Eigenschaftslosigkeit als Eigenschaft. Soziale Arbeit ... - Systemagazin
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edition ferkel im systemagazin<br />
renden Kommentare - ihre Identitätsfrage bereits beantwortet hat? Was, wenn Sie sich für die <strong>Eigenschaft</strong>slosig-<br />
keit entschieden hat? Meine These lautet: <strong><strong>Eigenschaft</strong>slosigkeit</strong> ist die hervorragende und maßgebliche<br />
professionelle <strong>Eigenschaft</strong> der praktischen Sozialarbeit. Ihre ‚Schmuddeligkeit‘ ist nicht ihr Makel, sondern<br />
ihr Markenzeichen, nicht ihr Defizit, sondern ihre Kompetenz. Fast möchte ich sagen: <strong>Eigenschaft</strong>slos zu sein<br />
ist ihr Erfolgsrezept, Schmuddeligkeit ihr Prinzip, wenn ich nicht ganz genau wüsste, wie erfolg- und prinzipien-<br />
los sie unter Umständen ist.<br />
Eine solche These, die uns eine Paradoxie beschert, lässt sich nur mit einer paradoxieerfahrenen Denkform<br />
plausibel machen, einer Denkform, die mithin ebenso ver-rückt (vgl. von Foerster 1984, 1986) ist wie die Praxis<br />
der Sozialarbeit selbst. Dank Heinz von Foerster und seinen großartigen kybernetischen Beiträgen gibt es<br />
mittlerweile eine solche Denkform, und die soll hier zur Stützung unserer These und zur Reflexion der<br />
praktischen Leistungen der Sozialarbeit herangezogen werden. Heinz von Foerster möge uns verzeihen, wenn<br />
wir im folgenden versuchen, seine wohlkalkulierte Kybernetik in den Kontext der ‚schmuddeligen‘ Sozialarbeit<br />
einzuschleusen. Aber vielleicht war ja die Sozialarbeit immer schon eine ‚krypto-kybernetische‘ Veranstaltung,<br />
die ihre Eigenheit zwar ahnen, aber aufgrund herrschender Theoriemuster nicht aussprechen durfte. Nachdem<br />
nun aber diese opaken ‚observing systems‘ (von Foerster 1981, deutsch:1985) am wissenschaftlichen Horizont<br />
erschienen sind, könnte die Sozialarbeit recht ungeniert ihr ‚coming-out‘ feiern. Was dabei auf ihren Monitoren<br />
auftauchte, soll im folgenden in rasanter Kürze ausgemalt werden. Ich warne aber gleich vor: Getreu dem<br />
Motto, das Heinz von Foerster uns schenkte: „Schaffe Möglichkeiten!“ (vgl. von Foerster 1993a: 49), wird -<br />
anders <strong>als</strong> gewohnt - kein düsteres Bild der Defizite, Fehler und Restriktionen erscheinen, sondern ein<br />
hoffnungsvolles Bild, das von Möglichkeiten, Chancen und Freiheiten zeugt. Schönfärberei? Klar! Aber: „Honi<br />
soit qui mal y pense!“(1).<br />
1. Heinz von Foersters erkenntnistheoretisch angelegte Theorie der Beobachtung (vgl. von Foerster 1993a:<br />
25ff.; 1993d: 116ff.) verdanken wir die Bekanntschaft mit einer kuriosen Figur: der Figur des Beobachters,<br />
der nur deshalb etwas sieht, weil er seinen eigenen ‚blinden Fleck‘ (von Foerster 1993a: 26f.) nicht sieht. Die<br />
Merkwürdigkeit des Beobachters besteht nicht einfach nur darin, dass er immer irgend etwas übersieht, son-<br />
dern darin, dass er die Bedingung seines eigenen Sehens, den ‚blinden Fleck‘, nicht sieht. Ja, er darf ihn nicht<br />
sehen, weil sonst könnte er überhaupt nichts sehen/übersehen. Jede Beobachtung geschieht, wenn sie ge-<br />
schieht, blind, d.h. unter Absehung des ‚blinden Flecks‘. Jede Bestimmung ist eine Bestimmung im Unbe-<br />
stimmten und jede Entscheidung ist eine Entscheidung im Unentscheidbaren. Und damit ist im Grunde be-<br />
reits alles gesagt.<br />
Heinz von Foerster verfrachtet die Selbst- und Weltbeobachtung von der Ebene 1. Ordnung, auf der es um<br />
die direkte Bezeichnung von Dingen und Sachverhalten geht, auf die Ebene der Beobachtung 2. Ordnung,<br />
auf der Beobachter daraufhin beobachtet werden, wie und unter welchen Bedingungen sie die Welt be-<br />
obachten. „Beobachte den Beobachter!“ lautet seine Anweisung (vgl. von Foerster 1993d: 116ff.), und erst<br />
auf dieser Ebene rekursiver Beobachtungsverhältnisse gerät die skandalöse Blindheit eines Beobachters<br />
in den Blick. Sie ist skandalös, weil sie selbst noch den Beobachter des Beobachters betrifft, sich <strong>als</strong>o auf<br />
dritter, vierter, fünfter bis x-ter Ebene wiederholt und damit jede, wirklich jede Hoffnung auf einen festen<br />
Theodor Bardmann: <strong><strong>Eigenschaft</strong>slosigkeit</strong> <strong>als</strong> <strong>Eigenschaft</strong> S. 2 von 13