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KEM Konstruktion 12.2023

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TRENDS » Interview »

TRENDS » Interview » Nachhaltigkeit ringeren Kupferverbrauch aus und reduzierten Gerätekosten bei gleichzeitig geringerem Platzbedarf. Warum? Weil bereits heute die meisten Endgeräte mit Gleichstrom versorgt werden. Betreibe ich also Maschinen, Motoren oder Förderbänder direkt in einem Gleichstromnetz, entfallen die Wandlungsverluste der Erzeugung von Gleichstrom aus Wechselstrom, wie das bislang der Fall ist. Und die Bremsenergie einer Anlage lässt sich als elektrischer Strom wieder dem DC-Netz zuführen. Mit unserem neuen Gebäude 60 am Hauptsitz Blomberg verfügen wir gerade mit Blick auf die Gleichstromversorgung über eine sehr reale Testanlage. Hier stehen alle energieerzeugenden und energieverbrauchenden Teilnehmer in einem elektrischen, thermischen und kommunikativen Verbund wie zuvor beschrieben – es handelt sich um eine Blaupause für die All Electric Society. Genutzt wird unter anderem ein Eisspeicher für den Bedarf an Wärme und Kälte. Und die Photovoltaik-Anlage mit 2,5 MW p sowie passende Speicherlösungen liefern die elektrische Energie. Bei den Speichern setzen wir sowohl auf Batteriespeicher als auch Wasserstoff. KEM Konstruktion|Automation: Durch die erwähnte Einspeisung von Bremsenergie entsteht also ein Verbund aus Verbrauchern, die gleichzeitig auch Erzeuger elektrischer Energie sind? Jörres: Genau so ist es. In dem Gebäude ist zum Beispiel ein Gleichstromnetz in Verbindung mit bidirektionaler Ladetechnik installiert. Damit sind E-Autos nicht nur Verbraucher – sie können auch temporär zu Energiespeichern werden und das Gebäude versorgen. Gerade durch diese Integrationsfähigkeit bringt ein Gleichstromnetz die Sektorenkopplung voran. Und in der industriellen Nutzung lassen sich wie erwähnt Verlustleistungen wirksam reduzieren – etwa durch die Nutzung der Rekuperationsenergie beim Bremsen von Elektromotoren. Ganz im Sinne der Erkenntnisse der Forschungsprojekte DC-Industrie und DC-Industrie2, die von der ZVEI-Arbeitsgemeinschaft Open DC Alliance (ODCA) weiterentwickelt werden. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Gleichstrom aus erneuerbaren Energien kann leicht in die Produktion eingebunden werden und zugleich einen wichtigen Beitrag für mehr Energie- und Ressourcen - effizienz leisten. KEM Konstruktion|Automation: Um weltweit das für die AES erforderliche Stromnetz bis 2030 zu installieren, geht Phoenix Contact von einem Bedarf von 16 Millionen km neuen Leitungen und rund 5,5 Millionen Schaltschränken aus – wie lässt sich diese Aufgabe stemmen, insbesondere auch mit dem Blick auf den Fachkräftemangel? Jörres: Diese Zahlen ergeben sich, wenn man alle verfügbaren Studien und Paper zusammenführt und davon ausgeht, dass unser Ziel die Schaffung eines neuen digitalen Netzes für die Stromversorgung ist. Und in der Tat: Ausschließlich in der Energieverteilung und -übertragung werden dann 5,5 Millionen Schaltschränke gebraucht. Nun ist die Zahl der Schaltschrankbauer begrenzt und sie lässt sich aufgrund des Fachkräftemangels auch nicht beliebig steigern. Umso wichtiger ist es deshalb, herauszufinden, wie wir einen Schaltschrank sowohl unter zeitlichen als auch Kostenaspekten effizienter aufbauen können. Damit rückt die gesamte Prozesskette des Schaltschrankbaus in den Fokus – von der Planung bis zur Produktion. Ein Lösungsansatz sind digital vollständig abbildbare Prozesse. Um ein Beispiel zu nennen: Bei der Verdrahtung haben wir erkannt, dass rund die Hälfte der erforderlichen Zeit auf die Vorbereitung der Leiter und ihre Markierung entfällt. Genau hier setzen wir mit unseren Lösungen an und automatisieren diese Tätigkeiten auf Basis digital abgebildeter Prozesse – das Stichwort lautet digitaler Zwilling. Baue ich den gesamten Schaltschrank von vorne herein komplett digitalisiert als Zwilling auf, ergibt sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, schneller und effizienter zu produzieren. www.phoenixcontact.com Bild: Phoenix Contact Je mehr kommunikative Systeme zum Einsatz kommen, desto mehr Schaltschränke werden benötigt. Umso wichtiger ist es, die Prozesse im Schaltschrankbau zu optimieren und zu automatisieren. INFO Mehr zum Hintergrund der All Electric Society (AES): hier.pro/UlRRQ 38 KEM Konstruktion|Automation » 12 | 2023

