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NK 10_2015 ePaper

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18 TITELINTERVIEW halten

18 TITELINTERVIEW halten sozialisiert wurde, ist hierdurch wahrscheinlich ein Stück weit geprägt. Natürlich tragen auch unseriöse Praktiken einiger Unternehmen zum zwiespältigen Image bei. Die Medien greifen entsprechende Beispiele immer wieder gerne auf. Zudem ist zu bedenken, dass dem Direktvertrieb ein Verzicht auf eine breite und imagewirk­ NK: Im Multi Level Marketing herrscht eine Lesart vor, die auch wir als Verlag deutlich zu spüren bekommen – die sehr geringe, öffentliche Kommunikation und die dadurch dezimierte Präsentationsfläche nach außen bieten öffentlich eine Menge Angriffsfläche. Nicht selten sperren sich Unternehmen gänzlich. Das grenzt unsere Möglichkeiten der Bericht- nen. Neben den schon angesprochenen Verhaltenskodizes können hier Zertifizierung und Verbandsarbeit Themen sein. Dies ist umso wichtiger, als Informationen durch die sozialen Medien heute sehr viel schneller verfügbar sind und breiter gestreut werden als noch vor wenigen Jahren. Kunden gewinnen einen signifikanten Teil der Deutungsmacht über Marken und Pro- häufig zwar zunächst unbequem, langfristig aber besonders wertvoll. Sie liefern durch ihre Beschwerden wertvolle Informationen und helfen dem Unternehmen so, besser zu werden. Die üblichen Marktforschungsmethoden sind bei der Suche nach Produktinnovationen, Kundenbedürfnissen und -anforderungen oft nur eine sehr begrenzte Hilfe: Durchschnittskunden sind durch Motivation zu verkürzen, sondern ganz bewusst von Weiterbildung zu sprechen. Diese ist fortlaufende Kernaufgabe der Führungsebene. Es geht hier vor allem um die kontinuierliche Vermittlung des notwendigen Know-hows im Bereich der Verkaufsmethodik wie auch der Produkt- erstattung dukte und leben dies aus. Für Un- existierende Realitäten mental ge- eigenschaften. Die Füh- natür- ternehmen bedeutet dies vor allem bunden, können neue Bedürfnisse rungsebene hilft bei Prob- zuzuhören, was die Märkte über sie kaum artikulieren und haben auch lemen und Schwierigkeiten. denken und reden. Viele Unterneh- keinen dringenden Bedarf nach Regelmäßige Treffen dienen men scheuen den offenen Dialog neuen Produkten. Deshalb konzen- dazu, langfristige Kontakte auf- aus Angst vor zu viel Öffentlich- trieren sich Unternehmen bei der zubauen und die Gemeinschaft keit und zu viel Transparenz. Ausschöpfung von Innovationspo- zu stärken. Im Rahmen dieser Tref- Direktvertriebs-Unterneh- tenzialen auf unzufriedene Kunden, fen findet ein reger Austausch zum men, die aufgrund frag- deren heutige Bedürfnisse eventu- Geschäftsmodell, den Tätigkeiten so­ würdiger Praktiken in den ell repräsentativ für die allgemeinen wie Neuerungen statt. Es geht eben Fokus der Web Commu- Bedürfnisse von morgen sind. gerade nicht um einen einmaligen nity geraten, werden es Tschakka-Initiationsritus! Die weite- schwer haben, erfolg- NK: Wie in jeder Branche ist im Net- re Unterstützung durch das Unter- reich am Markt zu work-Marketing die Identifikation mit nehmen sollte durch einen syste- agieren. dem Unternehmen das ausschlag- matischen Support durch Materiali- Die sozialen Medien gebende Kriterium. Wird hier ein en, Unterlagen und Marketingtools bieten den Unterneh- Raubbau mit den Themen rund um gekennzeichnet sein. men aber auf der an- Motivationstechniken betrieben? Ich deren Seite die Chance kontrolliere die Vertriebspartner mit- NK: Position, Status, Aufstieg – die unmittelbar und unge- tels hübscher Motivationsmaßnah- Erfahrungen zeigen ja, dass Auf- filtert mit ihren Zielgrup- men und schon sind die von mir stieg und Untergang im Vertrieb pen und der allgemeinen und meinem Produkt überzeugt? nah bei einander liegen. Läuft aus Öffentlichkeit zu kommuni- Carsten Rennhak: Ich würde prinzi- wissenschaftlich, analytischer