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Taxi Times München - 1. Quartal 2021

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PERSONEN TABLET STATT

PERSONEN TABLET STATT TAXI Zum Schutz vor Corona-Ansteckung sollen Senioren und Risikopatienten von der Stadt Taxigutscheine bekommen. Doch die Sozialreferentin lehnt dies ab. Über ihre Begründung ist ein parteipolitischer Streit entbrannt. Evelyne Menges Dorothee Schiwy Mit gleich drei Anträgen, zwei davon sogenannte Dringlichkeitsanträge, hatte die CSU, die in München seit der Kommunalwahl des letzten Jahres wieder in der Opposition ist, Taxigutscheine gefordert. Diese sollten den sogenannten Risikogruppen mit geringerem Einkommen von der Stadt entweder unentgeltlich, vergünstigt oder auf der Basis des ÖPNV-Tickets zur Verfügung gestellt werden. Die CSU-Stadtrats-Mitglieder Michael Dzeba, Heike Kainz, Dr. Evelyne Menges und Sebastian Schall hatten dies sowohl am 15. Dezember 2020 als auch am 19. Januar 2021 beantragt. Bereits am 23. Oktober 2020 hatte Stadträtin Alexandra Gaßmann (ebenfalls CSU) freie Taxifahrten für Seniorinnen und Senioren an Weihnachten gefordert. „Seniorinnen und Senioren gehören zur Corona-Risikogruppe und meiden derzeit aus Angst vor einer Infektion oft den ÖPNV“, argumentierte Gaßmann. „Altersbedingt wollen oder können viele ältere Menschen auch nicht mehr Auto fahren und sind schlecht zu Fuß. Nicht jeder kann es sich leisten, für Fahrten zur Familie ein Taxi zu nehmen. […] Taxi-Gutscheine würden dieses Problem lösen.“ Diskutiert wurden alle drei Anträge im Stadtrat nicht. „Der Inhalt der Anträge betrifft eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich“, heißt es seitens der Stadt zur Begründung. Deren Sozialreferentin Dorothee Schiwy erläuterte ergänzend, warum man den Antrag der Oppositionspartei neben dem formalrechtlichen Aspekt auch inhaltlich ablehne. Schiwy beruft sich auf ein Statement des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), wonach zahlreiche nationale und internationale wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt hätten, dass es keine erhöhte Infektionsgefahr im ÖPNV gebe. TAXIFAHREN REDUZIERT NICHT DIE KONTAKTE Sie sieht zudem die hier angesprochene Zielgruppe lieber zu Hause als unterwegs: „Sinn und Zweck der Kontaktbeschränkungen ist, die Kontakte erheblich zu reduzieren. Die Ausgabe von Taxi-Gutscheinen würde diesen Bestrebungen zuwiderlaufen und den Nutzer*innen ein trügerisches Sicherheitsgefühl vermitteln.“ Generell seien präventiv für Risikogruppen eine konsequente Kontaktminimierung und strikte Einhaltung der Hygieneregeln die wichtigsten Maßnahmen. Alternativ stelle auch die Nutzung der Videotelefonie eine gesundheitlich unbedenkliche Alternative zu Besuchen der Verwandtschaft dar. Die Stadt gewähre bestimmten Senioren einen Zuschuss in Höhe von 250 Euro für den Kauf eines Tablets oder Laptops. Für Evelyne Menges von der CSU ist diese Ablehnung ein Schlag ins Gesicht für kranke und alte Menschen: „Diese Menschen wollen nicht zum Vergnügen durch die Gegend fahren und fröhlich Kontakte pflegen, sondern die für ihre Gesundheit und ihre sozialen Grundbedürfnisse notwendigen Fahrten ohne gesundheitliche Gefährdungen zurücklegen können. Was hat das mit einem iPad zu tun? Sollen diese Menschen nicht mehr zum Arzt dürfen oder einkaufen?“ Den Verweis aus dem Sozialreferat, ältere Menschen könnten ohne Risiko den ÖPNV nutzen, kontert Menges ebenfalls: „Im Taxi sitzt man mit einer weiteren Person, meist sogar getrennt durch eine Plastikfolie, im ÖPNV mit Dutzenden Fremden. Das Taxi holt die Menschen daheim ab, zum ÖPNV muss man sich hinbewegen und dabei weiteren Menschen begegnen. Es ist völlig weltfremd, hier keinen Unterschied beim Infektionsrisiko zu sehen. Taxi- Gutscheine wären eine unbürokratische Lösung, um Ängste und völlige Isolation zu vermeiden.“ jh FOTOS: Pixabay, CSU, Martin Hangen 4 1. QUARTAL 2021 TAXI

