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Skandinavien - Karrierefuehrer.de

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<strong>Skandinavien</strong>. Wäl<strong>de</strong>r, Mittsommer und Elche – Natur pur. Aber auch wirtschaftlicher Aufschwung,<br />

Arbeitsplätze für fast alle und Familienfreundlichkeit. Das ist <strong>Skandinavien</strong>. Viele Deutsche reizen Norwegen<br />

und Schwe<strong>de</strong>n – als Urlaubsland sowieso, aber zunehmend auch als Auswan<strong>de</strong>rziel. Wie lebt und<br />

arbeitet es sich im hohen Nor<strong>de</strong>n? Was ist einfach, was ist schwierig? Wir zeigen Ihnen alles, was wichtig<br />

ist: Geografisches, Tipps für <strong>de</strong>n Alltag und Erfahrungsberichte aus erster Hand.<br />

Leben und Arbeiten<br />

in Skan<br />

58


03<br />

Ausland<br />

<strong>Skandinavien</strong><br />

60 Im hohen Nor<strong>de</strong>n<br />

64 Familienfreundlich und flexibel<br />

66 In <strong>de</strong>n Schären unterwegs<br />

68 Fjor<strong>de</strong>, Berge und Wasserkraft<br />

72 „Friluftsliv“ in Trondheim<br />

dinavien<br />

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karriereführer hochschulen<br />

2. 2008<br />

03 Ausland<br />

Im hohen<br />

Nor<strong>de</strong>n<br />

Enorme Naturreichtümer<br />

locken nicht nur Touristen<br />

nach <strong>Skandinavien</strong>, son<strong>de</strong>rn<br />

haben <strong>de</strong>n nordischen Län<strong>de</strong>rn<br />

im letzten Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

ein wirtschaftliches Wachstum<br />

beschert, das sie heute zu<br />

<strong>de</strong>n reichsten Nationen <strong>de</strong>r<br />

Welt macht. So steht Norwegen<br />

unter an<strong>de</strong>rem in <strong>de</strong>n<br />

Bereichen Aquakultur,<br />

Umwelt, Energie und Telekommunikation<br />

mit an <strong>de</strong>r Spitze.<br />

Und schwedische Autos wie<br />

<strong>de</strong>r Volvo sind weltweit<br />

berühmt.<br />

Von Christoph Berger<br />

Eine <strong>de</strong>rartige Situation wäre in Deutschland nicht <strong>de</strong>nkbar: Es ist ein<br />

eisig kalter Samstagmorgen Anfang März, etwa neun Uhr, in einer<br />

U-Bahnstation. Die Bahnsteige sind bevölkert von Menschen, die ihre<br />

Langlaufskier in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n halten, einen großen Rucksack auf <strong>de</strong>m<br />

Rücken tragen, an <strong>de</strong>ssen Seite meist noch ein Klappspaten befestigt<br />

ist, manchmal auch ein Zelt. In Norwegens Hauptstadt ist das keine<br />

Seltenheit. Die Menschen fahren hinaus in das waldige, verschneite<br />

Umland von Oslo. Die Bahn ächzt nicht gera<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>r Steigungen,<br />

doch es geht aufwärts, vorbei an <strong>de</strong>r Station Holmenkollen,<br />

einem Berg, an <strong>de</strong>ssen Hängen sich die älteste Skisprungschanze <strong>de</strong>r<br />

Welt befin<strong>de</strong>t. An <strong>de</strong>r Endstation verteilen sich die Reisen<strong>de</strong>n über die<br />

vielen Wege in die Weite <strong>de</strong>r Wäl<strong>de</strong>r. Zurück wer<strong>de</strong>n viele wohl erst<br />

wie<strong>de</strong>r am Sonntagabend fahren. Ihr Wochenen<strong>de</strong> verbringen sie in<br />

<strong>de</strong>r freien Natur.<br />

Dies dürfte eine relativ typische Situation für die Nordlän<strong>de</strong>r Europas<br />

sein, auch wenn es nicht immer die Langlaufskier sind, mit <strong>de</strong>nen es<br />

hinaus geht. Es ist ja auch nicht immer Winter. Doch was für die<br />

Bewohner Norwegens gilt, ist gleichermaßen auf Schwe<strong>de</strong>n und<br />

Dänen übertragbar. Viele Skandinavier sind naturverliebt. Dieses<br />

Gefühl geht so weit, dass sie einen Großteil ihrer Freizeitaktivitäten in<br />

<strong>de</strong>r Natur verbringen, dass sie aktiv mit ihr zusammenleben. Sogar in<br />

<strong>de</strong>r schwedischen Nationalhymne heißt es übersetzt: „Gegrüßt seist<br />

du, lieblicher Er<strong>de</strong>nort, <strong>de</strong>in Licht, <strong>de</strong>in Himmel, <strong>de</strong>ine grünen Weiten<br />

...“ Und Weiten gibt es tatsächlich genügend. Auf einer Fläche von<br />

etwa 879.000 Quadratkilometern leben in Schwe<strong>de</strong>n, Norwegen und<br />

Dänemark gera<strong>de</strong> mal 19.399.000 Menschen. Im Vergleich dazu<br />

60


Fotos: foto.fritz/Fotolia, froodmat/Photocase<br />

Deutschland: Hier leben auf 357.000 Quadratkilometern 82.244.000<br />

Menschen. Und diese Weiten bil<strong>de</strong>ten auch die Grundlage für <strong>de</strong>n<br />