Sicht zieren. Neue Publikations- piell schon einen Schritt früher an- denn wirklich so viel über den As- möglichkeiten wie Pressepor- setzen – beim Recruiting der „richti- pekt des Statusgewinns? Exklusi- tale, Themenforen und Experten- gen“ Mitarbeiter. Erfolgreiche Direkt- vität spielt ja scheinbar sowohl für Communities eröffnen die Chance, vertriebler zeichnen sich dadurch aus, die Kunden als auch für die Ver- PR-Inhalte direkt zu veröffentlichen; dass sie eben nicht wahllos Mitar- triebler eine wesentliche Rolle. lich über die Portale selbst und über die beiter bzw. Vertriebspartner rekru- Carsten Rennhak: Status und Ex- auch in Suchmaschinen erreichen die Bei- tieren, um eine vermeintlich höhere klusivität sind in einer – in vielen Be- same öffentliche Kommunikation systemimmanent ist. Hersteller, die sich der klassischen Handelskanäle bedienen, verfügen hier über ganz andere Budgets. Direktvertriebler stecken dieses Geld in die eigene Vertriebsorganisation. Kommunikation findet vor allem innerhalb der Organisation und direkt mit dem Kunden, aber weniger in der breiten Öffentlichkeit statt. Die Branche hat in der Zwischenzeit jedoch einen Imagewandel vollzogen. Für das einzelne Unternehmen steht dabei weniger im Fokus, das teilweise noch negative Image der Branche zu bekämpfen – es wäre damit ja auch schlicht überfordert. Ein seriöser Auftritt und eine transparente Kommunikation sind vielmehr für den langfristigen Erfolg des einzelnen Direktvertrieblers wichtig. Es kommt darauf an, das Geschäftsmodell seriös auszugestalten und extern wie intern offen und ehrlich zu kommunizieren. Es sollte z. B. ein Verhaltenskodex für die Vertriebspartner definiert werden. Gegen unseriöse Praktiken sollte seitens des Unternehmens kompromisslos vorgegangen werden. So können sich diejenigen, die offen ge gen unseriöse Praktiken einstehen, klar und deutlich von den so genannten „schwarzen Schafen“ im Geschäftsgebaren und in der öffentlichen Wahrnehmung differenzieren. Teilen ein. Was könnte denn ein Bewusstsein für mehr Kommunikation nach außen stärken? Carsten Rennhak: Hier ist bei den Entscheidern ein grundsätzliches Umdenken erforderlich. Führungskräfte in Direktvertriebs-Organisationen qualifizieren sich ganz überwiegend durch eine erfolgreiche Vertriebskarriere für ihre Managementfunktion. Sie denken entsprechend sehr stark in den Kategorien von Vertrieblern. Sie wollen ihre Mitarbeiter von „unnötigen“ administrativen Aufgaben befreien und deren Zeit beim Kunden und für den Kunden maximieren. Ein „Zuviel“ an Transparenz wird als bedenklich wahrgenommen – schließlich lebt der Vertriebler von seiner intimen Kundenkenntnis und möchte dieses Wissen eigentlich nicht teilen. Dies führt naturgemäß zu einer Verengung des Blickwinkels. Proaktive Außendarstellung und Öffentlichkeitsarbeit kommen in dieser Welt eigentlich nicht vor. Dies ist aber ein Fehler: Man verbaut sich gegebenenfalls interessante Geschäftspotenziale, indem man potenzielle Kunden abschreckt. Direktvertriebler sind sich in der Regel der Vorbehalte gegenüber ihrer Vertriebsform bewusst – sie sollten diesen Vorbehalten aber aktiv durch transparente und seriöse Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sowie mehr Einblick in ihre Strukturen und Geschäftspraktiken begeg- träge potenzielle Kunden und Interessenten unmittelbar. Social Communities mit hoher Reichweite machen es möglich, den Dialog mit den Zielgruppen selbst zu steuern. NK: Herr Rennhak. In Ihrer Studie wird auch deutlich, dass Organisationen scheinbar dem eigenen Ablauf nach gar keinen Bedarf haben, proaktiv Kunden anzusprechen. Das schließt doch aber die „Eroberung“ von Kritikern, Skeptikern und möglichen neuen Kunden per se aus. Ist das der wirklich geschickte Weg? Carsten Rennhak: In der Regel eher nicht. Die bestehenden Kunden sind nicht unbedingt die mit dem höchsten