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wd | Frühling 2021

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„Die Kunst besteht

„Die Kunst besteht darin, sich selbst zu vertrauen.“ Wenn der Golfball regelmäßig im Bunker landet und ein verrissener Abschlag auf Bahn 4 per se ein mieses Spiel bedeutet, dann steckt wahrscheinlich weder eine höhere Macht dahinter, noch ein schlechter Schlägersatz. „Energie folgt unserer Aufmerksamkeit“, sagt Thomas Tschirpig. Der Sportmentaltrainer aus Freiburg ist überzeugt, dass wesentlich weniger Bälle in Teichen landen würden, wenn wir auf dem Golfplatz andere Gedanken hätten. Er hat uns im Interview verraten, warum Mentaltraining kein Hokuspokus ist und welche vermeintlich kleinen Kniffe oftmals über Sieg und Niederlage entscheiden. Herr Tschirpig, Sie helfen Sportlern unter anderem dabei, mentale Blockaden aufzulösen oder besser mit ihren Emotionen umzugehen. Leiden Golfer unter ganz besonders hoher Anspannung, weil sie ihren Gegner in der Regel nicht vom Grün grätschen, wie es bei anderen Sportarten hin und wieder der Fall ist, wenn die Emotionen hochkochen? Ich vergleiche ungern Sportarten miteinander, denn jeder Sport bringt seine ganz eigenen Herausforderungen mit sich. Letztlich muss jeder von uns – egal ob Sportler oder nicht – tagtäglich mit Emotionen und Gedanken umgehen und darauf achten, dass diese nicht die Kontrolle über unser Handeln übernehmen. Auch wenn Golf als gentlemen’s sport gilt, fliegt ab und an mal ein Schläger übers Grün, wenn der Ball verrissen wurde. Die Frage ist, wie sehr wir diese Emotionen überhaupt erst hochkochen lassen. Wer gelernt hat, in solchen Situationen gewisse Techniken anzuwenden, um sich nicht permanent von seinen Gefühlen leiten zu lassen, der ist am Ende des Tages der erfolgreichere Spieler auf dem Platz. 46