Stand in <strong>de</strong>r Weltwirtschaft. Mithilfe <strong>de</strong>r enormen Naturreichtümer<br />

wie Wald, Erz und Wasserkraft wan<strong>de</strong>lte sich etwa Schwe<strong>de</strong>n im letzten<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten von einem<br />

armen Agrarland hin zu einer <strong>de</strong>r reichsten und am höchsten entwickelten<br />

Industrienationen. In Norwegen vollzog sich eine ähnliche<br />

Entwicklung, nur das hier die Ölvorkommen ein mitentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />

Antrieb für die Wirtschaft waren. Heute zählt das Land in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Aquakultur, Meeresindustrie, Wasserkrafttechnik, Umwelt, Energie,<br />

Technologie und Telekommunikation zu <strong>de</strong>n führen<strong>de</strong>n Nationen.<br />

Bekannt und reich wur<strong>de</strong>n die Skandinavier aber nicht nur durch ihre<br />

Bo<strong>de</strong>nschätze. Man <strong>de</strong>nke auch an nordisches Design, berühmt<br />

gewor<strong>de</strong>n durch ausgefallene Möbellinien o<strong>de</strong>r Geräte, wie die von<br />

Bang & Olufsen. Dazu gehört auch das einmalige und markante<br />

Design eines Saab 900. Ebenfalls weltbekannt, jedoch mehr auf<br />

Familien ausgerichtet und damit einen weiteren nordischen Wert<br />

vertretend, ist die Firma Volvo mit ihren Autos, die Sicherheit und<br />

hoch entwickelte Technik verbin<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Skandinavien</strong><br />

Geografisch ist <strong>Skandinavien</strong> die europäische<br />

Halbinsel, auf <strong>de</strong>r sich Norwegen und<br />

Schwe<strong>de</strong>n befin<strong>de</strong>n. In kultureller Hinsicht<br />

umfasst es zu<strong>de</strong>m Dänemark, da sich dieses<br />

wie Norwegen und Schwe<strong>de</strong>n durch<br />

eine ähnliche Sprache von <strong>de</strong>n benachbarten<br />

Staaten Nor<strong>de</strong>uropas unterschei<strong>de</strong>t.<br />

Häufig wird im weiteren Sinne auch Finnland<br />

durch seine geografische, historische<br />

und politische Verwandtschaft zu <strong>Skandinavien</strong><br />

gezählt.<br />

Quelle: www.wikipedia.<strong>de</strong><br />

Bei all <strong>de</strong>m Schönen dürfen jedoch die langen und dunklen Wintertage<br />

nicht vergessen wer<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>n skandinavischen Län<strong>de</strong>rn<br />

herrschen. In diesen Zeiten können leicht existenzielle Stimmungen<br />

entstehen, wie sie etwa in <strong>de</strong>n Werken <strong>de</strong>s Malers Edvard Munch<br />

Ausdruck fan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r aber in Henrik Ibsens Dramen, die einen leicht<br />

mystischen Zug aufweisen.<br />

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karriereführer hochschulen<br />

