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Taxi Times Berlin -August / September 2019

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POLITIK Die

POLITIK Die BTV-Mitglieder verfolgten die Diskussion im Gasag-Gebäude am Hackeschen Markt sehr gespannt und stellten den Politikern zum Teil ausführliche Fragen. wer regiert denn da?“ Taxiunternehmer Leipold findet Meisers Aussage, die Hälfte müsse aufstocken, „demagogisch“. Ein Fahrer müsse allenfalls dann aufstocken, wenn er nur 20 Stunden pro Woche arbeitet oder fünf Kinder hat, so Leipold später gegenüber Taxi Times. Meiser setzte noch einen drauf: „Man muss doch sagen, was ist, oder?“ Für eine Oppositionspartei würde das stimmen. Für eine Regierungspartei ist es das Eingeständnis des eigenen Versagens, verpackt in das, was das Publikum hören möchte, nämlich Empörung. Eine Tariferhöhung sei dringend erforderlich und seit einem Jahr überfällig, und er verstehe nicht, „warum es da nicht vorwärts geht.“ Seine Partei habe im Abgeordnetenhaus nachgefragt und bislang keine Antwort bekommen. Die Linke regiert seit dem 8. Dezember 2016 mit SPD und Grünen. WIR MÜSSEN DIES, WIR MÜSSEN DAS Uber sei laut Meiser ein Riesenproblem „und verschlimmert die Situation für Sie und für uns alle in der Stadt. Deswegen müssen wir alle Instrumente auf Landes- und Bundesebene in die Hand nehmen, um Uber zurückzudrängen. Von mir aus bräuchten wir überhaupt kein Uber, und dafür müssen wir die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, allerdings auf Bundesebene, schaffen im ersten Schritt. Das ist wichtig.“ Er stellte sich gegen Scheuers Eckpunkte, wobei er im Bundestag – außer von den Grünen – leider keine Unterstützung erhalte. Wiederum zur Landespolitik bemerkte Meiser: „Wir müssen im Land Berlin dafür sorgen, dass das geltende Recht – und das, was Uber macht, ist illegal in vielen Punkten – durchgesetzt wird. Hier gibt es ein Vollzugsdefizit. Es gibt auch zum Teil fehlende rechtliche Grundlagen auf Bundesebene.“ Dafür müsse vor allem im entsprechenden Landesamt das Personal aufgestockt werden. „Ich glaube, es sind 18 Mitarbeiter, die da zuständig sind, das ist viel zu wenig. Wir müssen dringend die Kooperation mit Brandenburg verbessern, denn die Frage der Rückkehrpflicht lässt sich nur mit Brandenburg und nicht ohne Brandenburg klären. Ich erwarte, dass da mehr passiert, ich kann es nicht anders sagen. Alles andere ist Humbug.“ Auch eine Zusammenarbeit mit Zoll, Finanzbehörden und Rentenversicherung sei nötig, denn „vieles, was da läuft, ist nicht sauber, also muss kooperiert werden.“ Es müsse dafür gesorgt werden, „dass wieder Recht und Ordnung“ herrscht, dafür stehe er, dafür würden „wir“ uns einsetzen. Man sei ja mit in der Regierungsverantwortung, „und ich ärgere mich selbst, dass wir noch nicht so weit sind, aber ich, hoffe, dass wir mit Ihrem Druck zusammen das auch hinbekommen.“ Damit hatte Meiser die Fragen einigermaßen beantwortet und immerhin ein offenes Eingeständnis des Versagens geäußert, das aber ebenfalls nicht weit von einem Offenbarungseid entfernt ist. «Es sind viele Akteure, die da kontrollieren müssten.» Harald Moritz FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja bezeichnete das Taxi als persönliche „Vertrauensfrage“ und bekannte sich wie seine Vorredner zum Taxi als wesentlicher ÖPNV-Bestandteil, mit dem Pflichten und Fürsorge verbunden seien, die politische Wertschätzung und Unterstützung bedeuten. Er sagte, Liberalisierung könne man nicht aufhalten, doch wenn sich am Markt etwas verändere, dann „muss das für alle zu den gleichen Spielregeln und Bedingungen laufen“ – Aussagen, die auch aus dem Munde von Andreas Scheuer bekannt sind. Der Staat mit seinen Institutionen und Möglichkeiten habe dafür zu sorgen, dass geltendes Recht angewendet wird. Betreffs