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IM BLICK Herbst/Winter 2015

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18 Im Blick

18 Im Blick Themenschwerpunkt Erbrechtsreform Jahrhundertreform oder verpatzte Chance? Die „Modernisierung“ des mehr als 200 Jahre alten Erbrechts wird in der Fachwelt heftig diskutiert. Sowohl auf sprachlicher als auch auf inhaltlicher Ebene wurden entscheidende Änderungen vorgenommen. Wir haben Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Justiz und Praxis über Erfolg und Misserfolg der Novelle gefragt. Contra PRO Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer Institut für Zivilrecht, Universität Wien • Im Pflichtteilsrecht ist Vieles gelungen. Bei den Gestaltungsmöglichkeiten der Pflichtteilsdeckung herrscht jetzt weitgehend Rechtssicherheit und viel Flexibilität. Die Unternehmensnachfolge wird tatsächlich erleichtert. • Die Rechtsbereinigung und sprachliche Neubearbeitung tragen das Erbrecht des 19. Jahrhunderts in das 21. Jahrhundert. • Stellenweise wäre dem Gesetzgeber etwas mehr Mut zu wünschen gewesen. Dass die Reform der Testamentsvollstreckung und des Erbvertrags versäumt wurde, stellt eine verpasste Chance dar, bei der die Nachfrage der Praxis nach derartigen Planungsinstrumenten nicht hinreichend erkannt wurde. • Schade auch, dass offenbar auf jeglichen rechtsvergleichenden Input verzichtet wurde – gerade in einem zusammenwachsenden Europa sollte es auch den Gesetzgeber interessieren, wohin anderswo die Reise geht! PRO Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss Institut für Zivil- und Unternehmensrecht, WU Wien • Die Gestaltungsmöglichkeiten für die Erfüllung des Pflichtteilsanspruches wurden wesentlich erweitert. • Im unternehmensnahen Bereich sowie im Liegenschaftsbereich sind flexible Gestaltungen möglich. • Die Rechtssicherheit in der vorweggenommenen Vermögensnachfolge wurde durch die Festlegung des

Themenschwerpunkt Erbrechtsreform Im Blick 19 Schenkungszeitpunkts als maßgeblichen Bemessungszeitpunkt deutlich erhöht. Contra • Leider wurde die Grundfrage der Legitimation des Pflichtteilsrechts nicht tief analysiert. • Die starre 4% Verzinsungsregelung für Stundung des Pflichtteils führt zu zufälligen Ergebnissen der Anwendung, und es wurde auf eine grundsätzliche Zinsregelung verzichtet. • Das Gesetz hat nicht Mut zu neuen oder modifizierten Instrumenten wie Erbvertrag innerhalb der ganzen Familie, weitergehende Sonderregeln für unternehmerisches Vermögen. Univ. Doz. Mag. DDr. Ludwig Bittner Präsident der Notariatskammer Wien • Im Anrechnungsrecht ist die Frage der Bewertung zu stark vereinfacht worden. Gerade bei Immobilien in Westösterreich, wo starke Wertsteigerungen erzielt werden, ist die Regelung ungerecht. Pro Univ.-Prof. Dr. Bernhard Eccher Institut für Italienisches Recht, Universität Innsbruck • Flexibilisierung des Pflichtteilsrechts • Modernisierung des Anrechnungsrechts • Subsidiäre Berücksichtigung von Lebensgefährten als gesetzliche Erben und gesetzliche Vorausvermächtnisnehmer • Erbrechtliche Berücksichtigung von Pflegeleistungen durch Angehörige • Sprachliche Aktualisierung • Aufhebung der Unterscheidung zwischen Vorempfang und Schenkung bei der Anrechnung • Abgeltung von Pflegeleistungen durch Pflegevermächtnis Contra • Die sprachliche Anpassung hat vereinzelt neue Auslegungsprobleme gebracht. • Mit der Eliminierung des „Erblassers“ und der Ersetzung des „Nachlasses“ durch „Verlassenschaft“ wurden international etablierte Begriffe aufgegeben. • Die Schenkung auf den Todesfall wurde durch Anwendung des §1253 ABGB inkonsequent geregelt und hat damit an praktischer Bedeutung verloren. • Eine Definition der Lebensgemeinschaft wäre wünschenswert gewesen. • Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament sind weiterhin von geringer praktischer Bedeutung. Pro Contra • Die Erbrechtsreform ist gelungen. Erbrecht betrifft nicht nur geschulte Juristen, sondern viele juristische Laien, aber auch das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung. Eine moderate Modernisierung und sprachliche Erneuerung und die Berücksichtigung in der rechtssuchenden Bevölkerung verankerter Rechtstraditionen ist geschehen. • Gelungen ist auch die moderate Reform des fremdhändigen Testamentes. Auch die subsidiäre Berücksichtigung von Lebensgefährten als gesetzliche Erben ist grundsätzlich zu begrüßen. Contra • Den spezifischen Schutz von betreuten oder unter Sachwalterschaft stehenden Personen vor Drucksituationen aufzuheben ist sicher der falsche Weg. • Eine Detaildiskussion nach Ende des Begutachtungsverfahrens ist im Bundesministerium für Justiz unterblieben. • Bei der Flexibilisierung des Pflichtteilsrechtes hätte man noch mehr erreichen können. Es gibt immer noch drei Varianten der Begünstigung, aus dem Anerbenrecht, aus dem Wohnungseigentum und nun auch aus der Pflichtteilsstundung. • Fehlende Regelung eines erbrechtlichen Güterausgleichs • Fehlende rechtliche Qualifizierung von Versicherungsleistungen auf den Todesfall • Fehlender spezifischer Schutz von betreuten oder unter Sachwalterschaft stehenden Personen vor Fremdbestimmung • Wahl des Zeitpunktes der Vornahme lebzeitiger Zuwendungen als Stichtag für die Schenkungsbewertung Pro Univ.-Prof. Dr. Constanze Fischer-Czermak Institut für Zivilrecht, Universität Wien • Die sprachliche Anpassung ist weitgehend gelungen. • Die erbrechtlichen Folgen einer Scheidung wurden einer guten Lösung zugeführt. • Berücksichtigung des Lebensgefährten (gesetzliches Erbrecht im letzten Rang, Vorausvermächtnis für ein Jahr) Pro/Contra Hon.-Prof. Dr. Hansjörg SAILER Senatspräsident des OGH Wien Eine leider durch an sich behebbare Mängel infolge überhasteter Beschlussfassung eher verpatzte Jahrhundertchance! Auch die neue Begriffsbildung ist fragwürdig: Zum Beispiel gibt es auf der Welt massenhaft „Verstorbene“, von denen sind aber – erst Recht im Kontext eines Verlassenschaftsverfahrens – keineswegs alle auch Erblasser im guten alten Sinn. Pro Univ.-Ass. Dr. Gundula Maria Likar-Peer Universität Salzburg • Klärung jahrzehntelanger Streitfragen, etwa im Anrechnungsrecht • Vereinheitlichung hinzu- und anre-