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KEM Konstruktion 12.2023

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TRENDS » Perspektiven

TRENDS » Perspektiven » Nachhaltigkeit In der grünen Programmierung steckt ein enormes Potential – besonders dann, wenn sie von Anfang an berücksichtigt wird. Bild: ArtemisDiana/stock.adobe.com Egermeier: Dafür wird wahrscheinlich das Tooling sehr wichtig werden. Denn zu erkennen, welches Modul was macht ist in schon in kleinsten Softwareprojekten sehr schwer. Um überhaupt die fehlerfreie Funktionsfähigkeit einer Software – das make it right – zu überwachen, lassen gute Programmierer kontinuierlich entsprechende Tests mitlaufen. Denkbar wäre, dass wir so etwas auch für den Energieverbrauch etablieren können. Denn für einen Programmierer ist so etwas sehr schwer oder gar nicht ersichtlich, wir kennen das aus der Diskussion um zu langsame Software: Die Spekulationen um die Gründe dafür sind oft falsch. Schon bei relativ gering-komplexen Software-Programmen ist man als Programmierer nicht mehr oder nur mit unverhältnismäßig viel Aufwand in der Lage zu erkennen, warum das System zu langsam ist. Erst mit Performance-Analysetools sieht man wirklich, wo die Schwachstelle im Code ist. Oft sind das dann kleine Programmteile, die total unscheinbar wirken, an einer anderen Stelle aber vielleicht tausende Male ausgeführt werden – und alle aber denken, diese kleine Funktion sei ja so superschnell, das mache nichts aus. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es sich beim Green Coding in ähnlicher Weise verhält. KEM Konstruktion|Automation: Labels wie der Blaue Engel zertifizieren inzwischen auch Software. Dabei sieht man Programme, deren neue Versionen auch neue Hardware benötigt, als wenig nachhaltig an. Legt man in der Automatisierungstechnik mehr Wert auf Abwärtskompatibilität als etwa bei Office- Software? Mersch: Das ist tatsächlich ein klassischer Unterschied. Auch wenn die Einsatzbereiche schwer zu vergleichen sind, werden unsere Steuerungen typischerweise um mehrere Faktoren länger eingesetzt als Computer in Rechenzentren oder im Desktop-Bereich. Das heißt aber auch, dass Energieeffizienzmaßnahmen der CPU-Lieferanten sich bei unseren Kunden erst später auswirken, da hier die Langzeitverfügbarkeit eine wichtige Rolle spielt. Wenn in Rechenzentren Computer ausgetauscht werden, weil es sich aus Gründen der Energieeffizienz rechnet, ist das in der Industrieautomatisierung noch lange nicht der Fall – allein schon, weil die Industrieautomatisierung selbst in der Regel nicht den größten Anteil am Energiebedarf einer Anlage oder Maschine ausmacht. Rubner: Hierbei ist eine gute API-Strategie definitiv ein wichtiger Punkt, ebenso gut definierte Funktionalitäten, die dann leicht wieder gefunden und auch wiederverwendet werden können. Containerisierung erleichtert zudem die Wiederverwendbarkeit auf verschiedener Hardware oder neuen Plattformen. Natürlich müssen wir dabei messen, wie viel zusätzliches CO 2 wir dadurch einkaufen und was wir durch Wiederverwenden sparen. Egermeier: Der Brownfield-Bereich in der Automatisierungsbranche ist riesig und in aller Regel können es sich Hersteller kaum leisten, harte Kompatibilitätsbrüche zu riskieren. Wenn Softwareoptimierungen der Steuerungen auf Bestandsanlagen gemacht werden, achten die meisten Hersteller peinlich genau drauf, dass diese ohne Hardwareänderung weiterbetrieben werden können. Wenn plötzlich ein kleines Softwareupdate dazu führt, dass nichts mehr geht, überlegen sich Kunden sehr schnell, ob nicht ein Wechsel des Steuerungsherstellers in Betracht zu ziehen wäre. KEM Konstruktion|Automation: Aktuell versuchen Softwareanbieter, sich unter anderem über den Funktionsumfang abzugrenzen. Könnten die eventuell von vielen Kunden ungenutzten Softwareelemente künftig ein Kritikpunkt werden? Mersch: Gegensteuern könnte man mit einer hohen Fähigkeit zur Modularisierung. Und hier sprechen Sie eine der Hauptvorteile der PC-basierten Steuerun- 32 KEM Konstruktion|Automation » 12 | 2023

