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KEM Konstruktion Systems Engineering 01.2017

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Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; KEM Porträt: Eplan- und Cideon-Chef Maximilian Brandl, Cideon-Entwicklungsleiter Rolf Lisse und Eplan-Serviceleiter Bernd Schewior erläutern Details zum Syngineer; KEM Perspektiven: Das Internet of Production für agile Unternehmen

ANWENDUNG INDUSTRIE 4.0

ANWENDUNG INDUSTRIE 4.0 PERSPEKTIVEN PERSPEKTIVEN Prof. Günther Schuh, Lehrstuhl für Produktionssystematik am WZL der RWTH Aachen Prof. Fritz Klocke, Lehrstuhl für Technologie der Fertigungsverfahren am WZL der RWTH Aachen Bild: WZL der RWTH Aachen „Wir lassen uns doch nicht vom Silicon Valley erzählen, dass wir jetzt mit Daten arbeiten können – nur weil wir die ersten drei Schritte längst gemacht haben, den vierten aber noch nicht!“ Bild: WZL der RWTH Aachen „Wir müssen einen durchgängigen Datenaustausch ermöglichen. Relevante Probleme müssen dazu aus produktionstechnischer Sicht sauber formuliert und Fragen des Schutzes von geistigem Eigentum geklärt werden.“ Am 18. und 19. Mai 2017 bietet sich Besuchern des AWKs die Chance, sowohl das ‚Internet of Production für agile Unternehmen‘ als auch den Aufbau der e.GO-Fertigung selbst in Augenschein zu nehmen. Dazu finden an den zwei Tagen insgesamt vier Vortragssessions zu diesen Themen statt: • Agile Produktentwicklung • Lernende Produktionssysteme • Internetbasierte Produktionstechnik • Wissenschaft in der Produktionspraxis Nachfolgend dazu jeweils eine kurze Zusammenfassung der jeweiligen Keynotes. Agile Produktentwicklung Der Druck auf Unternehmen, immer schneller, günstiger und radikaler zu innovieren, ist in den letzten Jahren signifikant gestiegen. Nach wie vor tun sich insbesondere etablierte Unternehmen schwer, diesen Forderungen gerecht zu werden – beeinflusst durch menschliche Verhaltensmuster und historisch gewachsene Strukturen in der Produktentwicklung. So ist etwa der menschliche Verstand an evolutionäre Entwicklungen gewöhnt und denkt bei der Neuentwicklung von Produkten in bekannten Verhaltensmustern – was einer radikalen Innovation entgegenwirkt. Daher stehen am Anfang der agilen Produktentwicklung die Beispiele, welche auf Basis von Markt- und Technologiekenntnissen intern ohne Einbeziehung des Kunden definiert werden müssen und die zu adressierenden Kundenbedürfnisse beschreiben. Leicht zu fassen ist dies an dem Henry Ford zugeschriebenen Zitat aus den Anfängen der Automobilentwicklung: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.“ Ein Lösungsraum für die agile Produktentwicklung spannt sich also erst auf, wenn ‚weitergedacht‘ wird. Hinzu kommt die Herausforderung, dass die zunehmende Interdisziplinarität in der Entwicklung zu steigenden Verständnisproblemen zwischen den jeweiligen Fachdisziplinen führt – was eine fachspezifische Optimierung der Produktumfänge zur Folge hat. Diese semantischen Konflikte können nur durch interdisziplinäre Entwicklungsteams und eine fachübergreifende Datendurchgängigkeit adressiert werden. Agile Unternehmen benötigen darüber hinaus die Fähigkeit, aus den eigenen Erfahrungen zu lernen und Änderungen schnell umzusetzen. Hierfür sind durchgängige und echtzeitfähige Datenstrukturen notwendig. Unternehmensweit einheitliche Informationsstände führen zur Reduktion von Informationsbeschaffungszeiten und ermöglichen in Kombination mit flexiblen Produktionstechnologien die hochfrequente Umsetzung von Änderungsaufträgen. Lernende Produktionssysteme Die Vernetzung und Digitalisierung von Produktionssystemen im Sinne der Industrie 4.0 ermöglicht eine zentrale Aggregation von Planungs- und Prozessinformationen. Auswertungen auf Basis dieser stetig wachsenden Datengrundlage erlauben in einem nächsten Schritt die Ableitung von Prozesswissen sowie das Lernen für zukünftige Bearbeitungsfälle. Für agile Unternehmen im globalen Wettbewerb stellt dies eine neue Möglichkeit dar, um Produktqualität, Produktivität und Verfügbarkeit weiter zu steigern. Zentrale Herausforderungen bestehen in der strukturierten Datenerfassung sowie einer kontextsensitiven Datenverarbeitung, mit dem Ziel einer Mehrwert-orientierten Auswertung. Die Anforderungen an Datenverfügbarkeit und -aufbereitung orientieren sich stark an den Fragestellungen, die durch Entscheider unterschiedlicher Planungsebenen vorgegeben werden. In der Praxis ergeben sich daher für verschiedene Planungsebenen unterschiedlich ausgeprägte Rückführungsschleifen. Bezogen auf die klassische CAD-CAM-NC-Verfahrenskette kann grundsätzlich zwischen drei solcher Schleifen unterschieden werden, die nicht entkoppelt voneinander ablaufen, sondern kaskadierend aufgebaut sind: • Die innerste Schleife befindet sich auf Werkstattebene. Im Fokus stehen die echtzeitnahe Überwachung von Prozess und Maschine während einer spezifischen Bearbeitung sowie die Rückmeldung von identifizierten Fertigungsproblemen in die Arbeitsvorbereitung. Dementsprechend werden hier die höchsten Anforderungen an Datendichte und Einbindung von technologischem Domänenwissen zur Datenauswertung gestellt. 64 K|E|M Konstruktion Sonderausgabe Systems Engineering 01 2017

