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KEM Konstruktion 12.2023

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TRENDS » Interview » Nachhaltigkeit Den Grundstein für eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsbetrachtung legen „Frühzeitig beginnen – im Engineering fallen 80 % der Entscheidungen“ Welchen Einfluss hat die Produktentwicklung auf die Nachhaltigkeit? Dieser Fragestellung ist Thomas Kruschke als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung ‚Nachhaltige Produkt-Ökosysteme‘ des Fraun - hofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK in Berlin bis Juli 2023 nachgegangen. Seine Antwort ist klar: Engineering und Konstruktion haben es in der Hand, für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen. Dabei gilt: Je früher, desto besser – Informationen sind entscheidend. Kruschke arbeitet heute als fachlicher Projektmanager bei der gemeinnützigen Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH in Berlin im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI). Interview: Michael Corban, Chefredakteur KEM Konstruktion|Automation KEM Konstruktion|Automation: Kann die Produktentwicklung dazu beitragen, nachhaltigere Produkte zu entwerfen? Und gelingt es dabei, den Blick über den CO 2 -Fußabdruck der eigenen Fertigung auf den Einsatz der Produkte zu legen? Thomas Kruschke: Einer der wesentlichen Gestaltungshebel liegt darin, Produkte zu modularisieren und für eine bessere Demontage- und Recycling-Fähigkeit zu sorgen. Im Fokus muss immer ein möglichst ressourcenschonender Umgang entlang des gesamten Produktlebenszyklus stehen. Das bedeutet, dass in jeder Lebenszyklusphase die Potenziale zur Operationalisierung der 9R-Strategien (Refuse, Re - think, Reduce, Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose, Recycle – Potting et al. 17) ausgeschöpft werden. Entscheidend ist aber auch, dass wir als Produktentwickler die Chance haben, die ökologische Dimension unserer Entscheidungen nachvollziehen zu können. Über eine Lebenszyklusanalyse (Life Cycle Assesment – LCA) kann ich mir diese Informationen beschaffen. Dabei gilt: Je früher, desto besser. Je früher ich diese Analyse durchführe, desto mehr kann ich Emissionen reduzieren und damit nachhaltigere Produkte entwickeln. Digitale Zwillinge können dann produktindividuell und nachvollziehbar Erkenntnisse liefern, wie nachhaltig Bild: Kruschke das jeweilige Produkt ist – auch über den CO 2 -Footprint hinaus. Sie unterstützen bei Entscheidungen während der Auslegung des Produkts und der Gestaltung der Produktionsprozesse genauso wie im Bereich After Sales oder bei der Wartung der Systeme, indem mögliche Optimierungsmaßnahmen aufgezeigt werden. Und: Am Ende des Produktlebens stellen sie produktspezifische Informationen zu dessen Demontage und Verwertungspotentialen zur Verfügung – das erleichtert die Wiederverwendung sowie Remanufacturing oder Recycling. KEM Konstruktion|Automation: Können Sie kurz den Ablauf eines Life Cycle Assessments erläutern? Kruschke: Zu Beginn werden zunächst die Systemgrenzen festgelegt, wobei im Sinne einer Kreislaufwirtschaft bevorzugt eine Betrachtung ‚von der Wiege bis zur Wiege‘ »Digitale Zwillinge unterstützen bei Entscheidungen über den Lebenszyklus hinweg – und stellen am Ende produktspezifische Informationen zu Wiederverwendung sowie Remanufacturing oder Recycling bereit.« Thomas Kruschke, heute fachlicher Projektmanager bei der ZUG gGmbH in Berlin/Nationale Klimaschutzinitiative (NKI) – Cradle to Cradle – gewählt werden sollte. Cradle to Gate würde nur die Herstellung des Produktes umfassen, nicht den Betrieb; Cradle to Grave würde die Entsorgung beinhalten. Im zweiten Schritt geht es dann darum, sämtliche Umweltwirkungen innerhalb dieser Grenzen zu erfassen – neben der Produktion dann eben auch über die Nutzungsphase hinweg bis zur Entsorgung, idealerweise dem Recycling. Das ist eine große Aufgabe – aber im Engineering werden 80 % aller Entscheidungen getroffen, die das Produkt und damit auch seine Nachhaltigkeit definieren. Deswegen ist es aus der ökonomischen Perspektive sinnvoll, sich frühzeitig auch mit den Umweltwirkungen zu beschäftigen – viele Entscheidungen lassen sich später nicht mehr rückgängig machen und spätere Änderungen verursachen hohe Kosten. Das gilt nicht nur für die Produktentwicklung im Allgemeinen, sondern insbesondere 12 KEM Konstruktion|Automation » 12 | 2023