2. 2008<br />

03 Ausland<br />

Facts von Christiane Martin<br />

Foto: doka/Photocase<br />

Schwe<strong>de</strong>n<br />

Fläche<br />

Ungefähr 450.000 Quadratkilometer,<br />

davon sind über 200.000 Quadratkilometer<br />

Waldfläche. Die Entfernung vom<br />

nördlichsten Punkt Treriksröset zum<br />

südlichsten Punkt Smygehuk beträgt<br />

1600 Kilometer.<br />

Einwohner<br />

9 Millionen. 87 Prozent <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

gehören <strong>de</strong>r lutherisch-evangelischen<br />

Staatskirche an. Auf einem Quadratkilometer<br />

leben durchschnittlich<br />

20 Menschen.<br />

Staatsform<br />

Das Königreich Schwe<strong>de</strong>n ist eine parlamentarische<br />

Monarchie. Der König –<br />

zurzeit Carl XVI. Gustaf – hat nur repräsentative<br />

und zeremonielle Aufgaben.<br />

Die politische Macht haben <strong>de</strong>r Reichstag<br />

und <strong>de</strong>r Staatsminister.<br />

Hauptstadt<br />

Stockholm<br />

Geografie<br />

Zu Schwe<strong>de</strong>n gehören etwa 221.800<br />

Inseln, Gotland und Öland sowie Orust<br />

sind die drei größten von ihnen. Schwe<strong>de</strong>ns<br />

Klima ist für seine nördliche Lage<br />

ziemlich mild und wird vor allem durch<br />

die Nähe zum Atlantik mit <strong>de</strong>m warmen<br />

Golfstrom bestimmt. Große Teile<br />

Schwe<strong>de</strong>ns haben <strong>de</strong>shalb ein feuchtes<br />

Klima mit reichlich Nie<strong>de</strong>rschlag. Die<br />

Temperaturunterschie<strong>de</strong> zwischen<br />

Sommer und Winter sind relativ gering.<br />

Norwegen<br />

Fläche<br />

Etwa 385.000 Quadratkilometer. Die<br />

Entfernung vom Nordkap nach Lin<strong>de</strong>snes<br />

beträgt 1752 Kilometer Luftlinie.<br />

Die Küstenlinie <strong>de</strong>s Festlands ist über<br />

20.437 Kilometer lang. An <strong>de</strong>r breitesten<br />

Stelle ist das Land 430 Kilometer<br />

breit, an <strong>de</strong>r schmalsten 6,3 Kilometer.<br />

Einwohner<br />

In Norwegen leben etwa 4,7 Millionen<br />

Menschen. Die Bevölkerungsdichte<br />

beträgt ungefähr 12 Einwohner pro<br />

Quadratkilometer.<br />

Staatsform<br />

Parlamentarische Monarchie mit König<br />

Harald V. als Staatsoberhaupt und Premierminister<br />

Jens Stoltenberg als<br />

Regierungschef.<br />

Hauptstadt<br />

Oslo<br />

Geografie<br />

Norwegen ist von Gebirgsketten und<br />

kargen Hochebenen geprägt. Die Atlantikküste<br />

besteht aus unzähligen<br />

schmalen und tiefen Buchten, die<br />

Meerwasser bis weit ins Lan<strong>de</strong>sinnere<br />

bringen: die Fjor<strong>de</strong>. Ein Gebirgszug<br />

trennt <strong>de</strong>n schmalen Küstenstreifen im<br />

Westen mit feuchterem Klima vom trockeneren<br />

Osten.<br />

Dänemark<br />

Fläche<br />

43.000 Quadratkilometer plus 2,2 Millionen<br />

Quadratkilometer Grönland plus<br />

1396 Quadratkilometer Färöer. Dänemark<br />

misst von Nord nach Süd 368<br />

Kilometer und von Ost nach West 452<br />

Kilometer.<br />

Einwohner<br />

Im Kernland leben etwa 5,5 Millionen<br />

Menschen, das sind 129 auf einem Quadratkilometer.<br />

Staatsform<br />

In Dänemark herrscht eine konstitutionelle<br />

Monarchie mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen<br />

Königin Margrethe II. als Staatsoberhaupt<br />

und einem Ministerpräsi<strong>de</strong>nten<br />

als Regierungschef.<br />

Hauptstadt<br />

Kopenhagen<br />

Geografie<br />

Dänemarks einzige Landgrenze besteht<br />

im Sü<strong>de</strong>n zu Deutschland; <strong>de</strong>s Weiteren<br />

wird das Land durch die Nordsee,<br />

das Skagerrak, das Kattegat und die<br />

Ostsee begrenzt. Trotz <strong>de</strong>r Lage Dänemarks<br />

an Nord- und Ostsee ist die jährliche<br />

Nie<strong>de</strong>rschlagsmenge mit 700 bis<br />

800 Millimetern im Westen mäßig und<br />

im Osten mit 500 bis 600 Millimetern<br />

für mitteleuropäische Verhältnisse<br />

sogar niedrig. Die Temperaturen sind<br />

ausgeglichen.<br />

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karriereführer hochschulen<br />

2. 2008<br />

03 Ausland<br />

Familienfreundlich<br />

und flexibel<br />

Leben und Arbeiten in <strong>Skandinavien</strong>:<br />

Was kostet eine<br />

Wohnung, was ein Liter Milch?<br />

Wie bewirbt man sich in<br />

Schwe<strong>de</strong>n? Wie in Norwegen?<br />

Unser Autor Christoph Berger<br />

hat die wichtigsten Fakten<br />

zusammengestellt.<br />

Als Urlaubslän<strong>de</strong>r sind die skandinavischen Län<strong>de</strong>r bei uns Deutschen<br />

lange schon beliebt. Eine wahre Fangemein<strong>de</strong> fährt Jahr für<br />

Jahr in Astrid Lindgrens Heimat Schwe<strong>de</strong>n, an die norwegischen<br />

Fjor<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r die dänische Küste. Doch seit einiger Zeit entschei<strong>de</strong>n<br />

sich immer mehr Deutsche, für längere Zeit, wenn nicht gar für<br />

immer nach <strong>Skandinavien</strong> zu ziehen. Arbeit gibt es dort genug, <strong>de</strong>r<br />

Lebensstandard ist hoch, Natur und Kultur bieten reizvolle Freizeitangebote.<br />

Warum also nicht in <strong>de</strong>n hohen Nor<strong>de</strong>n auswan<strong>de</strong>rn?<br />

Arbeiten<br />

Die Arbeitslosenquote in allen drei skandinavischen Län<strong>de</strong>rn ist niedrig.<br />

In Dänemark liegt sie bei 1,6, in Norwegen bei 2,1 und in Schwe<strong>de</strong>n<br />

bei 5,4 Prozent. Es gibt wahrscheinlich wenige Län<strong>de</strong>r, in <strong>de</strong>nen man<br />

Beruf und Familie besser vereinen kann als in Schwe<strong>de</strong>n und Norwegen.<br />

In bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn liegen die Arbeitszeiten in <strong>de</strong>n meisten Büros<br />

zwischen 9 und 16 Uhr, wobei Variationen je nach Geschäftsbereich<br />

o<strong>de</strong>r Branche möglich sind. In Dänemark ist allerdings zu beachten,<br />

dass es dort keinen Kündigungsschutz gibt. Daher ist die Fluktuation<br />

hoch. Jährlich wer<strong>de</strong>n 800.000 <strong>de</strong>r insgesamt rund 2,9 Millionen Stellen<br />

neu besetzt. Dafür ist die Unternehmenskultur meist durch flache,<br />

nicht hierarchische Strukturen und durch einen offenen Dialog zwischen<br />

Unternehmensführung und Angestellten geprägt. In Norwegen<br />

sind die Branchen mit hoher Nachfrage das Baugewerbe, das produzieren<strong>de</strong><br />

