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Taxi Times DACH - November/Dezember 2019

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WETTBEWERB VERRÄTER DES

WETTBEWERB VERRÄTER DES JAHRES Der Wandel des bisherigen App-Anbieters mytaxi zu Free Now liest sich wie eine Chronologie des Grauens. Selten wurde das Taxigewerbe so hintergangen wie von der Daimler-Tochter. Mytaxi will früher oder später nur Mietwagen vermitteln“. Diese Aussage stammt von Aleksandar Dragicevic, Vorstand des Kölner Taxiruf. Getätigt wurde sie im November 2018 während einer Informationsveranstaltung. So recht glauben wollte das vor gut einem Jahr noch keiner, es schien doch eher der Versuch zu sein, einen unmittelbaren Wettbewerber schlechtreden zu wollen. Schließlich war mytaxi doch der Partner der Taxiunternehmer und -fahrer und fungierte seit Jahren als Auffangbecken für all jene, die entweder mit ihrer heimischen Taxizentrale unzufrieden waren oder für sich und ihre Fahrer jede Möglichkeit einer Auftragsvermittlung nutzen wollten. DIE BONUSJÄGER Nur zwölf Monate später wird kaum ein Taxiunternehmer Dragicevics Aussage infrage stellen. Das zeigt sich auch daran, dass sich die Anzahl derer, die immer noch mit der Nachfolger-App Free Now zusammenarbeiten, massiv reduziert hat. Jetzt fahren nur noch jene Unternehmer, die immer noch kein Vertrauen in die heimische Taxizentrale haben oder kurzfristig das schnelle Geld verdienen wollen (geködert durch massive Bonuszahlungen). Oft ist es eine Kombination aus beidem, gepaart mit einer naiven Ignoranz. Ein Berliner Einzelunternehmer beispielsweise rechtfertigt seine Partnerschaft damit, dass er ohne Free-Now-Fahrten wirtschaftlich nicht überleben könne. Das ist, als wenn man in ein Dieselauto, bei dem der Tank leer ist, noch schnell fünf Liter Benzin reinkippt in der Hoffnung, es so wenigstens bis zur nächsten Tankstelle zu schaffen. mytaxi hat als Free Now die Taxibranche verraten und jene Kollegen werden zu Mittätern. Begonnen hatte die Chronologie des Verrats im Februar dieses Jahres, als BMW und Daimler gemeinsam ihre Kooperation im Bereich einer neu geschaffenen Mobilitätssparte verkündeten. In einem Joint Venture wurde die Marke „Now“ vorgestellt, in der neben dem Car-Sharing (Drive Now und car2go verschmolzen) unter anderem auch die Personenbeförderung unter der Marke Free Now möglich wurde. Dafür gab man nicht nur den etablierten Namen mytaxi auf, sondern erweiterte auch die Angebots palette um eine Mietwagenoption. Der Kunde, der bisher bei mytaxi bestellt hat, wird seitdem mit Dumpingpreisen dazu animiert, anstelle des Taxis den Mietwagen zu bestellen. Zum Start in Hamburg, Berlin und Köln kostete jede Mietwagenfahrt pauschal fünf Euro. Mittlerweile sind diese Aktionen beendet, jetzt gibt es stattdessen „nur noch“ Rabattaktionen mit 50 Prozent. Dabei ist das nicht einmal ein finanzieller Verlust für Free Now: Für jede Taxifahrt erhält der Fahrtenvermittler eine Provision von sieben Prozent vom Taxiunternehmer. Das sind 1,40 Euro. Mit Mietwagenunternehmern ist eine Provision von 27 Prozent vereinbart. Das sind selbst bei fünf Euro noch 1,35 Euro. FRAGWÜRDIGES KOSTENMODELL Nun dauert aber eine 20-Euro-Fahrt mit dem Taxi im staugeplagten Stadtverkehr erfahrungsgemäß 30 Minuten. Der billigere Mietwagen kann zwar an der Preisschraube drehen, an der Uhr aber kann er nicht drehen – soll heißen, auch er braucht 30 Minuten. Selbst im Falle einer unmittelbaren Anschlussfahrt kann er also nach Abzug der Provision maximal 7,30 Euro Umsatz pro Stunde machen. Das deckt nicht einmal den Mindestlohn für den angestellten Fahrer, geschweige denn die angefallenen Fahrzeugkosten. Somit kann solch ein Preismodell nur bedeuten, dass die Verbraucherpreise ent- FOTO: Adobe Stock / sawitreelyaon 38 NOVEMBER / DEZEMBER / 2019 TAXI

