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prima! Magazin – Ausgabe April 2022

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Foto © LEXI Philipp, der Koch Philipp Kroboth mit seinem Sohn Tobias auf Gut Mariendol in Litzelsdorf Während Philipp Kroboth im Koma lag, erfuhr seine Frau, dass sie zum zweiten Mal schwanger ist, er bekam die dritte Haube für sein Restaurant auf Gut Mariendol in Litzelsdorf, sein erstes eigenes Kochbuch wurde fertiggestellt doch das Schmerzhafteste für ihn: Sein Sohn feierte ohne ihn Weihnachten. Diese Geschichte ist vieles. Es ist die Geschichte eines Juristen, der immer nur kochen wollte. Eine Geschichte über Leidenschaft. Über Demut. Und ganz sicher auch eine über den Glauben und die Hoffnung. Nicole Mühl Philipp Kroboth steht in einem Raum vor einer Wand. Er blickt verzweifelt um sich und sucht nach einer Möglichkeit, irgendwie weiterzukommen. So lange, bis in seiner Verzweiflung ein Arzt kommt und ihn wieder zurück in sein Krankenbett bringt. Es ist immer derselbe Arzt. Es ist immer derselbe Traum. Philipp Kroboth liegt im Koma. Am 18. November 2021 war sein Corona-Test positiv. Geimpft war er nicht, weil er und seine Frau einen zweiten Kinderwunsch hatten. Fast eine Woche hat er gekämpft gegen den Husten, gegen die Schmerzen, das Fieber und darum, Luft zu bekommen. Als er das erste Mal nach drei Tagen die Rettung anrief, wurde er Stunden später vom Krankenhaus wieder heimgeschickt. Zwei Tage danach war es dann fast zu spät 8 APRIL 2022 für ihn. Seine Blutgase waren so niedrig, dass seine Lunge den Sauerstoff nicht mehr aufnehmen konnte. Neun Liter hat er gebraucht. Philipp Kroboth hat diese Untersuchungen nicht mehr mitbekommen. Am 24. November wurde er ins Koma versetzt. An der Uniklinik Graz war eine Herz-Lungen-Maschine (ECMO) verfügbar. Das war sein Glück. Monate später wird er davon berichten, dass die Schläuche, die ihm in die Leisten bis zum Herz hineingeschoben wurden, „so dick waren wie Gardena Gartenschläuche.“ Es gibt Röntgenbilder, sagt er, da siehst du sie sogar. Zweieinhalb Wochen übernimmt die Maschine seine Herzund Lungenfunktion. Seine Mutter musste sich vor der Überstellung nach Graz in Oberwart von ihm verabschieden. Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, ob er es schaffen wird. Das Virus ist wie ein Schleim, wird er später berichten. Ein Schleim, der sich zäh an seiner Lunge festsetzte. Was sich dann zweieinhalb Wochen lang abspielt, erfährt Philipp Kroboth erst viel später. Man könne nicht erfassen, was die Mediziner und Pflegekräfte alles unternommen haben, um ihn am Leben zu erhalten das weiß er. Allein das stündliche Umbetten ein Vorgang, der Millimeter-präzise sein muss, damit keine Schläuche verrutschen. Oder das Absaugen der Lunge. Nach zweieinhalb Wochen Koma wird die ECMO durch eine Beatmungsmaschine ersetzt und Philipp Kroboth wieder zurück ins Leben geholt. „Aber ich konnte nicht aufwachen“, erzählt er. Erst der vierte Versuch gelingt. „Atme, du musst atmen“, hört er die Ärzte und Pfleger neben sich schreien. Philipp www.prima-magazin.at