GOLFEN IM ALPENRAUM "Golf ist ein Spiel, bei dem man einen zu kleinen Ball in ein viel zu kleines Loch schlagen muss, und das mit Geräten, die für diesen Zweck denkbar ungeeignet sind." (Winston Churchill) Sie sagen, dass man seinen Erfolg selbst in der Hand hat, sobald man gelernt hat, ihn zu visualisieren. Warum haben Gedanken überhaupt eine so große Macht? Ist das wissenschaftlich erklärbar? Wissenschaftler können die Auswirkungen unserer Gedanken tatsächlich messen. Dazu gibt es mittlerweile genug Tests und Studien mit Sportlern. Letztlich können wir diesen Effekt aber auch tagtäglich an uns selbst erleben. Unseren Handlungen geht immer ein bestimmter Gedanke voraus. Wenn der Gedanke beim Golf beispielsweise lautet „Beim nächsten Schlag werde ich über das Wasser spielen“, wird die anschließende Handlung weit häufiger von Erfolg gekrönt sein, als wenn Sie denken „Der Ball landet sowieso im Teich“. Anders gesagt, wenn zwei Spieler mit sehr ähnlichen Voraussetzungen und nahezu identischem Trainingslevel gegeneinander antreten, so wird derjenige weitaus bessere Ergebnisse erzielen, der die positiveren Glaubenssätze verinnerlicht hat. Es gab bereits Experimente, bei denen man Golfer in verschiedene Gruppen aufteilte. Alle sollten aus der gleichen Entfernung einen Put machen. Während die eine Gruppe visualisieren sollte, wie der Ball am Loch vorbei rollte, sollten sich die anderen vorstellen, wie ihr Schlag erfolgreich sein würde. Jeder einzelne Schritt wurde dabei im Kopf durchgespielt – wie der Ball übers Grün rollt bis hin zum „Klock“ beim Einlochen. Diejenigen mit der positiven Vorstellung erzielten tatsächlich die besseren Ergebnisse. Training nichts zu tun. Es geht vielmehr darum, dass man seine Fähigkeiten realistisch einzuschätzen lernt und daraus Vertrauen in das eigene Können gewinnt. Man wird kein Golfprofi, indem man lediglich an seiner mentalen Stärke feilt. Das Training auf der Range bleibt das A und O. Man hört immer wieder, es sei förderlich, den Kopf völlig frei zu haben, um sportlich erfolgreich zu sein. Was ist nun besser – ein leerer Kopf beim Abschlag oder einer, der randvoll mit positiven Gedanken ist? Ein gesundes Mittel daraus wäre gut. Versuchen, rein gar nichts zu denken, wäre kontraproduktiv, denn wenn ich nichts denke, denke ich auch nicht an mein Ziel. Dann weiß ich auch nicht, wo mein Ball landen soll. Die Wegstrecke zwischen den einzelnen Bahnen und Schlägen ist mitunter ziemlich lang und in dieser Zeit haben wir unglaublich viel Zeit, zu grübeln und schweren Gedanken nachzuhängen. Wir können in dieser Zeit aber auch förderliche Gedanken denken und uns somit positiv beeinflussen. Laut Wissenschaft denken wir pro Tag zwischen 70.000 und 90.000 Gedanken. Da ist eine Menge Spielraum für negatives Zeug, das uns runterzieht. „Hätte ich eben doch besser den anderen Schläger genommen!“ oder „Oh nein, gleich kommt die Bahn mit dem blöden Bunker!“ sind „Siege werden im Kopf entschieden“ Das heißt, wir können uns selbst relativ einfach manipulieren? Nennen wir es Beeinflussen. Das tun wir im Übrigen jeden Tag. Schon das Wort „manipulieren“ löst in uns ein nicht sehr förderliches Empfinden aus. Unser Unterbewusstsein spielt hier eine große Rolle. Forscher haben vor rund 20 Jahren ein Experiment durchgeführt, das diesen Effekt ziemlich eindrücklich zeigt. Sie teilten Probanden in drei Gruppen ein, von denen die eine über einen gewissen Zeitraum klassisches Krafttraining absolvierte. Die Probanden der zweiten Gruppe trainierten überhaupt nicht und die der dritten stellten sich lediglich vor, sie würden trainieren. Sie stemmten quasi mental Gewichte. Anschließend maß man den Muskelzuwachs der Probanden. Die Nicht-Trainierer hatten wie zu erwarten keine Muskulatur aufgebaut, die Kraftsportler hingegen hatten einen Zuwachs, ebenso wie diejenigen, die rein gedanklich trainiert hatten. Dieses Experiment zeigt auf faszinierende Art und Weise, dass unser Gehirn nicht unterscheiden kann zwischen dem, was wir real erleben und dem, was wir uns nur vorstellen. Das ist letztlich der zentrale Punkt, bei dem wir im Mentaltraining ansetzen. Das klingt ein bisschen nach positivem Selbstbetrug. Ja, aber einer, der augenscheinlich funktioniert. Kritiker wollen die Kraft des mentalen Trainings gerne ad absurdum führen, indem sie beispielsweise anführen, man müsse einen Golfball also auch einmal rund um den Erdball schlagen können, solange man es sich nur vorstelle. Das ist natürlich Unfug und hat mit mentalem UNSER EXPERTE: THOMAS TSCHIRPIG Thomas Tschirpig ist Sportmentaltrainer in Freiburg. Sein Coaching richtet sich an Sportler, die unbewusst sitzende Blockaden auflösen möchten, um im Wettkampf punktgenau die erforderte Leistung abrufen zu können. Sein Credo: Wer über das entsprechende mentale Rüstzeug verfügt, profitiert auch im privaten und beruflichen Umfeld davon und ist stärker gegen äußere Einflüsse gewappnet. Er hat ein ebook zum Thema „Mentaltraining im Golf“ veröffentlicht und arbeitet gerade an einem eigens für Golfer zugeschnittenen Podcast. www.thomas-tschirpig.com 47