WETTBEWERB Das Mietwagen-Angebot (Ride) kann der Beworbene mit ‚Cool danke‘ quittieren. Die Taxifahrer sind stinksauer auf Free Now. Das zeigt sich auch an solchen selbst angefertigten Abbildungen. FOTOS: Screenshot weder – bei entsprechender Marktdurchdringung – drastisch angehoben oder aber die scheinselbstständigen Mietwagenpartner von Free Now in prekäre Arbeitsverhältnisse getrieben werden und dann beim Sozialamt Hilfen beantragen müssen, um finanziell über die Runden zu kommen. Daimler schröpft den Sozialstaat, während sich der Kunde (Verbraucher) über die billigen Preise freuen kann und gefälligst auch kein Taxi, sondern einen Mietwagen bestellen soll. FALSCHE FAHRPREISE Die Wahl zwischen Taxi und Mietwagen soll der Kunde aber weiterhin haben, weswegen ihm bei der Fahrtbestellung sowohl der Preis einer Mietwagen- als auch einer Taxifahrt angezeigt wird. Dabei wird der Taxipreis unrealistisch und überzogen angegeben. Für eine Fahrt vom Münchner Zentrum zum Flughafen wird beispielsweise eine Preisspanne zwischen 84 und 109 Euro genannt. Die Mietwagenfahrt ist dagegen immer schön günstig. Doch wie lange darf sich der Fahrgast darüber noch freuen? Schon während des Münchner Oktoberfestes zeigte sich, wo auch bei Free Now die Preise landen werden, wenn die App erst einmal genügend Marktanteile erobert hat. Während der Hightime kostete eine Free- Now-Fahrt vom Oktoberfest zum Flughafen mit einem Mietwagen 100,04 Euro und damit das Doppelte des Dumpingpreises, den man noch wenige Stunden zuvor angeboten hatte. Und selbst Fahrgäste, die trotz allem innerhalb der Free-Now-App weiterhin ein Taxi bestellen, erhalten unmittelbar nach der Bezahlung per Push-Nachricht auf dem Smartphone die Aufforderung, beim nächsten Mal doch eine Fahrt mit Mietwagen zu buchen. Sieht so die „Taxi-DNA“ aus, die man laut Beteuerungen aus dem Hause Free Now nach wie vor in sich trage, weil man sich ja schließlich immer noch als Partner des Taxigewerbes sehe? Dummerweise wurde jene „Taxi-DNA“ von den Free-Now- Managern genetisch dermaßen manipuliert, dass vom Ursprungsprodukt Taxi nicht mehr viel übrig ist. Und wie immer bei Gen-Manipulationen muss man auch hier weniger den rechtlichen als vielmehr den ethischen und moralischen Aspekt in Die Taxi Sonder-Editionen sind wieder da! • Silber Edition • Gold Edition • Gold Edition Plus • Platin Edition den Vordergrund rücken. Was berechtigt einen Großkonzern wie Daimler dazu – der sich mytaxi vor einigen Jahren einverleibt hat –, seine bisherigen Taxikunden von einem Tag auf den anderen in eine andere Verkehrsart zu lenken? PARALLELEN ZU UBER Das ist eine Verhöhnung, die man mit Worten schon gar nicht mehr beschreiben kann. Der ehemalige Uber-Chef Travis Kalanick sprach einst von einem „Arschloch namens Taxi“. Free Now würde so etwas natürlich nie sagen, aber letztendlich handeln die Free-Now-Verantwortlichen so, als wären sie von genau jener „Arschloch-DNA“ infiziert worden, von der einst Kalanick befallen war. jh Volkswagen Stützpunkt Taxi und Mietwagen www.vwtaxi.com TAXI NOVEMBER / DEZEMBER / 2019 39

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