Foto © LEXI ringt nach Luft und saugt sie ein, so tief er kann. Knapp drei Wochen sind vergangen, seit Philipp Kroboths Leben an Maschinen gehängt wurde. Sein Körper ist voller Schläuche aus dem Hals, der Nase, den Venen überall stehen sie hervor. Als er seine Beine sieht nur noch Haut und Knochen muss er weinen. Es ist kurz vor Weihnachten. Eigentlich wollte er mit seinem Sohn Kekse backen, den Advent und das Fest zelebrieren. „Ich hab das alles versäumt“, sagt Philipp Kroboth. „Das zweite Weihnachten meines Sohnes und ich lag in diesem Bett und konnte mich nicht einmal bewegen.“ Auch das Sprechen und Schreiben ist nicht möglich. Auf einer kleinen Alphabettafel zeigt er auf die Buchstaben, um sich verständlich zu machen, wenn er etwas braucht. „Der Begriff Verzweiflung drückt nicht aus, was ich empfunden habe“, sagt er. Aber er weiß auch, es ist ein Wunder, dass er noch lebt. Seine Lebenshaltung hilft ihm jetzt. Er weiß, wann es Zeit ist, sich unterzuordnen. Der Jurist, der Haubenkoch wurde Das Kochbuch von Thomas Keller hatte Philipp Kroboth als Jus-Student zufällig gekauft. Es wurde zu einer Art Bibel für ihn. „Hier steht alles drin, was du als Koch wissen musst. Was es bedeutet, Koch zu sein. Alles ist in Form von Rezepten erklärt“, erzählt er. Es ist Mitte März 2022. Philipp Kroboth sitzt in seiner Schauküche am Gut Mariendol in Litzelsdorf. Am 12. Jänner ist er nach seiner Corona-Erkrankung nach Hause gekommen. Seit fünf Jahren lebt er mit seiner Lebensgefährtin, einer Tierärztin, auf dem Anwesen seiner Schwiegereltern. Sein Restaurant hat er 2020 eröffnet. Während er im Krankenhaus noch um sein Leben kämpfte, hat er von Gault Millau die dritte Haube erhalten. Eine unglaubliche Leistung für den Quereinsteiger, der nach Abschluss der HTL Pinkafeld, nach absolviertem Jus-Studium und nach seinem Gerichtsjahr in Güssing nur eines wollte: kochen. Weil es etwas Ehrliches für ihn ist. Weil er Menschen an einen Tisch zusammenbringen will. Schon während des Studiums war er im Vapiano als Koch tätig und ging als Stagiaire (Praktikant) in die Küche von Restaurants wie den Taubenkobel, wo er für Kost und Logis arbeitete. Was er dort sah, sog er auf wie ein Schwamm. „Während meiner Zeit als Jurist hab ich dann einmal einen Kochkurs bei Haubenkoch Hans Peter Fink gemacht. Am Ende des Tages hab ich ihn gefragt, ob ich bei ihm in der Küche einmal mitarbeiten darf. Er dachte wahrscheinlich, dass ich eh nicht komme bzw. es nicht durchhalte“, erinnert sich Philipp Kroboth. Aber er kam, erledigte die Arbeit, die ihm aufgetragen wurde und nach zwei Stunden holte ihn Hans Peter Fink beiseite und bot ihm einen Job an. Philipp Kroboth sagte sofort zu. Daheim war es für den damals knapp 25-jährigen Juristen schwierig, das zu erklären. „Nach HTL-Abschluss, Jus-Studium, Gerichtsjahr hab ich als Commis in der Küche angefangen mit einem Gehalt von knapp 1.200 Euro. Das kann nicht leicht einer nachvollziehen.“ Statt Urlaube arbeitete er weiterhin als Stagiaire weltweit in anerkannten Restaurants. So landete er auch in Kalifornien im Sterne-Lokal Bouchon bei Thomas Keller seinem persönlichen Meister. Das prägte auch seine Haltung: „Ich weiß mich unterzuordnen, bin lieber leise, mache meinen Gut Mariendol Gut Mariendol. Das Anwesen vereint verschiedene Bereiche, die ineinanderfließen. Philipp Kroboth führt hier ein 3-Hauben-Restaurant und betreibt mit großer Leidenschaft eine Bio-Imkerei. Der Honig von den Bienen fließt in das eine oder andere Gericht mit ein. Den Honig gibt es am Gut auch zu kaufen. Die Eier der freilaufenden Hühner verwendet Philipp Kroboth zum Kochen, aus der Milch der Ziegen stellt er selbst Käse her. Gemüse wird am Gut selbst gezüchtet. Daneben werden auch Zimmer vermietet. Seine Lebensgefährtin Cathrin Maric ist Tierärztin und führt am Gut ihre Praxis. Die fünffache Europameisterin im Westernreiten ist spezialisiert auf den Bewegungsapparat von Pferden, Hunden und Kleintieren. Auf Gut Mariendol befindet sich alles, was Pferd und Reiter*in brauchen: von der Reithalle über Boxen bis hin zu kleinen Koppeln. Job gut und lerne.“ Jahre später soll ihm diese Haltung helfen, seinen Überlebenskampf auch psychisch zu verkraften. Ein Jahr arbeitete Philipp Kroboth in Kalifornien, wurde Sous-Chef. Als ihm angeboten wurde zu bleiben, wusste er, dass es Zeit ist, sein eigenes Lokal zu eröffnen daheim, im Südburgenland. Innerhalb von einem halben Jahr bekam er in seiner „Die Kanzlei“ in Güssing seine erste Haube. Die bürokratischen Hürden von der Gemeinde ließen ihn weiterziehen. Gut Mariendol in Litzelsdorf ist der Ort, wo Philipp Kroboth Ruhe und ein Ankommen empfindet. Der Umtriebige, der als ausgebildeter Techniker und studierter Jurist in Küchen in New York und Kalifornien als Kartoffelschäler gearbeitet und sich hochgeschuftet hat er hat hier auf Gut Mariendol in Litzelsdorf den Lehrmeister gefunden, der seinen Drang nach Wissen stillen kann: „Seit fünf Jahren habe ich Bienen. Ich wusste davor nicht, wann die Kirschen blühen oder die Apfelbäume Blüten tragen. Nichts ist so nahe an der Natur wie die Imkerei. Nichts ist vergleichbar.“ Die Ausbildung zum Bienenfacharbeiter hat er bereits absolviert. Nun folgt der Meister. Noch vor seiner Erkrankung hat er ein Kochbuch geschrieben: „Honigliebe“. Sein Wissen über die Imkerei steckt hier drin, verpackt in selbst kreierten Rezepten. Ende April wird es erscheinen. Dann will er bald auch sein Lokal wieder bitte umblättern >> APRIL 2022 9

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