auch mit Blick auf die ansteigenden Nachhaltigkeitsanforderungen. KEM Konstruktion|Automation: Lassen sich denn die Systemgrenzen immer sinnvoll legen und wie kommt man an all die Daten, um ein LCA durchzuführen? Veranstaltungstipp: Engineering 2036 Engineering 2036: Konferenz für nachhaltige Produktentwicklung Aufzuzeigen, welche Rolle die Produktentwicklung mit Blick auf nachhaltigere Produkte spielen kann, ist Ziel der Engineering 2036. Die Konferenz findet am 27./28. November 2024 in der Arena2036 in Stuttgart statt. Veranstalter ist die KEM Konstruktion|Automation, unterstützt von der Schwesterzeitschrift Industrieanzeiger und dem Fraunhofer IPA. Mehr dazu finden Sie in dieser Ausgabe in der Vorschau auf S. 8 und online hier: hier.pro/4YH45 Bild: Ilya/stock.adobe.com Kruschke: Die Grenzen müssen passend gewählt sein! Ist zum Betrieb eines Produktes eine Server-Infrastruktur erforderlich, muss diese selbstredend mit betrachtet werden. Nur wenn ich alle Stoff- und Energieströme im Produktlebenszyklus erfasse, komme ich zu den gewünschten Aussagen etwa mit Blick auf den CO 2 -Footprint. Die DIN EN ISO 14044 (Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen) liefert hier eine standardisierte und genormte Vorgehensweise zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Produkten anhand verschiedener Wirkkategorien. Daten liefern zudem eine Reihe von Life-Cycle-Inventory-Datenbanken – auch wenn es hier noch die ein oder andere Informationslücke gibt. Bezüglich der Materialien ist die Datenlage gut, bei den Produk tionsprozessen weniger und bezüglich der End-of-Life-Phase und der Betrachtung von multiplen Produktlebenszyklen gibt es noch Nachholbedarf. Des Weiteren stellen fehlende Informationen bei Buy-Entscheidungen eine große Herausforderung dar. KEM Konstruktion|Automation: Und mit diesen Daten kommen die eingangs erwähnten digitalen Zwillinge zum Einsatz? Kruschke: Genau – aber nur, wenn das jeweilige Produkt sich für den Einsatz eines digitalen Zwillings eignet. Da der Aufwand, der mit der Einführung eines digitalen Zwillings zusammenhängt, gegenüber dem Nutzen – also dem Unterstützen zur Operationalisierung der 9R-Strategien –, nicht zwangsläufig zu einer Reduktion der Umweltauswirkungen führt. Generell gilt es, zwischen einem konventionellen und einem digitalen Weg abzuwägen. Der Nutzen des digitalen Zwillings ist vor allem, Informationen über den Produktlebenszyklus hinweg zur Verfügung zu stellen – und das erleichtert am Ende dann den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft. Gerade in der Produktentwicklung könnten digitale Zwillinge aber auch helfen, die Transparenz über die Umweltauswirkungen zu erhöhen. KEM Konstruktion|Automation: Wollen Sie das kurz erläutern? Kruschke: Das Ziel ist ja, frühzeitig zu erkennen, welche Entscheidungen welche Auswirkungen haben – denn die Entscheidungen in der Produktentwicklung wirken ja über den gesamten Produkt lebenszyklus hinweg. Wenn wir künftig also Cradle to Cradle denken, kommt der Qualität der zugrundeliegenden Datenbanken eine hohe Bedeutung zu. Begleiten digitale Zwillinge ein Produkt lebenslang, kann man Daten im Feld erfassen und mit ihnen die Qualität der Datenbanken für eine fundierte Lebenszyklusanalyse nach und nach steigern. www.ipk.fraunhofer.de; www.klimaschutz.de Innovation im optimalen Rahmen Da stecken maximale Flexibilität, Zeitersparnis sowie höchster Montagekomfort drin. Unsere KDSI-SR Schraubrahmen im Baukasten-System (Inlay & Dichtelement) für Schaltschrank, Gehäuse oder Maschine. Kabelmanagement auf innovative Art: sicher, schnell und kinderleicht. Hier kostenloses KEM Konstruktion|Automation » 12 | 2023 Muster anfordern: 13

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