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Taxi Times Berlin - 3. Quartal 2021

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INKLUSION Die

INKLUSION Die Rollstuhlrampe des VW Caddy 5 Maxi wird nach innen geklappt und bedeckt so den Heckauschnitt. Dass die Schlaufe jetzt am Rand hängt, kommt gut an. MobiTEC baut in den Caddy Maxi extrabreite Rampen ein. Vor dem Einschieben wird der Rollstuhl an Spanngurten befestigt. DAS UMRÜSTWUNDER Bei einer Nutzfahrzeugmesse Anfang Oktober zeigten drei Umrüster jeweils einen rollstuhltauglichen VW Caddy Maxi. Sie verfolgten dabei aber sehr unterschiedliche Ansätze. Für die Rollstuhlbeförderung im Taxi oder Mietwagen ist der VW Caddy beliebt, meist in der Maxi-Variante. Auf der NUFAM zeigten drei Umrüstfirmen je einen Caddy 5 Maxi. Dank des Umbaus mit Heckausschnitt kann darin ein Rollstuhlfahrer mit bis zu vier weiteren Fahrgästen befördert werden – oder bis zu sechs selbst einsteigende Fahrgäste. Um aus dem Rollstuhl-Caddy ein Großraum- Taxi zu machen, haben die Umrüster in der dritten Reihe zwei zur Seite wegklappbare Einzelsitze eingebaut. Die Rampe, die in diesem Fall nicht benötigt wird, wird dann nach innen eingeklappt und deckt bis auf 50 Zentimeter den Heckausschnitt ab, so dass in der Vertiefung zwischen Rampenboden und Karosserie die Füße der Fahrgäste Platz haben. Es gab auch Unterschiede. Die Transform GmbH aus Nümbrecht nahe Köln hat in den Heckausschnitt eine tiefergelegte Bodenwanne eingebaut, die 83 cm breit und 141 cm lang ist. Am vorderen Abschluss hinter der zweiten Sitzreihe sind Retraktoren als Rückhaltesystem befestigt. Der Rollstuhl wird nah an die zweite Reihe geschoben, so dass Rollstuhlfahrer je nach Rollstuhlgröße relativ eben sitzen. In einem von der AMF-Bruns GmbH & Co. KG umgerüsteten Caddy sitzt der Rollstuhlfahrer dagegen ganz leicht nach hinten geneigt. Das Unternehmen aus Apen in Niedersachsen verkauft weltweit standardisierte Lösungen mit Typengenehmigung. Bei der Ausschnittsbreite bietet AMF standardisierte 81 cm an, Transform 83 Inklusionstaxi aus Rollifahrer- Perspektive cm. Die MobiTEC GmbH & Co. KG aus Berkheim im Allgäu schneidet deutlich breiter (86,5 cm) und länger (168 cm) aus, so dass auch Pflegerollstühle verstaut werden können und sogar eine Fahrtrage für den unqualifizierten Krankentransport denkbar ist. Zudem können auch schwergewichtige Fahrgäste in breiten Rollstühlen in den Caddy eingeschoben werden – wobei sichergestellt sein muss, dass die Rampe auch einer Last von 350 Kilogramm standhält, was häufiger mit der Belastbarkeit der Rampe zusammengeht als mit der vorgegebenen Achslast des Autos. Caddys mit einer Rollstuhlumrüstung erkennt man von hinten oft – wie bei AMF – an der im Mittelteil versetzten Stoßstange (rechtes Foto). Bei MobiTEC und Transform wird der Stoßstangenausschnitt dagegen an der Heckklappe montiert, die dadurch nur geringfügig schwerer wird. Auch beim Vertrieb agieren die drei Hersteller unterschiedlich. Bei MobiTEC bringt der Kunde sein bereits gekauftes Taxi mit nach Berkheim im Allgäu und lässt es dort umrüsten. Die Wartezeit liegt bei bis zu acht Wochen, wobei gelegentlich eine Umrüstung dazwischengeschoben wird. Dafür hält das Unternehmen Modelle als Vorführer bereit. Ähnlich lang dauert es bei AMF in Apen, wo allerdings auch vereinzelte vorgehaltene und vorgerüstete Modelle auf dem Hof stehen. Bei Interesse an diesen Modellen stellt der Umrüster den Kontakt zum örtlichen Händler her, der dann den Verkauf abwickelt. Diese Variante ermöglicht auch eine kurzfristige Lieferzeit. Transform tritt als Verkäufer sowohl des Fahrzeugs als auch der Umrüstung auf. jh VERLÄNGERT DER SENAT DIE FÖRDERUNG FÜR INKLUSIONSTAXEN? Die langen Lieferzeiten auf Neufahrzeuge wirken sich auch auf das Berliner Förderprogramm für Inklusionstaxis aus. Obwohl der Fördertopf noch gut gefüllt ist, laufen einige Anträge ins Leere, weil das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGESO) die Gelder nur dann ausbezahlt, wenn eine Rechnung für den Umbau bis zum 30.11.2021 vorliegt. In der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS) bedauert man die „Konsequenzen aus den haushaltsrechtlichen Gegebenheiten“, geht aber davon aus, dass der neue Senat das Thema umgehend wieder auf die Tagesordnung setzen wird. jh FOTOS: Taxi Times, AMF 22 4. QUARTAL 2021 TAXI