Gewerbe, die Ölindustrie und <strong>de</strong>r Schiffsbau sowie Hotels und<br />

Restaurants. In Schwe<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Bausektor, in IT-Unternehmen<br />

und im Industriesektor dringend qualifizierte Fachleute benötigt.<br />

Dänemark hat einen Personalmangel im Pflegesektor, im Bauwesen<br />

sowie in <strong>de</strong>r Metallverarbeitung.<br />

Wohnen<br />

Die Preise für Wohnraum sind in Norwegen in <strong>de</strong>n letzten Jahren<br />

stark angestiegen. Das höchste Preisniveau wird dabei in <strong>de</strong>n Städten<br />

erreicht, in ländlichen Regionen sind die Preise niedriger. Ähnlich<br />

ist die Situation in Schwe<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong> Stockholm und die an<strong>de</strong>-<br />

64


Fotos: tyskistockholm/PIXELIO, concoon/Photocase<br />

ren Universitätsstädte sind beliebte Wohnorte. Ebenso ist die Situation<br />

in Dänemark. Da Wohnraum dort sehr knapp ist, liegen die<br />

Mieten entsprechend hoch.<br />

Wohnen<br />

Laut Zahlen <strong>de</strong>s Statistikamts von Schwe<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Jahr 2004<br />

kostet ein Liter Milch rund 80 Cent, ein Kilo Kaffee etwa 5,40 Euro,<br />

ein Kilo Kartoffeln 90 Cent. Ein Herrenhaarschnitt kostet 26,10 Euro<br />

und ein Kinobesuch rund 8,50 Euro. In Norwegen liegen die Lebenshaltungskosten<br />

weit über <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Durchschnitt. Die Auslandsvermittlung<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit zitiert Zahlen <strong>de</strong>s<br />

Statistik Sentralbyrå 2006. Demnach kostet 1 Liter Vollmilch 1,32<br />

Euro, ein Kilo Zucker 1,63 Euro und 1 Kilo Hackfleisch 8,01 Euro. Dänemarks<br />

Hauptstadt Kopenhagen zählt zu <strong>de</strong>n teuersten Städten <strong>de</strong>r<br />

Welt. Ein Baguette kann dort auch schon mal 3 Euro kosten. Für alle<br />

skandinavischen Län<strong>de</strong>r gilt, dass alkoholische Getränke um ein<br />

Vielfaches teurer sind als in Deutschland.<br />

Bewerbungen<br />

Die Bewerbungformalitäten in Norwegen gleichen <strong>de</strong>nen in<br />

Deutschland, allerdings sind beigefügte Fotos eher unüblich. Normalerweise<br />

besteht eine Bewerbung aus Anschreiben und Lebenslauf.<br />

Genauso ist es in Schwe<strong>de</strong>n. Hilfreich sind hier Referenzen, die<br />

vom potenziellen Arbeitgeber angerufen wer<strong>de</strong>n können. Dänemark<br />

weicht davon nicht ab. Was in allen drei Län<strong>de</strong>rn überhaupt<br />

nicht gerne gesehen wird: Unpünktlichkeit beim Vorstellungsgespräch.<br />

LINKTIPPS<br />

Weitreichen<strong>de</strong> Informationen zum<br />

Leben und Arbeiten in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn<br />

Europas: www.ec.europa.eu/eures<br />

Checkliste für einen Umzug nach Norwegen:<br />

www.norwegen.no/arbeit/<br />

Leitfa<strong>de</strong>n<br />

Tipps zum Bewerbungsverfahren in<br />

Norwegen: www.nav.no<br />

Schwedische Unternehmen:<br />

www.tra<strong>de</strong>withswe<strong>de</strong>n.com<br />

Wohnen und Arbeiten in Schwe<strong>de</strong>n:<br />

www.swe<strong>de</strong>nabroad.com<br />

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karriereführer hochschulen<br />

2. 2008<br />

03 Ausland<br />

In <strong>de</strong>n Schären<br />

unterwegs<br />

Frank Golüke berichtet über<br />

sein Leben in Schwe<strong>de</strong>n. Seit<br />

vier Jahren arbeitet <strong>de</strong>r Ingenieur<br />

<strong>de</strong>r Elektrotechnik in<br />

Stockholm bei <strong>de</strong>r schwedischen<br />

Nie<strong>de</strong>rlassung von<br />

Siemens.<br />

Dass ich einmal im hohen Nor<strong>de</strong>n Europas arbeiten wür<strong>de</strong>, daran<br />

hatte ich während meines Elektrotechnikstudiums nicht gedacht.<br />

Von meinem Arbeitgeber, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Elektrokonzern Siemens,<br />

bekam ich vor gut vier Jahren das Angebot, in Stockholm zu arbeiten.<br />

Ich wollte schon immer gern im Ausland arbeiten. Sofort stand<br />

für meine Familie und mich fest, dieses Angebot anzunehmen,<br />

auch wenn wir rein gar nichts über dieses Land wussten. Die neue<br />

Sprache zu lernen, war im Nachhinein einfacher als zuerst gedacht.<br />

Schwedisch ist ja eine altgermanische Sprache und viele Vokabeln<br />

sind <strong>de</strong>m Deutschen ähnlich; die Grammatik ist allerdings komplett<br />

unterschiedlich.<br />

In Schwe<strong>de</strong>n arbeite ich als General Manager im Vertrieb für elektrische<br />

und mechanische Antriebstechnik. Meine Abteilung ist in<br />

<strong>de</strong>n vergangenen Jahren von 6 auf knapp 20 Mitarbeiter angewachsen.<br />

