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Taxi Times München - 1. Quartal 2020

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ORTSKUNDE SCHNELLER ZUR

ORTSKUNDE SCHNELLER ZUR PRÜFUNG Das Münchner Taxigewerbe hat eine Reduzierung des Ortskunde-Lehrstoffs beantragt. Es ist eine notwendige Zwischenlösung, um die dramatische Wettbewerbsverzerrung zwischen Taxis und Mietwagen aufzuweichen. Auf den ersten Blick mag ein solcher Antrag verwundern, ist die Ortskunde doch gerade die Stärke des Gewerbes. Doch ein paar nackte Zahlen belegen, dass eine Umkehr vom bisherigen Verfahren dringend nötig ist: 2.000 verfügbare Arbeitsplätze können Münchner Taxibetriebe derzeit nicht besetzen, weil ihnen das Fahrpersonal fehlt. Nachwuchs ist nicht in Sicht. Gerade einmal 300 Fahrer haben sich bei der Taxi München eG im Jahr 2019 zum Datenfunkkurs angemeldet. Bei Isar- Funk, der kleineren der beiden Zentralen, ist die Zahl naturgemäß noch niedriger. Dem gegenüber steht eine demografische Entwicklung: Altersbedingt haben rund 150 bis 180 Taxifahrer die Branche verlassen. Diese Entwicklung ist auch die Folge eines Teilnehmer-Rückgangs bei den beiden wichtigsten Münchner Taxischulen. Hatten sich 2016 bei der Taxischule München (integriert in den Taxiverband) noch 384 angehende Taxifahrer für den Vorbereitungskurs zur Ortskundeprüfung angemeldet, waren es 2017 nur noch 298, ein Jahr später 202 und im Jahr 2019 gar nur noch 187. Florian Bachmann spricht von einer „drastische Reduzierung“ (siehe Seite 12). Noch schlimmer erwischte es die Taxischule der Taxi München eG: Von 201 im Jahr 2017 ging die Zahl der Anmeldungen 2019 auf 54 zurück. Ein Rückgang um fast 75 Prozent. Damit entsteht ein Teufelskreislauf, denn die Verbände und Zentralen, die im Sinne ihrer Mitgliedsunternehmen für Nachschub sorgen sollen, können diesen Auftrag nur noch mit wirtschaftlichen Verlusten realisieren. Die Taxi München eG hat bereits die Reißleine gezogen und die Taxischule zum Jahreswechsel eingestellt. Die Schüler werden vom Taxiverband München übernommen. „Langfristig gesehen wird über eine Kooperation mit der eG nachgedacht“, berichtet Bachmann. Geplant sei die Gründung einer gemeinsamen Schule mit Zertifikat. EXISTENZBEDROHENDE ZAHLEN Wer mit solchen existenzbedrohenden Zahlen konfrontiert wird, muss sich natürlich auf Ursachenforschung begeben – und landet dabei letztlich im Jahr 2017, als der Gesetzgeber – ohne vorher mit der Branche gesprochen zu haben – handstreichartig eine Änderung in der Berufszugangsverordnung beschloss. Seitdem müssen Mietwagenfahrer keine Ortskunde mehr nachweisen, wenn sie in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern Personen gewerblich befördern. Für Taxifahrer ist dieser Ortskundenachweis nach wie vor verpflichtend. Aus dieser Neuregelung resultierte eine massive Wettbewerbsverzerrung, denn parallel zum Fahrerschwund (den übrigens auch die öffentlichen Verkehrsbetriebe beklagen) hat sich die Zahl der Münchner Mietwagenkonzessionen in den letzten Jahren verdoppelt (siehe Seite 17). Interessenten an einem Beruf in der Personenbeförderung landen heute bei Mietwagenunternehmen, weil sie dort sofort einen Arbeitsplatz bekommen, während sie als Taxifahrer erst eine mehrmonatige Vorbereitung auf die Ortskundeprüfung absolvieren müssen. „Das Taxigewerbe stirbt nicht wegen Uber, es stirbt schon vorher wegen Fahrermangel“, prognostiziert Thomas Kroker, Vorstand der Taxi München eG. Der Wettbewerb der Taxibranche mit Uber, Free Now & Co. um Fahrgäste hat sich somit zu einer Konkurrenz um das Fahrpersonal erweitert. Langfristig wird es darum gehen, „dass für alle Formen der gewerblichen Personenbeförderung mit Pkw eine einheitliche Qualifikation vorgeschrieben wird“, wie es im Positionspapier an den Oberbürgermeister heißt (siehe Seite 6). Doch bis das seinen Weg durch die rechtlichen Instanzen gegangen ist, bedarf es einer wirksamen Zwischenlösung. Deshalb sollte die Stadt München schnell reagieren. Jede Woche, in der der im Oktober gestellte Antrag unbehandelt auf dem Schreibtisch der Führerscheinstelle liegt, ist eine vergeudete Woche. jh FOTO: Adobe Stock / anvaka Ruslan Galiullin KARTE: anvaka MONTAGE: Raufeld Medien 8 1. QUARTAL 2020 TAXI