IMPFFAHRTEN WER ENTSCHEIDET ÜBER IMPFTAXIS? In Berlin werden seit Anfang Januar Tausende staatlich bezahlte Impf-Taxifahrten durchgeführt. In Bayern schiebt man die Verantwortung auf den Bund, in München auf die Krankenkassen. FOTO: Witte Ziemlich neidisch blicken Taxifahrer*innen in Bayern auf die Bundeshauptstadt. Dort hatte bereits Anfang Januar der dortige Landessenat beschlossen, zunächst den Ü-90-Jährigen, später auch den Ü-80-Jährigen die Taxifahrt in eines der Impfzentren zu bezahlen. Bestellt und abgerechnet werden die Taxis über die Berliner Taxizentrale, die dafür sogar eine eigene Rufnummer freischalten ließ. Vor Ort wird mithilfe eines eigens eingerichteten Taxi-Leitstellendienstes dafür gesorgt, dass pro Tag mehrere einhundert An- und Abfahrten abgewickelt werden. Vermittelt werden die Fahrten an Taxis mit Trennschutz, die Fahrer tragen Mundschutz, die Fahrzeuge werden regelmäßig desinfiziert. Das Taxi hat am Beispiel Berlin gezeigt, dass es ohne Vorlauf in der Lage ist, für eine flächendeckende Mobilität zu sorgen. Seitdem macht das Beispiel bundesweit Schule. Niedersachsen und Hessen tragen die Kosten (anteilig) landesweit, auch zahlreiche Kommunen haben inzwischen unbürokratische Lösungen gefunden, darunter auch Städte wie Frankfurt, Bayreuth oder Augsburg. MÜNCHEN ÜBERNIMMT KEINE VERANTWORTUNG München fehlt allerdings auf der Liste (Stand: 1. Februar 2021). Dort schiebt die Sozialreferentin Dorothee Schiwy die Verantwortung auf die Krankenkassen: „Für Fahrten zu den Impfzentren können Taxifahrten zwischenzeitlich ärztlich verordnet werden, wenn ein anderes Verkehrsmittel nicht infrage kommt. Die Kosten hierfür werden dann durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen“ heißt es in einem Statement aus dem Sozialreferat. Dabei übersieht Frau Schiwy allerdings, dass nur bestimmte Krankenversicherte einen Anspruch auf Kostenübernahme haben, beispielsweise solche mit genau definierten Merkmalen im Schwerbehindertenausweis oder Patienten mit Pflegegrad vier bzw. fünf. Zudem ist es für die Hochbetagten eine Zumutung, sich für eine Fahrtkostenbewilligung durch die Mühlen der Krankenkassenverwaltung zu quälen. Als Kompromiss hätte die Stadt jene Regelung ins Auge fassen können, die beispielsweise auch in Niedersachsen zum Tragen kommt. Hier springt das Land als Rückfallebene in die Bresche. Wenn die Krankenkasse keine Fahrtkosten übernimmt, zahlt das Land. TAXIGEWERBE WIRD NICHT GEHÖRT Für Bayern würde das allerdings bedeuten, dass die Landesregierung den Willen zur Kostenübernahme aufbringt. Münchens Gewerbevertreter vom Taxiverband München sowie des Landesverbands Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmer haben diesbezüglich auch bereits Gespräche mit Roland Weigert vom Bayerischen Wirtschaftsministerium geführt. Man versprach, sich dafür einzusetzen, dass das Thema beim zuständigen Sozialministerium auf oberster Ebene platziert wird. Ein weiteres Gespräch mit Florian Streibl, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, stieß auf ähnliches Verständnis, auch wenn hier ebenfalls auf eine andere Stelle verwiesen wird. Diesmal allerdings wird der Ball an die Bundesregierung weitergespielt. In einem gemeinsamen Antrag der bayerischen CSU-Fraktion und der Freien Wähler wird die Bayerische Staatsregierung gebeten, „sich auf Bundesebene weiterhin mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die Übernahme der Kosten für Fahrten zu einer Corona- Impfung mit einem Taxi für immobile Personen sichergestellt ist“. Das wäre sowieso von Anfang an die einfachste Lösung gewesen. Anstatt bundesweit einen abermaligen Flickenteppich auszurollen, hätte Gesundheitsminister Jens Spahn die Taxikosten für Impftaxis als Sonderprogramm auflegen können. Den Vorschlag hatte der Bundesverband Taxi in einem Schreiben an Herrn Spahn schon Anfang Dezember gemacht und es dann noch einmal im Januar wiederholt. Das Ergebnis war allerdings ernüchternd: Nicht einmal eine Antwort hat Deutschlands höchste Gewerbevertretung bekommen. jh TAXI 1. QUARTAL 2021 5

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