-Verkehre als Zubringer eingesetzt. Samir El-Zahab wies darauf hin, dass die cloudbasierte Software der Nahverkehrsberatung SüdWest grundsätzlich offen für die Etablierung von Schnittstellen zu den verschiedenen Vermittlungssystemen der Regionen sei. ON-DEMAND-VERKEHRE MÜSSEN GÜNSTIG SEIN Ein kaum zu umgehendes Argument pro Taxi bei der Integration von On-Demand-Verkehren brachte Dr. Baumeister von der Kanzlei BBG und Partner aus Bremen vor. Er sieht für die ÖPNV-Aufgabenträger aus beihilferechtlichen Gründen eine grundsätzliche Verpflichtung, die möglichst kostengünstigste Form für On-Demand- Verkehre zu wählen. Hierbei kann dem Taxigewerbe der Vorzug gegeben werden oder es wird ein differenziertes Modell von Mischverkehren umgesetzt. Um hier zu wirtschaftlich optimalen und rechtskonformen Ergebnissen zu kommen, sind diese Fragen im Nahverkehrsplan oder zumindest in einem ausführlich begründeten Rats- bzw. Kreistagsbeschluss zu entscheiden. Hierbei ist auch der Fortbestand der Funktionsfähigkeit des eigenwirtschaftlichen Taxigewerbes zu berücksichtigen. Das wiederum lässt sich „aus einer Hand“ ermitteln, weil ÖPNV-Aufgabenträger in der Regel auch die zuständige Behörde für den Gelegenheitsverkehr ist. Etabliert sich in einem Gebiet ein On-Demand-Verkehr zulasten des Taxigewerbes und bringt damit die im PBefG verankerte Verkehrsform des eigenwirtschaftlichen Taxiverkehrs zum Erliegen, hätte dies erhebliche Nachteile für potenzielle Fahrgäste des regulären Taxis zur Folge. Eine solche On-Demand-Verkehrsform mit Steuermitteln zu etablieren, hält Baumeister daher für unzulässig. In der Schlussrunde äußerten sich die Referenten sehr optimistisch, dass die Branche auch im Jahr 2030 nicht wegrationalisiert, sondern – im Gegenteil – ein wichtiges Element der Mobilitätswende sein wird, wie es auch die EU-Kommission in ihrer Mitteilung zum Gelegenheitsverkehr 2022 ausdrücklich unterstrichen hat. rw TAXI 4. QUARTAL 2023 19

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