INDUSTRIE 4.0 ANWENDUNG PERSPEKTIVEN PERSPEKTIVEN Prof. Robert Schmitt, Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement am WZL der RWTH Aachen Prof. Christian Brecher, Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen am WZL der RWTH Aachen Bild: WZL der RWTH Aachen „Die Datensammlung erfordert kein einheitliches Datenformat – die Strukturierung erfolgt erst im Nachhinein. Entscheidend ist, dass sich weitere Informationen ergänzen lassen.“ Bild: WZL der RWTH Aachen „Derzeit werden die Möglichkeiten moderner Werkzeugmaschinen meistens nicht vollständig genutzt – wir können also die Produktivität steigern, wenn es uns gelingt, den Bearbeitungsprozess bestmöglich zu führen.“ • Eine angepasste produktspezifische Auswahl von Fertigungsressourcen und Betriebsmitteln innerhalb der Arbeitsvorbereitung wird bei der mittleren Schleife betrachtet. Ergebnisse der Qualitätssicherung werden hier mit den verwendeten Betriebsmitteln auf Werkstückebene in Verbindung gebracht, strukturiert abgelegt und zukünftig für eine statistische Bewertung von Planungsalternativen vorgehalten. • Ähnlich verfahren wird in der äußeren Rückführungsschleife: Um einer steigenden Variantenvielfalt flexibel zu begegnen, erfolgt hier eine Bewertung von alternativen Prozessketten für strategische Neuausrichtungen auf Basis von Produktions- und Logistikkenngrößen. Vorgestellt werden im Rahmen der Ausstellung des AWKs zudem themenbezogene, industrienahe Demonstrator-Lösungen. Das hierzu benötigte Domänenwissen wird am Werkzeugmaschinenlabor an zahlreichen Prüfständen entwickelt und in Form von schnellrechnenden Modellen abgebildet. Auf diese Weise kann es effizient in Datenauswertungen eingebunden und angewendet werden. Internetbasierte Produktionstechnik Die Produktion wird sich in Zukunft selbstständig auf individuelle Bearbeitungsaufgaben einstellen und darüber hinaus Optimierungspotenziale im Hinblick auf Produktivität, Flexibilität und Qualität weiter ausschöpfen. Zentrale Voraussetzung ist die konsequente und umfassende Datenakquisition entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Neue modellbasierte Analysemethoden ermöglichen es, Einzelprozesse und Prozessketten adaptiv zu steuern. Die vollständige Vernetzung der Maschinen, Werkzeuge und aller IT-Systeme garantiert dabei den Datenaustausch in Echtzeit. Erweiterte Produktdatenmodelle, sogenannte ‚digitale Zwillinge‘, werden relevante Daten der Fertigungshistorie kontextbasiert für Analysen bereitstellen und so die Prozessentwicklung und -optimierung in der Einzel- und Serienfertigung deutlich beschleunigen. Softwarebasierte Assistenzsysteme, sogenannte ‚Technology-Apps‘, werden Prozess - entwickler, aber auch Maschinenbediener befähigen, ihre Kompetenzen noch wirkungsvoller einzusetzen. Gerade die Herstellung hochwertiger Komponenten, etwa für die Luftfahrt, die Energietechnik oder den Werkzeug- und Formenbau, wird von einer vernetzten, adaptiven Produktion profitieren. Produzierende Unternehmen leben heute praktisch in zwei Welten: in einer realen, in der Bauteile, Werkzeuge und Maschinen existieren und – getrennt davon – in einer virtuellen Welt, in der Prozess- und Bauteildaten gespeichert sind. Für eine Zuordnung des Bauteils zu den dazugehörigen Daten muss ein Mitarbeiter genau wissen, wo welche Daten zu finden sind. Diese Kluft zwischen Realdaten und der digitalen Welt soll mit dem Wandel zur Industrie 4.0 verschwinden. Ein digitaler Zwilling wird durch Identifikationssysteme direkt aus der zentralen unternehmensinternen Datenbank gewonnen und trägt alle aufgezeichneten Daten der Fertigungshistorie einschließlich der Projekt- und Auftragsdaten mit sich. Keynote Wissenschaft in der Produktionspraxis „An der Schneide des Drehstahls entscheidet sich die Dividende des Unternehmens“, lautet ein Zitat von Georg Schlesinger aus dem Jahr 1904. Rund 100 Jahre später befinden wir uns im Zeitalter der Industrie 4.0 und Thesen wie ‚Data is the New Oil‘ belegen den Stellenwert der Digitalisierung. Doch sollten produzierende Unternehmen Daten nicht zum Selbstzweck oder zu reinen Dokumentationszwecken erheben. Vielmehr ergeben sich erhebliche Potenziale für die Produktionspraxis, wenn die Datenerhebung, -bevorratung und -analyse in wissenschaftlicher Herangehensweise erschlossen werden. Innovationen ergeben sich vor allem dann, wenn wissenschaftliche Methoden nicht aus den Ingenieurwissenschaften, sondern aus anderen Disziplinen angewandt werden. Infos zu Programm und Anmeldung zum AWK 2017: www.awk-aachen.de K|E|M Konstruktion Sonderausgabe Systems Engineering 01 2017 65