MERLINS TÖCHTER - im WurzelWerk
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leben und lieben<br />
ESOTERIK<br />
DIE ALTE RELIGION. Dass sie sich Hexen nennen, erklärt Eva<br />
Maria so: „Dieses Wort steht für uns für Naturnähe, für Spiritualität<br />
und Kontakt mit den Geistern und mit der Kraft der Erde.“<br />
Tatsächlich hat der Begriff Hexe <strong>im</strong> Zuge der Esoterikwelle eine<br />
Wandlung durchgemacht. Spitze Hüte, Zauberkräutlein und Warzen<br />
auf der Nase sind out – unter einer Hexe verstehen <strong>im</strong>mer mehr<br />
Menschen jemanden, der Kontakt zu den Wesenheiten der Natur<br />
sucht, die alten Götter aus der Vergessenheit holt und versucht,<br />
dort anzuknüpfen, wo das Christentum vor 1500 Jahren einen<br />
tiefen Schnitt durch die europäische Spiritualität machte.<br />
Manche machen es wie Mara, Yasmina und Kyra: Sie begeben<br />
sich in die Natur, versuchen zu spüren und zuzuhören und entwickeln<br />
so ihre spirituellen Erkenntnisse, Rituale und Tänze. Andere,<br />
die authentische Wurzeln alten Wissens suchen, müssen sich<br />
mangels Überlieferungen auf das berufen, was die großen Esoteriker<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts veröffentlichten – und sich den Rest<br />
zusammenre<strong>im</strong>en. So auch der pensionierte englische Beamte<br />
Gerald B. Gardner, der Ende der Vierziger die heute größte Hexenbewegung<br />
ins Leben rief: Wicca. Der Name wird als alte Bezeichnung<br />
für Witch (Hexe) erklärt. Und obwohl Wicca eine Bewegung<br />
des 20. Jahrhunderts ist, nennt sie sich in Berufung auf eventuelle<br />
vorchristliche<br />
Wurzeln „die alte<br />
Religion“.<br />
DIE HEXEN-PRIESTERIN. Um mehr über die religiösen Inhalte<br />
von Wicca zu erfahren, durchkämme ich das Internet – und<br />
stoße auf eine waschechte Wicca-Priesterin: Anufa Ellhorn, 36.<br />
Zur Verabredung in einem Wiener Café erscheint sie in einem<br />
geblümten Kleid mit weitschwingendem Rock, um den Hals trägt<br />
sie eine Mondsteinkette mit einem großen, weithin sichtbaren<br />
Pentagramm. Dazu rotblondes, langes Haar – die Inkarnation des<br />
Hexen-Klischees. Ihre zupackende, resolute Art holt mich jedoch<br />
136 WIENERIN NOVEMBER 2001<br />
KINDER DER ERDE<br />
Blumenkränze flechten, Steine sammeln, den<br />
H<strong>im</strong>mel betrachten, die Schöpfung feiern –<br />
alltägliche Anblicke bekommen eine völlig<br />
neue D<strong>im</strong>ension.<br />
HEXENHAUS<br />
Ein kleines Häuschen am Semmering wird<br />
zum Sammelpunkt für Hexen und solche, die<br />
es werden wollen. Rundherum nur Wälder,<br />
Wiesen und Bäche.<br />
Magie bedeutet, willentlich auf einer anderen Ebene …<br />
wieder auf den Teppich. „Ersparen Sie mir bitte die Klischees von<br />
Besenreiten und Liebeszauber“, sagt sie zur Begrüßung, „ich kann<br />
das alles nicht mehr hören.“ Anufa („Mein Name ist ein Anagramm<br />
aus meinem Geburtsnamen und der Rune für Heilung,<br />
Ellhorn ist ein altes Wort für Holunder.“) befasst sich seit 15 Jahren<br />
mit Hexenkunst und ist initiierte Wicca-Priesterin nach<br />
Gardner. „Die Hexenkunst ist der Schamanismus von Europa“,<br />
ist ihre Definition der Hexenbewegung. „Und nun beginnen die<br />
Menschen, diese Wurzeln neu zu entdecken.“<br />
GEHEIME RITUALE. Viel will Anufa von der praktischen Arbeit<br />
ihres Wicca-Covens nicht erzählen. Nur so viel: „Ich leite meinen<br />
eigenen Coven (Hexenzirkel, Anm.) mit fünf festen und drei losen<br />
Mitgliedern“, erzählt sie. „Wir feiern die Jahreszyklen, nehmen<br />
Kontakt zur Natur und der Schöpfung auf und suchen Hilfestellung<br />
und Heilung.“ Zusatz: „Und wir arbeiten hart an uns selbst.“<br />
Denn <strong>im</strong> Mittelpunkt des Hexenglaubens stehe die spirituelle<br />
Weiterentwicklung, nicht Magie der Sorte Liebeszauber. „Magie<br />
kann schon passieren“, erklärt Anufa, „aber sie ist ein Nebenprodukt<br />
des spirituellen Weges, nicht Hauptzweck.“ Magie, wie<br />
Anufa sie definiert, spielt sich auf einer viel höheren Ebene ab:<br />
… eine Reaktion hervorzurufen, die sich <strong>im</strong> Diesseits zeigt.<br />
„Magie bedeutet, willentlich auf einer anderen Ebene eine Reaktion<br />
hervorzurufen, die sich <strong>im</strong> Diesseits zeigt.“<br />
In Wicca-Ritualen und Zeremonien werden Danksagungen<br />
vorgebracht und Antworten auf best<strong>im</strong>mte Lebensfragen gesucht.<br />
„Wer allerdings bei einem Ritual auf flammende Pentagramme an<br />
der Wand hofft, ist <strong>im</strong> Kino besser aufgehoben“, bemerkt Anufa<br />
trocken. „Die großen Erfahrungen spielen sich meist <strong>im</strong> Inneren ab.<br />
Aber die sind nicht weniger spannend.“<br />
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