Aufrufe
vor 4 Jahren

prima! Magazin – Ausgabe April 2020

  • Text
  • Unternehmen
  • Sabina
  • Werbung
  • Zeit
  • Menschen
  • Oberwart
  • Foto
  • Kaindorf
  • Riedlingsdorf
  • April

Foto © LEXIRede &

Foto © LEXIRede & AntwortPersönlichkeiten im Gesprächmit Walter ReissKatastrophen, Stresstestund Erfolgsgeschichten…Walter Reiss im Gespräch mit dem Zeithistoriker Oliver Rathkolb.„Die paradoxe Republik“ lautet der Titel eines der vielen Bücher vonOliver Rathkolb. Er ist einer der profiliertesten und bekanntesten Wis-senschafter, die neuzeitliche Geschichte in Österreich und Europa beobachten, erforschen undanalysieren. Der Universitätsprofessor, der auch kürzlich den von der FPÖ präsentierten Historikerberichtkritisch als „wortreiches Ausweichmanöver“ bezeichnete, ist Kurator der 2021 auf BurgSchlaining geplanten Landesausstellung „100 Jahre Burgenland“. Im Gespräch mit Walter Reissgeht es um eine „nicht aus dem Elfenbeinturm“ gemachte Schau in der Burg, um historische politischeKatastrophen, die Lage der SPÖ und Krisen der Gegenwart.Eines der jüngsten Kapitelder 100-jährigen Geschichtedes Burgenlandes wird wohlauch die Corona-Krise sein.Ist es auch für Sie ein dramatisch-historischerMoment,wenn Frankreichs PräsidentMacron von einem „Krieg gegeneinen unsichtbaren Feind“spricht und in Österreichund weltweit mit blitzartigerGesetzgebung Grund- undFreiheitsrechte außer Kraftgesetzt werden?Oliver Rathkolb: Diese Maßnahmensind ein Stresstest fürDemokratie und Gesellschaft.Sowohl in den politischen Entscheidungsprozessenals auchim Verhalten der Gesellschaftläuft dieser Test – bis auf wenigeAusnahmen z. B. in Ischgl inTirol – solide und solidarisch ab.Sie sind unter anderem bekanntgeworden durch eine Biografiedes legendären SPÖ-KanzlersBruno Kreisky, der wegenseiner Politik – lieber Schuldenmachen als Arbeitslosigkeitriskieren – oft hart kritisiertwurde. Aber fährt man nun imKrisenfall nicht gerade diesenKreisky-Kurs?Oliver Rathkolb: Ja, das warengenau meine Gedanken. Kreiskywar beseelt davon, die verstaatlichteIndustrie als Wirtschaftsfaktorund damit Arbeitsplätzezu sichern. Wir werden wohldiesmal europaweit und internationaleinen beachtlichen Schuldenberganhäufen. Es zeigt sich,dass die Politik nach langenJahren des Neoliberalismus hiermit Vernunft gegensteuert undsich nun wieder auf ihr Kerngeschäftbesonnen hat. Zuständewie in den Zwanzigerjahren desvorigen Jahrhunderts mit explodierendenArbeitslosenratendarf es nicht mehr geben.Apropos Kreisky: In der krisengeschütteltenBundes-SPÖwird er immer als Vorbild undMuster genannt. Aber auch impolitisch pragmatischen Kurseines Hans Peter Doskozilsehen manche die Rettungder SPÖ. Welche Richtungstimmt?Oliver Rathkolb: Wir lebenjetzt in einer völlig anderenZeit. Aber das Beispiel Doskozilzeigt, dass man ganz klareund konkrete Botschaften undMaßnahmen setzen muss.Man darf sich nicht zu starkin ideologischen und virtuellenDebatten verstricken. DieSozialdemokratie ist in denletzten Jahrzehnten oft viel zuweit weg von den Menschen.Stichwort Menschen: Sie wollendie von Ihnen kuratierteAusstellung über die 100-jährigeGeschichte des Burgenlandesals „eine Geschichte derMenschen“ gestalten. WollenSie also mehr machen als eineübliche Schau historischerDokumente und Objekte?Oliver Rathkolb: Ja. Wirwollen diese Landesausstellungschon sehr bald mit einer leistungsstarkenInternetplattformausstatten und alle Burgenländerinnenund Burgenländer,aber auch jene, die hier ihrenZweitwohnsitz haben und alle,die sich mit dem Land verbundenfühlen, zum Mitmacheneinladen. Themen, Geschichten,Fotos von Erinnerungsstückenund Objekten sind von Interesseund können dort dann inunsere thematischen Vorgabenhochgeladen werden. Es wirdsozusagen zwei Ausstellungengeben: Eine klassische undeine virtuelle. Das ist neu undauch der Versuch eines eigenen,burgenländischen Weges, dieMenschen mit ihren Beiträgeneinzubinden. Das Ganze sollnachher auch nicht – wie sonstüblich – in einem Depot verschwinden,sondern in Zukunftdigital sichtbar bleiben.In einer vom Land Burgenlandpublizierten „Amtlichen Mitteilung“,einer aufwändig undbunt gestalteten Werbebroschüre,liest man, dass Sie dasLand als „Erfolgsgeschichte“präsentieren wollen. Bestehtda nicht die Gefahr einerromantischen Sicht und desBedienens von Klischees?Oliver Rathkolb: Ganz im Gegenteil.Wir werden den Alltagim Jahr 1921 eindrucksvoll abbilden,aber auch die Zeit nach1945: Da ist innerhalb wenigerGenerationen ein unglaublicherSchub an Infrastrukturzu bemerken. Und gerade inKrisenzeiten wie jetzt sollte mangelassen in die Vergangenheitzurückblicken in die alltäglicheLebenswelt der Großeltern. Esregt dazu an, kritisch nachzudenkenund auch die Katastrophenwie den Nationalsozialismusund Holocaust nicht ausdem Blick zu verlieren.In dieser Ausstellung soll esauch um die burgenländischeIdentität gehen. Gibt es dieseseinheitliche Selbstverständnis4 APRIL 2020www.prima-magazin.at

