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mav 01.2023

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04 Software Warum

04 Software Warum Digitalisierungsprojekte oft scheitern – und wie man sie erfolgreich umsetzt Die fünf Naturgesetze der Digitalisierung Wenn Digitalisierungsprojekte in der Produktion scheitern, dann liegt dies immer wieder an denselben Problemen und Fehlern. Bei näherem Hinsehen sind es stets die gleichen fünf Themen, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Diese fünf wichtigsten Erkenntnisse aus über 30 Jahren praktischer Digitalisierungserfahrung sind mittlerweile wie Naturgesetze zu betrachten. Autor: Johann Hofmann, Maschinenfabrik Reinhausen ■■■■■■ Das Wissen über fünf fundamentale Zusammenhänge ist für jedes Unternehmen elementar und entscheidet über Erfolg oder Misserfolg von Digitalisierungsprojekten. Denn wenn Digitalisierungsprojekte zäh laufen oder gar scheitern, dann liegt es ausnahmslos an der Nichtbeachtung der fünf Naturgesetze der Digitalisierung (Bild 1). 1. Lean Management konsequent einsetzen und leben Der Begriff „Lean Management“ bzw. „Lean Production“, zu Deutsch „schlanke Produktion“, beschreibt die Methoden und Verfahrensweisen zur effizienten Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette industrieller Güter und ist heute aktueller denn je. Prozesse sollten einfach, verschwendungsfrei, klar gestaltet und dokumentiert sein, bevor man sie digitalisiert. Schlechte analoge Prozesse werden durch die Digitalisierung nicht besser, sondern noch schlechter. Es ist auch keine gute Idee bewährte analoge Trampelpfade auf Mitarbeiterwunsch 1:1 zu digitalisieren, denn dadurch würde viel weiter greifendes Potenzial verschenkt. 2. Stammdaten müssen 100 % vollständig sein Daten gelten mittlerweile als vierter Produktionsfaktor neben Boden, Kapital und Arbeit. Daten sind somit als eine kritische Ressource zu betrachten, die es entsprechend zu managen gilt. Hier lauern zahlreiche Fallstricke. Viele enttäuschend gelaufene Projekte sind schlussendlich an den Stammdaten gescheitert. Die Anwendung des an anderer Stelle bewährten Paretoprinzips (80-zu-20-Regel) ist hier komplett falsch und führt hundertprozentig zum Scheitern des Projektes. Mit nachvollziehbaren Beispielen lässt sich das untermauern und es können schrittweise gangbare Wege der Stammdatenvervollständigung gezeigt werden. Wenn die erste große Hürde geschafft und ein Teil der Stammdaten fehlerfrei und vollständig angelegt ist, Bild 1: „Die fünf Naturgesetze der Digitalisierung“ nach Hofmann. Bild: pia-pictures, metamorworks, Joerch/adobe.stock.com, www.JohannHofmann.info 62 Februar 2023

