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Taxi Times DACH - Februar 2018

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WETTBEWERB „Die

WETTBEWERB „Die Umsatzeinbußen würden für die Taxi-Unternehmer existenzbedrohend sein.“ Christian Brüggmann, Vorstand Taxen Union Hamburg Der VW-Konzern sucht nach neuen Geschäftsfeldern: Eintausend dieser Kleinbusse könnten bald durch Hamburg rollen. »VOLKSWAGEN-UBER« GREIFT AN In Hamburg hat der Volkswagenkonzern für seine Marke »MOIA« 1.000 neue Mietwagenkonzessionen beantragt – ein Generalangriff auf die Marktordnung. Geht es nach dem Willen der VW- Tochter, soll die Genehmigung auf Basis des § 2 Absatz 7 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) erteilt werden. Diese sogenannte Experimentierklausel erlaubt die einmalige Genehmigung von Personenbeförderungen für vier Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeit, wenn damit eine „neue Verkehrsart“ erprobt werden soll. Mit dem Antrag wird deutlich, was die PR-Abteilung des Volkswagen-Konzerns mit ihren im letzten Sommer wohl gesetzten Worten tatsächlich meinte, als man eine „Modellstadt für urbane Mobilitätskonzepte“ versprach. MOIA betreibt 1 000 Kleinbusse in Hamburg als Sammeltaxis, subventioniert durch zig Millionen Euro jährlich, ohne dabei die Pflichten eines Taxis zu übernehmen. Wie immer bei Anträgen auf neue Konzessionen werden regionale Taxiverbände als sogenannte Anhörstellen um eine Stellungnahme gebeten. Die Hamburger Taxen-Union sieht in ihrer Stellungnahme die gesetzlich geschützte Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes gefährdet. Auch der Hamburger Taxenverband (HTV) äußert Bedenken. Die Taxen-Union Hansa Hamburg sieht im Wesentlichen einen Rechtsmissbrauch: Mit der großen Anzahl der einzusetzenden Fahrzeuge wird der „Typenzwang“ des PBefG, der den Markt schützen soll, umgangen und eine Konkurrenz geschaffen, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sei. Die Verkehrsarten, wie Individualtransporte oder Sammelfahrten, würden bereits jetzt von Taxis und Mietwagen durchgeführt. VORGESCHOBENE ARGUMENTE Die eingesetzten Kleinbusse von VW sollen weitgehend einen Elektro-Antrieb haben und sowohl für Einzelpersonen buchbar sowie als Sammeltaxis bestellbar sein. Damit würden sie die Kriterien des klassischen Taxiverkehrs erfüllen, sodass die Nutzung der Experimentierklausel nicht infrage käme, führt der Vorsitzende der Taxen-Union, Christian Brüggmann, an. Die Disponierung per App und die elektrischen Antriebe seien nur vorgeschoben und würden nicht ausreichen, um eine „neue Verkehrsart“ zu begründen. Auch die hohe Zahl von 1 000 beantragten Genehmigungen spräche eindeutig für einen Regelbetrieb und nicht für einen Probebetrieb. Grund für die VW-Tochter, eine neue Verkehrsart zu beantragen, bliebe dann lediglich die Befreiung von den klassischen Pflichten des PBefG wie Betriebspflicht und Pflichtfahrgebieten. MOIA beabsichtigt anscheinend, das Projekt mit 50 Millionen Euro jährlich aus Mitteln des VW-Konzerns zu bezuschussen und behält sich vor, nur lukrative Bereiche zu bedienen. Dort belastet sich MOIA, das seine Fahrten wesentlich günstiger als ein herkömmliches Taxi anbieten möchte. Dies erfolgt jedoch nicht als Tür-zu-Tür-Service, sondern über das Einsammeln an einer „virtuellen Haltestelle“. Ob im Mietwagenbetrieb die Rückkehrpflicht eingehalten würde, sei faktisch durch die Vermischung der Verkehre nicht mehr zu überprüfen, heißt es in der Stellungnahme der Taxen-Union, der sich auch die beiden großen Zentralen Hansafunk und Taxi Hamburg und die sogenannten Hamburger Stadtrandzentralen angeschlossen haben. Auch „zahlenmäßig unbestimmte Betriebshöfe“ sieht die Taxen-Union „als unselbstständige Niederlassungen, die es im Mietwagenverkehr wegen der Rückkehrpflichteinhaltung nicht geben darf“. FOTOS: Moia, Brüggmann 10 FEBRUAR / MÄRZ / 2018 TAXI

