Aufrufe
vor 1 Jahr

prima! Magazin Ausgabe Februar 2023

  • Text
  • Letzte generation
  • Klimaaktivisten
  • Pinkafeld
  • Grafenschachen
  • ökohome
  • Kds
  • Blackout
  • Wasserversorgung
  • Crosscountry
  • Mountainbike
  • Steiermark
  • Februar
  • Iran
  • Burgenland
  • Hartberg
  • Menschen
  • Sonnenerde
  • Oberwart

BERICHT Die Welt sieht

BERICHT Die Welt sieht zu Habibeh Babaei hat sich auf das Gespräch vorbereitet. Sie will erzählen, was Frauen im Iran erdulden. Sie ist aufgeregt, aber sie will über das Regime reden, in dem bereits das zu lockere Tragen des Kopftuches ein Tötungsgrund ist. Habibeh lebt in Oberwart und wartet auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über ihr Bleiberecht. „Wenn ich in den Iran zurück muss, werde ich getötet. Ich bin getauft. Ich bin Christin,“ sagt sie. Nicole Mühl „Es sind unsere Kinder, die getötet werden“ Seit September 2022 protestieren im Iran Frauen und ethische und religiöse Minderheiten offen gegen das islamische Regime – es sind Tausende, die sich gegen die Unterdrückung auflehnen. Frauen wie Männer riskieren dabei ihr Leben. Auslöser dieser Protestwelle war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini. Weil sie ihr Kopftuch nicht richtig trug, wurde sie Mitte September des Vorjahres von der iranischen Sittenpolizei verhaftet. Kurz darf verstarb sie in Haft. Seither dauern die Proteste gegen das Mullah-Regime an. Proteste gegen den Hijab-Zwang habe es schon vorher gegeben, erzählt Habibeh. Aber nicht in diesem Ausmaß, denn jetzt gehen alle auf die Straßen, die unterdrückt werden. Habibeh hat im Iran als Lehrerin gearbeitet und Probleme mit der Polizei bekommen, weil sie ihre Schülerinnen selbst entscheiden ließ, ob sie den Hijab tragen. Das hat den Unmut der Schulbehörde und einiger Eltern geweckt und sie hat deswegen Probleme mit der Sittenpolizei bekommen. „Niemand ist im Iran vor Bestrafung sicher“, sagt sie „und Erfahrungen mit Gewalt hat jede von uns Frauen – körperliche, sexuelle, psychische, strukturelle, ökonomische – niemand ist so unfrei wie wir. Das Mullah-Regime will nicht akzeptieren, dass Frauen allein und selbstständig leben können!“ Über die Gewalt, die sie selbst erfahren hat, spricht Habibeh nicht. Aber sie erzählt vom täglichen Leben der Frauen. Davon, dass Vergewaltigungen im Iran zum Alltag gehören. „Der Mann besitzt die Frau. Er darf mit ihr machen, was er will“, erklärt sie. Bereits mit zwölf Jahren werden Mädchen verheiratet. Der Ehemann bestimmt, wann seine Frau außer Haus gehen darf. Er bestimmt, ob sie reisen oder studieren darf. Sie wird gehalten wie eine Sklavin. Für die Frauen, die heute im Iran ohne Kopftuch auf die Straße gehen, für alle Minderheiten betet Habibeh täglich. Deren Mut sei nicht in Worte zu fassen, sagt sie. „Sie sind ohne Waffen und die Polizei schießt einfach in die Menge.“ Diejenigen, die festgenommen werden, werden hingerichtet. „Es sind unsere Kinder, die getötet werden“, Habibeh wischt mit einer schnellen Handbewegung über ihre Augen. Erst gestern habe sie von einem 16-jährigen Jungen gehört, der gehängt wurde, weil er bei den Protesten einen Mistkübel angezündet habe. „Die Welt sieht zu und es wird weiter Handel mit der islamischen Regierung betrieben“, sagt Habibeh und schüttelt den Kopf. Todesurteil Iran Im Wohnzimmer von Habibeh steht immer noch der Christbaum. „Ich bin Protestantin“, erzählt sie und lächelt ein wenig. Ich geh jeden Sonntag in die Kirche, um zu beten. „Wenn ich abgeschoben werde, bedeutet das meinen sicheren Tod.“ Drei ihrer vier Kinder leben und arbeiten in Österreich. Sie sind zum Teil schon Staatsbürger geworden und sorgen für ihre Mutter. Habibeh ist weder in Grundversorgung noch bekommt sie Geld vom österreichischen Foto © Nicole Mühl Habibeh Babaei mit ihrem Sohn Amin Delzendeh. Als Lehrerin im Iran hatte sie ihren Schülerinnen freigestellt, ob sie den Hijab tragen. Sie bekam deswegen Probleme mit der Sittenpolizei und ist geflohen. Ihr Sohn Amin musste nach seinem Studium im Iran vor 15 Jahren fliehen. Oberwart ist seine Heimat. Staat. Mittlerweile ist auch die älteste Tochter aus dem Iran geflohen. „Frauen im Iran führen ein Leben unter Folter und extremer Gewalt. Ich bin stolz darauf, dass sie jetzt für ihre Rechte eintreten und bereit sind, für ihre Freiheit zu sterben, als in dieser Unterdrückung weiterzuleben“, sagt Habibeh, „gleichzeitig macht es mich zutiefst traurig, dass das notwendig ist.“ Habibeh hofft, dass der Verfassungsgerichtshof ihren Fall prüfen und zu der Entscheidung kommen wird, dass sie bleiben darf. 6 FEBER 2023 www.prima-magazin.at

BERICHT „Klimakleber“ – doch ein Sinn dahinter? November 2022: Im Wiener Leopold Museum wurde das Gemälde „Tod und Leben“ von Gustav Klimt mit schwarzer Farbe beschüttet. Jänner 2023: Junge Menschen kleben sich auf Verkehrsknotenpunkten in Wien fest und verursachen dadurch Staus. Diese und andere Aktionen haben das Ziel, auf die Klimazerstörung aufmerksam zu machen, um Maßnahmen gegen die Klimakrise zu erzwingen. Die Rede ist von der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“. Die Stimmung gegen die Aktivisten ist aufgeheizt. Jessica Geyer Foto © Letzte Generation Mitglieder der Letzten Generation kleben sich auf die Straße. Sie fordern ein Fracking-Verbot und Tempolimit 100. Ist-Stand der Klimapolitik Österreich wird seine Klimaziele bis 2040 nicht erreichen, solange der Kurs nicht geändert wird. Eine Klimaneutralität sei laut einer Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) mit dem derzeitigen Kurs nicht möglich. Für solch eine Neutralität wäre laut Bundesregierung eine Einsparung von sechs Prozent der Treibhausgasemissionen pro Jahr notwendig. Derzeit werden der WIFO nach zu urteilen aber nur rund zwei Prozent der Emissionen eingespart. Die „Letzte Generation“ Hier setzt die Letzte Generation an. Sie fordert Tempolimit 100 auf den österrei- chischen Autobahnen und den Stopp von Erdöl-Fracking (Erklärung siehe Kasten). „Glauben Sie, es macht Spaß, sich auf der Straße festzukleben, angespuckt, teils auch körperlich angegriffen zu werden und mir täglich meine Hände blutig stochern zu lassen?“, so Mitbegründerin der Organisation „Letzte >> weiter auf Seite 8 FEBER 2023 7

prima! Magazin Sammlung