Seit wir vor vier Jahren nach Schwe<strong>de</strong>n gegangen sind, hat sich für<br />

mich viel verän<strong>de</strong>rt. Ich kam vor vier Jahren als „harter“ <strong>de</strong>utscher<br />

Manager, doch heute hat sich mein Führungsstil stark gewan<strong>de</strong>lt.<br />

In Schwe<strong>de</strong>n gilt es in <strong>de</strong>n meisten Fällen, einen Kompromiss zu<br />

fin<strong>de</strong>n, zu <strong>de</strong>m alle „Ja“ sagen können, Kollegen wie auch Mitarbeiter.<br />

Wer meint, man käme mit <strong>de</strong>m typisch <strong>de</strong>utschen Führungsstil<br />

zum Ziel, wird sehr schnell eines Besseren belehrt wer<strong>de</strong>n. Hier<br />

sind alle „per du“ – egal ob ich mit meinem Chef spreche o<strong>de</strong>r mit<br />

meinen Mitarbeitern. Für einen Deutschen ist das anfangs gewöhnungsbedürftig,<br />

aber nach vier Jahren Schwe<strong>de</strong>n habe ich das zu<br />

schätzen gelernt. In Schwe<strong>de</strong>n sind die Hierarchien in <strong>de</strong>n Unternehmen<br />

sehr viel flacher und man <strong>de</strong>nkt viel weniger in Statussymbolen<br />

als in großen <strong>de</strong>utschen Unternehmen. Das merkt man<br />

ganz beson<strong>de</strong>rs bei Kun<strong>de</strong>nbesuchen: Krawatte und Na<strong>de</strong>lstreifen<br />

sind in <strong>de</strong>n meisten Fällen fehl am Patz. Eine legere Kombination<br />

kommt häufig besser an. Ein typischer Arbeitstag in Schwe<strong>de</strong>n<br />

unterschei<strong>de</strong>t sich wenig von einem Arbeitstag in Deutschland. Die<br />

66


Fotos: Nikolay Okhitin/Fotolia, Michael Götz/Photocase<br />

meisten Mitarbeiter sind spätesten um 8.30 Uhr am Patz und<br />

gehen gegen 17 Uhr nach Hause. In Schwe<strong>de</strong>n wird während <strong>de</strong>r<br />

Herbst- und Wintermonate länger gearbeitet, dafür geht man<br />

dann in <strong>de</strong>n Sommermonaten Juli und August etwas früher nach<br />

Hause. Gewöhnungsbedürftig ist auch, dass fast ganz Schwe<strong>de</strong>n<br />

gleichzeitig im Juli vier bis fünf Wochen Urlaub macht.<br />

Die Schwe<strong>de</strong>n sind gemeinhin sehr ruhige Menschen. Bevor eine<br />

Entscheidung getroffen wird, egal ob privat o<strong>de</strong>r beruflich, dauert<br />

es oft sehr lange. So kann man sich bei Verkaufsverhandlungen mit<br />

Kun<strong>de</strong>n durchaus mehrere Male treffen, bevor auch nur die<br />

kleinste Entscheidung fällt. Dies ist im Vergleich zu <strong>de</strong>r Entscheidungsfindung<br />

bei <strong>de</strong>utschen Kun<strong>de</strong>n doch sehr an<strong>de</strong>rs und teilweise<br />

sehr zeitintensiv. Aber <strong>de</strong>r Schwe<strong>de</strong> ist Warten gewöhnt.<br />

Benötigt er zum Beispiel im Supermarkt einen Verkäufer, so zieht<br />

er eine Nummer und wartet, bis er an <strong>de</strong>r Reihe ist. Auch in allen<br />

öffentlichen Einrichtungen läuft ohne „Nummerziehen“ und Warten<br />

nichts.<br />

Ich kam vor vier Jahren als<br />

,harter’ <strong>de</strong>utscher Manager<br />

nach Schwe<strong>de</strong>n, doch<br />

heute hat sich mein Führungsstil<br />

stark<br />

gewan<strong>de</strong>lt.“<br />

Wer mit <strong>de</strong>m Gedanken spielt, nach Schwe<strong>de</strong>n zu gehen, sollte ein<br />

Naturliebhaber sein. Vieles spielt sich draußen ab. Die Schwe<strong>de</strong>n<br />

lieben ihr Land, lieben es zu angeln, im Sommer in einem <strong>de</strong>r<br />

24.000 Seen zu ba<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r segeln zu gehen. In keinem an<strong>de</strong>ren<br />

Land gibt es so viele Segel- und Motorboote wie in Schwe<strong>de</strong>n.<br />

