Aufrufe
vor 7 Monaten

KEM Konstruktion 12.2023

  • Text
  • Energieverbrauch
  • Produktionsentwicklung
  • Mobilität
  • Produktentwicklung
  • Digitalisierung
  • Automatisierung
  • Maschinenbau
  • Ressourceneffizienz
  • Konstruktion
  • Software
  • Energie
  • Nachhaltigkeit

TRENDS » Perspektiven

TRENDS » Perspektiven » Nachhaltigkeit Software-Programmierung beeinflusst den Energieverbrauch Energie sparen durch „grünes Programmieren“ Software-Applikationen werden durch moderne Fähigkeiten wie Echtzeit-Datenanalyse und KI immer energiehungriger. Daher schlummert gerade in der Automatisierung mit ihren häufig 24/7 laufenden Anlagen großes Einsparpotential. Gehoben werden kann es durch „grünere Programmierung“ (Green Coding). Tobias Meyer, freier Mitarbeiter der KEM Konstruktion|Automation KEM Konstruktion|Automation: Wie bekannt ist das Thema „Green Coding“ bei Ihnen im Unternehmen? Henning Mersch (Beckhoff): Der Begriff ist bekannt – und viele unserer Bemühungen im Unternehmen zur CO 2 -Reduktion, Steigerung der Energieeffizienz usw. lassen sich auch im Bereich Green Coding einordnen. Carolin Rubner (Siemens): Bei Siemens strukturieren wir unsere Forschungsthemen in Company Core Technologies (CCT), unter Software, System and Processes leite ich das Modul Sustainable Software Engineering and industrial-grade DevOps. Insofern haben wir das Green Coding als Forschungsthema schon länger identifiziert und im Sustainable Software Engineering gebündelt. Dr. Hans Egermeier (Talsen Team): Wir sind aktiv dabei, das wichtige Thema Nachhaltigkeit durch die Digitalisierung voranzutreiben. Es gibt einen hemds - ärmeligen Spruch, der in der praktischen Softwareumsetzung häufig die Führungsgröße ist: Make it run, make it right, make it fast. Für viele Teams, in die ich als Berater Einblick habe, ist schon der erste Schritt ein riesengroßes Thema, also eine Software überhaupt einmal fehlerfrei und robust zum Laufen zu bringen. Make it right – also sauber zu coden – ist dann schon die nächste große Hürde, für die dann aber in den Projekten häufig keine Zeit mehr ist. Die Firmen sind dann froh, dass es läuft. Never touch a running sys- tem – und auf geht‘s zum nächsten Projekt. Make it fast und neuerdings dann noch make it green sind dann beinahe auf demselben, schwer noch zusätzlich zu realisierenden Level. KEM Konstruktion|Automation: Die Forschung zeigt, dass etwa eine Zufallszahlen-Funktion in Python viel Strom braucht, ein anderes Modul mit dem gleichen Zweck kommt mit 2 % der Energie aus. Textverarbeitungsprogramme unterscheiden sich im Energiebedarf für die gleiche Tätigkeit um das Vier - fache. Sehen Sie ein ähnliches Spar - potential in der Software für Industrieautomatisierungssysteme? Mersch: Für die Industrieautomatisierung, insbesondere die PC-basierte Steuerungstechnik wie sie Beckhoff seit Anbeginn nach vorne treibt, gibt es eine wesentliche Stellschraube: das Betriebssystem. Deswegen passt Beckhoff ein generisches Betriebssystem wie Windows auch hochgradig an die Industrieanforderungen an. So werden beispielsweise zur Ressourceneinsparung Windows-Dienste abgestellt oder für ein Desktop-System übliche, hier aber verzichtbare Komponenten nicht installiert. Zudem bietet Beckhoff Betriebssysteme an, die mit kleinerem Footprint auskommen. Klassisch war das Windows CE, nun ist es Twincat/ BSD. Auch in unseren eigenen Testzentren für die Überprüfung der Produktqualität werden bevorzugt ressourcenschonende Betriebssysteme eingesetzt. Natürlich funktioniert dies besonders gut für die Bild: Beckhoff Henning Mersch, Produktmanager Twincat bei der Beckhoff Automation GmbH & Co. KG, Verl »Ressourceneffizienz bedeutet auch, kleinere und damit im Normalfall günstigere CPUs verwenden zu können. Wichtig sind aber zudem konstante Laufzeiten, damit das Gesamtsystem echtzeitfähig ist. Hier muss man in manchen Fällen durchaus gegeneinander abwägen.« arithmetischen, vom Betriebssystem unabhängigen Teile. Letztendlich laufen Integrationstests auf allen Betriebssystemen, die wir anbieten. 30 KEM Konstruktion|Automation » 12 | 2023