Phoenix Contact eröffnet Park der All Electric Society in Blomberg Auf rund 7600 m² hat das Unternehmen entlang der Zufahrt in Blomberg einen frei zugänglichen Park errichtet, der das Zukunftsbild der All Electric Society (AES) für alle erlebbar macht und verständlich erklärt. Anhand des Energieflusses von der Gewinnung über die Wandlung, Speicherung und Verteilung bis hin zum optimierten Energieeinsatz wird gezeigt, wie die All Electric Society Wirklichkeit werden kann. Dabei veranschaulichen reale Applikationen, wie Sektorenkopplung funktioniert und welche Technologien diese ermöglichen. Der Park stellt in verkleinerter Form ein Abbild der realen Welt dar. Energie- und Datenfluss sind roter Faden des Parks Entlang des Energie- und Datenflusses werden Applikationen in einen sinnhaften Zusammenhang gesetzt und deren gegenseitige Beeinflussung aufgezeigt. Ausgangsbasis ist die Erzeugung von regenerativer Energie mit Solar und Wind. Solarmodule befinden sich auf den Dächern der Cubes und der Ladestationen, sind in die Fassade des Pavillons integriert und als Bodenplatten eingesetzt. Rund 550 Module sind verbaut und liefern 155.000 kWh Strom pro Jahr. Das Thema Windenergie wird exemplarisch durch eine begehbare Windgondel sowie durch einen Windtree vermittelt. Schon bei kleinen Windbewegungen drehen sich seine grünen Blätter aus Kunststoff, die wie Turbinen funktionieren, und erzeugen so Energie. Mit 36 Blättern, sogenannten Aeroleafs, liefert der Windtree bis zu 10,8 kW p Leistung. • Energie speichern und abrufen Da die Ressourcen Sonne und Wind nicht immer im gleichen Maße zur Verfügung stehen, muss überschüssige Energie gespeichert und bei Bedarf wieder abgegeben werden können. Hierfür werden Batteriespeicher eingesetzt. Die Energieverbraucher im Park sind die Gebäude, Elektroladesäulen und die Applikationen im Park selbst. An diesen Verbrauchern werden auch verschiedene Optimierungsmaßnahmen aufgezeigt, die dazu dienen, den Energiebedarf und Ressourceneinsatz zu senken. • Energiemanagementsystem Die elektrische Verbindung von Energieerzeugern, -speichern, -verbrauchern und dem Mittelspannungsnetz erfolgt über eine Ortsnetzstation. Dabei sorgt ein Energiemanagementsystem für eine Balance zwischen Erzeugern, Speichern und Verbrauchern. Energie wird so in den benötigten Strom- und Spannungsbereichen bereitgestellt. Dieses System erfasst alle relevanten Kenndaten und steuert die entsprechenden Energieflüsse. Im Kreisverkehr direkt am Park ist ein Solar-Tracker mit einem Durchmesser von 12 m das Erkennungsmerkmal des Parks der All Elec tric Society. Er ist um die Zentralachse drehbar, um stets im richtigen Winkel zur Sonne zu stehen. • Wärme und Kälte: Im Park wird nicht nur elektrische Energie benötigt. Die Kuben und der Pavillon im Park müssen mit Wärme oder Kälte versorgt werden. Dieser Energiefluss wird durch ein eigenständiges Wärme- und Kälte-Energiemanagementsystem gesteuert. Hierbei werden auch Wärmeverluste, die beim Wandeln von Energie entstehen, berücksichtigt und genutzt. Zum Einsatz kommt ein Eisspeicher mit zwei Wärmepumpen. • Zentrale Steuerung: Die beiden eigenständigen Energiemanagementsysteme ‚elektrische Energie‘ und ‚Wärme/Kälte‘ werden zentral in einem überlagerten System zusammengeführt und verwaltet. Ebenso wichtig wie das Erfassen und Auswerten der Energieverbrauchs- und Energieerzeugungsdaten, um den Energiefluss steuern zu können, sind Effizienzmaßnahmen, die den Energieverbrauch senken. Dies ist ein wesentlicher Punkt, um die AES Wirklichkeit werden zu lassen. Nur mit einer zusätzlichen Senkung des primären Energiebedarfs durch Effizienzmaßnahmen kann eine Energieversorgung, die auf erneuerbaren Ressourcen fußt, funktionieren. Ansatzpunkte hierfür zeigt der Park mit dem energie - optimierten Gebäudebetrieb. Das Thema Effizienz hat übrigens ebenfalls einen engen Bezug zu Nachhaltigkeit. Auch dieser Aspekt wird im Park berücksichtigt: Der Pavillon ist nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip gebaut – es wurden nur Materialien eingesetzt, die kreislauffähig sind. Dieser Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft stellt das nachhaltige Produzieren in den Vordergrund. (eve) Bild: Phoenix Contact KEM Konstruktion|Automation » 12 | 2023 39

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