Auch ich wur<strong>de</strong> „infiziert“, seit zwei Jahren bin ich mit meiner Frau<br />

und meinem Sohn fast je<strong>de</strong>s Wochenen<strong>de</strong> mit unserem Segelboot<br />

in <strong>de</strong>n Stockholmer Schären unterwegs.<br />

”67<br />

67


karriereführer hochschulen<br />

2. 2008<br />

03 Ausland<br />

Fjor<strong>de</strong>, Berge<br />

Foto: Statkraft<br />

und Wasserkraft<br />

Flache Hierarchien und<br />

eine offene Arbeitskultur<br />

bieten norwegische<br />

Unternehmen und locken<br />

damit auch <strong>de</strong>utsche<br />

Arbeitnehmer – trotz<br />

langer Winter – in das<br />

skandinavische Land.<br />

Ein Erfahrungsbericht von<br />

Carsten Poppinga<br />

Es war Januar, als starker Schneefall einsetzte. Unsere Bleibe<br />

nordwestlich von Oslo, welche sich so einschmeichelnd romantisch<br />

bei <strong>de</strong>r Besichtigung im Spätsommer ausgenommen hatte, versank<br />

innerhalb von Tagen in meterhohen Schneemassen. Der kleine<br />

Anstieg zum Wohngebiet wur<strong>de</strong> so manches Mal zu einer unüberwindlichen<br />

Hür<strong>de</strong> für unser „kontinentales“ Auto. Dies war <strong>de</strong>r<br />

Beginn unseres Aufenthaltes in einem <strong>de</strong>r schönsten Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt.<br />

Bereits seit 2001 arbeitete ich als promovierter Mathematiker in<br />

Düsseldorf in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Han<strong>de</strong>lsnie<strong>de</strong>rlassung <strong>de</strong>s größten<br />

norwegischen Stromerzeugers Statkraft, <strong>de</strong>r sich zu 100 Prozent im<br />

Staatsbesitz befin<strong>de</strong>t. Für meinen Schritt, 2005 einen dreijährigen<br />

Vertrag im Statkraft Head Office in Oslo anzunehmen, gab es<br />

hauptsächlich zwei Grün<strong>de</strong>: zum einen meine Affinität zu Norwegen<br />

und zum an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>r Enthusiasmus, im Heimatland eines auf<br />

umweltfreundlicher Wasserkraft und flexibler Energieerzeugung<br />

basieren<strong>de</strong>n Unternehmens zu arbeiten. So packten meine Frau,<br />

meine Kin<strong>de</strong>r und ich die Koffer und zogen nach Norwegen.<br />

68


karriereführer hochschulen<br />

2. 2008<br />

03 Ausland<br />

Foto: Statkraft<br />

”<br />

In Oslo traf<br />

ich auf eine sehr auf<br />

Kompetenz ausgelegte<br />

offene Arbeitskultur.<br />

Dies erleichterte mir die<br />

tägliche Arbeit erheblich.“<br />

Seit März 2008 sind wir zurück in Düsseldorf, wo sich das im<br />

Wachstum befindliche Unternehmen in <strong>de</strong>r Zwischenzeit erheblich<br />

vergrößert hatte.<br />

Der nordische Arbeitsstil bei Statkraft zeichnet sich sowohl in<br />

Deutschland als auch in Norwegen durch flache Hierarchien und<br />

informelle Kommunikation aus. Auch in Oslo traf ich auf eine sehr<br />

auf Kompetenz ausgelegte, offene Arbeitskultur. Dies erleichterte<br />

mir die tägliche Arbeit – die Analyse und Messung kommerzieller<br />

Risiken im Energiehan<strong>de</strong>l – erheblich. Hinzu kommen innerhalb <strong>de</strong>s<br />

gesamten Konzerns eine sehr hohe Geschäftsethik sowie die Vision,<br />

führen<strong>de</strong>r Anbieter für erneuerbare Energie in Europa zu sein –<br />

Standpunkte, die vermutlich ebenfalls viele <strong>de</strong>utsche Arbeitnehmer<br />

ansprechen.<br />

Norwegen ist aber nicht nur <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>rzeit ein beliebtes Auswan<strong>de</strong>rerziel<br />

auch für <strong>de</strong>utsche Arbeitnehmer. Wen es hierhin zieht, <strong>de</strong>r<br />

muss einiges beachten: Überlebenswichtig ist <strong>de</strong>r Erhalt <strong>de</strong>r Personen-<br />

o<strong>de</strong>r Fødselsnummer, ohne die im Land fast gar nichts geht –<br />

zum Beispiel das Eröffnen eines Bankkontos. Zur Sprache ist zu<br />

sagen, dass man sich nicht auf die guten Englischkenntnisse <strong>de</strong>r<br />

Norweger verlassen sollte, da dies die soziale Integration auch bei<br />

<strong>de</strong>r Arbeit naturgemäß stark behin<strong>de</strong>rt. Norwegisch, zumin<strong>de</strong>st das<br />

in Oslo gesprochene Bokmǻl, ist für Deutsche relativ einfach zu<br />

erlernen, und Fehler wer<strong>de</strong>n einem durchweg verziehen. Ich hatte<br />

immer <strong>de</strong>n Eindruck, dass <strong>de</strong>r Gebrauch <strong>de</strong>s Norwegischen, so rudimentär<br />

es auch sein mochte, einem sehr positiv angerechnet<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Für Menschen, die sich von kalten und dunklen Wintern nicht schrecken<br />

lassen und überhaupt eine Liebe zu <strong>Skandinavien</strong> entwickelt<br />

haben, ist Norwegen als Wahlheimat also unbedingt zu empfehlen.<br />

Als Energieland par excellence bieten sich bei <strong>de</strong>n größeren Unternehmen<br />

wie zum Beispiel Statkraft o<strong>de</strong>r Statoil sehr interessante<br />

Aufgaben. Dabei ist <strong>de</strong>r Weg, über einen Austausch von <strong>de</strong>ren <strong>de</strong>utschen<br />