INKLUSION SFD-ÜBERNAHME MIT STARTSCHWIERIGKEITEN Am 1. Oktober übernahm „Berlkönig“-Betreiber ViaVan den Sonderfahrdienst für mobilitätseingeschränkte Personen. Eine Kundin berichtet von ihren ersten Erfahrungen mit dem „BerlMobil“. FOTO: ViaVan Gisela Schmidt ist Stammfahrgast beim Sonderfahrdienst (SFD), der bis vor Kurzem noch von der Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Taxibesitzer (WBT) betrieben wurde. Da sie nicht auf einen Rollstuhl, sondern nur auf einen Rollator angewiesen ist, kann Gisela Schmidt, die ihren echten Namen lieber für sich behalten möchte, gegebenenfalls auch auf ein Taxi ausweichen. Sie berichtet, dass dieser Plan B nicht lange ein Plan blieb. Ihre erste Fahrt mit dem Sonderfahrdienst buchte die gehbehinderte Frau telefonisch, wobei ihre Daten aufgenommen wurden. Die Adressen für Hin- und Rückfahrt am zweiten Oktoberwochenende wurden eingegeben. Man verständigte sich für die Hinfahrt auf das Zeitfenster 9:45 Uhr bis 10:15 Uhr. Um 8:45 kam dann eine SMS vom Fahrer: Er werde sie bereits um neun abholen. Das wäre schon für jeden Kunden ohne Einschränkungen eine Zumutung, morgens 45 Minuten vor der vereinbarten Zeit losfahren zu müssen. Es sollte nicht die einzige Panne bleiben. Das Fahrziel lag in einer Straße, deren Name achtmal in Berlin vorkommt. Deshalb hatte Gisela Schmidt darauf geachtet, die Postleitzahl exakt anzugeben. Schnell merkte die routinierte Kundin, dass der Fahrer in die falsche Richtung fuhr. Sie sagte ihm sofort Bescheid. Der Fahrer konnte daraufhin nicht sofort das gewünschte Fahrziel ansteuern. Die Fahrer von „BerlMobil“ haben die Vorgabe, dass sie sich für jede Änderung ihrer Route die Genehmigung ihrer Zentrale einholen müssen. Nach einer Wartezeit von mehreren Minuten erhielt der Fahrer von der Zentrale die Freigabe, die Fahrt zum richtigen Fahrtziel fortzusetzen. Die Rückfahrt begann mit dem nächsten Problem. Die Fahrzeuge von „BerlMobil“ lassen sich sowohl mit einem Autoschlüssel als auch per Smartphone-App öffnen. Da der Fahrer von der Zentrale noch keinen Autoschlüssel erhalten hatte, musste er die Autotüren per App öffnen. Da seine Versuche erfolglos blieben, musste der Anbieter ihr nach 45 Minuten ein Taxi für die Heimfahrt schicken. Für einen Rollstuhlfahrer hätte in diesem Fall ein Inklusionstaxi kommen müssen – mit unbestimmter Wartezeit. NACHFRAGE NACH INKLUSIONSTAXEN STEIGT Ihren zweiten Ausflug mit dem neuen Anbieter vier Wochen später buchte Gisela Schmidt drei Tage im Voraus per E-Mail, wobei sie darauf hinwies, dass man ihr auch jedes Taxi schicken könne. Diese Information schien verloren gegangen zu sein, als die „BerlMobil“-Zentrale ihr mitteilte, für die Rückfahrt zum gewünschten Zeitpunkt keine freien Kapazitäten zu haben. Man könne ihr leider nur eine andere Zeit anbieten. Ansonsten könne sie noch auf ihr Taxifahrtenkontingent zurückzugreifen und sich privat ein Taxi bestellen. Der „alte“ Sonderfahrdienst der WBT hatte mobilitätseingeschränkten und umsetzbaren Personen bei Kapazitätsauslastungen angeboten, den gebuchten Auftrag stattdessen mit einem herkömmlichen Taxi auszuführen. Die Kosten dafür gingen nicht auf das Taxifahrtenkontingent der Kunden, sondern wurden wie jede Fahrt mit dem SFD zum Eigenanteil von 2,05 € berechnet. Es gab sogar Taxiunternehmen, die die Berechtigungskarte erfassen und die Kosten direkt mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) abrechnen konnten. Bedingung war, dass die SFD- Zentrale die Fahrt beauftragt hatte. Jetzt mit „BerlMobil“ werden bei Engpässen zwei Alternativen angeboten, wie Schmidt berichtet: eine andere Fahrzeit zum Eigenanteil von 2,05 € oder eine selbst zu bestellende Taxifahrt zum vollen Preis aus dem Taxifahrtenkontigent. Ob auch „BerlMobil“ wie der frühere SFD über die Taxizentrale zusätzliche Wagen buchen darf, und damit die Fahrt zum Eigenanteil von 2,05 € abrechenbar wäre, konnte Frau Schmidt noch niemand verbindlich sagen. Für nicht umsetzbare Rollstuhlfahrer wäre aber selbst dies keine Alternative, da sie auf die breite Verfügbarkeit von Inklusionstaxis bislang vergeblich warten. ar TAXI 4. QUARTAL 2021 23

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