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prima! Magazin – Ausgabe Juni 2023

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INTERVIEW Foto © LEXI

INTERVIEW Foto © LEXI Wieder mehr Leben in den Innenstädten. Das benötigt Angebote wie etwa den beliebten Bauernmarkt am Marktplatz in Oberwart. Stadtentwicklung Welche Chancen haben Innenstädte? Während auf der einen Seite die Ortszentren teilweise um viel Geld belebt werden sollen, wird auf der anderen Seite an den Stadträndern weitergebaut und angesiedelt. „Ein Irrsinn“, meint Stadt- und Regionalentwickler Georg Gumpinger. Wovor er warnt, ist die Ansiedelung der Gesundheitsbereiche in der Peripherie. Denn was ist das Nächste? Die Behörden? Neue Konzepte sind gefragt, um die Innenstädte wieder zu beleben. Doch zuerst müsse das Bauen am Ortsrand reguliert werden. Nicole Mühl Vor wenigen Wochen hat Unternehmensberater und Prozessbegleiter Georg Gumpinger erneut die Kaufkraft im Burgenland analysiert. Oberwart liegt im Vergleich zu anderen Bezirkshauptstädten zwar immer noch vorne, aber Grund zum Jubeln gibt es für die Innenstadt nicht. Die Verkaufsfläche hat sich auf neun Prozent reduziert. Die Verlagerung des Handels an die Peripherie und der Internetkauf setzen österreichweit den Innenstädten zu. Mittlerweile sind es nicht nur die Fachmärkte, die in den Gewerbegebieten angesiedelt sind. Immer mehr Handelsgeschäfte wurden in den letzten Jahren in den Zentren geschlossen und an die Peripherie verlagert. Wie geht es weiter? Was ist das Nächste? Ärztezentren in den Gewerbegebieten am Ortsrand? Wichtige Infrastruktureinrichtungen? Wenn das passiert, hat man die Innenstädte völlig ausgehöhlt, warnt Georg Gumpinger. Die Verkaufsflächen in den Innenstädten werden weniger. Die bestehenden werden anders genutzt, zum Teil nicht mehr für den Handel. Das ist wohl ein österreichweites Problem der Innenstädte. Georg Gumpinger: Ja, es ist eine Entwicklung, die sich in ganz Österreich abzeichnet. Der innerstädtische Bereich verliert an Struktur und Substanz und vieles ist leider hausgemacht, weil man einfach zu viel außerhalb der Kernbereiche ermöglicht hat. Vor allem in Branchen, die für die Innenstadt wichtig wären wie beim Konsum. Also bei der Bekleidung, Schuhe, Papier und Bücher, Schreibwaren etc. Diese Branchen erzeugen eine Aufenthaltsattraktivität eines Einzelhandelsstandortes. Die fehlen in den Städten. Was würden Sie einer Gemeinde empfehlen? Eine gewisse Sensibilität wäre von Seiten der Politik wichtig. Wenn eine Gemeinde zulässt, dass Betriebe von der Innenstadt an die Peripherie gesiedelt werden, dann erzeugen sie in der Innenstadt eine schmerzliche Lücke. Und vor allem wird 6 JUNI 2023 www.prima-magazin.at