Nie<strong>de</strong>rlassungen aus nach Norwegen zu gehen, sicherlich <strong>de</strong>r<br />

einfachste. Doch auch in <strong>de</strong>n klassischen Handwerks- und Dienstleistungsbereichen<br />

wird im Land <strong>de</strong>r Vollbeschäftigung Personal<br />

gesucht. Lykke til – viel Glück – <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r es versucht!<br />

70


karriereführer hochschulen<br />

2. 2008<br />

03 Ausland<br />

„Friluftsliv“<br />

in Trondheim<br />

Ein offener Umgangston und<br />

eine familiäre Atmosphäre<br />

sind typisch für das Arbeits -<br />

leben in Norwegen. Ein positiver<br />

Erfahrungsbericht von<br />

Frie<strong>de</strong>rike Stüttgen, 26 Jahre,<br />

Diplom-Ingenieurin <strong>de</strong>r<br />

Lebensmitteltechnologie.<br />

Meinen ersten Institutsausflug als Doktorandin in Norwegen hatte<br />

ich mir an<strong>de</strong>rs vorgestellt. Natürlich mit gutem Essen und vielen<br />

Gesprächen. Aber dass man vorher in die Natur gescheucht wird, an<br />

Wettspielen teilnehmen und Fragen zur Allgemeinbildung beantworten<br />

muss, das hätte ich nicht gedacht. Erst anschließend hat man sich<br />

das Essen verdient, das allerdings im Zehnminutentakt von gemeinsamem<br />

Singen unterbrochen wird. Auch dass die Hälfte <strong>de</strong>r Professoren<br />

mit freiem Oberkörper in <strong>de</strong>r Sonne auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> sitzt, damit<br />

hatte ich nicht gerechnet. Inzwischen weiß ich, dass das typisch für<br />

Norwegen ist.<br />

Nicht nur an <strong>de</strong>r Uni, auch in norwegischen Firmen ist ein offener<br />

Umgangston wichtiger als jegliche Hierarchie. Wer eine Frage hat,<br />

klopft einfach beim Professor o<strong>de</strong>r Abteilungsleiter an, <strong>de</strong>n man<br />

natürlich duzt. Einen Termin braucht man nicht. Sowieso läuft in Norwegen<br />

alles etwas familiärer ab. Wer <strong>de</strong>nkt, Geheimnisse vor an<strong>de</strong>ren<br />

haben zu können, liegt falsch. Per SMS kann man <strong>de</strong>n Besitzer je<strong>de</strong>s<br />

beliebigen Autos samt Adresse und Telefonnummer herausfin<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>n Verdienst <strong>de</strong>s Vorgesetzten in Erfahrung bringen und die Steuererklärung<br />

absegnen, die einem bereits ausgefüllt zugestellt wird.<br />

Ursprünglich nach Norwegen gekommen bin ich 2006 als Austauschstu<strong>de</strong>ntin<br />

über das Erasmus-Programm. Begeistert zurück in Deutschland,<br />

war schnell klar, dass ich mich bei <strong>de</strong>r Stellensuche für eine Doktorarbeit<br />

nicht auf Deutschland beschränken wür<strong>de</strong>. Als am Institut<br />

für Biotechnologie an <strong>de</strong>r NTNU (Norwegian University for Science<br />

and Technology) in Trondheim Stipendienstellen ausgeschrieben wur<strong>de</strong>n,<br />

trat ich in Kontakt mit einem Professor, bewarb mich und hatte<br />

bald <strong>de</strong>n Job. Dabei war es eher nebensächlich, dass ich in Deutschland<br />

Lebensmitteltechnologie studiert hatte und nun mit Molekularbiologie<br />

arbeiten wollte; das Wichtigste waren gute Noten – Voraussetzung<br />

für ein Doktorstudium an norwegischen Unis.<br />

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Fotos: andrewl1980/Photocase, Daniel Zwick<br />

So kam es, dass ich 2007 – ein Jahr nach meinem ersten Aufenthalt –<br />

erneut auf <strong>de</strong>m Weg nach Norwegen war. Schnell musste ich feststellen,<br />

dass einiges komplizierter ist, wenn man für längere Zeit bleiben<br />

will. Ohne eine norwegische Personennummer funktioniert rein gar<br />

nichts. Man kann kein Bankkonto eröffnen, bekommt keinen Lohn,<br />

keinen Handyvertrag und keine Zugangskarte fürs Labor. Auf diese<br />

Nummer muss man allerdings etwa drei Monate warten, sodass die<br />

Anfangszeit etwas schwierig sein kann.<br />

Inzwischen aber habe ich einen geregelten Alltag. Meinen Arbeitsalltag<br />

kann ich mir relativ frei gestalten. Laut Vertrag soll ich 37,5 Stun<strong>de</strong>n<br />

pro Woche arbeiten, was allerdings niemand überprüft. Die<br />

meiste Zeit verbringe ich im Labor, wo ich zusammen mit an<strong>de</strong>ren<br />

Doktoran<strong>de</strong>n an verschie<strong>de</strong>nen Projekten arbeite. Mittags gehen wir<br />

nicht wie in Deutschland in die Mensa, son<strong>de</strong>rn treffen uns im<br />