WETTBEWERB EIN URTEIL UND KEINE FOLGEN Kurz vor Weihnachten spricht ein Frankfurter Gericht ein Wettbewerbsverbot für Uber aus. Doch über dieses Geschenk konnte sich das Taxigewerbe nur sehr kurz freuen. Hinter diesen Türen wurde das Urteil gefällt. FOTOS: Taxi Times, Taxi Kocer Für viele Taxler war der 19. Dezember wie eine verfrühte Bescherung. An diesem Tag verbot das Landgericht Frankfurt dem Unternehmen Uber, weiterhin Aufträge zu vermitteln, weil man erstens über keine eigene Mietwagengenehmigung verfüge, zweitens es technisch ermögliche, dass Aufträge direkt ins Fahrzeug der Partner vermittelt werden, und drittens keine ausreichenden Kontrollmaßnahmen einsetze, um die Partner von den Verstößen der Rückkehrpflicht abzuhalten. Solange diese Missstände nicht aufgehoben sind, wird Uber eine weitere Fahrtenvermittlung untersagt. Zur Urteilsverkündung waren Dieter Schlenker und Rechtsanwalt Herwig Kollar erschienen, beide vom Kläger Taxi Deutschland, dem Zusammenschluss der größten und wichtigsten Taxizentralen. Die Uber-Anwälte waren gar nicht erst aufgetaucht, dafür hatten sich vier Unternehmer aus München auf den Weg nach Frankfurt gemacht. Sie wollten live dabei sei, wenn es zum Verbot kommt, und sie sollten nicht enttäuscht werden. Zumindest nicht im Gerichtssaal. Die Ernüchterung kam in den nächsten Tagen und sie kam in zwei Etappen. Zunächst, weil auf den Straßen Münchens noch genauso viele Uber-Wagen herumfuhren wie vorher. Der nächste Tiefschlag kam dann kurz vor Weihnachten, als Uber sehr medienwirksam erklärte, man habe sein Geschäftsmodell umgestellt und erfülle nun alle im Urteil bemängelten Punkte. Zu diesem Zeitpunkt war das Taxigewerbe noch damit beschäftigt, die vom Gericht geforderte Sicherheitsleistung zu hinterlegen, um damit überhaupt erst die Voraussetzung zu schaffen, dass jenes Urteil auch vollstreckt werden kann. BERUFUNG IST MÖGLICH Rechtsanwalt Kollar erklärte das Prozedere in einem Interview mit dem Veröffentlichungsorgan „Report“ des Bundesverbands Taxi und Mietwagen e. V.: „Es handelte sich hier um ein Urteil der ersten Instanz, gegen das natürlich Berufung eingelegt werden kann“, sagt Kollar. „Damit ist es nicht rechtskräftig. Das heißt in der Praxis, man kann es nicht endgültig vollstrecken. Da gibt es bestimmte Voraussetzungen, dazu Freude über ein gerechtes Urteil: Diese vier Münchner Taxiunternehmer sind am 19. Dezember zum Frankfurter Landgericht gefahren, um live bei der Urteilsverkündung dabei zu sein. gehört die Sicherheitsleistung.“ Deren Höhe werde vom Landgericht bestimmt, so Kollar weiter. Dabei habe es sich um eine Summe von 150.000 Euro gehandelt, die Taxi Deutschland als Klägerin bei Gericht einzahlen musste. „Da muss erst die Gerichtskasse nach einem Beschluss angewiesen werden“, blickt Kollar hinter die Kulissen. „Die Formalitäten geschahen auch relativ schnell, einen Tag vor Weihnachten war das Geld hinterlegt. Durch die Feiertage und den Jahreswechsel habe ich am 10. Januar die Hinterlegungsbescheinigung bekommen. Dann habe ich mir eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils von der Geschäftsstelle des Landgerichts erteilen lassen. Das ist mehr als das einfache Urteil. Und damit sowie der Hinterlegungsbescheinigung über die 150.000 Euro bin ich dann zu der Kanzlei in Berlin gegangen, die Uber vertritt.“ Kollar beschreibt die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung am 15. Januar als unspektakulär. Wichtig sei, dass man nun dem Gericht die Verstöße anzeigen könne, denn die angekündigte Änderung des Geschäftsmodells reiche aus Kollars Sicht nicht aus. Genau das wird aber nun wieder das Landgericht Frankfurt entscheiden müssen – anhand der Anzeigen und dokumentierten Beweise, die ab dem 16. Januar in ganz Deutschland gesammelt wurden. In München hatte dafür der TVM die Federführung übernommen. Was genau erforderlich war, um gerichtsfeste Beweise zu sammeln, erfahren Taxiunternehmer und -fahrer beim Taxiverband München (Kontaktdaten siehe Seite 12). Eines sei an dieser Stelle schon mal verraten. Für die Taxifahrer und -unternehmer wird es noch ein langer Kampf gegen Uber und Free Now. Bis zur nächsten Bescherung wird man abermals viel Geduld brauchen. jh TAXI 1. QUARTAL 2020 9

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