WETTBEWERB Zu den gut dreitausend Taxis in der Hansestadt, von denen über 1 800 von Unternehmern mit nur einer Taxikonzession betrieben werden, würden sich dann 1 000 Kleinbusse gesellen, sodass bereits in der Erprobungsphase Fakten geschaffen würden. Der von Robert Henrich (Leiter des operativen Geschäftes bei MOIA) und in dem MOIA-Konzept angeführten Behauptung, es handele sich weniger um eine Konkurrenz zu bestehenden Verkehrsanbietern als vielmehr um eine „Ergänzung“, widersprechen die Taxiverbände. Denn dass der notwendige Umsatz für 1 000 zusätzliche Fahrzeuge hauptsächlich mit neuen Kunden erzielt wird, sei, so Brüggmann, ausgeschlossen. Die Umsatzeinbußen würden für die Taxi-Unternehmer existenzbedrohend sein. Die wirtschaftliche Situation würde sich für die Taxiunternehmer weiter verschlechtern, sodass Unternehmen zum Aufgeben gezwungen sein würden. In der Folge könne die jetzt schon schwierige Versorgung zu Nebenzeiten und in Randgebieten nicht mehr aufrechterhalten werden. „Damit liegt ein klassischer Fall der Störung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Verkehrsinteresses vor.“ Eine verschärfte Konkurrenz sei auch auf dem schwierigen Arbeitsmarkt zu befürchten. Das neue Angebot mache außerdem nicht nur den Taxis, sondern auch der Hamburger Hochbahn AG, die den ÖPNV der Hansestadt betreibt, Konkurrenz. STÖRT DEN VERKEHRSFLUSS Taxen-Union und HTV kritisieren auch die Umsetzbarkeit des Konzeptes. Die Einbindung der virtuellen Haltepunkte in das Straßennetz sei insbesondere in der Innenstadt wegen rechtlicher Bestimmungen und des Verkehrsflusses gar nicht möglich. Privilegien, wie das Halten in zweiter Reihe oder das Befahren von Fußgängerzonen, sind ausschließlich Taxis vorbehalten. Beide Stellungnahmen weisen darauf hin, dass der Kontrollaufwand für die Behörden wesentlich ansteigen würde. Der HTV geht in seiner 12-seitigen Stellungnahme auch auf die sozialen Aspekte ein. So sei das MOIA-Konzept nicht diskriminierungsfrei, denn für Rollstuhlfahrer oder Gehbehinderte müssen bei MOIA eigens herkömmliche Benzinfahrzeuge eingesetzt und angefordert werden, schreibt HTV-Vorstand Clemens Grün. Und dass die Fahrzeuge ausschließlich über eine Smartphone-App bestellt werden können, schließe insbesondere ältere Menschen aus. Übereinstimmend kritisieren die Verbände, dass die Tragweite der Entscheidung weit über das Personenbeförderungsgesetz hinausreiche und von einer öffentlichen Debatte begleitet werden müsse. Insbesondere ginge es um die Frage, ob die gesetzliche Absicherung der Grundversorgung sowie eines barriereund diskriminierungsfreien Zugangs zu Transportlösungen aufgegeben werden sollte. Einen gesellschaftlichen positiven Effekt können die Verbände in dem Angebot nicht erkennen. Wenn der vorliegende Antrag genehmigt würde, geschehe dies nur, so Taxen-Union und HTV, um den Automobilkonzernen die Möglichkeit zu geben, sich als zukünftiger Transportdienstleister Marktanteile zu erobern. prh »PROVOKATION DES RECHTSSTAATS« FOTOS: GVN, Taxi Times Das Rechtsverständnis der VW-Tochter Moia wird vom Taxigewerbe mit deutlichen Worten kritisiert. Die Branche appelliert an die Politik, auf das Taxi- Sharing zu vertrauen. Moia plant seine „neue Verkehrsart“ Ride-Sharing nicht nur in Hamburg, sondern auch in Hannover. Dort wurde bei der Genehmigungsbehörde ebenfalls ein Antrag auf Zulassung diverser Konzessionen als Sondergenehmigung nach der sogenannten Experimentierklausel gestellt. „Moia will in Hannover Sammelbeförderungen im linienähnlichen Verkehr am Markt platzieren“, berichtete der GVN-Geschäftsführer Benjamin Sokolovic während eines Zusammentreffens seines Verbandes mit niedersächsischen Landespolitikern. Für den Gesamtverband des Verkehrsgewerbes Niedersachsen (GVN) sei es „irritierend“, wenn Moia unter dem Dach der Experimentierklausel gleichzeitig klassische Mietwagenverkehre mit besonderen Kundengruppen wie an Flughäfen oder Hotels abwickeln wolle. „Dies ist nicht nur Rechtsbruch, sondern auch Rosinenpickerei.“ Der aktuell eingereichte Antrag von Moia bei der Stadt Hannover zur Genehmigung von Ride-Sharing-Verkehren beinhalte auch die Forderung nach einer ausdrücklichen Unterstützung bei „der gegebenenfalls erforderlichen Anpassung der Verwaltungsprozesse, um die für das Moia-Shuttle beschriebene Variante des Personenbeförderungsscheines für eine große Anzahl von benötigten Fahrern zu genehmigen“. Für Sokolovic ist diese Forderung „eine Provokation unseres Rechtsstaats“. Es erschließe sich dem GVN nicht, warum für ein einzelnes Unternehmen Sonderregelungen geschaffen werden sollen. AUF DIE BESTEHENDE TAXI- STRUKTUR ZURÜCKGREIFEN Für Hermann Waldner, Vizepräsident des BZP und Chef der Berliner Taxizentrale TZB mit 6 500 Taxis, ist die Genehmigung unzähliger zusätzlicher Mietwagenverkehre auch unter dem Gesichtspunkt der Luftreinhaltung kontraproduktiv. Man brauche keine zusätzlichen Fahrzeuge im Innenstadtbereich, sondern könne mit all den Konzepten auf die bestehende Taxi- Benjamin Sokolovic (links) und Hermann Waldner Struktur zurückgreifen. Taxi-Sharing über die App taxi.eu ist technisch möglich und wird in Hamburg auch bereits umgesetzt. Die anderen deutschen Millionenstädte Berlin, München und Köln sollen folgen, sobald die Genehmigungsbehörden dort grünes Licht gegeben haben. „Während sich die Reichweiten der Carsharing-Dienste auf die Ballungsräume konzentrieren, funktioniert Taxi-Sharing auch außerhalb der City und kann so seine Dienstleistung bei konkurrenzfähigen Preisen besser darstellen“, betont Waldner. jh TAXI FEBRUAR / MÄRZ / 2018 11

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