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Taxi Times Berlin - September / Oktober 2019

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GEWERBE Die

GEWERBE Die Behindertenbeförderung ist ein lukratives, noch wenig erschlossenes Geschäftsfeld. erreicht werden. Sind das nicht schon Zeichen eines Trends, anstelle des anfänglich disruptiven Ansatzes besser auf etablierte, verlässliche Partner zu setzen? QUALITÄT, SERVICE, PROFESSIO- NALITÄT, VERLÄSSLICHKEIT Was genau sind denn die Stärken des Partners Taxigewerbe, auf die sich jetzt manche rückbesinnen und die von der Branche im Prinzip nur genutzt und kommuniziert werden müssen? Die Kampagne „Verlässlich ist modern“ des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen hat diese formuliert und damit gezeigt, wie es geht. Nicht im stillen Kämmerchen jammern, sondern auf der Bühne zeigen, was man kann. Im Hintergrund bei den Entscheidern in Politik, Verwaltung und den Verkehrsbetrieben Überzeugungsarbeit leisten und an Kooperationen arbeiten. Gestalten anstatt andere über die eigene Zukunft entscheiden zu lassen. Zeigen, dass es außer Betrügern auch sehr viel Fortschrittlichkeit, Kompetenz und Erfahrung im Taxigewerbe gibt, und das aktiv in Diskussionen einbringen. Dieser Einsatz trägt offenbar bereits die ersten Früchte. Wer allerdings glaubt, alles müsse einfach so bleiben, wie es ist und immer war, ist auf dem Holzweg. Der gesamte Mobilitätsmarkt ist im Zuge der Digitalisierung, man mag den Ausdruck kaum noch gebrauchen, natürlich im Wandel, und darin muss das Taxigewerbe bestehen. Es muss aber auch bereit sein, neue Wege zu gehen. Wege, die einmal Auswege, Rettungswege für das Gewerbe werden könnten, sollte alles doch schlimmer kommen, als zu erwarten ist. Aber wo genau liegt das Potential der Marke Taxi? Zunächst einmal ist es der gesetzliche Rahmen, der die Beförderung mit einem Taxi für die Kunden so verlässlich macht. Betriebs- und Beförderungspfl icht des Taxis stellen ein Stück Daseinsvorsorge in der öffentlichen Personenbeförderung dar und garantieren die 24/7-Verfügbarkeit von Taxis für alle. Die Festlegung der Fahrpreise durch die öffentliche Hand, die Tarifpflicht und verbindliche Fahrpreise, die Qualifizierung des Fahrpersonals und die für eine Taxigenehmigung nachzuweisende fachliche Eignung der Betreiber stehen für Sicherheit und eine hohe Qualität der Dienstleistung. Diese Qualitätsmerkmale des Taxis und die öffentliche, behördliche wie politische Kontrolle von Betrieb und Preisen machen das Taxi zum idealen Partner des Linienverkehrs und für dessen Betreiber. Daher dürfen wir davon ausgehen, dass sich der Wind bald wieder drehen wird: in dem Maße, in dem sich neue Anbieter als „Rosinenpicker“ in lukrativen Stadtteilen und zu attraktiven Zeiten entpuppen, den ÖPNV kannibalisieren und ansonsten einfach nur noch mehr Verkehr verursachen, werden laufende Versuche beendet und wieder verstärkt mit dem Taxigewerbe kooperiert werden. Erste Beispiele des Umdenkens haben wir weiter oben bereits dargestellt. Selbstverständlich wird sich das nur dann fortsetzen, wenn sich auch das Taxigewerbe weiter entwickelt und zu Veränderungen bereit ist. INNOVATIONEN WERDEN DEN STAND DES TAXIGEWERBES F. Hier sei als Erstes das Projekt Inklusionstaxi zu nennen. Es ist verwunderlich und befremdend, dass erst so wenige Unternehmen Taxis zu barrierefreien Fahrzeugen umrüsten. Und das, obwohl in Berlin der Umbau zu 100 Prozent im Rahmen eines Förderprogramms des Senats bezahlt wird. Vier Millionen sind im Fördertopf, eingestellt in den beiden Berliner Doppelhaushalten 2018/2019 und 2020/2021. Etwa 250 Taxis ließen sich damit