Foto © M CremerOLIVER RATHKOLBREDE & ANTWORTZeithistoriker Oliver Rathkolb ist Kurator derAusstellung „100 Jahre Burgenland“zwischen Nord, Mitte und Süd, zwischenHeideboden und Raabtal überhaupt?Oliver Rathkolb: Das ist eine sehr guteund berechtigte Frage. Und Identität ist einsehr schwieriger Begriff. Es wird wohl indie Richtung gehen, dass es keine uniformeburgenländische Identität gibt, sondernverschiedene positiv aufgeladene emotionaleProjektionsflächen von Heimat. Das war inden Zwanzigerjahren oder nach dem zweitenWeltkrieg anders als jetzt. Diese Verschiedenheitan Heimatgefühlen wollen wirdarstellen und zur Diskussion anregen. Essind übrigens auch eine Meinungsumfrageund viele Interviews mit den Menschen imLand geplant: „Fühlen Sie sich als Burgenländer/Burgenländerinund was macht diesesGefühl aus?“ Und wir wollen vor allemauch in die Schulen gehen, Projekte entwickelnund das Gespräch mit den jungenMenschen suchen. Auch das ist eine neueForm, ein Jubiläum eines Landes darzustellen.Wir wollen raus aus dem klassischenForscher- und Historiker-Elfenbeinturm,hinein in die hier lebende Gesellschaft.Sie gelten als ein in der sozialdemokratischenWolle gefärbter Zeithistoriker,betonen das große Format eines vielfachunterschätzten Fred Sinowatz, und ineiner „Erfolgsgeschichte“ eines modernisiertenBurgenlandes wird es bestimmtum die Ära Theodor Kery gehen. SetzenSie sich da nicht dem Vorwurf aus, dassdie geplante Ausstellung zu einer „roten“Leistungsschau werden könnte?Oliver Rathkolb: Das ist schon deshalbnicht möglich, weil es ja um 100 Jahregeht. Da werden alle Landeshauptleuteseit 1921/22 entsprechend wahrgenommen,und es wird selbstverständlich derkritisch-sachliche Blick auf alle politischenEntwicklungen sichtbar werden. Siewerden genauso viel über denersten LandeshauptmannRobert Davy wie über denvon den Nazis im KZ zuTode gequälten ChristlichsozialenHans Sylvesteroder den letzten ÖVP-LandeshauptmannJosef Lentsch erfahren, indessen Nachlass gerade mein MitarbeiterMag. Johann Kirchknopf forscht. Aberauch Fred Sinowatz, der erste Bundeskanzleraus dem Burgenland wird – mitunbekanntem neuem Material anschaulichdokumentiert – vorkommen, weil wirgerade seinen Nachlass aufarbeiten, denseine Familie zur Verfügung gestellt hat.Zahlreiche ÖVP-Minister wie RobertGraf, der, in New York geboren, wiederins Burgenland zurückgekommen ist, oderder Innenminister Franz Soronics werdenpräsentiert werden – wie alle acht Ministerund die bisher einzige Ministerin ausdem Burgenland, Christa Krammer. Auchder ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat,Infrastrukturminister und jetzigeFPÖ-Obmann Norbert Hofer gehört zurPolitikgeschichte des Burgenlandes und derZweiten Republik.Das gesamteInterview aufunserer Website!Rubrik: Rede &AntwortINNOVATION AUSDER REGIONPRODUKTE MITZUKUNFT VON E.L.T.E.L.T. KUNSTSTOFFTECHNIK & WERKZEUGBAU GMBHA-8240 Friedberg, A-8272 Sebersdorf, Telefon: +43 3339 22820, E-Mail: office@elt.atInfos undJobangebotefinden Sie auf:www.elt.atAPRIL 20205

prima! Magazin Sammlung