künftigen Potenzial. Rational handelnde Unternehmen sollten Kunden strikt nach ihrem Wert betrachten. Ausgangspunkt für die Ermittlung des Kundenwerts ist dabei die Identifikation und Analyse der tatsächlichen Quellen der Wertschöpfung. Neben den aktuellen (und zukünftigen!) Umsätzen sollte hier auch immer der Referenz- und der Informationswert des jeweiligen Kunden mitgedacht werden: Welcher Kunde hilft mir langfristig zu wachsen, indem er mich durchaus auch kritisch begleitet, immer wieder herausfordert und zu Adaptionen in meinem Handeln bewegt? Welcher Kunde ist Multiplikator und Vorbild für andere? Kritiker und Skeptiker sind für Unternehmen Durchschlagskraft am Markt zu erzielen, sondern ganz bewusst einen einer wichtigen Währung geworden. reichen – egalitären Gesellschaft zu bestimmten Typus suchen. Im nächsten Schritt ist es wichtig, das Coatriebs sowohl auf Kunden- als auch Dies wird im Bereich des Direktverching der Mitarbeiter bzw. Vertriebspart ner eben nicht auf das Thema einer Veranstaltung lädt der auf Unternehmensseite deutlich. Zu Gast- VITA Prof. Dr. Carsten Rennhak Er ist seit 2013 Professor für PR und Marketing an der Universität der Bundeswehr in München. Nach dem Studium der BWL in Augsburg sowie der VWL in Detroit erfolgte die Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität in München zur Wirkung vergleichender Werbung. Im Anschluss war Prof. Rennhak mehrere Jahre als Unternehmensberater in Düsseldorf, Berlin, Wien und Tel Aviv tätig und beschäftigte sich hier mit Fragestellungen aus den Bereichen Marketing und Strategie in der Telekommunikations-, Medien- und High-Tech-Industrie. 2003 nahm er einen Ruf an die Munich Business School an. 2004 wurde Prof. Rennhak an die ESB Reutlingen berufen, wo er als Direktor des Instituts für kundenorientierte Unternehmensentwicklung wirkte. In seiner Forschung konzentriert sich Prof. Rennhak v. a. auf Fragestellungen aus den Bereichen Vertrieb, Kommunikationspolitik und Strategieentwicklung. Prof. Rennhak war als Visiting Professor in Zagreb, St. Petersburg, Mumbai und Helsinki tätig und ist Mitherausgeber verschiedener internationaler Fachzeitschriften. Er ist Autor von ca. 20 Fachbüchern und 200 Fachaufsätzen. www.unibw.de/bw/rennhak 10.2015

TITELINTERVIEW 19 geber nur bestimmte Leute ein. Durch Verkaufspartys mit ausgewähltem Publikum verknappen Anbieter das Angebot künstlich. Diejenigen, die teilnehmen „dürfen“, fühlen sich aufgewertet. Unternehmensintern ist das Thema Status sehr eng mit der Kompensation verknüpft. Bei erfolgreichen Direktvertriebs-Unternehmen ist absolut transparent, welche Umsätze und sonstigen Leistungen für das Erreichen unterschiedlicher Hierarchiestufen benötigt werden. Diese werden dann durch weithin sichtbare Statussymbole kommuniziert. Da der Direktvertrieb auch von der Vergrößerung der Vertriebsstruktur lebt, leitet sich der Status der Ver­ triebs­ partner auch davon ab, inwieweit es gelingt, weitere Mitglieder zu akquirieren und so die Downline auszubauen. Zusätzlich müssen Motivationsfaktoren enthalten sein, die eine langfristige Tätigkeit unterstützen. Dies wird durch Erfahrungsstufen erreicht, innerhalb derer langfristig tätige Vertriebspartner zu Führungskräften aufsteigen. NK: Herr Rennhak, Sie sind auch Experte für Marketing und strategische Marktplanungen. In einem früheren Interview haben Sie gesagt, dass der Direktvertrieb ein Gegentrend zum anonymen Shoppen ist. Wie verhält sich dieser Trend in Relation dazu, dass Käufer und Konsumenten unabhängig sein wollen? Ist es denn mittlerweile salonfähig, auf Home-Partys im Direktvertrieb einzukaufen? Carsten Rennhak: Der Direktvertrieb – der persönliche Verkauf von Produkten direkt an den Kunden, wie man ihn von Verkaufspartys seit jeher von Tupperware kennt und der neuerdings durch den Thermomix von Vorwerk wieder in aller Munde ist – ist ein