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8 Zivilverfahrensrecht

8 Zivilverfahrensrecht „Meines Erachtens sollte die Zahlungsunfähigkeit nur dann öffentlich kundgemacht werden, wenn die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen.“ auch Schuldnerberater*innen oder Rechtswissenschafter*innen wie Martin Trenker aus Innsbruck kritisieren das Öffentlichmachen der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit (§ 49a EO), weil zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Ediktsdatei noch nicht sicher sei, ob es zu einem Insolvenzverfahren kommen wird. Das hat Auswirkungen auf das Verhalten, zB von Dienstleistern, gegenüber dem Schuldner. Wäre es nicht besser gewesen, dass das Insolvenzverfahren automatisch mit der Öffentlichmachung eingeleitet wird? Garber: Eine derartige Regelung wäre insofern effizienter gewesen, als der durch eine öffentliche Bekanntmachung der Zahlungsunfähigkeit erzielbare Nutzen für die Gläubigerschaft in keinem Verhältnis zu der dadurch bewirkten Belastung des Schuldners steht. Um die Zielsetzungen des Insolvenzrechts nicht zu unterlaufen, wäre aber jedenfalls die Festlegung eindeutiger Kriterien für die Annahme einer offenkundigen erforderlich. Zahlungsunfähigkeit Simotta: Meines Erachtens sollte die Zahlungsunfähigkeit nur dann öffentlich kundgemacht werden, wenn die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen. em. Univ.-Prof. in MMag. a Dr. in Daphne-Ariane Simotta Weitere Kritik: Bereits anhängige Exekutionsverfahren anderer Gläubiger sollen dem Gesetz nach trotz festgestellter offenkundiger Zahlungsunfähigkeit dennoch fortgeführt werden, wenn nicht dort auch die Zahlungsunfähigkeit festgestellt wird. Sehen Sie das als Schwäche des Gesetzes? Simotta: Dass die Feststellung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten nicht gegenüber allen betreibenden Gläubigern wirkt und daher anhängige Exekutionsverfahren gegenüber anderen betreibenden Gläubigern fortgeführt werden können, hängt damit zusammen, dass die offenkundige Zahlungsunfähigkeit erst nach Einvernahme der Parteien beschlussmäßig festgestellt werden kann. Würde die in einem Exekutionsverfahren festgestellte offenkundige Zahlungsunfähigkeit auch gegenüber dem/den betreibenden Gläubiger/n anderer Exekutionsverfahren wirken, wäre dies ein Verstoß gegen deren rechtliches Gehör. Allerdings wird es wahrscheinlich nicht allzu oft dazu kommen, dass andere Exekutionsverfahren gegen denselben Verpflichteten fortgeführt werden, obwohl in einem Exekutionsverfahren die offenkundige Zahlungsunfähigkeit festgestellt ist. Nach §§ 4 und 5 EO ist für Exekutionen auf das bewegliche Vermögen ein und dasselbe Bezirksgericht zuständig, sodass in allen Exekutionsverfahren auf das bewegliche Vermögen derselbe Vollstrecker tätig wird. Auch sind gem § 33 Abs 1 EO alle Exekutionsverfahren auf das bewegliche Vermögen zu verbinden. Es ist daher davon auszugehen, dass der Vollstrecker, wenn er in einem Exekutionsverfahren zu der Feststellung gelangt, dass der Verpflichtete offenkundig zahlungsunfähig ist, in allen anderen Exekutionsverfahren auf das bewegliche Vermögen des Verpflichteten zu demselben Ergebnis gelangen und mit der Vollziehung der ihm aufgetragenen Exekutionshandlungen innehalten wird. Er wird dann das Exekutionsgericht davon informieren, dass seiner Ansicht nach eine offenkundige Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten vorliegt. Das Gericht wird dann nach Einvernahme der betreibenden Gläubiger der anderen Exekutionsverfahren und des Verpflichteten feststellen, ob der Verpflichtete tatsächlich offenkundig zahlungsunfähig ist. Wird außer dem Gerichtsvollzieher in den miteinander verbundenen Exekutionsverfahren auch noch ein Verwalter tätig, so haben der Verwalter und der Vollstrecker einander alle Informationen zu geben, die für das jeweilige andere Verfahren von Bedeutung sind, soweit die Verfahren die gleichen Exekutionsmittel umfassen (§ 80d EO). Auch sind der Verwalter und der Vollstrecker zur Einsicht in die Akten des jeweiligen anderen Verfahrens berechtigt, soweit dies für die Durchführung der Exekution erforderlich ist. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass Verwalter und Vollstrecker sich gegenseitig über die in einem Exekutionsverfahren festgestellte offenkundige Zahlungsunfähigkeit informieren. Anders ist dagegen die Situation, wenn neben der Exekution auf das bewegliche Vermögen auch noch eine Liegenschaftsexekution geführt wird und sich das Buchgericht und das nach den §§ 4 und 5 EO für die Exekution auf das bewegliche Vermögen zuständige Gericht nicht decken. Allerdings wird mE eher selten eine offenkundige Zahlungsunfähigkeit vorliegen, wenn der Verpflichtete eine Liegenschaft besitzt. Abgesehen davon, dass wegen der Gehörproblematik keine allseitige Wirkung der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit angeordnet wer­