dann darf auf keinen Fall über die Zeit eine Verschlechterung dieser Stammdaten erfolgen. Dazu ist ein automatisierter und immerwährender „Gesundheitscheck“ der Stammdaten notwendig. 3. Konnektivität im Brownfield herstellen Als „Greenfield“ bezeichnet man eine „auf einer grünen Wiese“ komplett neu gebaute Firma, die mit modernsten Maschinen und Softwaresystemen ausgestattet ist. Quasi eine Firma ohne irgendwelche Altlasten, welche die Digitalisierung erheblich erschweren. Die Wirklichkeit ist allerdings fast immer das Gegenteil – und zwar eine Firma mit einem historisch gewachsenen Maschinenpark, mit unterschiedlichsten Baujahren, Softwaresystemen und Versionsständen. Das nennt man auch „Brownfield“. Beim Naturgesetz „Konnektivität herstellen“ geht es darum, mit dem unterschiedlichen „Zoo“ an Maschinen 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr bidirektional Daten auszutauschen – und zwar zu jeder Sekunde stabil und zuverlässig. Die Herstellung der Konnektivität in einem Brownfield gleicht einem Häuserkampf, der künftig durch OPC UA einfacher zu gewinnen sein wird. 4. Eigenständige und offene Ökosysteme implementieren Viele suchen immer noch nach der eierlegenden Wollmilchsau, d. h. nach einem System, das alles kann. Ein monolithisches, allumfassendes System zur Digitalisierung des gesamten Unternehmens ist allerdings eine Illusion. Die Lösung sieht so aus: Die digitale Fabrik besteht aus verschiedenen, eigenständigen Ökosystemen, in deren Zentrum ein planendes Metasystem sitzt – Stand heute ist das das ERP-System. Unterhalb dieser Metaebene befinden sich die jeweiligen Ökosysteme mit ihren domänenspezifischen Abläufen und Prozessen, wie z. B. eine Feinsteuerung, ein Warehouse-System, ein CAQ- System, ein PLM-System, ein Shopfloor-System, etc. Als Software muss im jeweiligem Ökosystem ein kognitives Assistenzsystem eingesetzt werden. Die Interoperabilität dieser Assistenzsysteme ist dabei ein entscheidendes Kriterium für deren Auswahl. Die richtige Orchestrierung der einzelnen Ökosysteme bringt den echten Mehrwert der Digitalisierung. 5. Menschen mitnehmen In der Industrie gibt es viele Digitalisierungsprojekte, die nur deshalb gescheitert sind, weil die betroffenen Mitarbeiter nicht von Anfang an mitgenommen wurden. Die berechtigte Digitalisierungsangst der Menschen ist enorm. Falls es nicht gelingt, die Belegschaft für die neuen digitalen Prozesse zu begeistern, entsteht eine Parallelverschiebung in der Wirkung. Wirkung Einführungsphase Reifephase Zur Erklärung eignet sich das S-Kurven-Konzept nach Foster. Es besagt, dass sich jede Technologie im Zeitverlauf in drei Phasen entwickelt (Bild 2). Es wird davon ausgegangen, dass Technik bezüglich ihres Weiterentwicklungspotenzials im Zeitverlauf immer irgendwann an Leistungsgrenzen stößt und folglich nach geraumer Zeit ein Technologiesprung erforderlich wird. Ein solcher Sprung, wie z. B. der Umstieg von analoger auf digitale Arbeitsweise, führt zu Beginn immer zu einer Verschlechterung. Die neue Arbeitsweise muss erst installiert, geschult und trainiert werden. Das kostet Zeit und Ressourcen, die woanders fehlen. Im Idealfall wird auf der neuen S-Kurve die Einführungsphase zügig durchlaufen, sodass die positiven Effekte zeitnah entstehen und das System in die Reifephase kommt. Im Bild 2 steht die blaue Kurve nur für den Verlauf der technischen Entwicklung. Im Idealfall deckt sich diese Kurve mit den beiden anderen Kurven, die für den Verlauf der organisatorischen und der kulturellen Entwicklung stehen. Die Praxis zeigt aber fast immer die hier dargestellte Parallelverschiebung. Je besser die digitale Kompetenz der Mitarbeiter ausgeprägt ist, umso kürzer ist der zur Umsetzung notwendige Zeitraum. In schwierigen Fällen kann sich das bis weit über zwei Jahre hinziehen oder komplett scheitern. Hier kann das Hinzuziehen eines externen Experten für Veränderungsmanagement helfen. Besser wäre es allerdings, die Mitarbeiter von Anfang an dafür zu begeistern – denn dann wird die digitale Transformation gelingen und die Parallelverschiebung gering ausfallen. ■ · Den ausführlichen Artikel lesen Sie unter https://mav. industrie.de/software/die-fuenf-naturgesetze-der-digi talisierung/. Über den Link www.share2perform. com/prasentation-digitalisierung können Sie als Gast bei einem Impuls-Workshop zu den 5 Naturgesetzen der Digitalisierung bei unterschiedlichen Firmen vor Ort dabei sein. Johann Hofmann www.johannhofmann.info Alterungsphase Technologiesprung Adaptionszeit Bild 2: Erweiterte Foster S-Kurve nach Hofmann. Bild: Hofmann Δt Δt Legende: technische Entwicklung organisatorische Entwicklung kulturelle Entwicklung Zeit Februar 2023 63

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