Bild: peopleimages.com/stock.adobe.com Kann die Art der Programmierung den Energieverbrauch beeinflussen? Ja – und die Differenz zwischen bester und schlechtester Lösung kann beachtlich sein. Rubner: Der allererste Schritt muss wirklich sein, das Bewusstsein zu schaffen, dass auch die Digitalisierung Emissionen erzeugt. Wir erreichen viele Nachhaltigkeitsziele durch Digitalisierung, müssen aber auch schauen, dass die Digitalisierung selbst die Nachhaltigkeit mit betrachtet. Wir müssen betrachten, was die CO 2 -Emission und den Ressourcenverbrauch beeinflusst: Welche Architekturen wähle ich, arbeite ich an einem Monolith oder ist die Software modular sowie viele andere Thematiken wie Implementierung oder auch die DevOps-Infrastruktur. Schlussendlich müssen wir in der Anlage messen und konkrete Zahlen zur Verfügung stellen, durch die dann via Feedbackschleife wieder das Software- und Solutiondesign verbessert werden kann. Egermeier: Dafür ist es wichtig, das praktische Produktionsumfeld zu kennen. Denn einige Anlagen werden dort nach wie vor nie abgeschaltet, und zwar nicht, weil 24/7 produziert wird, sondern weil sich die Betreiber nicht trauen, sie abzuschalten – aus Angst, das Ganze wird nie wieder hochfahren. Sprich, allein im „make it right“ liegt schon ein riesengroßes Optimierungspotential: Anlagen so zu programmieren, dass ich sie tatsächlich fallbezogen einfach ausschalten und dann wieder anschalten kann. Schon so kann man Energie sparen, denn allein die Implementierung eines Schlafmodus wäre je nach Verständnis schon ein großer Beitrag zum Green Coding. KEM Konstruktion|Automation: Werden bereits Versuche angestellt, mit welchen Programmiermethoden oder Modulen bzw. Bibliotheken die besten Ergebnisse hinsichtlich Ressourceneffizienz erzielt werden können? Mersch: Ja, und das schon immer. Ressourceneffizienz bedeutet dabei schließlich auch, kleinere und damit im Normalfall günstigere CPUs verwenden zu können. Wichtig sind aber zudem konstante Laufzeiten, damit das Gesamtsystem echtzeitfähig ist. Hier muss in manchen Fällen durchaus gegeneinander abgewogen werden. IM FOKUS Softwarecode, besser die Art der Programmierung, kann den Energieverbrauch deutlich beeinflussen – nicht nur bei 24/7-Anlagen ein wichtiges Thema. Rubner: Wir arbeiten mit Partnern wie der Gesellschaft für Informatik und dem Öko- Institut im Förderprojekt Eco-Digit quasi an einem Prüfstand für Software: Ziel ist die Entwicklung einer automatisierten Bewertungsumgebung, die für beliebige Software die Daten zu Ressourcenverbräuchen, CO 2 -Emissionen etc. transparent offenlegt. Zudem schauen wir auch immer, was außerhalb unseres Kosmos passiert, denn wir müssen ja nicht das Rad neu erfinden. Siemens ist zudem als seit Kurzem auch Steering Member Teil der 2021 unter anderem von Microsoft, GitHub, Thoughtworks und Accenture ins Leben gerufenen Green Software Foundation. Dort haben wir bereits begonnen, Tools und Methoden zu sammeln und wollen das Thema gemeinsam mit weiteren Industriegrößen auch Richtung Standardisierung vorantreiben. Zusätzlich stehen wir mit verschiedenen Einrichtungen wie dem Umweltcampus Trier oder dem Hasso-Plattner-Institut (Clean-IT Konferenz) im Austausch. KEM Konstruktion|Automation » 12 | 2023 31

KEM Konstruktion