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Schlossblick

Prospekt

KUNST & KULTUR

KUNST & KULTUR Heldinnen, Heimat und ein Hochenergieensemble: Über die anstehende Saison und mehr sprach der SCHLOSSBLICK mit Marcus Bosch, dem Direktor der Opernfestspiele Heidenheim. VON ALLEM DAS BESTE 1 2 SCHLOSSBLICK: Heldinnen ist das Motto des Programms für den Sommer. Wie kam es zu diesem Motto? Marcus Bosch: Das liegt natürlich vor allem an der Oper Giovanna d’Arco mit ihrer Titelfigur Johanna von Orléans. Das ist so eine starke Frau, da hat jeder gleich eine Heldin vor Augen. Das Motto lag also nahe. Und so viele Heldinnen gibt es ja in der Oper nicht, Frauen sind da zumeist eher Opfer. Wie das Motto dann gefüllt wird, das zeigt sich in der Arbeit mit den Regisseuren. Das wird spannend, denn Heldinnen sind ja vielschichtig zu sehen. Wie sieht man beispielsweise Elisabeth in Don Carlo? Ist sie eine Heldin, handelt sie aus Liebe oder aus Notwendigkeit? Und auch das Bild einer Heldin wandelt sich ja, das kann schnell in die eine oder andere Richtung gehen. Johanna von Orléans ist da eher die Ausnahme-Heldin. Aber auch sie würde vielleicht sagen, sie konnte nicht anders. Auf die Inszenierungen darf man also gespannt sein. [1] Richard Wagners Tannhäuser stand 2022 nicht nur auf dem Programm des Rittersaals, … [2] sondern konnte auch mit Gastspielen im Teatro comunale Pavarotti-Freni im italienischen Modena große Erfolge feiern. 2023 stehen zwei Verdi-Opern auf dem Programm. Nach welchen Gesichtspunkten stellen Sie die Programme zusammen? Wir sind ja immer noch ein wenig coronageschädigt. Der Don Carlo war schon lange geplant, dann wurde mit Tannhäuser getauscht, auch wegen der Co-Produktion mit Italien. Prinzipiell aber schaue ich danach, dass nach einer Top-20-Oper wieder eine aus den Top 60 kommt, dass sich also Bekanntes und eher Seltenes abwechselt. Das natürlich auch ein bisschen mit dem Hintergedanken, dass die Leute, die von den Top 20 begeistert sind, auch mal den Besuch einer unbekannteren Oper wie Pique Dame wagen. Die Giovanna d’Arco war gesetzt, sie ist in der Verdi-Reihe einfach die nächste. Diese Reihe ist inzwischen schon zu einem Markenzeichen geworden. Für viele ist sie das Highlight der Festspiele, und das obwohl für sie ja nur beschränkte Mittel zur Verfügung stehen, aus denen gezaubert wird. Diese Einschränkung hat aber nicht zur Gleichheit der Inszenierungen geführt, sondern im Gegenteil zu einer großen künstlerischen Vielfalt. Wird Don Carlo auch in Italien zu erleben sein? Das ist eher unwahrscheinlich. Mit einer italienischen Oper sollte man nicht nach Italien gehen. Die Italiener haben da sehr traditionelle Vorstellungen von Verdi. Aber wir sind tatsächlich in Gesprächen über weitere Kooperationen. Der Tannhäuser wird also vielleicht nicht die letzte Zusammenarbeit mit Italien gewesen sein. Wie kam denn der Tannhäuser in Italien an? In der ersten Aufführung waren die Reaktionen sehr gespalten. Das war in Modena, der Geburtsstadt Pavarottis, und dort hat man klare Vorstellungen, wie gesungen werden muss, ob in deutscher oder italienischer Sprache. Also wurde auch auf die Besetzung der Titelpartie mit einem deutschen Heldentenor erst mal verhalten bis ablehnend reagiert. Aber im Laufe der Vorstellung hat sich das dann durchaus gelegt, da hat das Publikum getobt wie auch in den weiteren Vorstellungen. Der erste 4 SCHLOSSBLICK 2 / 23