„Lunsjrom“, wo je<strong>de</strong>r sein Butterbrot auspackt. Einmal in <strong>de</strong>r Woche<br />

wird diese gemeinsame Mittagspause von einem kleinen Vortrag<br />

begleitet.<br />

Trondheim<br />

Trondheim ist Norwegens drittgrößte<br />

Stadt. Sie liegt in Mittel-Norwegen<br />

etwa 70 Kilometer vom offenen Meer<br />

entfernt. Im Jahr 997 von einem<br />

Wikingerkönig gegrün<strong>de</strong>t, hat die<br />

Stadt eine bewegte Geschichte hinter<br />

sich. Mehrmals brannte sie ab; während<br />

<strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges war sie<br />

von <strong>de</strong>utschen Truppen besetzt.<br />

Heute leben 166.000 Einwohner in<br />

Trondheim – davon viele Stu<strong>de</strong>nten.<br />

Die Sprache stellt übrigens kein großes Hin<strong>de</strong>rnis dar. Viele Norweger<br />

freuen sich, wenn sie ihre Englischkentnisse unter Beweis stellen können,<br />

und Norwegisch ist für Deutsche verhältnismäßig einfach zu lernen.<br />

Eventuell muss man <strong>de</strong>n sogenannten „Bergenstest“, einen speziellen<br />

Sprachtest, vorweisen, auf <strong>de</strong>n man sich auch in Deutschland<br />

vorbereiten kann. Wer allerdings nach mehreren Sprachkursen<br />

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karriereführer hochschulen<br />

2. 2008<br />

03 Ausland<br />

Fotos: andrewl1980/Photocase, Daniel Zwick<br />

in Deutschland <strong>de</strong>nkt, er könne nun Norwegisch sprechen, liegt<br />

falsch. Das Sprachkursnorwegisch unterschei<strong>de</strong>t sich grundlegend<br />

von <strong>de</strong>m, was die Norweger sprechen, es gibt fast so viele Dialekte<br />

wie Einwohner und es ist völlig normal, dass man kein einziges Wort<br />

versteht. Ihren Dialekt legen die Norweger sehr ungern ab, dann sprechen<br />

sie doch lieber Englisch.<br />

Abschreckend für viele sind die hohen Preise in <strong>Skandinavien</strong>. Man<br />

sollte allerdings nicht vergessen, dass man auch besser verdient als in<br />

vielen an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn. Wer über eine Promotion nach<strong>de</strong>nkt, wird<br />

nirgendwo bessere wirtschaftliche Bedingungen vorfin<strong>de</strong>n als in Norwegen.<br />

Der Lohn für meine Promotionsstelle ist höher als <strong>de</strong>r für<br />

einen Ingenieur-Einstiegsjob in Deutschland.<br />

Die Universität<br />

Die Norwegian University for Science<br />

and Technology (NTNU) ist eine <strong>de</strong>r<br />

sieben Universitäten in Norwegen<br />

und mit etwa 20.000 Stu<strong>de</strong>nten die<br />

wichtigste. Sie ist bekannt für die<br />

gute Ausbildung im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Naturwissenschaften und <strong>de</strong>r Technologie.<br />

www.ntnu.no<br />

Was mir gut gefällt in meiner Wahlheimat ist, dass im Vergleich zu<br />

an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn die Familie in Norwegen eine große Rolle spielt.<br />

Man sieht viele junge Eltern, das Kin<strong>de</strong>rkriegen wird sehr unterstützt,<br />

und es ist völlig akzeptiert, dass man sich auf einen bestimmten Job<br />

bewirbt, um in <strong>de</strong>r Nähe von Freun<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Familie zu sein. Die<br />

Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Norweger an ihrem Land ist gera<strong>de</strong>zu ansteckend. Nicht<br />

umsonst beginnt die norwegische Nationalhymne mit <strong>de</strong>n Worten<br />

„Ja, wir lieben dieses Land ...“. Im norwegischen Alltag spielt „Friluftsliv“,<br />

also das Leben draußen, eine wichtige Rolle. An <strong>de</strong>n Wochenen<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n Hütten besucht o<strong>de</strong>r Spaziergänge im Wald unternommen.<br />

Fährt man an einem <strong>de</strong>r vielen Kin<strong>de</strong>rgärten vorbei, sieht man<br />

die Kin<strong>de</strong>r bei Wind und Wetter draußen toben – <strong>de</strong>nn für Norweger<br />

gibt es kein schlechtes Wetter, son<strong>de</strong>rn nur schlechte Kleidung.<br />

Wer allerdings eher ein Freund von stabilem Wetter ist, hat in Norwegen<br />

nichts zu suchen. Im Sommer sind Temperaturen oberhalb <strong>de</strong>r<br />

30-Grad-Marke genauso möglich wie Dauerregen und Nachtfrost.<br />

Durch die Küstennähe wechselt das Wetter schnell. Von etwa Anfang<br />

Dezember bis En<strong>de</strong> April liegt Schnee und an <strong>de</strong>r schwedischen<br />

Grenze sind Temperaturen unter -20 °C keine Seltenheit. Wer sich<br />

davon aber nicht stören lässt – so wie ich –, Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Natur hat<br />

und Familie und Freundlichkeit genauso wichtig fin<strong>de</strong>t wie die berufliche<br />

Karriere, wird in Norwegen gute Arbeits- und Lebensbedingungen<br />

fin<strong>de</strong>n.<br />

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