barrierefrei umbauen. Doch davon wurde bisher kaum etwas abgerufen. Ein komplett neu zu erschließendes Kundensegment für null Zusatzkosten für das Unternehmen – wer über Kundenrückgang klagt, sollte, ja muss diese Chance nutzen. Martin Randelhoff, Verkehrsexperte und Herausgeber von „Zukunft Mobilität“, hat untersucht, wer am häufigsten Taxis nutzt, und definiert dabei drei große Bevölkerungsgruppen: Erstens Menschen, die in einer Stadt fremd sind und möglicherweise mit Bahn oder Flugzeug anreisen. Zweitens Schüler, Studenten und „Nachteulen“, die noch nach Hause gelangen wollen, und als dritte große Nachfragegruppe nach Taxidienstleistungen ältere Menschen, die zum Einkaufen, zum Arzt oder einfach nur zu Freunden oder Familie gelangen wollen, und für die „bereits der Weg zur nächsten Haltestelle zu weit sein kann“. Zusammen mit den vielen Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, ist diese dritte Gruppe ein lohnender und wachsender Markt für barrierefreie Taxis. Überall, wo andere, ausschließlich profitorientierte Unternehmen Ride-Pooling machen (oder besser gesagt, „vorgeben, Ride-Pooling zu machen“?) und dabei mit Verkehrsbetrieben kooperieren, muss das Taxigewerbe seine ohnehin auf der Straße befindlichen Fahrzeuge ins Spiel bringen. Die technischen Voraussetzungen sind gegeben. Das muss nur offensiver verkauft werden. TAXI KANN MEHR, ALS KUNDEN WISSEN So werden beispielsweise digitale Bestellmöglichkeiten per taxi.eu-App, bargeldloses Zahlen mittels Kartenlesern oder mit taxi.eu-Payment per Smartphone oder auch die Möglichkeit, sich ein Taxi mit anderen zu teilen, nicht im notwendigen Maß beworben. Kundenbefragungen im Taxi durch Fahrer haben gezeigt, dass die breite Öffentlichkeit oftmals gar nicht alle Möglichkeiten kennt, die ihnen das moderne Taxi bietet. Wird Ride-Pooling mit den Ressourcen des Taxigewerbes umgesetzt, wäre das die sehr viel nachhaltigere Variante gegenüber immer mehr Konkurrenten, die letztlich mit dem gesamten ÖPNV-Netz konkurrieren. Diese Möglichkeiten müssen verbessert werden und gleichzeitig die Öffentlichkeitsarbeit, um diese Angebote publik zu machen. Das fängt bei den FahrerInnen an. Sie alle haben zuallererst die Aufgabe, ja die Pflicht, ihre Kunden über die Möglichkeiten, die ihnen ein Taxi bietet, zu informieren. Das Taxigewerbe fühlt sich zu oft den Dr. Tom Kirschbaum von Door2door: „Ich schätze die Marktkenntnisse der Taxibranche." Umständen ausgeliefert, anstatt selbst die Initiative zu ergreifen. Beispiel: das Thema Versorgung des künftigen Flughafens BER mit Taxis. Dem politischen Starrsinn der FOTOS: Taxi Times, privat 8 SEPTEMBER/OKTOBER 2019 TAXI

GEWERBE FOTOS: Axel Rühle / Taxi Times, Sixt SE Erich Sixt, Vorstandschef Sixt SE: Auto-Hersteller dürfen keine „Auto-Hinsteller“ sein. Verantwortlichen im Landkreis muss Kreativität entgegengesetzt werden. Schauen wir nach Wien. Hauptaktionäre des Wiener Flughafens (VIE) sind die Bundesländer Wien und Niederösterreich. VIE liegt im Gemeindegebiet von Schwechat und gehört zu Niederösterreich. Folglich anderes Tarifgebiet, andere Preise und keine Erlaubnis der Bereitstellung für Wiener Taxen. Die Wiener Funkzentrale hat daher seit Sommer 2012 im Ankunftsterminal des Flughafens einen Stand gemietet und dazu einen kleinen privaten Parkplatz auf dem Flughafengelände. Wer ein Wiener Taxi haben will, geht zum Stand, lässt von dort einen Funkruf nach Wien absenden, wird in eines der bereitstehenden Taxis vermittelt und kann damit zum Festpreis nach Wien fahren. Außerhalb des Wiener Tarifgebietes ist das möglich, billiger als der Schwechater Tarif. Vor allem aber ist das „Taxi-Voucher“ schon im