INTERVIEW Bauen am Ortsrand Novelle im Burgenländischen Raumplanungsgesetz: Supermärkte und Einkaufszentren mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs sollen in Zukunft nur mehr in Ortskernlagen errichtet oder erweitert werden dürfen. Im Zuge der Gesetzesnovelle soll es zu einer Präzisierung bei der Regelung von Supermärkten kommen und zwar durch Definition einer Verkaufsfläche von 80 m² bis zu 500 m². Die Einkaufszentrenregelung soll in Hinkunft ab einer Verkaufsfläche von 80 m 2 greifen. Supermärkte dürfen nur mehr im Ortskern errichtet werden und dürfen eine Verkaufsfläche von max. 500 m 2 aufweisen (bisher 800 m 2 ). Mag. Ing. Georg Gumpinger ist Handels- und Sozialwissenschafter und Inhaber der Consulting-Firma Gut & Co. Er ist erfahrener Prozessbegleiter von LEADER- Projekten, Orts-, Stadt- und Regionalentwicklungs-Projekten sowie Agenda 21-Initiativen. Überdies verfügt er über eine mehrjährige Beraterpraxis im Einzelhandel, Tourismus und im öffentlichen Marketing. Er hat über 150 Projekte in Gemeinden beratend begleitet darunter viele Gründungsprojekte. Seit 2009 führt er im Burgenland regelmäßig Kaufkraftanalysen durch. es schwierig, dort wieder etwas Neues reinzubringen. Da ist die Politik sicher gefordert. Aber wie? Wenn der Bürgermeister kein Einkaufszentrum zulässt, wird es in der Nachbargemeinde angesiedelt. Da geht es auch um Kommunalsteuer und Arbeitsplätze. Die Menge macht es. Ich rate jeder Gemeinde, eine langfristige Planung in der Raumordnung zu machen. Es geht darum, genau zu definieren, wie viel Fläche will man dem Handel außerhalb der Kernbereiche widmen. Da geht es um eine geordnete Raumordnungspolitik, die man längerfristig betrachtet. Vorarlberg ist da recht stark. Feldkirch hat etwa 35.000 Einwohner. Sie verfolgen klar die Strategie, dass sie diese Verlagerungstendenzen in den peripheren Bereich nicht mehr wollen. Für bestimmte Sortimente gibt es keine Ansiedlung außerhalb des Kernbereiches. Was den Ansiedelungs-Wettbewerb zwischen Gemeinden betrifft, kann dieser etwa durch Interkommunale Abstimmung (beispielsweise bei den Betriebsgebieten) zumindest in puncto Standortentwicklung verringert werden. Die Wirtschaftsregion Hartberg hat diese gemeindeübergreifende Ansiedelung schon seit Längerem. Im Burgenland wird das ja nun auch durch das Regionale Entwicklungsprogramm angestrebt. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Trotzdem ist bei der Abwanderung der Handelsbetriebe von der Innenstadt an die Peripherie immer die Standortgemeinde zuerst gefordert, das zu regeln. Ich würde mir wünschen, dass im Regionalen Entwicklungsprogramm auch der (stationäre) Einzelhandel bzw. die Handelsentwicklung berücksichtigt wird. Vor allem um festzulegen, wo verstärkt in Zukunft auch Handel Raum finden soll. Dies kann den Gemeinden in ihren örtlichen Entwicklungskonzepten helfen. Also grob zusammengefasst wäre es sinnvoll: Nahversorgung und mittelfristige Güter wie Bekleidung, Papier- und Spielwaren, etc. im Kernbereich, sprich in den Ortszentren. In der Steiermark: Für den Handel gilt: Neubauten mit einer Verkaufsfläche ab 400 m² müssen mindestens zweigeschoßig sein. Baumärkte, Fachmarktzentren, Möbelgeschäfte an der Peripherie. Das passiert aber nicht. Es wird vielleicht besser. Es gibt mit der Novelle im Burgenland ja nun eine Regelung. Es ist ein Ansatz, wo man dem Thema zumindest eine gewisse Richtlinie gibt und festhält, dass außerhalb des Kernbereiches kein Nahversorger mehr errichtet oder großflächig ausgebaut werden darf (siehe Info oben). Das Burgenland hatte immer eine offene Raumordnungspolitik, über die sich Großanbieter gefreut haben. Wenn man alles darf, macht man auch alles. Oft haben die Bürgermeister nur im Visier, dass die Gemeinde groß werden soll und dass man Arbeitsplätze schaffen will. Dazu gibt es eine wichtige Kennzahl: Wenn ich auf einer Großfläche eines Einkaufszentrums einen Mitarbeiter habe, verliere ich auf derselben Fläche bei den kleineren Fachgeschäften mindesten drei. Was passiert, wenn nun auch Ärztezentren in der Peripherie angesiedelt werden. Aus Sicht der Stadtentwicklung sage ich dazu ganz klar: Nein! Eine Gemeinde, die die Entwicklung des Stadt- oder Ortszentrums im Auge hat, sollte die Verlagerung von Apotheken oder Ärzten auf keinen Fall zulassen. Ärztezentren sind wichtige Frequenzbringer, die dann in den Kernbereichen fehlen. Vielmehr könnte man leer stehende Flächen im Ort für Ärzte und Gesundheitsdienstleister adaptieren. Das wäre ein massiver Vorteil für die Innenstadt. Gehen wir kurz auf Oberwart ein. Wo sehen Sie die Stärke der Innenstadt? Oberwart ist ein sehr leistungsfähiger Wirtschaftsstandort. Ohne Zweifel. Und es gibt eine Positionierung als Gesundheitsund Schulstadt. Es sind schon einige Entscheidungen in eine positive Richtung gefallen. Ich denke da an den Stadtgarten. Diesem Bereich Leben einzuhauchen, finde ich charmant und es war auch eine gute Möglichkeit, Grünes in die Stadt hineinzubringen. Besonders wichtig ist der Marktplatz, der mit verschiedenen Marktthemen bespielt werden kann. Da passiert schon einiges. Aber da gibt es noch mehr Möglichkeiten, wo man eine andere >> weiter auf Seite 8 JUNI 2023 7

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