KUNST & KULTUR Akt allerdings hat auch dort starken Diskussionsbedarf nach sich gezogen (lacht). Das war ja in Heidenheim auch so. Aber das ist ja gut so, Oper ist ja eine lebendige Kunstform. Die Cappella Aquileia ist das Orchester der Opernfestspiele Heidenheim. Gibt es Überlegungen, sie auch anstelle der Stuttgarter Philharmoniker einzusetzen? Beide sind wichtig für die Opernfestspiele Heidenheim. Die Stuttgarter Philharmoniker sind mit ihrem Namen und Bekanntheitsgrad eine bedeutende Verbindung in die Landeshauptstadt und ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Aber auch die Cappella Aquileia erobert sich ihren internationalen Ruf im Sturm. Die vergangene Saison wurde bundesweit von der Presse hochgelobt. Nahezu zeitgleich gab es Diskussionen im Gemeinderat über Einsparungen. Wie gehen Sie mit diesen Gegensätzen um? Ständig um den Etat zu ringen, damit wächst man als Künstler ja auf. Ich werbe ja auch nicht für mich, sondern für die Sache und für die Überzeugung, dass die Opernfestspiele gut für die Stadt Heidenheim sind. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Euro für die Opernfestspiele ein gewinnbringender Euro für die Stadt und die Region ist. Die Leuchttürme Oper und Fußball geben der Stadt doch eine besondere Attraktivität. Dafür muss man kämpfen, und dafür will ich auch kämpfen, und ich bin wirklich froh, dass die Diskussionen auch die Gelegenheit gegeben haben, tieferen Einblick in die finanzielle Situation der Festspiele und auch der beteiligten Künstler zu geben. Bei all ihren Aufgaben und weltweiten Gastspielen: Welchen Stellenwert hat Heidenheim für Sie? Einen großen! Ich habe Heidenheim wieder neu sehr zu schätzen gelernt: Hier bekomme ich innerhalb von 500 Metern alles, was ich brauche. In München muss ich dafür fünf Kilometer unterwegs sein. Hier bin ich auch gleich in der Natur – ich genieße eine sehr lebenswerte Zeit in Heidenheim. Ich genieße es aber auch sehr, unter- 3 4 [3/4] Marcus Bosch ist seit 2020 neben seiner Tätigkeit als künstlerischer Leiter der Opernfestspiele Heidenheim auch Chefdirigent der Norddeutschen Philharmonie Rostock. wegs zu sein. Auch wenn das bedeutet, gelegentlich einsam zu sein, so habe ich doch in Heidenheim, aber auch Rostock und München ein intensives soziales Umfeld. Ein Freund sagte neulich zu mir: „Du hast von allem das Beste“, und das stimmt vielleicht sogar. Heidenheim hat für mich aber vor allem eine Besonderheit: die Cappella Aquileia. Heidenheim hat sich ja schon ein bisschen an dieses Ensemble gewöhnt. Aber zum Beispiel bei unserem Auftritt in Köln mit tosendem Beifall oder in Schwäbisch Gmünd mit einem Applaus wie ein Erdbeben, bei dem die Leute komplett aus dem Häuschen sind – das sind unheimlich intensive Momente, für die man einfach dankbar ist. Denn an diesen Stätten sind ja auch viele Weltklasse-Ensembles zu Gast, da ist solch eine Begeisterung ja wie Donnerhall für uns Künstler. Die Cappella Aquileia, dieses Hochenergieensemble, ist auch eine Kraftquelle für mich. Das ist das Ensemble, bei dem die Produktionsbedingungen absolut stimmen. Da ist alles nach vorne gerichtet, und allen geht es um das beste Ergebnis und sonst nix. Ich gebe da wahnsinnig viel Energie rein, und da kommt auch ganz viel zurück, und das ist es, was immer wieder auflädt. mk Die Opernfestspiele 2023 auf einen Blick ERÖFFNUNGSKONZERT „MOZARTNACHT“ _ 15. Juni, 20 Uhr, Rittersaal Schloss Hellenstein SCHLOSSBERG-ERLEBNISTAG _ 18. Juni, 13 bis 17 Uhr OH! AN DER QUELLE – BLAUER ABEND _ 20. Juni, 19 Uhr, Hammerschmiede Königsbronn DER ZAUBERER VON OZ – JUNGE OPER _ Premiere am 21. Juni, 18 Uhr, weitere Vorstellungen bis 5. Juli, Opernzelt im Brenzpark ZEITGENOSSEN – RÜCK- UND AUSBLICKE _ 23. Juni, 20 Uhr, Stadtbibliothek ZEITGENOSSEN – SÜDOST-ASIEN _ 24. Juni, 20 Uhr, Stadtbibliothek ZEITGENOSSEN – FREUNDSCHAFTEN _ 25. Juni, 19 Uhr, Vortragssaal der Musikschule MATINÉE „DON CARLO“ _ 2. Juli, 11 Uhr, Schlosskirche Schloss Hellenstein DON CARLO _ Premiere am 7. Juli, weitere Vorstellungen bis 28. Juli, 19.30 Uhr, Rittersaal Schloss Hellenstein WOYZECK – EINE POP-UP-OPER _ 8. Juli, 18 Uhr, weitere Vorstellungen bis 11. Juli, Voith-Ausbildungszentrum SCHLOSSBERGTAFEL _ 9. Juli, 11 Uhr, Schlosspark JAZZFRÜHSTÜCK _ 16. Juli, 11 Uhr, Brunnengarten Schloss Hellenstein, weitere Termine: 23. und 30. Juli OH! IN DER PAULUSKIRCHE – „SEELENHEIL“ _ 16. Juli, 20 Uhr, Pauluskirche SOIRÉE „GIOVANNA D’ARCO“ _ 17. Juli, 18 Uhr, Foyer Festspielhaus QUARTETT DER KRITIKER BEI DEN OH! _ 20. Juli, 16 Uhr, Festspielhaus GIOVANNA D’ARCO _ Premiere am 20. Juli, weitere Vorstellung am 22. Juli, 20 Uhr, Festspielhaus GALAKONZERT „SPEKTAKEL“ _ 23. Juli, 20 Uhr, Rittersaal Schloss Hellenstein LAST NIGHT „A NIGHT IN PARIS“ _ 27. und 30. Juli, 20 Uhr, Rittersaal Schloss Hellenstein ZU GAST BEI DON CARLO _ 28. Juli, 17.30 Uhr, Schlosskirche Schloss Hellenstein JAZZGALA „SOUL VIEL MEHR“ _ 29. Juli, 20 Uhr, Rittersaal Schloss Hellenstein Infos und Tickets unter opernfestspiele.de. SCHLOSSBLICK 2 / 23 5