Rückkehrpflicht sprach er vom „Tatortprinzip“, soll heißen, „wir werden mit Brandenburg leider nicht das hinbekommen, was derzeit versäumt wird“, sondern man müsse zuallererst in Berlin – beispielsweise am Flughafen Tegel, für dessen Offenhaltung Czaja kämpft – für die Einhaltung sorgen. Dazu müsse das erforderliche Personal her – eine Ansage an die Koalition. Dass der Berlkönig nicht in den Randgebieten unterwegs ist (neuerdings mit einer Ausnahme), bezeichnete Czaja als „Riesenchance“ für das Taxigewerbe, „sich in Position zu bringen und dafür zu sorgen, dass diese Lücke auch mit geschlossen wird, sowohl im Innenstadtbereich“ als auch «Bei den Mietwagen muss die Ortskundeprüfung wieder eingeführt werden.» Frank Scholtysek außen. Daher müsse „das Taxigewerbe genau so wie Berlkönig und andere, die derzeit am Markt sind, mit berücksichtigt werden ... und nicht einfach ausrangiert werden.“ Absolute Haltungen klängen schön und führten im ersten Augenblick zu viel Applaus, doch wolle man das Taxigewerbe so stärken, „dass es ein relevanter, ja ein herausragender Marktteilnehmer ist, dann müssen wir uns mit den Fragen der Ausgestaltung beschäftigen“, und das wolle man vor allem als FDP in Berlin tun, da man verstanden habe, „welche Rolle Sie in dieser Stadt spielen, welche Aufgabe Sie übernehmen, und wir haben auch verstanden, welchen Beitrag wir dafür leisten müssen, ... und das gerecht und fair und mit ordentlichem Lohn und allem, was dazu gehört.“ Leider haben das nicht alle in der FDP verstanden. AfD-Verkehrssprecher Frank Scholtysek sprach sich einleitend für fairen FOTOS: Wilfried Hochfeld, Axel Rühle / Taxi Times, privat 14 AUGUST/SEPTEMBER 2019 TAXI

POLITIK FOTOS: privat (2), Wilfried Hochfeld / Taxi Times «Ich verstehe nicht, warum es da nicht vorwärts geht.» Pascal Meiser Wettbewerb und klare Regeln aus, was auch gleiche Bedingungen für Taxen und Mietwagen bedeute. Seine Partei fordere die Wiedereinführung der Ortskundeprüfung für Mietwagenfahrer. Er habe vier Anfragen an den Senat gestellt, die jüngste Antwort sei erst am selben Tag eingegangen. Aus ihr gehe hervor, dass „der Senat im Grunde genommen überhaupt keine Ahnung hat, wie der Markt um Uber herum passiert.“ Es sei aber nicht allein Uber, „die momentan in Berlin alles durcheinander bringen“, sondern auch der Berlkönig – der sein Geschäft auf Brandenburg ausweiten wolle. Daher fordere die AfD, auch Berliner Taxen sollten im Umland ihre Gäste aufnehmen können. Selbstverständlich müsse bei der Auswahl von Diensten auch das Taxi mit einbezogen werden. „Was Uber momentan veranstaltet, ist völlig unreguliert“, weshalb sowohl der Landesverband als auch die Bundestagsfraktion der AfD sich Gedanken mache, „wie man dagegen vorgehen muss“ – eigentlich nicht Aufgabe der Opposition, doch ordnungspolitische Maßnahmen, die es „satt und reichlich“ gebe, würden nicht ergriffen. Hier müsse das LABO die nötigen Kapazitäten erhalten, um Kontrollen durchzuführen und durchzugreifen. Auch Scholtysek erhielt Beifall. Moderator Leipold brachte nach diesen Reden seine Verblüffung zum Ausdruck: Alle Redner der vier von sechs Abgeordnetenhausparteien „sagen genau das gleiche wie wir“, nämlich dass das Taxigewerbe unverzichtbar sei und dass Gesetze einzuhalten seien, aber „es passiert nicht.“ Er bat um eine Erklärung „dieser seltsamen Diskrepanz“ in jeweils einem Satz: „Warum kann es sein, dass diejenigen, die entweder die Befehlsgewalt über die Beamten haben bzw. die Kontrollfunktion als Opposition haben, sich nicht durchsetzen können? Haben Sie keine Kraft oder keine Fähigkeit, sich in der Verwaltung durchzusetzen?