Reisebüro oder auch online zusammen mit dem Flug buchbar, hin und zurück. Dieser Wettbewerbsvorteil am Flughafen, dessen Grundlage ein Festpreisangebot ist, ist nur ein Beispiel dafür, wie mit intelligent festgelegten Fahrpreisen Kunden gewonnen werden können. Festpreise machen Taxis von jedem Ort der Welt aus im Vorfeld buchbar. Mit vor Beginn der Fahrt feststehenden Preisen haben Konkurrenten wie Uber dem Taxi gegenüber einen klaren Vorteil. Als Nächstes – und ich bin sicher, dass alle dann gerne noch einmal zum Eichamt fahren würden – müsste das Taxigewerbe, mit der Verkehrsverwaltung gemeinsam, eine in ihrer Struktur veränderte Fahrpreisverordnung entwickeln. Der Fahrpreis für die Fahrstrecke, in der Regel der Preis für die kürzeste Strecke oder für die schnellste, möglicherweise längere auf ausdrücklichen Wunsch des Fahrgasts, müsste bereits vor Fahrtbeginn im Taxameter angezeigt werden und das ist dann der Preis. Der Fahrgast müsste keine Angst mehr haben, am Ende der Fahrt eine böse Überraschung zu erleben. Damit wäre den Konkurrenten ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil genommen. Auch das Ride-Pooling könnte die Fahrpreise positiv beeinflussen. Erreicht es das Gewerbe, Sammeltaxis zu etablieren und deren durchschnittlichen Besetzungsgrad sowie den Zeitanteil, in dem sie besetzt sind, zu erhöhen, könnten die Fahrpreise sogar gesenkt und die Einnahmen trotzdem gleichzeitig gesteigert werden. DIE VERNUNFT SCHREIT „TAXI“ In Berlin ist das für Großstädte möglicherweise wegweisende Mobilitätsgesetz ein zusätzlicher Sensibilisierer für den Blick auf Verkehrslösungen. Wo der Mensch und lebenswerte Stadträume im Fokus stehen, kann das Verschandeln und Zustellen der Innenstadt nicht auf Dauer geduldet werden. Wo neben sicherem Fuß- und Fahrradverkehr in erster Linie das Bus- und Bahn-Netz optimiert werden soll, ist das Taxigewerbe der geborene Partner. Weit entfernt davon, die öffentlichen Angebote zu kannibalisieren, sondern sie – im Gegenteil – ganz im Sinne des öffentlichen Verkehrsinteresses in idealer Weise zu ergänzen. Das Taxigewerbe muss sich also nicht fürchten, es muss sich nur weiter bewegen und noch besser kommunizieren. Mit einer deutlich besseren Artikulation der Interessen des Taxigewerbes hat der Bundesverband in den vergangenen Monaten fruchtbare Arbeit geleistet – und hat damit sicher an der hier beschriebenen, zu beobachteten Trendwende einen großen Anteil. Das wirkt sich mittlerweile auch schon deutlich auf die geplante Reform des PBefG aus. Aus immer mehr Parteien kommt Kritik an den von Bundesverkehrsminister Scheuer gewünschten Änderungen. Eine ersatzlose Streichung der Rückkehrpflicht für Mietwagen ist bei der Novelle wohl nicht mehrheitsfähig und zumindest im Bundesrat kaum noch durchzusetzen. Es gibt also weder einen Grund zum Mehr als günstig tanken! Vorbild Wien? Während die aufstellberechtigten Schwechater Taxis zum (unregelmäßigen) Taxitarif fahren, bietet die Taxizentrale einen kundengewollten Festpreis an. Jammern, noch darf sich das Taxigewerbe entspannt zurücklehnen. Ein selbstbewusstes, wandlungsfähiges Taxigewerbe steht bei den Erfordernissen einer allumfassenden Mobilitätswende vor einer rosigen Zukunft, die ihm niemand, wenn nicht das eigene Gewerbe selbst, vermasseln kann. sb DIE STAR FLOTTENKARTE Einfach. Bargeldlos. Deutschlandweit. Gemeinsam von den Rahmenvertragskonditionen profitieren und beim Tanken sparen. Weitere Informationen: gabriel.lattorff@orlen-deutschland.de. Verantwortlich: ORLEN Deutschland GmbH, Kurt-Wagener-Straße 7, 25337 Elmshorn. TAXI SEPTEMBER/OKTOBER 2019 9

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