florierendes Geschäft. Schätzungen des Bundesverbands Direktvertrieb Deutschland sehen ein Umsatzwachstum von sechs Prozent pro Jahr. Wachstumstreiber sind hier Entwicklungen wie Home-Automation – man denke beispielsweise an Haushaltsroboter und das Thema Energieeffizienz –, Health mit speziellen Angeboten für die immer zahlreicheren Allergiker und Heimlieferdienste gerade im Lebensmittelbereich, die von Convenience-Trend und demografischem Wandel profitieren. In Zeiten von Individualität und (vermeintlicher) Anonymität schätzen die Konsumenten das Einkaufen mit Eventcharakter. Online zu shoppen ist bequem und praktisch, wenn ich genau weiß, was ich will – aber Emotionalität und Erlebnis gehen verloren. Das kompensieren die Kunden mit Home-Partys. Das Bedürfnis nach Inszenierung drückt sich unter anderem auch in dem Trend zu Flagship Stores aus. In den aufwendig gestalteten Filialen von Apple oder Louis Vuitton haben Kunden auch das Gefühl direkt mit dem Hersteller in Kontakt zu sein. Auch hier wird Einkaufen zum Erlebnis gemacht. Flagship Stores bieten dem Hersteller zudem ein Plus an Kontrolle, z. B. bei der Gestaltung des Ambientes. Die Kundinnen und Kunden wissen natürlich ganz genau, dass sie im Direktvertrieb ein Stück weit ihre Unab hängigkeit und Anonymität aufgeben. Ebenso wie in den sozialen Medien lassen sie das aber gerne geschehen, wenn sie einen adäquaten Value Add geboten bekommen. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass man z. B. bei Home-Partys in einem eigentlich vertrauten privaten Bereich einem verstärkten psychischen Druck ausgesetzt ist. Oft fühlt man sich der Gastgeberin oder dem Gastgeber verpflichtet und kauft eher etwas. Ein rationaler Preisvergleich, wie er online gang und gäbe ist, unterbleibt in der Regel. NK: Online-Werbungen, Guerilla- Marketing, virales Marketing – leben wir nur in der Illusion der Anonymität und in Wahrheit ist alles auf unser personalisiertes Verhalten abgestimmt? Carsten Rennhak: Der Erfolg von modernen Kommunikationsformen wie Guerilla oder Viral Marketing liegt meiner Meinung darin begründet, dass Konsumenten heute nicht mehr wie der Pawlowsche Hund durch immer wieder kehrende positive Stimulierung konditioniert und domestiziert werden wollen, wie das z. B. in der TV-Werbung geschieht. Sie agieren eher „katzenartig“, d. h. individuell, misstrauisch und sprunghaft. Die neuen Kommunikationsformen leben davon, dass sie unseren inzwischen gut entwickelten Schutzschirm gegen persuasive Kommunikation durch Taktiken wie Überraschung, Personalisierung und persönliche Empfehlungen umgehen. In den Zeiten von Big Data kann sich wohl niemand mehr ernsthaft der Illusion von Anonymität hingeben. Interessant ist dabei, warum wir unsere persönlichen Daten gerne und freiwillig Unternehmen wie Facebook und Google anvertrauen, aber nervös werden, wenn – in wesentlich geringerem Maße – demokratisch legitimierte und kontrollierte Institutionen Daten erheben. NK: Eine Frage zum Abschluss – haben Sie schon einmal etwas im Network-Marketing erstanden? Carsten Rennhak: Ich probiere natürlich allein aus professionellem Interesse viele Dinge aus. Meinen Studentinnen und Studenten sage ich immer, dass sie mit Beginn ihres Marketing-Studiums nie wieder unbeschwert einkaufen können, ohne alle Maßnahmen der Hersteller und Händler kritisch zu hinterfragen. Im persönlichen Bereich würde ich mich selbst als sehr serviceaffin einschätzen. Ich mag es, wenn man sich für mich als Kunden Zeit nimmt. Im Network-Marketing kaufe ich deshalb am ehesten beratungsintensive Produkte wie z. B. Finanzdienstleistungen. Wir stellen ein: Zweitberufliche Mitarbeiter/innen - Deutschland & Österreich Hauptberufliche Mitarbeiter/innen - Deutschland Österreich Führungskräfte Deutschland/Österreich Bezirksleiter Österreich Bei Top Bezahlung! 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