gen von Beckhoff an: Auf eine gegebenenfalls kleine Basis können, müssen aber nicht zusätzliche Funktionen installiert werden. Die Option einer zusätzlichen Installation zu haben, wird aber nie ein Kritikpunkt werden. Modularisierung von Software in Form von paketierten Updates bietet Beckhoff schon lange – und wir forcieren hier gerade mit einem Twincat Paket Manager zusätzlich die Einfachheit. Denn die Optionen müssen vom Kunden ja auch genutzt werden, und zwar auf möglichst einfache Art und Weise. Modularisierung spielt gerade auf der Anlagen-Ebene eine entscheidende Rolle: Das Konzept Module Type Package (MTP) sorgt für einheitliche Schnittstellen von Teilanlagen – und diese Ansätze sehe ich als äußerst vielversprechend im Bereich Green Coding: Fertige Module für unterschiedliche Produktionen schnell arrangieren zu können, bedeutet weniger Teilanlagen bauen zu müssen! Rubner: Um hier gut aufgestellt zu sein arbeiten wir mit Experten aus verschiedenen Bereichen zusammen. Siemens-intern haben wir eine Software, die uns hierbei unterstützt: Green Digital Twin. Dieser hilft uns, die Gesamtlösung zu bewerten, möglichst nachhaltig zusammenzustellen und dann leicht daraus auch den entsprechenden CO 2 -Fußabdruck zu bestimmen. Hier schauen wir, was wir dafür von der Softwareseite und der Service- und Solutionsseite machen müssen. Egermeier: Ich würde sagen, die Größe von Software und der Energiebedarf korrelieren nicht. Die ausgeführten Anweisungen pro Zeit sind entscheidend. Ein kleines sehr uneffizientes Programm kann damit mehr Energie verbrauchen als eine große, funktional vielfältige aber effizient umgesetzte Applikation. KEM Konstruktion|Automation: Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Software von morgen möglichst ressourceneffizient zu gestalten? Mersch: Einfachheit für den Anlagenund Maschinenbauer ist das Wichtigste. Das Thema sollte möglichst keine (aktive) Rolle spielen, sondern automatisiert erledigt werden – wie eingangs bezüglich Compiler angesprochen: effiziente Hardware weise auswählen und klug mit den richtigen Softwarekomponenten kombinieren – und das hochindividuell, wie es nur die PC-basierte Steuerungstechnik ermöglicht. Rubner: Ein Life Cycle Assessment von Software ist nicht einfach. Wir nutzen die Methode, die wir auch für unsere Hardwarekomponenten anwenden, seit dem Bild: Siemens Carolin Rubner, Head of Sustainable Software Engineering and industrial-grade DevOps, Siemens Technology, Erlangen »Wir erreichen viele Nachhaltigkeitsziele durch Digitalisierung – müssen aber auch schauen, dass die Digitalisierung selbst die Nachhaltigkeit mit betrachtet.« letzten Geschäftsjahr bereits für Software und jetzt auch für Services. Dabei teilt sich das Ganze auf Energie und Material, denn man muss auch vom Laptop bis zum Data Center die Infrastruktur der Entwickler mit einbeziehen. Zur Energie gehört, was für Entwicklung, Speicherung und Betrieb notwendig ist. Einige Punkte des verwendeten Ansatzes zur Lebens - zyklusanalyse haben wir hier schon genauer betrachtet – Produktion, Vertrieb und Speicherung – bei Materialbeschaf- KEM Konstruktion|Automation » 12 | 2023 33

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