Lifestyle. Business. Allgäu. Alpenraum.
Aufrufe
vor 2 Jahren

wd-Herbst2021

  • Text
  • Nachhaltige
  • Natur
  • Tirol
  • Zeit
  • Mini
  • Unternehmen
  • Menschen
  • Region
  • Nachhaltigkeit
  • Kempten
Ihr Magazin für Lifestyle und Business im Allgäu und dem angrenzenden Alpenraum.

48

NACHHALTIGKEIT „Mir geht es nicht darum, Klamotten zu verkaufen“ Es braucht in der Regel fünf Denkanstöße, bevor der Mensch ins Grübeln kommt und sein Verhalten ändert, heißt es. „Ich will einer davon sein“, sagt Steffen Kustermann. Der 30-Jährige mit den Kaktus-Socken (O-Ton: „Ich hab richtig Bock auf geile Socken aus Biobaumwolle!“) steht vor dem Schaufenster seines neuen Stores in der Kemptener Innenstadt. „Allgäu goes FairFasion“ heißt sein Baby und es hat ein klares Ziel: Nachhaltigkeit zum Statussymbol machen. Es ist das Eröffnungswochenende von „Allgäu goes FairFashion“ und im Store herrscht Betrieb oder, wie Steffen Kustermann sagt: „Es brummt.“. Immer wieder kommen Kunden zu ihm und beglückwünschen den Kemptener für das gelungene Konzept, den geschmackvollen Store, das fein ausgesuchte Sortiment. Steffen Kustermann ist weder Modedesigner noch ausgefuchster BWLer mit Dollarzeichen in den Augen. Wenn er von seinem Projekt spricht, nimmt man ihm den Altruismus tatsächlich ab. „Ich lebe nicht davon, sondern das ist ein Herzensprojekt“, sagt er. „Eigentlich bin ich Wasserbauingenieur. Das hier mache ich in meiner Freizeit. Was wir hier erwirtschaften, stecken wir alles in die Aufklärungsarbeit.“ 2018 hat er das Nachhaltigkeitsprojekt Allgäu goes FairFashion ins Leben gerufen, das sich seither als Aufklärungsmovement hin zu fairer Kleidung im Allgäu versteht. Was einmal als Popup-Store auf diversen Märkten, Festivals und in Cafés in der Region begann, hat mit der Adresse in der Zwingerstraße 1 nun ein richtiges Zuhause gefunden. Was ist das für ein Gefühl, jetzt im eigenen Laden zu stehen? „Unglaublich!“, sagt Kustermann. „Wir haben zwei Tage lang die Klamotten aufgebügelt, aufgehängt, alles dekoriert. Das Coolste ist, das Zeug nicht mehr abbauen zu müssen. Jetzt dreht man den Schlüssel um und hat ein Zuhause, das sich etablieren kann.“ Allgäu Goes FairFashion ist ein Store, der ausschließlich Marken vertreibt, die sich für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen einsetzen, nachhaltig produzieren und unbedenkliche Stoffe verwenden. „Ich wurde anfangs belächelt, weil wir keine eigenen Produkte herstellen“, sagt Kustermann, der findet, dass es schon viel zu viele Klamotten auf diesem Planeten gibt und es daher nicht noch ein weiteres Label braucht. „Wir haben inzwischen etliche Hersteller mit tollen Materialien und Schnitten. Mir geht es vielmehr darum, deren Mode auch hier bei uns im Allgäu verfügbar zu machen.“ Was er vor allem will: Menschen motivieren, umzudenken und ihnen die Möglichkeit zu geben, auf einfache Weise nachhaltig zu konsumieren. Nachhaltige Mode sei leider noch viel zu unterrepräsentiert in der hiesigen Region. Es gäbe zwar den einen oder anderen Store, aber das sei noch lange nicht genug. „Mir geht es nicht darum, Klamotten zu verkaufen, sondern aufzuklären und das Mindset der Menschen zu verändern“, sagt er. Verändern wohin, frage ich. „Wir wollen einen guten, gerechten Umgang miteinander und eine Gesellschaft, in der Fairness, Gleichheit und Biodiversität herrscht.“ Begonnen hat sein Engagement für die Nachhaltigkeit mit einem Auslandsaufenthalt in Tansania und Sambia. „Ich dachte lange, ich müsste ins Ausland gehen, um die Welt zu verbessern. Dann habe ich festgestellt, dass ich am besten daheim anfangen sollte.“ Schließlich habe der Konsum hier massive globale Auswirkungen. „Unsere Altkleider landen dort und machen die lokalen Märkte kaputt.“ Kustermann war schnell klar, dass die Textilindustrie eine der facettenreichsten Branchen ist, wenn es um Themen wie Nachhaltigkeit, Fairness oder ökologisches Bewusstsein geht. „Du hast hier die komplette Wertschöpfungskette. Angefangen vom Rohstoffanbau, ökologische Aspekte, soziale Komponenten bis hin zur Abfallverwertung“, sagt er. Die Textilindustrie sei immerhin die zweitdreckigste Branche nach der Öl- und Gasindustrie. Ob die Gesellschaft offener werde für nachhaltigen Konsum, will ich wissen. „Es ist standortabhängig“, erklärt Kustermann. Hamburg sei beispielsweise ein ziemlicher Hub für nachhaltige Projekte. „Man sagt, Hamburg sei ganze neun Jahre vor München. Ich will gar nicht wissen, wie viele Jahre Kempten dann hinterherhinkt“, erklärt er. Kustermann ist allerdings optimistisch; Kempten sei ein gutes Pflaster, um etwas zu bewegen. „Ich versuche gezielt jüngere Leute zu informieren, denn das ist die Gesellschaft, die die Zukunft gestalten wird.“ >>> 49