“ Dafür erhielt Leipold Beifall und zustimmendes bzw. gespanntes Gemurmel. Harald Moritz antwortete als erster. Statt auf Leipolds Frage zu antworten, erklärte er allerdings, die Tariferhöhung komme «Ich glaube, Taxi heißt ganz grundsätzlich Vertrauen.» Sebastian Czaja nach seinen Informationen „nun endlich“ (was ja sieben Wochen später auch offiziell verkündet wurde). „Manchmal mahlen die Mühlen halt langsam, manchmal viel zu langsam, aber es kommt.“ Pascal Meiser sagte „es mal so“: „Was die Befehlsgewalt gegenüber den Beamtinnen und Beamten angeht, kann jeder nur in seinem Haus für Befehl, Recht und Ordnung sorgen.“ Man wisse ja, wer die zuständigen Senatsverwaltungen sind – womit er den Schwarzen Peter an SPD und Grüne weitergab. Sebastian Czaja, dem das Thema als Oppositionsvertreter naturgemäß gefiel, nannte klar beim Namen, wer für das Vollzugsdefizit verantwortlich sei: „Der Kopf der Senatsverwaltung heißt Regine Günther, für die Grünen, und hat die Verantwortung dafür, und die muss die entsprechenden Dinge auf den Weg bringen.“ Die FDP lege bei diesen Fragen immer den Finger in die Wunde, um darauf aufmerksam zu machen, „was schiefläuft in dieser Stadt“. Frank Scholtysek bestätigte, die Opposition könne ihren Finger „lediglich in die Wunde legen“ und „laut darauf hinweisen, was da im Argen liegt“. Er beklagte jedoch, auf die AfD höre „keiner“. Die drei anderen Redner bestätigten diesen Vorwurf, indem sie sich zwar gegenseitig jeweils zuhörten, sich während Scholtyseks Reden aber zeitweise miteinander unterhielten oder Getränke einschenkten. Im Gegenzug fragte Scholtysek Moritz und Meiser im späteren Verlauf der Diskussion, warum ihre Parteien an den von ihnen genannten Missständen nichts ändern würden (Beispiel Berlkönig), da sie an der Landesregierung beteiligt sind. Darauf mussten die beiden passen. Scholtysek beklagte zudem, ein Großteil der für Uber tätigen Fahrer bemerke früher oder später, „dass es sich überhaupt nicht lohnt“ und dass sie in prekären Verhältnissen arbeiten. Das führe zur Lohnaufstockung in hohem Maße. Das Geschäftsmodell von Uber basiere auf Transferleistungsbetrug und Steuerbetrug und bediene sich hemmungslos in unseren Sozialsystemen. Rechtsanwältin Alexandra Decker Die Frage von Rechtsanwältin Decker, wie viele Kontrollen im Mietwagenbereich denn in jüngerer Vergangenheit durchgeführt worden seien, konnte Harald Moritz aus dem Stegreif nicht beantworten. Frank Scholtysek, der aber die erwähnte Senatsantwort vor sich hatte, zitierte daraus ein paar ausweichende, schwammige Sätze – und die Aussage: „Das LABO führt keine Kontrollen nach der Betriebsstättenverordnung durch.“ Das höre sich alles „nach nicht besonders viel“ an, wie er das Schreiben vorsichtig kommentierte. GROSSE EINIGKEIT Vorwürfe, der Senat tue zu wenig gegen Uber, erwiderte Moritz mit Aussagen, man könne keine Mietwagen verbieten, auch Uber und Unternehmen aus dem LDS genießen Gewerbefreiheit. Aber, so ein Zwischenruf, es gebe doch Gesetze. Ja, so Moritz, man sei sich doch einig, dass Gesetze eingehalten werden müssen. Aber, erneuter Zwischenruf, es sei doch „Ihre Senatorin, die hier in Berlin regiert.“ Dazu Moritz: Auch die Senatorin sei für die Einhaltung von Gesetzen, könne aber „nicht alles höchstpersönlich machen“, und man könne der Landespartei nicht vorwerfen, dass das PBefG geändert werde. „Das können wir nicht ändern, das ist ein Bundesgesetz, und da müssen Sie uns nicht Vorwürfe machen, dass wir da irgendwas ändern wollen.“ Im Schlusswort witzelte Leipold, man sei offensichtlich nah an einer „ganz ganz großen Koalition“. Man habe festgestellt, es sei gemeinsame Aufgabe, politischen Willen zu erzeugen. Das Taxigewerbe sei jederzeit bereit, mit den Politikern zu sprechen und ihnen „Informationen zu geben, die notwendig sind, um dieses Unwesen schnellstens zu beseitigen.“ Ansonsten drohen Entlassungen und Betriebsschließungen. ar TAXI AUGUST/SEPTEMBER 2019 15

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