den konnte, dürfte der Gesetzgeber nur unzureichend überblicken kann. Resümierend: Nach über zwei offensichtlich davon ausgegangen Man kann annehmen, dass ein en­ Jahren EO-Novelle: Wo sollte nach- sein, dass die anderen betreibenden Gläubiger, wenn sie durch die gagierter Verwalter dazu beitragen kann, ein besseres Ergebnis, dh eine geschärft oder verbessert werden, was sind Ihre Empfehlungen und Ihr 9 Ediktsdatei von der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten Kenntnis bekommen, von einer Fortsetzung des Exekutionsverfahrens wegen voraussichtlicher Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung Abstand nehmen werden. höhere Befriedigung des betreibenden Gläubigers zu erzielen. Dies setzt natürlich die Verfügbarkeit geeigneter Personen voraus, die zur Ausübung der Verwaltertätigkeit bereit sind. Inwieweit das der Fall ist, erscheint mir zweifelhaft, auch im Hinblick auf die Mindestentloh­ Gesamteindruck? Garber: In der GREx wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Reformschritte gebündelt, die Rechtsanwender*innen vor neue Herausforderungen stellt. Die GREx bewirkte insbesondere eine gewisse Annähe­ Zivilverfahrensrecht Der Einsatz von Exekutionsver- nung von nur 500 Euro. Es haben rung des Exekutionsrechts an das waltern wird generell positiv gese- sich bisher auch nur 161 Personen in Gesamtvollstreckungssystem des hen. Gibt es für Sie auch Herausfor- die Verwalterliste eintragen lassen. Insolvenzrechts. Das ist ein durch­ derungen aus dieser Neuerung? aus sinnvoller Ansatz. Es verbleibt Zu welchen Bestimmungen er- jedoch an mehreren Stellen ein Garber: Die Einführung des Verwal­ warten Sie in Zukunft eine einschnei- enormes Maß an Rechtsunsicherheit ters in Exekutionssachen kann zur dende bzw wegweisende Judi katur? – etwa im Kontext der Feststellung Verfahrensvereinfachung beitragen der offenkundigen Zahlungsunfähig­ und ist grundsätzlich begrüßens­ Simotta: Ich glaube nicht, dass keit gem § 49a EO. Wünschenswert wert. Der Verwalter kann flexibler man das an einer konkreten Be­ wäre daher eine präzise und schritt­ als ein Gerichtsvollzieher vorgehen stimmung festmachen kann. Zu er­ weise Problembehebung durch den und er kann bei sorgfältiger Aus­ warten ist wohl insbesondere die Gesetzgeber im Rahmen des „neu­ übung seiner umfangreichen Befug­ Klärung von Detailfragen, wie bspw en“ Vollstreckungssystems. Dies nisse den betreibenden Gläubiger durch das LG Linz betreffend den scheint derzeit angedacht zu sein. wirksam entlasten, weil dieser – wie Kostenersatz bei der Feststellung Es wurde ein Arbeitskreis beim BMJ bereits erwähnt – die Vermögens­ der offenkundigen Zahlungsunfä­ eingerichtet, der sich mit den Kritik­ situation des Verpflichteten vielfach higkeit. punkten beschäftigt. Die Herausgeber*innen Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Garber ist Vorstand des Instituts für Zivilverfahrensrecht der Johannes Kepler Universität Linz. Garber habilitierte sich an der Universität Graz und absolvierte an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law einen Forschungsaufenthalt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen insbesondere das europäische und internationale Zivilverfahrensrecht, das Familienverfahrensrecht und das Provisorialverfahren. ISBN 978-3-7046-9129-3 € 519,00 (eBook € 467,10) em. Univ.-Prof. in MMag. a Dr. in Daphne-Ariane Simotta war von 1992 bis zu ihrer Emeritierung 2015 ordentliche Professorin für Zivilgerichtliches Verfahren an der Universität Graz. Simotta studierte Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft an der Universität Wien Sie habilitierte sich für das Fach „Zivilgerichtliches Verfahren“. Ihr Werk erstreckt sich auf alle Teile des Zivilprozessrechts und die diesbezüglichen EU-Verordnungen: So hat sie unter anderem die EuGVVO und die EuEheVO mitkommentiert.